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In einer Projektwoche soll der 14-jährige Lanz einen Blog schreiben. Erst sträubt er sich, doch dann breitet er rückhaltlos sein Leben aus: die seit der Trennung der Eltern gespaltene Familie, die Kompliziertheit zweier Zuhause, die Ödnis seiner Kindheit in einem Dorf in der Schweiz, seine Probleme mit dem Erwachsenwerden ... Und dann sind da noch die misslungenen Annäherungsversuche an Lynn, derentwegen er sich überhaupt erst für den Blogger-Kurs angemeldet hat. Mit einem unwiderstehlichen Sog erzählt Flurin Jecker in seinem Debütroman von einem Jungen, der die Zumutungen der Welt…mehr

Produktbeschreibung
In einer Projektwoche soll der 14-jährige Lanz einen Blog schreiben. Erst sträubt er sich, doch dann breitet er rückhaltlos sein Leben aus: die seit der Trennung der Eltern gespaltene Familie, die Kompliziertheit zweier Zuhause, die Ödnis seiner Kindheit in einem Dorf in der Schweiz, seine Probleme mit dem Erwachsenwerden ... Und dann sind da noch die misslungenen Annäherungsversuche an Lynn, derentwegen er sich überhaupt erst für den Blogger-Kurs angemeldet hat. Mit einem unwiderstehlichen Sog erzählt Flurin Jecker in seinem Debütroman von einem Jungen, der die Zumutungen der Welt kommentiert, und das in einer eigenwilligen und wuchtigen, restlos glaubwürdigen Sprache.
Autorenporträt
Jecker, Flurin
Flurin Jecker, 1990 in Bern geboren, studierte Biologie, bevor er 2013 das Studium in Literarischem Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel begann. Nebenher arbeitete er als freier Journalist für die Berner Tageszeitung «Der Bund» sowie als Velokurier. Lanz ist Flurin Jeckers Abschlussarbeit am Literaturinstitut und zugleich sein erster Roman, für den er 2017 mit dem «Weiterschreiben»-Stipendium der Stadt Bern ausgezeichnet wurde. Jecker gibt Workshops in Kreativem Schreiben und lebt als freier Schriftsteller in Bern.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2017

Der Fänger in der Schweiz
Es freute ihn ultra: Flurin Jecker aktualisiert Salinger

Eine Erzählung, die einen Heranwachsenden beschreibt, braucht verschiedene Leser: jugendliche, erwachsene oder, das ist die dritte Möglichkeit, beide Altersgruppen. Jugendliche wollen sich identifizieren und prüfen die Lebenswelt, die Psychologie und die Sprache sehr genau auf ihre Glaubwürdigkeit. Und natürlich suchen sie in einem Buch auch nach etwas, das ihr eigenes Leben übersteigt. Denn sonst müssten sie ja nur zur Schule oder abends zu einer Party gehen und mit ihren Freunden sprechen. Seit Goethes "Werther", seit den Schülerromanen der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert, seit Salingers "Fänger im Roggen" und Herrndorfs "Tschick" spiegeln sie sich in literarischen Welten. Erwachsene dagegen lesen Adoleszenzromane sentimental und mit naturgegebener Distanz: Was hat man an dieser Schwelle verloren und was gewonnen? Ein Roman über das Heranwachsen bietet eine ideale Projektionsfläche für Erinnerungen. Daneben steht die ganz konkrete Frage, was das Leben der gegenwärtig Jungen eigentlich ausmacht.

Flurin Jecker, Biologe und freier Journalist, hat nach seinem Abschluss des Studiengangs "Literarisches Schreiben" am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel nun einen Debütroman mit dem Titel "Lanz" veröffentlich. Lanzelot ist der ritterliche Name des vierzehnjährigen Helden. Was können dieser heranwachsende Protagonist und sein junger Autor den Lesern verschiedenen Alters bieten? Lanzelot hat in der Schule das Projekt "Ich schreibe einen Blog" gewählt. Eigentlich möchte er diesen Blog bei seinem verhassten Klassenlehrer gar nicht schreiben, sondern hatte nur gehofft, dort ein bestimmtes Mädchen zu treffen. Einmal schlecht gelaunt am Computer, lässt er sich aber fortreißen und hält in schweizerischer Jugendsprache tagebuchartig Alltag, Wünsche und Erinnerungen fest.

Für Erwachsene hat der Umgang mit dem Blog einen Reiz. Denn der Junge schreibt wie besessen über die blöde Schule, das Mädchen Lynn, seine Eltern, die sich getrennt haben, weigert sich aber vorzulesen, bis der Lehrer brüllt: "Ist euch eigentlich klar, was für ein Projekt ihr gewählt habt? EIN BLOGGGG. Und was ist ein Blog? ÖFF-EN-TLICH! Zum LESEN. Man könnte meinen, ich würde euch foltern. Dabei seid ihr ja so aufgewachsen, dass ihr immer ALLEN ALLES zeigen müsst." Ältere Leser möchten schon gerne wissen, wie es sich mit dem Sich-Zeigen und Verbergen verhält, wie sich das Verhältnis zu Privatheit und Intimität durch die neuen Medien verändert. Aber nichts da, keine weiteren Diskussionen, statt dessen schlendert Lanz nach Hause, packt ein paar Sachen und haut einfach ab.

Er geht zu seinen Verwandten aufs Land. Der Junge sucht aber nicht das Weite und Fremde, sondern die nüchterne Herzlichkeit einer bäuerlichen Großfamilie und ein Stück seiner Kindheit. Auch wenn eine Kuh mit einem eingeklemmten Bein getötet werden muss und der Cousin den ersten Joint raucht, bleibt die Geschichte eher handlungsarm und für Jugendliche zu nahe am Alltag: "Es freute mich ultra, dass wir hier am Rauchen waren und ich morgen nicht zu Gilgi musste."

Flurin Jecker zielt auf Alltagswahrnehmung, nicht auf Abenteuer und Exzess. Denn Lanz reist, aber er reist nicht in einem geklauten Lada. Er ist empfindsam und labil, wandert nachts durch den Wald, heult, hasst Insekten im Gras, aber er ist nicht durchgeknallt wie Holden Caulfield. An dessen kunstvoll stilisiertem Slang hat sich Flurin Jecker durchaus orientiert und lässt seine Jungs und Mädchen eine Sprache sprechen, die verschärfte Mündlichkeit mit jeder Menge Kraftausdrücken, Übertreibungen, Emphasewörtern, Intensivierungen und reizvollem Schweizer Dialekt verbindet. Jugendliche Leser aber finden zu viel "ultra" und "Scheiß" schnell anbiedernd.

Manche Erwachsenen dagegen nennen das authentisch und finden die pubertäre Gefühlslage retrospektiv anziehend. Denn Lanz, der Held, macht Schritte nach vorn, löst Bindungen und will gleichzeitig zurück. Die Kindheit ist aber eine Lebensphase, die immer mehr in die Erinnerung rückt, eine Zeit, in der die Mutter den Jungen fest an den Füßen hielt, wenn er den Kopf aus dem Fenster des fahrenden Zugs in den Wind steckte. Jetzt sitzt er allein im Abteil und entfernt sich von seinen Eltern und ihren strikt getrennten Leben. Aus der Perspektive des Jungen zeigt uns Jecker die Anpassungsleistung, die ein Kind erbringt, und die Prägekraft der Entscheidung, die Erwachsene mit ihrem Auseinandergehen treffen. Gegenwärtige Erfahrungen, gut gemischte Gemütszustände, da braucht es selbst für ältere Leser nicht in jedem Satz Slang, damit sie glauben, dass hier ein Jugendlicher spricht und ein junger Autor einen schönen Anfang gemacht hat.

SANDRA KERSCHBAUMER

Flurin Jecker: "Lanz". Roman. Verlag Nagel & Kimche, Zürich 2017. 125 S., geb., 18,- [Euro].

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