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Klimawandel, Kriege, Kapitalismuskrise – der Ausnahmezustand droht zum Normalfall zu werden. Spätestens seit Fukushima ist die Einsicht, „dass sich etwas ändern muss“, so weit verbreitet wie nie zuvor. Die Zeit für einen gesellschaftlichen Wandel ist reif. „Nachhaltigkeit“ ist zu einer Chiffre für jene „andere Welt“ geworden, die sich viele ersehnen. Doch warum fällt uns der individuelle wie gesellschaftliche Wandel zu mehr Nachhaltigkeit so schwer? Warum befreien wir uns nicht von dem Ballast einer verschwenderischen Konsumgesellschaft, von der Abhängigkeit begrenzter fossiler Ressourcen? Wie…mehr

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Produktbeschreibung
Klimawandel, Kriege, Kapitalismuskrise – der Ausnahmezustand droht zum Normalfall zu werden. Spätestens seit Fukushima ist die Einsicht, „dass sich etwas ändern muss“, so weit verbreitet wie nie zuvor. Die Zeit für einen gesellschaftlichen Wandel ist reif. „Nachhaltigkeit“ ist zu einer Chiffre für jene „andere Welt“ geworden, die sich viele ersehnen. Doch warum fällt uns der individuelle wie gesellschaftliche Wandel zu mehr Nachhaltigkeit so schwer? Warum befreien wir uns nicht von dem Ballast einer verschwenderischen Konsumgesellschaft, von der Abhängigkeit begrenzter fossiler Ressourcen? Wie ließe sich Frieden schließen – mit sich, mit den Mitmenschen, aber auch mit der Natur? Hans-Peter Dürr liefert Antworten auf diese und andere Fragen. In seinem hier vorgestellten 'Wörterbuch des Wandels' reflektiert der Träger des Alternativen Nobelpreises die zentralen Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen auf dem Weg in eine zukunftsfähige Gesellschaft: von A wie Arbeit bis Z wie Zukunft. Hans-Peter Dürr zeigt Wege auf, wie wir mit neuem Denken und beherztem Tun die Krisen unserer Zeit bewältigen können, um unser eigenes Leben wie das aller anderen wieder lebendiger werden zu lassen.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in D, A, I, L ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Hans-Peter Duerr war lange Jahre Direktor des Max-Planck-Institus fuer Physik in Muenchen. Er ist einer der bedeutendsten Querdenker unserer Zeit und ein weltweit anerkannter Sprecher der Umwelt- und Friedensbewegung. Duerr erhielt 1987 den Alternativen Nobel-preis und 1995 – als Mitglied von Pugwash International – den Friedensnobelpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2011

Nach der Natur
Von heiklen Grenzen, bewegter Rede und verwandelten Bildern

Ein bekannter Primatologe und Professor für evolutionäre Anthropologie hat unlängst mit Nachdruck dafür plädiert, die Entgegensetzung von Kultur und Natur endlich aufzugeben. Diese Dichotomie möge zwar heuristisch nützlich sein, aber bei genauerer Betrachtung falle sie in sich zusammen. Zum einen nämlich seien Kategorien wie Natur und Kultur lediglich gesellschaftliche Konstrukte. Zum anderen würden die Diskurse, die diese Dichotomie stabilisieren, letztlich ja auch von und in Gehirnen erschaffen, die selbst evolutionär gewordene Organe und damit also Naturprodukte sind.

Als Argument wird man das nicht ansehen wollen. Lediglich als Beleg dafür, dass eine naturalistische Grundüberzeugung herauskommt, wenn man schlicht von ihr ausgeht. Dieser symptomatische Kurzschluss berührt allerdings nicht die durchaus triftige Einsicht, dass Grenzziehungen zwischen Natur und Kultur problematisch geworden sind. Bloß ist das Verfahren, einer der beiden Sphären, die lange so reinlich voneinander abtrennbar schienen, nunmehr das ganze Feld zu überlassen - die Natur hat dabei die Oberhand -, kaum ein Weg, die dahinterstehenden Entwicklungen wirklich in den Blick zu bekommen.

Besser schon, man hält sich an Neuerscheinungen in diesem Herbst. Der an der ETH in Zürich lehrende Philosoph Michael Hampe hat mit "Tunguska oder Das Ende der Natur" (Carl Hanser Verlag) ein Buch vorgelegt, das direkt auf unsere Verlegenheiten zusteuert, wenn "die Natur" auf den Plan tritt. Sei es, wenn wir versuchen, uns selbst als Kompositum natürlicher und kultureller Anteile zu bestimmen; oder sei es im Bezug auf äußere Natur als Inbegriff der unabhängig von uns und unseren Interventionen gegebenen Dinge und Phänomene.

Dass beides nicht überzeugend gelingen will, hängt natürlich eng damit zusammen, dass wir unsere eigene Naturgeschichte mittlerweile immer deutlicher vor Augen bekommen und unsere Verfügungsmöglichkeiten über "die Natur" weiter wachsen. Gleichzeitig zeigt uns die neuere Wissenschaftsforschung ganz konkret, wie viele künstliche, also kulturell geformte Verrichtungen es braucht, um die natürlichen Phänomene zu erzeugen, an deren Regularität sich anknüpfen lässt. Wir sind demnach immer schon und auch dort im Spiel, wo wir eigentlich gar nichts zu suchen haben sollten, wenn "die Natur" das schlichtweg andere unserer kulturell-sozialen Welt wäre.

Vor diesem Hintergrund stehen Hampes Überlegungen, was unter "natürlich", "der Natur" und ihren "Gesetzen" zu verstehen sein sollte. Sie sind Lockerungsübungen, um von der Vorstellung einer von sich aus auf genau gebahnten Wegen ablaufenden Natur loszukommen und damit die Auffassung von natürlichen Phänomenen als inhärent gesetzmäßigen auf Abstand zu bringen. Es geht in Richtung eines Verständnisses von Natur als Verkettung von, genaugenommen, unwiederholbaren Einzelereignissen, die eine durch und durch partikulare und historische Wirklichkeit aufspannen.

Kein kleines Unterfangen also, aber vor allem auch eines, bei dem sich der Autor abseits von akademischen Gepflogenheiten der Darstellung hält. In einer Anknüpfung an die Tradition des Totengesprächs bekommt es der Leser hier mit vier Stimmen zu tun, die sich in Debatten verstricken und dabei markante Positionen ohne alle abschreckende Philosophenterminologie ins Spiel bringen.

Magistraler zwar, doch trotzdem elegant widmet sich Philippe Descola in "Jenseits von Natur und Kultur" (Suhrkamp Verlag) unserem eingefahrenen Naturbegriff. Der Inhaber eines Lehrstuhls für die "Ethnologie der Natur" am Collège de France geht es dabei vor allem um die basale Grenzziehung, mit der "die Natur" vom kulturell geformten Reich der sozialen Beziehungen, in dem wir uns bewegen, abgetrennt wird. Natur ist dann, wohin diese sozialen Relationen nicht reichen, weil in ihr die Voraussetzungen für sie gänzlich fehlen: Geist, Subjektivität, Formen des Bewusstseins und der Intentionalität. Sie mag lebendig sein, ist es in den Pflanzen und Tieren offenkundig. Aber das ändert nichts daran, dass diese Formen des Lebens grundsätzlich auf der anderen Seite der großen Auftrennung in Kultur und Natur zu stehen kommen - und also unter unseren Anspruch auf den Gebrauch der essentiell nichtmenschlicher Natur fallen.

Descola weiß natürlich, dass diese geläufige Auftrennung an bestimmten Stellen attackiert wird, vor allem mit Blick auf Tiere. Man denke nur an die regen Debatten darüber, ob und welche Kultur unseren nächsten Verwandten unter den Primaten zuzusprechen ist. Aber als Ethnologe - und Schüler von Claude Levi-Strauss - geht er einen anderen Weg. Sein Anspruch ist, die Abtrennung einer natürlichen, unseren menschlichen Verhältnissen inkompatiblen Sphäre als nur eine unter mehreren Möglichkeiten vor Augen zu führen, wie Gesellschaften sich die Welt zurechtlegen.

Das mag ein wenig abgehoben klingen, führt aber mitten hinein in einen überaus anregenden ethnologischen Parcours rund um die Erde - und in eine Fülle von Erzählungen, in denen Menschen vorkommen und Tiere, Pflanzen und Dinge, aber nicht unsere Grenzziehung zwischen ihnen. Zumindest nicht in der uns vertrauten Form. Da steht die Natur unter der Obhut kultivierender Geister, sind Tiere ebenso sozial organisiert wie die Menschen, haben auch Pflanzen an Personen gemahnende innere Eigenschaften. Wobei diese Beispiele allesamt für die von Descola "animistisch" genannte Konzeption der Welt stehen.

Sie erweist sich für ihn als eine von vier grundlegenden Weisen, wie Gesellschaften die Beziehungen zwischen menschlichem und nichtmenschlichem Bereich organisieren. Und Descolas Pointe ist, dass die für unsere westliche Welt bestimmende "naturalistische" Variante, gemessen an der Zahl von bestehenden Gesellschaften, der seltene Sonderfall ist.

Es liegt nicht auf der Hand, was aus einer solchen Diagnose zu machen ist. Aber wenn auch der ethnologisch entzauberten Notwendigkeit einer bestimmten kulturellen Organisation kein neu eröffneter Spielraum gesellschaftlicher Möglichkeiten entspricht - eine geschärfte Aufmerksamkeit für die auch auf naturalistischem Terrain anzutreffenden Spuren der anderen Varianten kann sie doch bewirken.

So zurückhaltend agiert Hans-Peter Dürr in seinem neuen Buch "Das Lebende lebendiger werden lassen" (Oekom Verlag) gerade nicht. Auch er nimmt die naturalistische Grenzziehung ins Visier, doch gleich mit einer kulturkritisch geläufigeren Vokabel, indem er auf einen falschen Materialismus zielt. Jenen nämlich, den er mit der Vorstellung verknüpft sieht, von der auch Hampe uns auf ganz grundsätzliche Weise entwöhnen möchte: von einer determinierten, maschinenhaft ablaufenden Natur.

Was der Physiker Dürr dagegen aufbietet, ist eine Erinnerung an die Quantentheorie: an ihren irreduziblen Wahrscheinlichkeitcharakter und den Abschied vom Konzept letzter Bausteine der Wirklichkeit, die sich immer noch wie kleine Stückchen von Materie verhielten. Statt dessen gelte es einzusehen, dass auf der untersten Ebene nur Form, Gestalt und Symmetrien anzutreffen sind. Und mit einem entschiedenen Schritt wird daraus die Versicherung, dass also im Grunde und überall etwas Geistiges webt, die Materie dagegen, recht betrachtet, nur als Schlacke anfällt in einer Welt, die sich in jedem Augenblick neu und im Horizont einer offenen Zukunft ereignet. Ein Anklang an religiös bewegte Rede - samt gnostischem Seitenhieb auf die schale Materie - wird einem dabei nicht entgehen.

Der Soziologe auf dem Feld der Wissenschaften Bruno Latour, an dessen Diagnose einer beständig an Hybridisierungen von Kultur und Natur arbeitenden Moderne sowohl Hampe als auch Descola anknüpfen, widmet sich in seinem Buch "Jubilieren" (Suhrkamp Verlag) gleich der Vollform solcher Rede. Oder vielmehr seiner Verlegenheit, zu ihr zu finden. Im Zentrum steht bei ihm die eher elementare Einsicht, dass religiöses Sprechen als eines, das gar keine direkte Referenz auf Dinge in der Welt hat, nicht aufgerechnet werden kann mit Diskursen, die ohne solche Referenzen leer liefen - also insbesondere jenen der Wissenschaften, die freilich auch nicht so einfach mit den Dingen verknüpft sind wie gern angenommen.

Von theologischer Programmatik, die sehr direkt mit weltlichen, nämlich mit römisch-kirchlichen Dingen verknüpft ist, handelt dafür der Kunsthistoriker Willibald Sauerländer. Er widmet sich einem Maler, der einem dabei wohl gar nicht gleich in den Sinn kommt, obwohl die Zahl seiner für Kirchen geschaffenen Werke groß ist. Sauerländer insistiert darauf, diesen "katholischen Rubens" (C. H. Beck Verlag) in den Blick zu nehmen: den europäischen Malerstar mit florierender Werkstatt, der in Zeiten der Religionskonflikte so grandios wie kaum ein anderer gegenreformatorische Bildprogramme verwirklichte.

Wohl ist Sauerländer nicht, wenn er Rubens der triumphierenden Kirche beispringen sieht. Und diese Reserve des Autors, der sich dem Leser als Agnostiker protestantischer Herkunft vorstellt, bekommt der Darstellung ausgezeichnet, zollt sie doch ihrerseits noch Rubens' ungeheurer malerischer Überzeugungskraft Tribut. Zu ihren Verfahren zählt nicht zuletzt, antike Vorlagen ins Christliche hinüberzuspielen (und manchmal auch wieder zurück).

In solche Spiele im Umgang mit Vorlagen führt auch das Buch eines anderen Kunsthistorikers ganz wunderbar hinein. Werner Busch widmet sich in "Great wits jump" (Wilhelm Fink Verlag) dem Umgang von Laurence Sterne mit Werken der bildenden Kunst. Nicht nur sind die Funde beachtlich, die Busch im "Tristram Shandy" macht. Es ist auch äußerst vergnüglich, ihm auf verzweigten Wegen durch all die Übernahmen, Abwandlungen und gewitzten Bedeutungsverschiebungen zu folgen, die Texte und Bilder verknüpfen.

Bestimmte Gaben der Natur, die mit der Anziehung der Geschlechter eng zusammenhängen, sind bei Sterne bekanntlich immer mit im Spiel. Eine moderne, wenn auch etwas wackelige Behandlung einiger solcher Gaben lässt sich im Buch der Soziologin Catherine Hakim über das "Erotische Kapital" (Campus Verlag) nachlesen. Und wer auf diesem Terrain Kultur von Natur scheiden möchte, der sollte ohnehin schnell eines Besseren belehrt werden können.

HELMUT MAYER

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine Warnung vor Expertenkultur ausgerechnet von einem Physiker? Christian Geyer stuft das Buch von Hans-Peter Dürr denn auch als pointierte Polemik ein, mit der der Heisenberg-Schüler die Binnenlogiken der Forschung zwar transzendieren, aber nicht aufheben möchte. Der Mann, so Geyer, sei schließlich kein Feind der Wissenschaften. Dürr liegt nur daran, die Verantwortung nicht den natur- und wirtschaftswissenschaftlichen Pfadfindern allein zu überlassen. Geyer entdeckt hinter diesem Anspruch ein Programm der Erkenntniskritik, das es in sich hat. Zwar legt der Autor dem Rezensenten keinen zusammenhängenden Essay vor, eher eine Art "Wörterbuch des Wandels". Dürr schreckt dabei jedoch nicht davor zurück, seinen Ansatz quantenmechanisch zu unterfüttern. Da kann Geyer nur staunen, weil er die Biologie hier eigentlich für zuständig hielt. Doch Dürr macht ihm klar: Verantwortung erstreckt sich weiter, auf die Bereiche Wissenschaft und Zivilgesellschaft, Arbeit und Zukunft und Poesie. Ja, Poesie. Gerade ihr traut der Autor im Zusammenspiel mit Wissenschaft offenbar einiges zu. Der Rezensent ist gespannt, wer den Faden aufnimmt.

© Perlentaucher Medien GmbH