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Alfred ist der jüngste Nachfahre der von Ärmels, doch die glanzvollen Zeiten der Familie sind vorbei. Neben seiner umschwärmten, aber abgedrehten Mutter, seinem genialen Bruder und seinem kauzigen Vater fühlt er sich wie eine Karikatur. Trotzdem hat er es sich zur Aufgabe gemacht, seine alteingesessene Familie zu neuem Ruhm zu führen. Ein Held möchte er werden. Dazu hat er verschiedene Möglichkeiten: Er könnte, wie sein Vorbild und Namensvetter, vierzig Franzosen erschlagen, einen Gesangswettbewerb gewinnen oder zusammen mit Ruth ein Hotel aufmachen, denn ja, die Liebe siegt immer! Doch ist…mehr

Produktbeschreibung
Alfred ist der jüngste Nachfahre der von Ärmels, doch die glanzvollen Zeiten der Familie sind vorbei. Neben seiner umschwärmten, aber abgedrehten Mutter, seinem genialen Bruder und seinem kauzigen Vater fühlt er sich wie eine Karikatur. Trotzdem hat er es sich zur Aufgabe gemacht, seine alteingesessene Familie zu neuem Ruhm zu führen. Ein Held möchte er werden. Dazu hat er verschiedene Möglichkeiten: Er könnte, wie sein Vorbild und Namensvetter, vierzig Franzosen erschlagen, einen Gesangswettbewerb gewinnen oder zusammen mit Ruth ein Hotel aufmachen, denn ja, die Liebe siegt immer! Doch ist Alfred wirklich zum Helden geboren? Lukas Linder schreibt mit einer solchen Genauigkeit, Schonungslosigkeit und mit viel Witz über das Alltägliche und über Familienkonstellationen, dass man zwischen den Lachern immer wieder etwas ertappt auf das eigene Leben schielt.
Autorenporträt
Lukas Linder, geboren 1984, studierte Germanistik und Philosophie. Er ist Dramatiker, schrieb u. a. für das Theater Basel und wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Kleist-Förderpreis, dem Publikumspreis des Heidelberger Stückemarkts und 2021 mit dem Kasseler Förderpreis Komische Literatur. Nach seinen Romanen Der Letzte meiner Art (2018) und Der Unvollendete (2020), dem Geschenkbuch Die Kunst der Guten Woche (2022), erscheint nun sein dritter Roman Alle verlorenen Tage bei Kein & Aber. Lukas Linder lebt in der Nähe von Zürich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2019

Familienfluch und -flucht
Lukas Linders Romandebüt "Der Letzte meiner Art"

Um den Titel dieses Romans zu verstehen, muss man ihn bis zum Schluss lesen, die Geschichte also zu Ende erzählen lassen. Das mag banal klingen; bei welchem auch nur einigermaßen gelungenen Buch täte man das nicht? Aber viele andere Titel sind derart sprechend, dass man die Lektüre des von ihnen Betitelten eigentlich gar nicht mehr bräuchte, zumindest nicht deswegen, weil in der Benennung ein Geheimnis läge. Nehmen wir nur etwa "Ein ganzes Leben" von Robert Seethaler oder überhaupt alle Buchtitel dieses wunderbaren Autors: Sie verkünden, was sie sind. Das ist bei Lukas Linders Roman "Der Letzte meiner Art" ganz anders, weil die angesprochene "Art" unbestimmt bleibt, fast das ganze Buch hindurch. Und es auch hätte bleiben können, weil der Ich-Erzähler kurz vor Schluss noch feststellt: "Heldengeschichten wurden nie zu Ende erzählt. Sie endeten, bevor die Wahrheit auf den Tisch kam. Die Wahrheit war nie heldenhaft. Damit galt es sich abzufinden. Das letzte Bild war immer eine Karikatur." Es wird in seiner eigenen Erzählung nicht anders sein.

Der da erzählt, heißt Alfred von Ärmel, und dieser Name, den Linder seinem prospektiven Helden verpasst hat, zeigt schon deutlich, dass er es nie zum Helden bringen wird. Schon Alfreds Eltern waren keine starken Triebe in ihren jeweiligen Familienstammbäumen; als die Mutter Agnes als junge Frau einmal für einen Monat von zu Hause weglief, fand sie nach ihrer Rückkehr den eigenen Abschiedsbrief an ihre Eltern ungeöffnet vor. Niemand hatte sie vermisst. Derartige Desillusionierungen über heroisch gedachte Handlungen gibt es hier einige, und sie alle haben etwas Tragikomisches.

Ja, dieses Buch ist komisch, weil es weinerlich ist und weinerlich stimmt. Der Ich-Erzähler schaut mit einem gerüttelt Maß Selbstmitleid auf sein Geschick. Es ist aber auch komisch, weil Linder als versierter Theaterautor weiß, wie man Dialoge zuspitzt. Das Romandebüt des vierunddreißigjährigen Schweizers hat daneben jedoch genuin belletristische Kunstgriffe zu bieten, etwa eine von Alfred und seinem älteren Bruder Thomas imaginierte Version der mütterlichen Ausreißgeschichte, die so lautet: "Nachdem Mutter von zu Hause weggelaufen war, hatte sie sich einem Zirkus angeschlossen, wo es einen Clown gab, in den sie sich unsterblich verliebte . . . Ein Bild von einem Mann. Außerdem war er natürlich mit einem umwerfenden Humor gesegnet . . . Dann aber wurde er während der Vorstellung von einem Löwen gefressen, einer Kindervorstellung, wohlgemerkt. Noch im Magen des Löwen soll Ernesto gelacht haben. Mutter trat die Flucht an, kehrte reuig nach Hause zurück, heiratete unseren Vater, wurde depressiv. Ende." Der Wunsch nach Abschluss der Unwägbarkeiten des Daseins ist ein bestimmender Zug in der Familie von Ärmel. Nur hat die gegenwärtige junge Generation nicht mehr jene Mittel, über die etwa Alfreds gleichnamiger Vorfahre verfügte, der dank seiner kriegerischen Grausamkeit als heroischer "Schlächter von Marignano" in die Geschichte seiner Heimatstadt Bern eingegangen ist. Kurz gesagt: Alfred dem Jüngeren fehlen zum Schlächter Statur und Natur gleichermaßen. Er ist ein Muttersöhnchen von achtzehn Jahren.

Und verliebt in eine etwa dreißig Jahre ältere Frau namens Ruth. Diese Liebe kann ihm auch durch beginnende Verfallserscheinungen seiner Angehimmelten nicht ausgetrieben werden: "Während sich Ruth die Hühneraugen-Pflaster aufklebte, bemerkte ich, dass sie auf dem linken Fuß eine Tätowierung hatte. ,Was ist das?' ,Es hätte ein Kranich sein sollen. Doch der Tätowierer war eine Niete. Das Ding hat sich schrecklich entzündet und ist so geblieben. Jetzt sieht es aus wie ein plattgefahrener Kranich.'" Der von Alfred über die Liebe zu Ruth kompensierte Mutterkomplex wird schon daran deutlich, dass Agnes von Ärmel von ihrer ominösen Familienflucht mit einer - allerdings prächtigen - Tätowierung auf dem Rücken zurückgekommen war, die ihr Sohn als Kind immer aufs Neue bestaunte. Sosehr er in seinen eigenen Augen aus der Art geschlagen scheint, so wenig hat doch auch er sich jemals aus den Familienbanden lösen können - ein Familienfluch der eigenen Art.

"Der Letzte meiner Art" erzählt in vielen kleinen, nicht selten peinlichen Episoden eine große Geschichte vom Gefühl, Erwartungen nicht gerecht werden zu können. Dass die Lektüre trotzdem etwas Tröstliches hat, verdankt sich Linders unprätentiösem Blick auf seinen jungen Jammerlappen, der weder zum Gegenstand unseres Spotts noch unseres Identifikationsbedürfnisses taugt. Dieser Romanheld Alfred ist, um ein altes, wunderschönes Wort zu gebrauchen, apart. À part bedeutet auf Französisch "abseits", "einzeln", "besonders". Das alles charakterisiert Alfred gut. Und auch den Roman, dessen Erzähler er ist. Nicht, dass Lukas Linder damit große Kunst geschaffen hätte. Aber abseitige Unterhaltung, weit weg vom Üblichen.

ANDREAS PLATTHAUS

Lukas Linder: "Der Letzte meiner Art". Roman.

Verlag Kein & Aber, Zürich 2018. 271 S., geb., 19,- [Euro].

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