18,99 €
inkl. MwSt.
Sofort per Download lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Format: ePub

  • Geräte: eReader
  • ohne Kopierschutz
  • eBook Hilfe
  • Größe: 3.97MB
Produktbeschreibung

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, R, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, HR, LR, LT, L, M, NL, PL, P, SK, SLO, S ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.2020

Marx hatte er im Repertoire

Rückblick auf einen charismatischen Mann auf dem Apostolischen Stuhl: Matthias Drobinski und Thomas Urban zeichnen ein Porträt von Johannes Paul II.

Diese Szene liegt bereits fünfzehn Jahre zurück, und doch steht sie einem sofort vor Augen, sobald man die Biographie aufschlägt. Es ist die Szene, die sich an einem Märztag 2005 vor den Augen der ganzen Welt abspielte und in der "Johannes Paul II. mit letzter Kraft und stumm vom Fenster in der obersten Etage des Apostolischen Palasts aus die wartende Menge auf dem Petersplatz" segnete. Sie wird von den Autoren, Matthias Drobinski und Thomas Urban, gleich zu Beginn des Vorworts festgehalten - zusammen mit der Tatsache, dass der Papst wenige Tage später starb und in Rom sich dreieinhalb Millionen Menschen versammelten, um von ihm Abschied zu nehmen. Es sind nur einige Zeilen, und doch ließe sich kaum ein besserer Auftakt für ein Buch finden, das zu erklären versucht, warum Karol Wojtyla als ein "Jahrhundertpapst" gilt.

Natürlich ist es den Autoren bewusst, dass er schon zum Zeitpunkt seiner Wahl (am 16. Oktober 1978) im Vergleich zu seinen Vorgängern eine Ausnahmeerscheinung war. Nicht nur als "der jüngste Papst im 20. Jahrhundert" und "der erste slawische Papst". Auch dank dessen, dass er "einen breiten Wissenshorizont", "ein starkes Charisma" und "einen trockenen Humor" besaß, wodurch er "ebenso Massen begeistern wie im persönlichen Gespräch überzeugen" konnte. Und nicht zuletzt weil er "zwei totalitäre Systeme erlebt" hatte.

Nationalsozialismus und Kommunismus - beides hatte einen großen Einfluss auf die Haltung und die Entscheidungen des neu gewählten Papstes. Ohne das Erlebnis des Krieges und der deutschen Okkupation hätte er jene besondere Sensibilität für das menschliche Leid nicht entwickelt, die ihn schließlich seine Berufung für das Priesteramt entdecken ließ. Ohne die Erfahrung des Kommunismus, den er ablehnte, "da diese Ideologie den freien Willen des Menschen ignorierte", hätte er auch in mancher theologischen Frage eine andere Position vertreten. Stattdessen entwickelte er eine Theologie, die in jedem Lebensbereich die Freiheit und Würde des Menschen in den Vordergrund stellte.

Dieses Formung durch frühere Stationen seines Lebens gilt aber auch für andere Züge dieses Papstes. Ohne seine Priesterlaufbahn etwa - vom Dorfpfarrer über den Studentenseelsorger und Theologieprofessor bis zu den höchsten Stufen der kirchlichen Hierarchie - hätte er keine Möglichkeit gehabt, sein intellektuelles Potential in dem Maße zu schulen, in dem er es tat. Ohne die jugendlichen Auftritte als Schauspieler und Rezitator und ohne den Fleiß, mit dem er etliche Fremdsprachen lernte, wäre seine Selbstinszenierung vor großen Menschenmassen oder vor den Kameras und Mikrophonen der Medien weniger sicher ausgefallen. Und nicht zuletzt: Ohne die Tatsache, dass die Politik von Anfang an in seine priesterliche Arbeit hineinwirkte, hätte er die vielen politischen Konflikte in der Welt nicht so gut verstanden.

Schon als er seine erste wichtige Aufgabe, die Seelsorge für eine Gruppe Krakauer Studenten, übernahm, verstand er "sehr schnell, dass es eine hochpolitische Aufgabe war", weil die Kommunisten "besonders das akademische Milieu ins Visier" nahmen. Entsprechend rasch lernte er, damit umzugehen, so dass er später, vor allem nach seiner Ernennung zum Kardinal (1967), in Gesprächen mit Vertretern der Staatsmacht in einem Stil auftrat, der ihn für das Regime unangreifbar machte. Er schlug sie mit ihren eigenen Waffen, indem er sich "auf Marx, die polnische Verfassung und gelegentlich sogar auf das Parteiprogramm" berief. Und da er ihnen intellektuell "haushoch überlegen" war, wurde er schnell zu einem gefährlichen Gegner, dessen Wahl zum Papst den damaligen Parteichef Edward Gierek zu dem treffenden Kommentar verleitete: "Ein großes Ereignis für die polnische Nation - und große Schwierigkeiten für uns!"

Daran, dass diese "Schwierigkeiten" sich bald auf den gesamten "Ostblock" ausweiteten und wesentlich zu seinem Zusammenbruch beitrugen, braucht man genauso wenig zu erinnern wie an tragische Konsequenzen - das Attentat von 1981, das der Papst nur knapp überlebte. Auch die wesentlichen Züge seines Pontifikats - seine unzähligen Reisen in alle Regionen der Welt, seinen Dialog mit anderen Religionen und seine Versuche, der eigenen Kirche neue Denkanstöße zu geben - hat man noch deutlich in Erinnerung. Seine Kritiker wiederum haben den autoritären Stil, in dem er die katholische Kirche regierte, seine Ablehnung der Frauenordination, seine Strenge gegenüber anders denkenden Theologen (der Fall Hans Küng) und vor allem seine Unerbittlichkeit in Sachen Sexualmoral nicht vergessen. Letztere zeigte sich bereits 1968, als die Endfassung der Enzyklika "Humanae Vitae" entstand, die ein deutliches Nein zur künstlichen Empfängnisverhütung enthielt und an deren Formulierung Wojtyla maßgeblich beteiligt war; und sie bestimmte seine Entscheidungen bis zum Schluss.

Es sind Fakten, die man im Großen und Ganzen kennt. Dennoch folgt man gern dem ruhigen, sachlichen Erzählton der beiden Biographen, zumal sie immer wieder neue Details liefern und sich dabei gut ergänzen. Matthias Drobinski, ein Fachmann in Sachen Kirche und Religion, stellt die theologischen Konzepte und die Konflikte hinter den kirchlichen Kulissen dar. Thomas Urban, ein Historiker und langjähriger Polen-Korrespondent, beleuchtet den politischen und gesellschaftlichen Hintergrund. So entsteht ein Bild Johannes Paul II. als Mensch, als Priester, als Kirchenoberhaupt, als Philosoph, als Politiker und nicht zuletzt als Schriftsteller. Als im Frühjahr 2003 das Gedicht "Römisches Triptychon" erschien, sah man in ihm zu Recht eine Art literarisches Testament dieses Papstes, eine Resümee seines früheren, aus Gedichten und Dramen bestehenden Gesamtwerks. Man fand hier die gleichen großen Fragen, Gedanken und Meditationen über die sakrale Schönheit der Natur, über den Tod, über die Bestimmung der Welt und der Menschen, die ihn von Anfang an beschäftigten.

Die von den beiden Autoren zusammengetragenen Fakten setzen sich zu einem facettenreichen, stellenweise kritischen, doch stets mit viel Respekt und Sympathie gezeichneten Porträt zusammen.

MARTA KIJOWSKA

Matthias Drobinski und

Thomas Urban:

"Johannes Paul II.".

Der Papst, der aus

dem Osten kam.

C. H. Beck Verlag, München 2020. 336 S., geb.,24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.03.2020

VON SZ-AUTOREN
Biografie von
Johannes Paul II.
Viele Deutsche sahen in Johannes Paul II. einen reaktionären, autoritären Kirchenführer, oft wurde er auf seine rigide Sexualmoral reduziert. Doch er spielte eine eminent wichtige Rolle bei der Auflösung des Ostblocks. Der Kirchenexperte der SZ, Matthias Drobinski, und Thomas Urban, als Korrespondent in Warschau und Moskau Zeuge der großen Umwälzungen in Osteuropa, zeigen in ihrer Biografie auf, dass es die Erfahrungen unter dem deutschen Besatzungsterror im Zweiten Weltkrieg und dem anschließenden Parteiregime in Polen waren, die Karol Wojtyła dazu brachten, die Forderung nach Menschenrechten in den Mittelpunkt seines Wirkens zu stellen und so zum scharfen Kritiker sowohl des Kommunismus, als auch des Kapitalismus zu werden. Entschieden trat er gegen Antisemitismus auf und trieb den Dialog mit anderen Religionsgemeinschaften voran. Mit seiner starken persönlichen Ausstrahlung zog der auch mit einem trockenen Humor gesegnete Reisepapst Millionen an. Die Autoren sparen aber auch nicht Fehler und Irrtümer aus, etwa die Unterdrückung einer innerkirchlichen Debatte oder die Unterschätzung der Missbrauchskandale, beides ein schweres Erbe der Kirche.
SZ
Matthias Drobinski/Thomas Urban: Johannes Paul II. Der Papst, der aus dem Osten kam. C. H. Beck, München 2020, 336 Seiten, 24,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
Marx hatte er im Repertoire

Rückblick auf einen charismatischen Mann auf dem Apostolischen Stuhl: Matthias Drobinski und Thomas Urban zeichnen ein Porträt von Johannes Paul II.

Diese Szene liegt bereits fünfzehn Jahre zurück, und doch steht sie einem sofort vor Augen, sobald man die Biographie aufschlägt. Es ist die Szene, die sich an einem Märztag 2005 vor den Augen der ganzen Welt abspielte und in der "Johannes Paul II. mit letzter Kraft und stumm vom Fenster in der obersten Etage des Apostolischen Palasts aus die wartende Menge auf dem Petersplatz" segnete. Sie wird von den Autoren, Matthias Drobinski und Thomas Urban, gleich zu Beginn des Vorworts festgehalten - zusammen mit der Tatsache, dass der Papst wenige Tage später starb und in Rom sich dreieinhalb Millionen Menschen versammelten, um von ihm Abschied zu nehmen. Es sind nur einige Zeilen, und doch ließe sich kaum ein besserer Auftakt für ein Buch finden, das zu erklären versucht, warum Karol Wojtyla als ein "Jahrhundertpapst" gilt.

Natürlich ist es den Autoren bewusst, dass er schon zum Zeitpunkt seiner Wahl (am 16. Oktober 1978) im Vergleich zu seinen Vorgängern eine Ausnahmeerscheinung war. Nicht nur als "der jüngste Papst im 20. Jahrhundert" und "der erste slawische Papst". Auch dank dessen, dass er "einen breiten Wissenshorizont", "ein starkes Charisma" und "einen trockenen Humor" besaß, wodurch er "ebenso Massen begeistern wie im persönlichen Gespräch überzeugen" konnte. Und nicht zuletzt weil er "zwei totalitäre Systeme erlebt" hatte.

Nationalsozialismus und Kommunismus - beides hatte einen großen Einfluss auf die Haltung und die Entscheidungen des neu gewählten Papstes. Ohne das Erlebnis des Krieges und der deutschen Okkupation hätte er jene besondere Sensibilität für das menschliche Leid nicht entwickelt, die ihn schließlich seine Berufung für das Priesteramt entdecken ließ. Ohne die Erfahrung des Kommunismus, den er ablehnte, "da diese Ideologie den freien Willen des Menschen ignorierte", hätte er auch in mancher theologischen Frage eine andere Position vertreten. Stattdessen entwickelte er eine Theologie, die in jedem Lebensbereich die Freiheit und Würde des Menschen in den Vordergrund stellte.

Dieses Formung durch frühere Stationen seines Lebens gilt aber auch für andere Züge dieses Papstes. Ohne seine Priesterlaufbahn etwa - vom Dorfpfarrer über den Studentenseelsorger und Theologieprofessor bis zu den höchsten Stufen der kirchlichen Hierarchie - hätte er keine Möglichkeit gehabt, sein intellektuelles Potential in dem Maße zu schulen, in dem er es tat. Ohne die jugendlichen Auftritte als Schauspieler und Rezitator und ohne den Fleiß, mit dem er etliche Fremdsprachen lernte, wäre seine Selbstinszenierung vor großen Menschenmassen oder vor den Kameras und Mikrophonen der Medien weniger sicher ausgefallen. Und nicht zuletzt: Ohne die Tatsache, dass die Politik von Anfang an in seine priesterliche Arbeit hineinwirkte, hätte er die vielen politischen Konflikte in der Welt nicht so gut verstanden.

Schon als er seine erste wichtige Aufgabe, die Seelsorge für eine Gruppe Krakauer Studenten, übernahm, verstand er "sehr schnell, dass es eine hochpolitische Aufgabe war", weil die Kommunisten "besonders das akademische Milieu ins Visier" nahmen. Entsprechend rasch lernte er, damit umzugehen, so dass er später, vor allem nach seiner Ernennung zum Kardinal (1967), in Gesprächen mit Vertretern der Staatsmacht in einem Stil auftrat, der ihn für das Regime unangreifbar machte. Er schlug sie mit ihren eigenen Waffen, indem er sich "auf Marx, die polnische Verfassung und gelegentlich sogar auf das Parteiprogramm" berief. Und da er ihnen intellektuell "haushoch überlegen" war, wurde er schnell zu einem gefährlichen Gegner, dessen Wahl zum Papst den damaligen Parteichef Edward Gierek zu dem treffenden Kommentar verleitete: "Ein großes Ereignis für die polnische Nation - und große Schwierigkeiten für uns!"

Daran, dass diese "Schwierigkeiten" sich bald auf den gesamten "Ostblock" ausweiteten und wesentlich zu seinem Zusammenbruch beitrugen, braucht man genauso wenig zu erinnern wie an tragische Konsequenzen - das Attentat von 1981, das der Papst nur knapp überlebte. Auch die wesentlichen Züge seines Pontifikats - seine unzähligen Reisen in alle Regionen der Welt, seinen Dialog mit anderen Religionen und seine Versuche, der eigenen Kirche neue Denkanstöße zu geben - hat man noch deutlich in Erinnerung. Seine Kritiker wiederum haben den autoritären Stil, in dem er die katholische Kirche regierte, seine Ablehnung der Frauenordination, seine Strenge gegenüber anders denkenden Theologen (der Fall Hans Küng) und vor allem seine Unerbittlichkeit in Sachen Sexualmoral nicht vergessen. Letztere zeigte sich bereits 1968, als die Endfassung der Enzyklika "Humanae Vitae" entstand, die ein deutliches Nein zur künstlichen Empfängnisverhütung enthielt und an deren Formulierung Wojtyla maßgeblich beteiligt war; und sie bestimmte seine Entscheidungen bis zum Schluss.

Es sind Fakten, die man im Großen und Ganzen kennt. Dennoch folgt man gern dem ruhigen, sachlichen Erzählton der beiden Biographen, zumal sie immer wieder neue Details liefern und sich dabei gut ergänzen. Matthias Drobinski, ein Fachmann in Sachen Kirche und Religion, stellt die theologischen Konzepte und die Konflikte hinter den kirchlichen Kulissen dar. Thomas Urban, ein Historiker und langjähriger Polen-Korrespondent, beleuchtet den politischen und gesellschaftlichen Hintergrund. So entsteht ein Bild Johannes Paul II. als Mensch, als Priester, als Kirchenoberhaupt, als Philosoph, als Politiker und nicht zuletzt als Schriftsteller. Als im Frühjahr 2003 das Gedicht "Römisches Triptychon" erschien, sah man in ihm zu Recht eine Art literarisches Testament dieses Papstes, eine Resümee seines früheren, aus Gedichten und Dramen bestehenden Gesamtwerks. Man fand hier die gleichen großen Fragen, Gedanken und Meditationen über die sakrale Schönheit der Natur, über den Tod, über die Bestimmung der Welt und der Menschen, die ihn von Anfang an beschäftigten.

Die von den beiden Autoren zusammengetragenen Fakten setzen sich zu einem facettenreichen, stellenweise kritischen, doch stets mit viel Respekt und Sympathie gezeichneten Porträt zusammen.

MARTA KIJOWSKA

Matthias Drobinski und

Thomas Urban:

"Johannes Paul II.".

Der Papst, der aus

dem Osten kam.

C. H. Beck Verlag, München 2020. 336 S., geb.,24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr