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Wie es sich anfühlt, in einer Klinik aufzuwachen und der nächsten Elektroschockbehandlung entgegenzusehen - das ist selten Stoff für Literatur. Oktoberkind zeichnet den Weg einer Frau und Schriftstellerin nach, die an diesem Punkt um ihre Erinnerungen ringt. Die Therapie droht diese Erinne- rungen, Triebfeder ihres Schreibens, auszulöschen. So bringt sie all ihren Mut auf, um sich alles zu vergegenwärtigen, die Kindheit in der Stadt, die Ehe mit einem berühmten Schrift- steller, das Leben auf dem Land, wo er aufblüht und sie verkümmert, die Geburt der vier Kinder, ihre eigene Arbeit als…mehr

Produktbeschreibung
Wie es sich anfühlt, in einer Klinik aufzuwachen und der nächsten Elektroschockbehandlung entgegenzusehen - das ist selten Stoff für Literatur. Oktoberkind zeichnet den Weg einer Frau und Schriftstellerin nach, die an diesem Punkt um ihre Erinnerungen ringt. Die Therapie droht diese Erinne- rungen, Triebfeder ihres Schreibens, auszulöschen. So bringt sie all ihren Mut auf, um sich alles zu vergegenwärtigen, die Kindheit in der Stadt, die Ehe mit einem berühmten Schrift- steller, das Leben auf dem Land, wo er aufblüht und sie verkümmert, die Geburt der vier Kinder, ihre eigene Arbeit als Schriftstellerin und welche Kraft sie darin findet. Unter den Bildern aus der Kindheit ist das vom Reiten im Ferienlager ein Lichtblick. Im wilden Galopp ist sie glücklich, aber bald muss sie wieder in die Stadt und in den Alltag zurück. In ihrem autobiografischen und zugleich hoch poetischen Roman dringt Linda Boström Knausgård vor zu den Ursachen für ihren Schmerz und ihr Scheitern, aber auch zuMomenten der Stärke und des Glücks, die sie in kraftvolle, unvergessliche Prosa bannt.
Autorenporträt
geboren 1972, ist Autorin von Gedichten, Erzählungen und Romanen und lebt in Stockholm. Mit dem norwegischen Autor Karl Ove Knausgård hat sie vier Kinder. Für ihr Werk, das in mehrere Sprachen übersetzt ist, erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen. Ihr Roman »Willkommen in Amerika« war u. a. für den renommierten Augustpriset nominiert. Ihr neues Buch »Oktoberkind« wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und für den International DUBLIN Literary Award nominiert.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Linda Boström Knausgård hat durch die Bücher ihres Ex-Mannes Karl Ove Knausgard bereits Bekanntschaft erfahren, die ihr nicht unbedingt recht ist. Er hat nicht nur sein, sondern auch ihr mitunter leidvolles Leben auf tausenden Seiten ausgebreitet. Boström Knausgård stellt sich diesem Bild nun mit "knochenharter Poesie" entgegen, meint Rezensent Franz Haas. Er sieht hier allerdings weniger eine Abrechnung mit dem Ex-Mann, sondern vor allem eine Anklage an die Psychiatrie, die Haupthandlungsort des Buches ist und in der die Autorin mit Elektroschocks gequält wird. Darüber hinaus sind Mutterschaft, Ehe, Familie, die Trennung der Eltern und die Suche nach Halt nur einige der Themen, die für Haas dieses minimalistisch-imposante Lebenspanorama ausmachen. Der Buchtitel entspringt übrigens den sowjetischen Pionieren, den Oktoberkindern, bei denen sich die junge Linda wenigstens im Träumen aufgehoben fühlt. In ihrer beklemmend schönen Sprache, traurig und beeindruckend zugleich, ist Boström Knausgård Karl Ove Knausgård mindestens ebenbürtig, so der Kritiker.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2022

Der Blick
zurück
Linda Boström ist Schriftstellerin
und die Ex-Frau von Karl Ove Knausgård.
Ihr Roman „Oktoberkind“
erzählt vom traurigen Ende einer Ehe
VON JOHANNA-CHARLOTTE HORST
Odysseus irrte jahrelang im Mittelmeer herum. Er kam vom trojanischen Schlachtfeld und wünschte sich nichts sehnlicher, als heimzukehren. Doch so schlau er auch war, er hatte die Orientierung verloren. Wie Odysseus fühlten und fühlen sich viele. Deshalb steht er auch immer wieder Pate für literarische Helden.
So auch in Linda Boströms neuem Roman „Oktoberkind“. Die Erzählerin ist verloren in der Welt und kommt nirgendwo richtig an. Dass es sich dabei um die Autorin Linda Boström selbst handelt, legt unter anderem die Identität des Namens nahe. Der so knappe wie reiche Bericht über ihr Leben mit bipolarer Störung liest sich wie eine Odyssee unserer Gegenwart. Beeindruckend präzise wird der Leserin vor Augen geführt, dass Linda schon als Kind ein kleiner Odysseus war, verloren, aber kampfbereit und schlau. „Ich war eine Heimatlose, ich fand nicht mehr an Land .“ Sie lebte „das Leben eines Niemands“, der sich fremde Rollen aneignen musste, um sich immerhin ein wenig zurechtzufinden. Eine Weile verkleidete sie sich als kommunistische Pionierin. Sie habe sich, so die Erzählerin, eine Form geliehen, um frei zu sein. Die Sicherheit der Uniform ist teuer erkauft, kostet diese provisorische Entfremdung doch das Gefühl, bei sich zu sein. Aus diesem Doublebind von Freiheit und Fremdheit findet auch die erwachsene Frau nicht heraus. Ihr erscheint die russische Pionierin nach wie vor vielversprechend und aussagekräftig. Das Kind der Oktoberrevolution ziert nicht nur das schwedische Originalcover, es ist auch titelgebend.
Auf seiner Heimreise werden Odysseus viele Steine in den Weg gelegt. Als er mit seinen Gefährten in die Höhle des einäugigen Polyphems eindringt, rollt dieser einen Stein vor den Eingang. Die ungebetenen Gäste sollen ihm am nächsten Morgen als Frühstücksschmaus dienen. Wie so oft kommt Odysseus eine List in den Sinn. Er macht Polyphem betrunken und behauptet, er heiße ‚Niemand‘. Darauf sticht er dem Feind im Schlaf das einzige Auge aus, das er hat. Als dieser blind und hilflos erwacht, ruft er nach seinen Freunden. Auf deren Frage, was denn los sei und vor wem er Angst habe, ruft Polyphem: ‚Vor Niemandem!‘ Die anderen Riesen lachen und halten ihren alten Freund für verrückt.
Auch Boströms Protagonistin gibt sich als ein Niemand aus. „Meine Einsamkeit war so groß, und ich hatte keine Idee, wie ich mein Leben allein leben sollte, deshalb wurde ich eine, die niemandes Leben lebte. Ich war niemand.“ Gleichzeitig fühlt sie sich wie Polyphem, der die Kontrolle verliert und für unzurechnungsfähig erklärt wird. Ihre Höhle ist die Psychiatrie, in der sie einer Elektrokrampftherapie unterzogen wird. Die beklemmende Angst vor dieser radikalen Behandlungsmethode durchzieht das ganze Buch.
Sylvia Plath berichtete vor mehr als fünfzig Jahren von einer ganz ähnlichen Panik, die sie als junge, depressive Frau während einer Elektroschockbehandlung hatte. In beiden Fällen fühlen sich die Romanheldinnen wie unter einer Glasglocke gefangen und entmündigt. Die Wirksamkeit der häufig kritisierten Therapie erklären die Ärzte im Roman mit einem Vergleich. Die elektrischen Impulse würden das Gehirn wie einen Computer neustarten. Dieser technizistischen Perspektive entsprechend, bezeichnet die Autorin das Krankenhaus als eine Fabrik, in der man wie ein Gegenstand behandelt wird. Daher scheint es auch kaum jemanden zu irritieren, dass in Folge einer Behandlungseinheit die Pupillen des einen Auges kurzzeitig sehr groß, des anderen ganz klein sind. Lindas „bipolare Pupillen“ lassen sie aussehen wie Polyphem. Sie scheint nur noch ein funktionierendes, dafür aber riesiges Auge zu haben.
Doch viel mehr Sorgen als der Pupillendurchmesser bereitet der Protagonistin der Verlust ihres Gedächtnisses. So vergisst sie während eines Elternsprechtages, wo sich die Klassenzimmer ihrer Kinder befinden und irrt im Schulgebäude hilflos umher. Auch für Odysseus wurde es immer dann besonders gefährlich, wenn irgendwelche halbseidenen Göttinnen seine Erinnerungen vorübergehend auslöschten. Er denkt dann jahrelang nicht mehr an seine Familie und bleibt, wo er gerade gestrandet ist. So erging es ihm bei Kirke, die wilde Tiere zähmen und sich durch ihre Zauberkünste alle untertan machen konnte. Linda fürchtet, dass die elektrischen Ströme ihre Gefühle verändern oder zerstören und sie in ihr altes Leben nicht mehr zurückfindet.
Die Erzählweise führt vor, wohin die Beschädigung der Wahrnehmung führt. Verschiedene Zeiten schieben sich ineinander. Der Blick der Erzählerin richtet sich scheinbar willkürlich mal hierin, mal dorthin. Wähnt sich der Leser auf dem sicheren Boden tatsächlicher Geschehnisse, findet er sich ohne Übergang auf dem unwägbaren Terrain fantastischer Begebenheiten wieder. Die Erzählerin weiß um diese Sprunghaftigkeit ihrer Autobiografie. Bereits an früher Stelle gestattet sie ihren Leserinnen, jederzeit auszusteigen, sollte es einem zu bunt werden oder bekäme man Angst. Einmal angefangen, legt man dieses Buch aber nicht mehr aus den Händen. „Oktoberkind“ ist ein aufwühlender Trip ins Leben der Linda Boström. Man möchte ihn unbedingt bis zum Schluss mitmachen. Er ist so knapp wie intensiv, dass man ihn auf einer Zugfahrt von München nach Berlin bewältigen kann.
Noch etwas muss erwähnt werden. Linda Boström heißt mit vollem Namen Linda Boström Knausgård. So steht es auch auf dem Buchdeckel. Sie ist die Ex-Frau von Karl Ove Knausgård, dem weltweit berühmten Autor einer Autobiografie, die mehrere Tausend Seiten füllt. Darin geht es auch um den Kampf mit dem Familienalltag. Besonders hart wird es immer dann, wenn die Noch-Ehefrau Linda in Depressionen versinkt und der Haushalt allein bewältigt werden muss. Mindestens ebenso hart muss die Lektüre dieser Passagen für die Leserin Linda Boström sein. In „Oktoberkind“ kann man ihren Blick auf die Dinge kennenlernen. Die Perspektiven sind nicht unvereinbar. Sie wollen sich nicht gegenseitig korrigieren.
Au contraire. Man wird „Oktoberkind“ nicht gerecht, liest man es als Fortsetzung des Knausgård’schen Familienepos. Boströms autobiografischer Roman ist ein eigenständiges literarisches Werk. Darin geht es auch um das traurige Ende einer Ehe. Aber nicht nur. Mit poetischer Kraft und feinnervigem Mut misst Boström Abgründe aus, die tiefer sind.
Die Perspektiven sind nicht
unvereinbar. Sie wollen sich
nicht gegenseitig korrigieren
Linda Boström
Knausgård: Oktoberkind. Roman. Aus dem Schwedischen von Ursel Allenstein. Schöffling Verlag,
Frankfurt am Main 2022. 224 Seiten, 24 Euro.
Verkleidete sich als kommunistische Pionierin: die schwedische Autorin Linda Boström Knausgård.
Foto: S. Löwstedt/imago
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»'Oktoberkind' fliest dahin wie Wasser, mal als brausender Strom, mal zu Eis erstarrend. Beim Lesen wird man von seiner kühlen Kraft gepackt.« Boras Tidning