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Manchmal kommt alles anders. Und das muss noch nicht einmal schlecht sein.
Eigentlich will Isabelle nur für ein paar unbeschwerte Tage in den Urlaub nach Italien fliegen. Doch dann bricht der ältere Herr, der ihr am Bahnhof zum Flughafen freundlicherweise den Koffer zu den Gleisen hinaufträgt, plötzlich tot zusammen. An Urlaub ist daraufhin für Isabelle nicht mehr zu denken. Denn nicht nur fühlt sie sich unschuldig schuldig an dem Tod des Unbekannten, sondern sie möchte auch unbedingt herausfinden, wer der Verstorbene gewesen ist. Und damit gerät sie in eine ebenso ungeheuerliche wie…mehr

Produktbeschreibung
Manchmal kommt alles anders. Und das muss noch nicht einmal schlecht sein.

Eigentlich will Isabelle nur für ein paar unbeschwerte Tage in den Urlaub nach Italien fliegen. Doch dann bricht der ältere Herr, der ihr am Bahnhof zum Flughafen freundlicherweise den Koffer zu den Gleisen hinaufträgt, plötzlich tot zusammen. An Urlaub ist daraufhin für Isabelle nicht mehr zu denken. Denn nicht nur fühlt sie sich unschuldig schuldig an dem Tod des Unbekannten, sondern sie möchte auch unbedingt herausfinden, wer der Verstorbene gewesen ist. Und damit gerät sie in eine ebenso ungeheuerliche wie geheimnisvolle Geschichte, die ihr gewohntes Leben völlig durcheinander rüttelt.
Autorenporträt
Franz Hohler wurde 1943 in Biel, Schweiz, geboren. Er lebt heute in Zürich und gilt als einer der bedeutendsten Erzähler seines Landes. Hohler ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Alice-Salomon-Preis und dem Johann-Peter-Hebel-Preis. Sein Werk erscheint seit über fünfzig Jahren im Luchterhand Literaturverlag.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.05.2014

Der Verdingbub
Ein Schweizer Lebensrätsel: Franz Hohlers Roman „Gleis 4“
Die Leserinnen seien gewarnt: Falls Ihnen demnächst ein freundlicher Herr am Bahnsteig mit dem Gepäck behilflich sein will, sollten Sie besser noch einmal innehalten und sich an Isabelle, die Protagonistin in Franz Hohlers jüngstem Roman, erinnern. Die, gerade von einer Gallenoperation genesend und auf dem Weg in den Italien-Urlaub, nimmt am Zürcher Hauptbahnhof das Angebot eines älteren Mannes an, ihren Koffer zum Gleis zu tragen. „Hätte sie geahnt, was dieser Satz für Folgen hatte, sie hätte abgelehnt, höflich, aber entschieden.“ Der hilfsbereite Mann nämlich überlebt die galante Geste nicht. Er erleidet vor ihren Augen einen tödlichen Herzinfarkt, und damit beginnt auch schon der ganze Schlamassel.
  Nicht nur, dass Isabelle ihren Zug verpasst. Die Nichtsahnende wird von der Polizei ausführlich befragt. Und im Trubel der Ereignisse kommt sie schließlich – als hätte sie durch das letzte Wort des Mannes, das „Bitte“ lautete, einen moralischen Auftrag empfangen – an das Handy des Toten. Das beginnt auch prompt zu klingeln, als sie wieder zu Hause ist. Ein unwirscher Mann am anderen Ende der Leitung macht unmissverständlich klar, dass er auf den Verstorbenen, den er noch unter den Lebenden wähnt, nicht gut zu sprechen ist. Immer wieder ruft er an und stößt dabei Drohungen gegen die Unbeteiligte aus.
  Natürlich wecken solche Anrufe eher die Neugier, als dass sie einen vor weiterem Tatendrang bewahren. Man möchte ja wissen, in welche Zwistigkeiten man unverschuldet hineingezogen wird. Und so kommt eins zum andern: Isabelle, die Stationsleiterin eines Altenheims, nutzt ihre Urlaubstage nicht zur Rekonvaleszenz, sondern kümmert sich um die Witwe der Bahnsteigbekanntschaft, die aus Kanada anreist. Und gerät in ein fremdes Leben, das erst posthum all seine Rätsel offenbart.
  Der Verstorbene mit Namen Martin Blancpain stammte nämlich aus der Schweiz, hieß einst Marcel Wyssbrod und gelangte vor Jahrzehnten illegal nach Kanada. Nicht einmal seiner Frau hatte er diese Geschichte anvertraut, und so macht sich das Duo, unterstützt von Isabelles Jura studierender Tochter, mit detektivischer Hartnäckigkeit auf die Suche nach dem vormaligen Leben des Mannes von Gleis 4.
  Franz Hohler, der in der Schweiz als Kabarettist mindestens so bekannt ist wie als Autor zahlreicher Romane, Hörspiele und Kinderbücher, erzählt in einem ruhigen, angenehm zurückgenommenen, gemächlichen Ton. Glaubt man zunächst, er inszeniere ein kurioses, literarisches Gedankenspiel über die Rolle des Zufalls in einer durchrationalisierten Welt, fühlt man sich zwischenzeitlich in einen Kriminalroman versetzt, um am Ende bei einem Kapitel unrühmlicher Schweizer Sozialpolitik zu landen: Marcel nämlich wurde als uneheliches Kind seiner Mutter weggenommen und als Verdingbub einer Bauernfamilie anvertraut, in der es rabiat zuging.
  Es sind die Vierziger-, Fünfzigerjahre, und die waren auch in der Schweiz keine gute Zeit für alternative Lebensentwürfe. Der Junge wurde damals nicht nur fortdauernd schikaniert, sondern auch eines schlimmen Vergehens bezichtigt, was die Einweisung in ein Erziehungsheim nach sich zog – keine Anstalt, in der sich ein Kind liebevoll aufgenommen fühlen konnte. Marcel hielt das Heim, das seinen Gefängnischarakter kaum kaschierte, nicht aus. Ihm gelang die Flucht; er heuerte als Seemann an, schaffte es bis nach Montreal, wurde Schiffskapitän und heiratete. Seine Vergangenheit aber ließ ihn verständlicherweise niemals los.
  Franz Hohler beschreibt das mit großer Sensibilität für das Unrecht, das dem Jungen widerfahren ist. Und er erzählt mit entlarvendem Gespür für die Absurditäten des sehr gründlichen Schweizer Amtswesens. Im Laufe dieses Romans drängt sich der aufklärerische, sozialkritische Aspekt seiner Geschichte allerdings ein wenig zu stark in den Vordergrund – da bleibt nicht mehr allzu viel Raum für ein literarisches Geheimnis. Aber das große Geheimnis eines gestohlenen und dann doch noch gelebten Lebens bleibt, und es kommt in diesem Roman zu seinem Recht.
ULRICH RÜDENAUER
  
  
  
  
  
Franz Hohler: Gleis 4.
Roman. Luchterhand Literaturverlag, München 2013. 220 Seiten, 17,99 Euro. E-Book 13,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2013

Kofferträger sterben früh
Franz Hohler geißelt die Schweiz von gestern

Was für unabsehbare Folgen aus harmlosen Alltäglichkeiten entstehen können, beschrieb Franz Kafka prägnant wie kaum ein anderer: Wer einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke folgt, so weiß es sein "Landarzt", gerät in Verstrickungen, die niemals wieder aufzulösen sind. Ganz so fatal geht es bei Franz Hohler zwar nicht zu, doch beginnt sein neuer Roman mit einer Wendung, die an Kafkas geheimnisvolle Szenerien erinnert: ",Darf ich Ihnen den Koffer tragen?' Hätte sie geahnt, was dieser Satz für Folgen hatte, sie hätte abgelehnt, höflich, aber entschieden."

Es dauert keine vier Seiten, bis offenbar wird, warum die Altenpflegerin Isabelle die Bitte des freundlichen älteren Herrn im Nachhinein lieber ausgeschlagen hätte: Denn kaum hat er ihren Koffer im Zürcher Vorortbahnhof Oerlikon die Treppe hinaufgetragen, fällt der Fremde auf dem Bahnsteig tot um. Natürlich fühlt sich Isabelle für den Tod des Mannes, der keinerlei Papiere bei sich trägt, verantwortlich. Das Handy des Toten gelangt zufällig in ihr eigenes Gepäck, und als wenig später verschiedene Drohanrufe eintreffen, wird die Szenerie immer geheimnisvoller. So beginnen Kriminalgeschichten, Spionagethriller oder düstere Parabeln.

Freilich wird Franz Hohler auch in seinem jüngsten Roman weder zu einem späten Kafka-Adepten noch zu einem helvetischen Hitchcock. Auch im Jahr seines siebzigsten Geburtstags bleibt er der aufklärerische und kritische Erzähler, als den man ihn kennt. Wieder geht er, wie in so vielen seiner früheren Romane und Erzählungen, streng mit seiner Heimat ins Gericht, geißelt Fremdenhass, bürgerliche Engstirnigkeit und Inhumanität, die im Namen von Sitte und Anstand ausgeübt wird. Stärker noch als mit der eigenen Gegenwart - das heutige Zürich gewinnt in Hohlers Schilderung durchaus sympathische, weltoffene Züge - rechnet er diesmal mit der schweizerischen Sozialpolitik vergangener Zeiten ab.

Denn bald stellt sich heraus, dass der kürzlich Verstorbene in der Schweiz aufwuchs, in jungen Jahren aber illegal nach Kanada ging und sich dort eine solide Existenz aufbaute, ohne je etwas über seine Jugend zu erzählen. Als seine Witwe in Zürich eintrifft, freundet sie sich schnell mit Isabelle an, die zur unfreiwilligen Zeugin seines Todes wurde. Gemeinsam mit Isabelles Tochter, der dunkelhäutigen Jurastudentin Sarah, machen sich die beiden Frauen nun daran, die Lebensgeschichte des Toten aufzudecken.

Die Identitätssuche auf Schweizer Art führt zu Sozialämtern, Bürgerämtern und Bezirksgerichten. Sperrige Begriffe wie "Vormundschaftsbehörde" und "Verschollenheitserklärung" spielen eine wichtige Rolle, eine sympathische Helferin stellt sich als veritable "Gerichtsschreiberstellvertreterin" vor. Bei so viel Bürokratie sorgen ein paar fiese Gestalten - Nachkommen eines noch fieseren Mannes - für Spannung, und schließlich gibt es sogar etwas Voodoo-Zauber und Gegenzauber im genossenschaftlichen Wohnungsbau.

Aber Franz Hohler geht es nicht um das bisschen ethnographischen Hokuspokus, den er als Erzähler selbst nicht allzu ernst nimmt. Stattdessen deckt er Schritt für Schritt die Etappen eines traurigen Lebenslaufs auf. Am Schicksal des Kanadiers Martin Blancpain, der in der Schweiz als Marcel Wyssbrod zur Welt kam, schildert der Erzähler die inhumanen Folgen jener schweizerischen Fürsorgepolitik, die noch in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts ledigen Müttern ihre Kinder wegnahm, um ihnen die angeblich drohende Verwahrlosung zu ersparen. Im Medium der Detektivgeschichte verbindet Hohler das Anliegen des Sozialaufklärers, der er seit langem ist, mit einigen spannenden, streckenweise auch amüsanten Passagen. Dass etwa die Urne mit den Überresten des Verstorbenen am Ende auf dem Zürcher Flughafen in die Zuständigkeit der Terrorabwehr fällt, ist ein ironisch-makabrer Seitenhieb auf das moderne Sicherheitsbedürfnis.

Sein Lesepublikum stellt Franz Hohler sich offenbar als überwiegend weiblich vor, dafür spricht allein schon das muntere Trio der helvetisch-kanadischen Detektivinnen. Die Männer, von denen der Roman erzählt, sind hingegen entweder üble Spießbürger oder bleiben blasse Nebenfiguren. Der einzige wirklich sympathische unter ihnen, der hilfsbereite Kofferträger, stirbt ja, kaum dass der Roman begonnen hat: schlechte Zeiten für Gentlemen.

SABINE DOERING

Franz Hohler: "Gleis 4". Roman.

Luchterhand Literaturverlag, München 2013. 220 S., geb., 17,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ganz schön üppig, was Franz Hohler auf 224 hier ausbreitet, staunt Ulrich Rüdenauer, der sich zunächst in einem "Gedankenspiel über die Rolle des Zufalls in einer durchrationalisierten Welt" und dann in einem Detektivkrimi wähnt, bevor sich der kritische Rückgriff auf ein düsteres Kapitel der Schweizer Sozialpolitik herauskristallisiert. Dann entfaltet sich das Schicksal eines Jungen in den selbst in der Schweiz nicht sonderlich liberalen Vierziger- und Fünfzigerjahren, der als unehelichen Kind seiner Mutter weggenommen und als "Verdingbub" einer Bauernfamilie anvertraut, dort schikaniert und schließlich in ein schlimmes Erziehungsheim gesteckt wurde, fasst der Rezensent beeindruckt zusammen.

© Perlentaucher Medien GmbH