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Ein Zwerg aus Gummi ist der Held ja sogar der Autor dieses Buches. Sein Geheimnis ist, daß er, wenn kein Mensch ihn anschaut, lebt. Sich bewegen kann, denken, fühlen. Er begleitet Uti jenen Jungen, der ihn mit seinem liebenden Blick erst lebendig gemacht hat durchs Leben (Utis Leben), lebt sein Zwergenleben, während der Junge erwachsen wird und ein Mann, ein fast schon alter Mann.

Produktbeschreibung
Ein Zwerg aus Gummi ist der Held ja sogar der Autor dieses Buches. Sein Geheimnis ist, daß er, wenn kein Mensch ihn anschaut, lebt. Sich bewegen kann, denken, fühlen. Er begleitet Uti jenen Jungen, der ihn mit seinem liebenden Blick erst lebendig gemacht hat durchs Leben (Utis Leben), lebt sein Zwergenleben, während der Junge erwachsen wird und ein Mann, ein fast schon alter Mann.
Autorenporträt
Urs Widmer, geboren 1938 in Basel, studierte Germanistik, Romanistik und Geschichte in Basel, Montpellier und Paris. Danach arbeitete er als Verlagslektor im Walter Verlag, Olten, und im Suhrkamp Verlag, Frankfurt. 1968 wurde er mit seinem Erstling, der Erzählung ¿Alois¿, selbst zum Autor. In Frankfurt rief er 1969 zusammen mit anderen Lektoren den ¿Verlag der Autoren¿ ins Leben. Für sein umfangreiches Werk wurde er u.a. mit dem Heimito-von-Doderer-Literaturpreis (1998) sowie dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg (2007) ausgezeichnet. Urs Widmer starb 2014 in Zürich.
Rezensionen
»Die Welt des Schweizer Schriftstellers Urs Widmer war voller absurder Komik und bizarrer Weltuntergänge.« Michael Krüger / Die Zeit, Hamburg Michael Krüger / Die Zeit Die Zeit

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.08.2006

Es dumpft ein Zwerg so vor sich hin
Warum eigentlich schreibt man schöne Literatur? Urs Widmer verfasst ein niederschmetternd schrulliges Buch über die eigene Kindheit
Es ist Pflicht und Vorrecht des Schriftstellers, das zunächst rein Private seiner Erfahrung und Einbildung dem größeren Kreis seiner Leser anheimzustellen. Doch welche Grenzen sollte er hierbei beachten? An welchem Punkt der Dehnung reißt die Saite, die sich zwischen dem Steg des Allgemeinen und dem Wirbel des Individuellen spannt, und lässt den tonlos abgerissenen Draht der bloßen Schrulle zurück?
Urs Widmer erzählt in seinem neuem Buch vom „Leben als Zwerg”. Der Umschlag zeigt ein bräunlich starres Gebilde, das erst nach fortgeschrittener Lektüre als der fossilisierte Rest eines etwa acht Zentimeter hohen Hartgummizwerges zu identifizieren ist. Zusammen mit sechzehn Kollegen bildete er einst das Herzstück der Spielzeugsammlung der Kinder Nana und Uti, in welch letzterem sich bereitwillig das Jugendbildnis des Autors zu erkennen gibt. Auch „Mami” und „Papi” sind mit von der Partie. Insgesamt sechs der sieben Zwergencharaktere aus Walt Disneys Schneewittchen-Film haben sie zu repräsentieren, sind also (was ihnen selbst verborgen bleibt) auf unbefriedigende Weise sowohl unkomplett als überzählig. Damit sie sich auseinanderhalten lassen, führen sie Namen wie Grausepp, Rotsepp, Himmelblöe, Bös alt, Bös neu, Lochnas. Der Erzähler selbst heißt nach seinem lila Jäcklein Vigolette alt - die Namen in ihrer trüben Besonderung schon bedeuten eine Zumutung an den Leser.
Und was spielt man so mit ihnen? Zum Beispiel „Zeheln”: Die Figuren werden mit den Fußsohlen aneinandergedrückt, der Zwerg, dessen Beine zuerst einknicken, hat verloren. Oder es ereignet sich das Folgende: „,Jetzt würde Grünsepp aufs Klo rennen, er hätte den Scheißer.‘ Grünsepp rannte aufs Klo, wurde vom Mädchen gerannt, und hatte seinen Durchfall. Er war gut zu hören, und das Mädchen, das die Furztöne mit dem Mund produzierte, wurde puterrot vor Lachen.” Die Unschuld der frühen Jahre wurde schon anrührender geschildert.
Damit aber von einem Leben der Zwerge die Rede sein kann, gilt die nicht ganz taufrische Verabredung, dass sie unbelebte Dinge, „spielstarr”, nur so lang zu bleiben haben, wie ein Mensch hinguckt, ansonsten aber, besonders nachts, in „Zottelkolonnen”, immer einer hinter dem anderen, zur Erforschung von Haus und Garten ausrücken, auch Körperpyramiden bauen wie chinesische Artisten oder, Trumpf zwergischer Freizeitgestaltung, „dumpfen”. „Beim Dumpfen geht es darum, in genauen Sprüngen - die Füße parallel, der Hintern beim Absprung weit nach hinten, der Körper beim Abflug kerzengerade - auf ein Regal oder eine Treppenstufe oder einen niederen Tisch zu springen und wieder hinunter und dabei immer und jedesmal am genau gleichen Ort zu landen.”
So sieht sie also in Widmers literarischer Praxis aus, die angepeilte Erlösung des industriell verfertigten Objekts in den poetischen Eigensinn: Höchste Lust des losgelassenen Zwerges ist es, die mechanische Exaktheit der Maschine zu kopieren, die ihn gestanzt oder gegossen hat. Die Armseligkeit der Bucherfindung geht dabei allmählich vom Peinlichen ins bloß Langweilige über. Allenfalls, dass sich ihr gegen das Ende zu noch etwas Trauriges gesellt, wenn die Kinder älter werden und die Zwerge, unsterblich wie sie sind („Wir essen nichts, wir trinken nichts. Nichts rein, nichts raus, das ist unser Überlebensgeheimnis”) in der Versenkung verschwinden müssen. Der Erzähler, privilegiert, darf vereinsamt und zerbröselnd auf einem Regal in der Wohnung stehen, der Rest landet im Keller, wo ihnen, um sich zu tummeln, nur noch das wandernde Lichtviereck, das durch die Kellerluke fällt, zur Verfügung steht, „als seien sie die Bewohner eines quadratischen Mondes”. Das ist nicht unhübsch, aber zu wenig. Gibt es Bücher, die notwendig sind? Schwer zu sagen. Daran aber, dass es überflüssige gibt, wird sich kaum zweifeln lassen.
BURKHARD MÜLLER
URS WIDMER: Ein Leben als Zwerg. Diogenes Verlag, Zürich 2006. 176 Seiten, 18,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2006

Sei kein Zwerg
Urs Widmer erzählt aus der skurrilen Welt der Wichtel

Ich erzähle lieber eine gute Geschichte als eine schlechte", sagt der Grünsepp, "ich kann nicht anders." Grünsepp ist einer der Zwerge in Urs Widmers Buch. Als Ich-Erzähler tritt der acht Zentimeter große "Vigolette alt" in Erscheinung - er steht schon am längsten auf dem Regal. "Vor meinen Augen und dennoch hinter meinem Rücken", behauptet der Schriftsteller auf dem Umschlag, hat Vigolette "Ein Leben als Zwerg" geschrieben, "und ich werde den Teufel tun, auch nur ein einziges Komma daran zu ändern." Was dem Leser sonst noch mitgeteilt wird: Der Schweizer Schriftsteller und seine Schwester spielten mit Gummizwergen - im Roman werden die Kinder, denen sie gehören, von den Wichteln Uti und Nana genannt. Das Haus, unter dessen Dach die Wesen ihre nicht immer konfliktfreie Koexistenz führen, ist Lesern früherer - autobiographischer - Werke von Urs "Uti" Widmer bekannt. Eines Tages trieb hier ein richtiger Fenek sein Unwesen. Papi brüllte, der Wüstenfuchs heulte - auf der Verfolgungsjagd zerschlug der Vater nicht nur Geschirr. "Uti weinte, Nana auch. Mami saß starr und biß in ihre Finger. Grünsepp, in Nanas Faust, glotzte blöd." Sogar das Aquarium war umgestürzt.

Eines anderen Tages ging bei einem Wettschwimmen, das Uti und Nana mit ihren Zwergen in einem Bach veranstalten, der Grünsepp verloren - die Strömung war zu stark und riß ihn mit. Seine Odyssee wird wortgewandt beschrieben. Der Schriftsteller tritt keineswegs nur als Kind in Erscheinung. "Uti, das war ein nick-name, den sich der größer werdende Bub später verbat." Der Zwerg Vigolette aber nennt auch noch den berühmten Urs Widmer hartnäckig stets Uti - diese Freiheit nimmt er sich heraus - und sieht, wie der Autor die Blätter aus der Maschine reißt und wegwirft. Er beobachtet seinen Besitzer und nimmt an dessen Schriftstellerexistenz teil, die er aus ureigener Perspektive erzählt. Manchmal, wenn Ordnung herrscht, vom Büchergestell herab. Dann wieder aus einer Augenhöhe von acht Zentimetern über dem Parkett. Stets hält er ein wachsames Auge auf Uti und entpuppt sich als guter Zwerg des Dichters.

Gemeinsam wird man älter. Während die Lichtung in der "Putzwolle" auf dem Manneshaupt immer größer wird, bekundet der Wicht Probleme mit der Hitze, zumal, wenn er in Nähe der Heizung aufgestellt wird. "Zwerge haben keinen Gott", klagt Vigolette einmal, ihr irdisches Schicksal jedenfalls ist das Zerbröseln. Mit bangen Worten verabschiedet sich zunächst der Grünsepp: "Wir werden uns nicht mehr sehen?" Trotzig maulen die Zwerge: "Uti, an den denken wir schon lange nicht mehr. Aus. Schluß. Fertig." Am Ende weiß man nicht genau, ob es eine gute oder eine böse Geschichte war. Das mag mit ihrer metaphysischen Überhöhung zu tun haben, die auch gebietet, die Erzählung nicht einfach als witzig, skurril, harmlos zu loben. In einem letzten Perspektivwechsel beschreibt Vigolette, wie er über den Hallenboden geht und in den Augen der anderen zum "kleinen Punkt" wird. Er verschwindet - aus dem Leben, aus dem Buch - in einer Türe, "durch die auch Grünsepp gegangen war". Was ihn dahinter erwartete, wissen Zwerge sowenig wie Menschen.

Urs Widmer: "Ein Leben als Zwerg". Erzählung. Diogenes Verlag, Zürich 2006. 177 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Die Leseeindrücke von Rezensent Jürg Altwegg klingen etwas unübersichtlich. Es geht, wie man seiner Inhaltsskizze entnehmen kann, um eine bis ins Erwachsenenleben weitergesponnene Kindheitsfantasie Urs Widmers, die sich aus dem Spiel des Autors und seiner Schwester mit zwei Wichteln ergibt. Am Ende der skurrilen Geschichte von Uti und Nana und den dazugehörigen Grünsepps beziehungsweise Gummizwergen weiß der Rezensent nicht so genau, ob das nun "eine gute oder böse Geschichte war". Das mag, vermutet er, mit ihrer "metaphysischen Überhöhung" zu tun haben, weshalb er Widmers Geschichte auch nicht einfach "als witzig skurril und harmlos" loben kann, sondern am Ende etwas ratlos bleibt.

© Perlentaucher Medien GmbH"