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Ein junger Mann sucht seinen Platz in der Welt: Der Sohn einer schwarzen Mutter und eines Latino-Vaters wird in Houston erwachsen. Er arbeitet im Restaurant seiner Familie, trotzt den Schlägen seines Bruders, muss zusehen, wie sein Vater langsam verschwindet. Und er entdeckt, dass er Jungs mag. Seine Geschichte wird verwoben mit Erzählungen über das Leben anderer Menschen der Stadt: Eine Affäre zwischen einer verheirateten Frau und einem Weißen eskaliert im Einwandererviertel; der Besuch einer Cousine aus dem krisengebeutelten Jamaika stellt alles auf den Kopf; ein lokaler Drogendealer nimmt…mehr

Produktbeschreibung
Ein junger Mann sucht seinen Platz in der Welt: Der Sohn einer schwarzen Mutter und eines Latino-Vaters wird in Houston erwachsen. Er arbeitet im Restaurant seiner Familie, trotzt den Schlägen seines Bruders, muss zusehen, wie sein Vater langsam verschwindet. Und er entdeckt, dass er Jungs mag. Seine Geschichte wird verwoben mit Erzählungen über das Leben anderer Menschen der Stadt: Eine Affäre zwischen einer verheirateten Frau und einem Weißen eskaliert im Einwandererviertel; der Besuch einer Cousine aus dem krisengebeutelten Jamaika stellt alles auf den Kopf; ein lokaler Drogendealer nimmt sich orientierungsloser Teenager an, und zwei junge Männer meinen, einen unglaublichen Fund am Straßenrand gemacht zu haben. Mit einfühlsamem Blick auf das, was eine Gemeinschaft ausmacht, geht Bryan Washington dem Leben in all seinen schonungslosen und unbeständigen Formen nach.
Autorenporträt
Bryan Washingtons Prosatexte und Essays erschienen u. a. in der New York Times, dem New York Magazine, Buzz Feed und One Story. Sein Schreiben wurde mehrfach ausgezeichnet: Für sein Debüt Lot, eine Kurzgeschichtensammlung, erhielt er den Dylan Thomas Prize, er war einer der Gewinner des National Book Award in der Kategorie "5 Under 35" und Preisträger des Ernest J. Gaines Award for Literary Excellence. Sein Romandebüt "Dinge, an die wir nicht glauben" ist in den USA ein Bestseller und wird als TV-Serie verfilmt. Er lebt in Houston, Texas.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension

Rezensent Carsten Hueck findet Gefallen an der rohen Erzählweise von Bryan Washington. In seinem Debüt, einem Erzählband mit 13 Geschichten, befasst sich der Times- und New-Yorker-Journalist mit dem rauen Leben in den einstigen "Einwanderervierteln" im texanischen Houston mit ihren afroamerikanischen oder hispanischen Bewohnern, die sich zwischen Drogen, Revierkriegen und Problemen mit weißen Besuchern irgendwie durchschlagen. Wie Washington "unsentimental", aber doch emotional tiefgründig von verschiedenen Figuren erzählt, immer aus der Ich-Perspektive eines namenlosen schwulen Jungen, den die Loyalität gegenüber seiner Mutter an die Gegend bindet, beeindruckt den Kritiker. Sprachlich gehe es dabei lässig-abfällig zu - "Crack-Nutten Schulen" und "verblödete Schwuchteln" zitiert Washington hier exemplarisch -, was Übersetzer Werner Löcher-Lawrence lebendig zu übertragen wisse; beispielsweise durch die Übernahme einzelner spanischer Phrasen. Packende und atmosphärisch dichte Erzählungen, die nicht die "Tristesse stilisieren", lobt Hueck.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.08.2022

Erst der Sturm, dann die Weißen
In „LOT“ erzählt Bryan Washington traumwandlerisch gekonnt vom prekären Leben im East End von Houston
Mit Bryan Washingtons Erzählungsband „LOT. Geschichten einer Nachbarschaft“ in der Hand könnte man ohne Weiteres das East End von Houston, Texas, erwandern, von einer Story zur anderen, von der U-Bahnstation zum Park, zu einer Mall oder auch, warum nicht, zu einem Parkplatz: Die Titel der Geschichten folgen dem Stadtplan. Ratsam allerdings erscheint ein solcher ein Spaziergang nicht unbedingt. Die Verbrechensrate im East End liegt fast 50 Prozent über dem Landesdurchschnitt, die Gewaltkriminalität sogar um über 90 Prozent. Davon gewinnt man in den Geschichten selbst eine ziemlich genaue Vorstellung: „Hier werden geklaute Autos zerlegt“, heißt es einmal, „und zwischen kaputten Waschsalons lungern die Abuelas wie Vogelscheuchen an den Ecken herum, kurz, es gibt keinen Grund herzukommen, es sei denn, du bist ein Kind von hier. Oder pleite. Oder du bist hier gestrandet wie Ma.“
Von Houstons glänzender Fassade, seinen den Öl-Millionären und NASA-Managern sieht man hier nichts. Im East End sammeln sich legale und illegale Einwanderer, Menschen aus Mexiko, Haiti, Thailand, Puerto Rico, Vietnam, Kuba oder Jamaika, Weiße sind in der Minderheit, und entsprechend zusammengewürfelt ist auch die Sprache, die hier gesprochen wird – ein Grundbestand an spanischen Vokabeln kann beim Lesen hilfreich sein.
Ein Stück Heimatliteratur der besonderen Art ist „LOT“ also, und der selbst auch in Houston lebende, 1993 geborene schwule Autor Bryan Washington rückt den Alltagsrassismus der Bewohner des Viertels wie auch deren jäh in physische Brutalität umschlagende Homophobie in vielen seiner Erzählungen ins Zentrum.
In sieben lose miteinander verbundenen Geschichten erzählt Washington auch, wie die Beziehungsmuster einer jamaikanisch-mexikanischen Einwandererfamilie Gestalt annehmen. Der älteste, etwa 20-jährige Sohn Javi ist ein Großmaul und Nichtsnutz. Er handelt mit Drogen und bringt ansonsten seine Zeit im Bett mit Mädchen aus der Nachbarschaft zu. Später geht er zur Army und kommt bei einem Unfall um. Seine Schwester Jan hat das College absolviert, ist dann aber von einem „Whiteboy“ schwanger geworden, inzwischen lebt sie mit ihrer Familie in einem anderen Stadtteil. Der Jüngste, dessen Namen Nicholás wir erst in der letzten Erzählung erfahren, ist der Ich-Erzähler: verträumt, gerade dabei, seine schwule Sexualität zu entdecken, und die Stütze seiner Mutter in dem Restaurant, das sie im Erdgeschoss ihres Hauses betreibt. Der Vater hat die Familie wegen einer weißen Frau aus einem besseren Viertel verlassen.
Wie überhaupt von hier weggeht, wer es nur irgendwie hinkriegt. Über Nicholás’ Mutter heißt es: „Mas Tochter hatte sie verlassen. Ihr Sohn hatte sie verlassen. Ihr Mann hatte sie verlassen. Also konnte ich sie nicht auch noch verlassen.“ Und doch wird es die Mutter sein, die das Restaurant verkauft und zurück zu ihren Schwestern nach Jamaika zieht; der jüngste Sohn muss allein klarkommen. Man hat keinen Zweifel, dass ihm das gelingen wird, was mit der zupackenden und präzisen Art zu tun hat, in der er von seinem Viertel und seinen Leuten erzählt: Wer so wach ist, wird schon nicht untergehen.
Auch Bryan Washingtons Debüt-Roman „Dinge, an die wir nicht glauben“, der 2020 auf Deutsch erschien (und im Original „Memorial“ hieß, benannt nach einer traditionsreichen Houstoner Mall), spielt in einem Restaurant und erzählt von jungen schwulen Schwarzen – allerdings gibt es in diesem Buch noch einen zweiten, exotischen Schauplatz, nämlich Osaka.
Diese Erzählungen nun sind früher entstanden und oft zunächst in namhaften Magazinen erschienen. 2019 brachten sie ihn schon auf die renommierte Liste der fünf vielversprechendsten amerikanischen Autoren unter 35 der National Book Foundation. Mit 25! Washington durchmisst im neuen Band ein geografisch und sozial eng umrissenes Territorium. Es steht etwa in einer Art East-Side-Story ein schwarz-weißes Liebespaar einem Chorus von Nachbarn gegenüber, die lange stumm mit Blicken verfolgen, wie die jamaikanische Schönheit Aja und der „Whiteboy“ James („er hatte was“) einander in ihrer glühenden Leidenschaft nicht mehr widerstehen können – dann hinterbringen sie es Ajas Ehemann Paul, und dessen Rache nimmt ihren Lauf.
In der Geschichte über junge Stricher, die ein fürsorglicher und nur wenig Älterer von der Straße aufliest und gegen einen geringen Betrag bei sich wohnen lässt, bis er sich mit Aids infiziert, implodiert am Ende die Wohngemeinschaft. In einer anderen Erzählung schließlich reden sich zwei Jungs ein, sie hätten ein Fantasiewesen namens „Chupacabra“ gefangen, und versuchen damit mediale Aufmerksamkeit zu bekommen, um reich und berühmt zu werden – eine Pubertätsgeschichte mit einem fantastischen Finale.
Mit großem erzählerische Selbstbewusstsein experimentiert Bryan Washington hier mit Stoffen, Perspektiven und Tonlagen. Im Jahr 2017 fällt der Hurricane Harvey in die Stadt ein und reißt mit sich, was nicht mehr genug Widerstandskraft besitzt: Häuser, Bäume, Autos, Menschen. Danach beginnt in ersten Ansätzen die Gentrifizierung, auch Houstons East End wird sich verändern, mehr und mehr „Blancos“ werden in die bald schmuck hergerichteten Häuser einziehen. „Irgendwann müssen Niggas nehmen, was sie kriegen“, hat Nicholás „Ma“ ihrem Sohn als Lebensregel mitgegeben. Für diesen Autor aber mit seinen traumwandlerisch gekonnt erzählten Szenen aus den unteren Zonen der Gesellschaft trifft das ganz und gar nicht zu: Bryan Washington hat keinen Grund, bescheiden zu sein.
FRAUKE MEYER-GOSAU
2019 stand er auf der Liste
der fünf vielversprechendsten
US-Autoren unter 35
Bryan Washington: LOT. Geschichten einer
Nachbarschaft. Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence. Kein & Aber, Zürich 2022.
240 Seiten, 23 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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»Die Erzählungen des literarischen Shootingstars Bryan Washington zeigen den ganz normalen Alltag von Abgehängten in lässig direkter Sprache.« Carsten Hueck, DLF Büchermarkt, 09.09.2022 Carsten Hueck Deutschlandfunk 20220909