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»Unwiderstehlich... Ein Liebeslied über den Ort, an dem ihre Familie seit Generationen lebt, aber ein Liebeslied voller Fragen und Zweifel.« Michiko Kakutani, New York Times
Joan Didion wurde in Sacramento geboren und verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens in Kalifornien. In Woher ich kam spürt sie der Geschichte und den Mythen dieses Landstrichs nach, und denen ihrer Familie, die seit vielen Generationen an der Westküste beheimatet ist. Sie beschreibt vornehmlich die weibliche Ahnenreihe, aus der sie stammt, von der Ur-ur-ur-ur-ur-Großmutter Elisabeth Scott, geboren 1766 in Virginia, bis…mehr

Produktbeschreibung
»Unwiderstehlich... Ein Liebeslied über den Ort, an dem ihre Familie seit Generationen lebt, aber ein Liebeslied voller Fragen und Zweifel.« Michiko Kakutani, New York Times

Joan Didion wurde in Sacramento geboren und verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens in Kalifornien. In Woher ich kam spürt sie der Geschichte und den Mythen dieses Landstrichs nach, und denen ihrer Familie, die seit vielen Generationen an der Westküste beheimatet ist. Sie beschreibt vornehmlich die weibliche Ahnenreihe, aus der sie stammt, von der Ur-ur-ur-ur-ur-Großmutter Elisabeth Scott, geboren 1766 in Virginia, bis zu ihrer Mutter Eduene Jerrett Didion, die 2001 starb und in Joan Didions Augen viele der »Verwirrungen und Widersprüche kalifornischen Lebens« verkörpert hatte. Sie schreibt über die Pioniersfrau und die Rodney-King-Unruhen im Los Angeles der 90er Jahre, über den Bau der ersten Eisenbahn und die kalifornische Besessenheit mit Gefängnissen, und immer wieder über die eigene, höchst wechselvolle Beziehung zu ihrer Heimat.
Autorenporträt
Joan Didion, geboren 1934 in Sacramento, Kalifornien, arbeitete als Journalistin für verschiedene amerikanische Zeitungen und war Mitherausgeberin der Vogue. Sie gilt als eine der wichtigsten Stimmen der amerikanischen Literatur, die mit ihren fünf Romanen und zahlreichen Essaybänden das intellektuelle Leben der USA im 20. Jahrhundert entscheidend prägte. Joan Didion starb im Dezember 2021 in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.07.2019

Abwegiger Glanz
Joan Didion lässt noch einmal das Bild eines gloriosen Kalifornien
aufleuchten – und dann in sich zusammenstürzen
VON FRAUKE MEYER-GOSAU
Woher jemand kommt, aus welchem Land, welcher Region und Familie, ist fast immer lebensentscheidend. Für die 1934 im kalifornischen Sacramento geborene Schriftstellerin Joan Didion entschied es auf jeden Fall über die Karriere. Ihr erster Roman „Run, River“ (1963) wurde, wie sie selbst sagt, vor allem aus Heimweh nach Kalifornien geschrieben, während sie bei der Vogue in New York arbeitete. „Das Weiße Album“ (1979), eine Sammlung kritischer Reportagen über die späten Sechziger-, frühen Siebzigerjahre in ihrem Heimatstaat, machte sie zum Star des New Journalism. Am Ende des Jahrtausends schließlich, nach langjähriger Zwischenstation in Los Angeles längst wieder in New York lebend, nimmt sie sich ihr Kalifornien noch einmal vor. Sie will wissen, was es auf sich hat mit diesem Land und dem legendären Kalifornisch-Sein.
Dabei herausgekommen ist das Erkundungsbuch „Woher ich kam“, das 2003 in den USA erschien, und jetzt von Antje Rávik Strubel gekonnt in ein lässig didionhaftes Deutsch gebracht wurde. Es beginnt dort, wo auch die Geschichte des Staates Kalifornien ihren Anfang nimmt: bei den Pionieren, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts nach Westen aufmachten, angetrieben von dem Willen, sich jenseits der Sierra Nevada zu einem besseren Leben zu verhelfen. Darunter auch Joan Didions Urururururgroßmutter – die Besiedlungsgeschichte des amerikanischen Westens ist zugleich der Anfang ihrer Familiengeschichte, hier betrachtet von der weiblichen Linie her.
„Diese Frauen in meiner Familie scheinen pragmatisch gewesen zu sein“, schreibt Didion. Im Verhältnis zu dem Leben, das sie im Osten der USA aufgegeben hatten, waren sie „vom tiefsten Instinkt her krankhaft radikal“, sie ließen alles hinter sich. „Sie konnten schießen und sie konnten mit Vieh umgehen“, sie lernten von den Indianern, die Schuhe für ihre Kinder zu nähen und Blutpudding zu kochen. Sie waren handfest, zielorientiert und unerschrocken – Kalifornierinnen, wie sie im Buche stehen. Denen dann in der Generation von Didions Großmutter allerdings ein leicht bedenkenloser Hang zu schönen Dingen eigen ist. Die Socken, die sie für die amerikanischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg strickt, sind aus „Kaschmir in den vorgeschriebenen Farben“, der an Mumps erkrankten Enkelin bringt sie statt kindgemäßer Trostgeschenke „dreißig Milliliter teuren Parfüms, Elizabeth Ardens ‚On dit‘, in einer Kristallflasche“ mit, „die mit goldenem Band verschlossen war“. Als sich die Elfjährige weigerte, zur Kirche zu gehen, „gab sie mir als Anreiz nicht die Angst vor Gott, sondern einen Hut, hauchzarte italienische Fäden aus Stroh und französische Seidenkornblumen und ein Label aus schwerer Seide“ – keinen Kinder-, sondern einen Damenhut: „Da sie selbst ein Kind war, wusste sie, was Kinder wollen.“
Nimmt man die in der Familie tradierte Risikobereitschaft, die Lust an der Erforschung von Neuem und das selbstverständliche Verhältnis zum Vorhandensein von Geld und Luxus zusammen, sind damit zugleich wesentliche Züge Joan Didions selbst erfasst. Als 14-Jährige bereits hatte sie in ihrer Schule einen patriotisch durchglühten Vortrag über die Wesensmerkmale Kaliforniens gehalten. Liest man jetzt, wie ihre Mutter die Familie damit konfrontierte, „innerhalb einer Minute“ mit Sack und Pack ins australische Outback aufbrechen zu wollen – „Kalifornien, sagte sie, wäre mittlerweile zu stark reglementiert, zu stark besteuert, zu teuer“ – oder wie der Vater sich die Raten für seine Immobilien-Geschäfte völlig selbstverständlich nachts an Spieltischen zusammenpokerte oder erwürfelte, hätte diese Autorin allein aus ihrem Herkunftsmaterial einen wunderbar schrägen Familienroman zusammenfabulieren können. Doch darum ging es ihr nicht mehr. Das Projekt war vielmehr persönlich-dringlicher Natur mit einem deutlichen Zug zur politischen Verallgemeinerung: „Eine Erkundung meines eigenen Verwirrtseins in Bezug auf diesen Ort und die Art und Weise, in der ich aufwuchs, ein Verwirrtsein, das Amerika ebenso betrifft wie Kalifornien.“
Nach einem historischen Durchgang durch Tagebücher von Siedlerfrauen sowie durch literarische Kalifornien-Bilder etwa von Jack London oder William Faulkner knöpft Didion sich die positiven Selbstzuschreibungen vor, wie Didions Eltern sie idealtypisch verkörpern: unabhängig zu sein von Staat und Parteien im Denken wie im Handeln, selbstbestimmt und strikt auf sich selbst bezogen zu leben, nach maximalem Gewinn zu streben und dabei für alle Risiken auch persönlich zu haften. Nicht allzu erstaunlich freilich, dass das schöne Image des sonnig-unbeschwerten, dabei verantwortlich handelnden Hyperindividualisten bei näherer Betrachtung der Fakten in sich zusammenfällt. Zwar war es den Cleversten unter den Zugewanderten rasch gelungen, unermesslich großen Landbesitz auf ihren Namen eintragen zu lassen – auf ihren Latifundien selbst zu arbeiten, hatten sie hingegen nicht vor, da mussten Arbeitssklaven her. Und da die Großgrundbesitzer beschlossen hatten, Baumwolle und Reis anbauen zu lassen, diese aber besonders viel Wasser benötigen, was wiederum den klimatischen Gegebenheiten diametral entgegenstand, hatte der Staat für Bewässerungssysteme zu sorgen. Den aus öffentlichen Mitteln in großem Stil alimentierten Großgrundbesitzern erschien dies selbstverständlich: Ihnen als Kaliforniern stand das zu.
Die Spur des radikalen Eigennutzes auf Staatskosten verfolgt Didion unerbittlich, sie findet sie bei der Etablierung der großen Eisenbahngesellschaften ebenso wie beim Aufschwung der Rüstungs- und Luftfahrtindustrie ab Anfang der Fünfzigerjahre, als ganze Städte aus dem Wüstenboden gestampft und Arbeiter als stolze Hausbesitzer rekrutiert wurden. Bis die Industrie anderswo noch günstigere Bedingungen vorfand und Hunderttausende Arbeitslose zurückließ. Auch bei den IT-Unternehmen des Silicon Valley ist das Muster dasselbe: Privatleute entdecken eine Quelle fürs Geldmachen – für die Hinterlassenschaften an Depravierung und Verfall hat das Gemeinwesen aufzukommen.
Didions Recherche gipfelt in der fast unglaublichen Geschichte einer Gang junger Männer, die sich Anfang der Neunzigerjahre auf schweren Einbruch und die Vergewaltigung möglichst junger Mädchen spezialisiert hatten. Sie stammen aus dem Städtchen Lakewood, das allmählich wegen des Verschwindens der nicht mehr profitablen Luft- und Rüstungsindustrie (auch der spätere Vizepräsident der Vereinigten Staaten, Dick Cheney, spielt dabei eine unrühmliche Rolle) in Lethargie, dann in Verarmung und Gewalttätigkeit verfallen ist. Die Jugendlichen besuchen die High School oder haben sie gerade abgeschlossen, eine Perspektive haben sie nicht. Außer Ballspielen können sie nichts, und es gibt kein Angebot weit und breit, das sie erreichen könnte. So verlegen sie sich auf gewalttätige Banden-Aktivitäten, führen Strichlisten über die Zahl der Vergewaltigungen pro Kopf – und gehen mit einer Ausnahme schließlich straffrei aus. „Boys are boys“, so die herrschende Meinung. Wenn sie sich langweilen, kommt unvermeidlich so was dabei heraus. Und die Mädchen hatten dem Sex ja doch zugestimmt, wie das Gericht befand.
Eine „Me Too“-Geschichte avant la lettre. Didion hat sie genau verfolgt, hat sich TV-Sendungen angeschaut, in denen die Gewalttäter stolzgeschwellt auftraten, sie hat mit deren Eltern und anderen Einwohnern von Lakewood gesprochen und schließlich auf siebzig Seiten eine Geschichte des ökonomischen und moralischen Verfalls der Vereinigten Staaten im Provinz-Maßstab geschrieben: ein Glanzstück des Reportage-Journalismus.
Mit dem Tod der Eltern mündet die Erzählung in den Verkauf der familiären Liegenschaften (zu denen, warum nicht, auch ein Friedhof gehört), und auch Didions quasi vorbewusst hochgehaltene Kalifornien-Emphase kommt an ihr Ende. Was früher Verwurzelung bedeutete, erscheint ihr nach all ihren Erkundungen nur noch „als ein Motiv, Effekt einer Dekoration“, „die ganze Verzauberung, unter der ich mein Leben zugebracht habe“, wirkt nun „abwegig“. Für die Leser verhält sich dies ganz anders. Wie Joan Didion hier in insistent subjektiver Heimatforschung ein Bild von Größe, Leichtigkeit und Lebensgenuss noch einmal aufleuchten lässt, um es dann durch das Verfolgen historischer Verläufe, durch Zahlen und Fakten erst ins Wanken, dann zum Einsturz zu bringen, ist schlichtweg meisterlich und ein Lesevergnügen durchaus auch für Freunde des kalifornischen Traums.
Joan Didion: Woher ich kam. Aus dem Englischen von Antje Rávik Strubel. Ullstein Verlag, Berlin 2019. 270 Seiten, 20 Euro.
Unerbittlich verfolgt sie
die Spur des radikalen
Eigennutzes auf Staatskosten
Was früher Verwurzelung
bedeutete, erscheint ihr nur
noch als „Effekt einer Dekoration“
Heimatforschung mit Größe und Leichtigkeit: Joan Didion erkennt ihre Wurzeln als Dekoration.
Foto: AP
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"Wie Joan Didion hier in insistent subjektiver Heimatforschung ein Bild von Größe, Leichtigkeit und Lebensgenuss noch einmal aufleuchten lässt, um es dann durch das Verfolgen historischer Verläufe, durch Zahlen und Fakten erst ins Wanken,dann zum Einsturz zu bringen, ist schlichtweg meisterlich und ein Lesevergnügen durchaus auch für Freunde des kalifornischen Traums" Frauke Meyer-Gosau Süddeutsche Zeitung 20190701