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Das Ehepaar Mangold wird eines Sonntagmorgens böse überrascht: Die von der Polizei gesuchte Exfreundin des Sohnes steht vor der Tür und bittet um Hilfe. Mit ihrer Ankunft werden Erinnerungen aufgewühlt, die die beiden Alten tief vergraben hatten. Ein Drama um uneingestandene Schuld und unerlöstes Gewissen, erzählt mit feinem Gespür und literarischer Raffinesse von einem der brillantesten Autoren der Gegenwartsliteratur in der Schweiz.

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Produktbeschreibung
Das Ehepaar Mangold wird eines Sonntagmorgens böse überrascht: Die von der Polizei gesuchte Exfreundin des Sohnes steht vor der Tür und bittet um Hilfe. Mit ihrer Ankunft werden Erinnerungen aufgewühlt, die die beiden Alten tief vergraben hatten. Ein Drama um uneingestandene Schuld und unerlöstes Gewissen, erzählt mit feinem Gespür und literarischer Raffinesse von einem der brillantesten Autoren der Gegenwartsliteratur in der Schweiz.
Autorenporträt
Erwin Koch, geboren 1956, lebt in der Nähe von Luzern. Er studierte die Rechte in Fribourg und arbeitet seit dreißig Jahren als Reporter, etwa für Die Zeit, den Spiegel und Das Magazin. Bei Nagel & Kimche veröffentlichte er bislang den Roman Sara tanzt, der 2003 mit dem Mara-Cassens-Preis für das beste deutschsprachige Romandebüt ausgezeichnet wurde, und den Roman Der Flambeur (2005).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.04.2009

Die Wahrheit, die bleibt

Nachruf auf die eigenen Eltern: Erwin Kochs Werk entzündet sich an den Kontaktzonen von Literatur und Journalismus. Mit seinem Roman "Nur Gutes" hat der Schweizer ein spannendes Kammerspiel vorgelegt.

Über die Toten solle man nur Gutes sagen, hieß es schon bei den Römern. Deshalb erwartet niemand von einem Nachruf die ganze, volle Wahrheit über einen Menschen. Unwahrer als andere journalistische Textsorten ist der Nekrolog deswegen nicht. Schließlich weiß man um seine retuschierende Tendenz. Denkbar ist sogar, dass seine Form die ausgesparte Schattenseite indirekt sichtbar werden lässt, als leeren Umriss gleichsam, dessen Ergänzung dem Leser anheimgestellt bleibt.

Im Roman des Schweizer Autors Erwin Koch, Jahrgang 1956, ist der Ich-Erzähler ein professioneller Nekrologe. Für das Lokalblatt redigiert dieser Simon Mangold die zur Veröffentlichung eingesandten Nachrufe, brütet sich dazu "hinein in die Intention des Schreibers. Was ist ... ihm unverzichtbar? Was verschweigt oder beleuchtet er aus welchem Grund?" Jetzt muss er den Nachruf auf seine eigenen Eltern schreiben. Das Pastorenehepaar einer kleinen Gemeinde in der Schweiz ist auf schneeglatter Fahrbahn verunglückt, zugleich aber verwickelt in einen Kriminalfall, der auch mit Simon Mangold selbst zu tun hat. Die Form, die der Sohn wählt, ist alles andere als zeitungstauglich: Es ist die eines perspektivisch zersplitterten, Dialoge, Träume, Gedanken und Erinnerungen seiner Figuren wiedergebenden Romans, eben der Roman "Nur Gutes".

Wie schon in den beiden vorangegangenen Werken entzündet sich auch diesmal Kochs literarisches Schreiben an den Kontaktzonen von Journalismus und Literatur. Für die Romane "Sara tanzt" (2003) und "Der Flambeur" (2005) nahm er eigene Reportagen zum Ausgangsmaterial. Die journalistisch gefilterte Realität wurde fiktionalisiert, um den Stoffen ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung abzugewinnen. Im neuen Roman ist das Verhältnis von Realität und Fiktion nun noch ein wenig komplexer.

Denn was Simon Mangold hier erzählt, den letzten Tag im Leben seiner Eltern, ist über weite Strecken eine Rekonstruktion. Man könnte auch sagen: Simons Erfindung oder gar seine Wunschphantasie. Er selbst war schließlich nicht dabei, als es am Morgen dieses Tages überraschend klingelte und nach sechzehn Jahren plötzlich Anna Baumer vor der Tür seines Elternhauses stand. Dennoch stellt der Erzähler keine Vermutungen an, er spricht im Indikativ.

Anna Baumer ist Simons frühere Freundin. In ihrer Jugend haben sich die beiden als Terroristen versucht. Sie entführten die Frau des Bankdirektors und versteckten sie im Kirchturm. Motiviert hatte sie ein diffuser Linksidealismus, der sie "Menschlichkeitspläne, Gerechtigkeitspläne, Freiheits- und Gleichheits- und Schwesterlichkeitspläne, Umweltpläne, Pläne aller Art" schmieden ließ, wie Anna Baumer Simons Eltern sechzehn Jahre später am Küchentisch erklärt.

Für die Tat musste Simon nur ein paar Monate absitzen; seither verläuft sein Leben in bürgerlichen Bahnen, wenn auch das Verhältnis zum Vater zerrüttet ist. Anna hingegen wurde als vermeintliche Anstifterin zu neun Jahren Haft verurteilt, konnte später aus dem Gefängnis fliehen und war seither verschwunden. Nun ist sie wieder da, weil sie das Grab ihres verstorbenen Vaters besuchen will.

Was Simons Eltern zunächst nicht wissen, ist der Umstand, dass Anna zuvor auf dem Friedhof überrascht wurde und den Friedhofswärter niedergeschossen hat, der im Laufe des Tages stirbt. Als die Polizei das Viertel abriegelt, sitzt Anna bei Simons Eltern fest, und aus dem spontanen Kurzbesuch wird unfreiwillig ein längerer Aufenthalt. Erst tasten sich die Eingeschlossenen vorsichtig ab, dann erzählen sie einander bislang Ungesagtes, bis zuletzt das Unerhörte geschieht: Simons Vater, ein rechtschaffener Mann, verhilft Anna durch eine Lüge zur Flucht, und das, obwohl der Pastor inzwischen vom Tod des Friedhofswärters weiß. Die Tat ist das Rätsel, um das der Nachruf des Sohnes kreist. Half der Vater Anna aus Angst, sie könnte auch ihm und seiner Frau etwas antun? Oder weil der verstorbene Vater Annas sein bester Freund gewesen war? Oder handelte er aus schlechtem Gewissen seinem Sohn gegenüber?

"Nur Gutes" liest sich über weite Strecken als spannendes Kammerspiel, auch aufgrund seiner sympathisch schlichten, präzisen Sprache. Inhaltlich wäre weniger freilich mehr gewesen. Auch sorgt die Erzählkonstruktion dafür, dass am Ende wenig mehr als Ratlosigkeit bleibt: Was hat es etwa mit den Kindheits- und Eheerinnerungen auf sich, die der Erzähler den Figuren in den Mund legt, in welcher Beziehung stehen sie, wenn überhaupt, zu der Familientragödie von vor sechzehn Jahren? Für Simon Mangold ist ein Nachruf "die letzte Wahrheit. Alle früheren Wahrheiten hebt er auf." Sein Nekrolog auf seine Eltern hängt jedoch zu sehr im Ungewissen, als dass er auch nur als retuschierte Wahrheit überzeugte.

OLIVER PFOHLMANN

Erwin Koch: "Nur Gutes". Roman. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2008. 176 S., geb., 17,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit großem Lob bedenkt Andrea Lüthi diesen Roman von Erwin Koch um ein Pfarrerehepaar, das eines Sonntagmorgens von der Jugendliebe ihres Sohnes überrascht wird, die von der Polizei gesucht wird. Zum einen findet sie den Roman höchst spannend, entwickelt sich doch zwischen den drei Personen - der Sohn steckt wegen der Abriegelung des Quartiers durch die Polizei mit dem Auto fest - ein "packendes Kammerspiel". Lüthi hört die Luft hier förmlich knistern, so viel Unausgesprochenes schwebt im Raum. Zum anderen schätzt sie den Erzählstil des Autors, den sie als "verdichtet" und zugleich "schwerelos" beschreibt. Schon wegen Kochs Sprachkunst ist das Buch für sie ein "nachhaltiges Lesevergnügen".

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