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Der "Gesellschaftsvertrag" ist das politik-philosophische Hauptwerk Rousseaus und hatte eine nachhaltige Wirkung bis in die Moderne hinein. Voller Differenzen, Brüche und Spannungen, bereitet es dem Leser und dem Interpreten nicht geringe Schwierigkeiten. Die Werkinterpretation trägt dem durch ihre kontextuelle Zugangsweise Rechnung.

Produktbeschreibung
Der "Gesellschaftsvertrag" ist das politik-philosophische Hauptwerk Rousseaus und hatte eine nachhaltige Wirkung bis in die Moderne hinein. Voller Differenzen, Brüche und Spannungen, bereitet es dem Leser und dem Interpreten nicht geringe Schwierigkeiten. Die Werkinterpretation trägt dem durch ihre kontextuelle Zugangsweise Rechnung.
Autorenporträt
Wolfgang Kersting, geb. 1946, ist seit 1993 Professor für Philosophie und Direktor am Philosophischen Seminar der Uni Kiel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.08.2002

Der große Einsame
Wolfgang Kersting liest
Rousseaus „Gesellschaftsvertrag”
Nicht gute Lösungen machen den anhaltenden Reiz großer philosophischer Werke aus, sondern komplexe Problemsituationen, die sich der Lösung entziehen. Jeder philosophische Klassiker verstrickt seine Leser in einen verwirrenden Knoten, der paradox geknüpft ist: Man will ihn entwirren und ahnt doch, dass es nicht gelingen wird. Zu diesen noch immer beunruhigenden Hauptwerken der Philosophie gehört auch der „Gesellschaftsvertrag” von Jean-Jacques Rousseau. Er ist heute noch so umstritten wie im Juni 1762, als er durch die Hand des Henkers in Genf auf dem Scheiterhaufen verbrannt und sein Autor aus seiner geliebten Heimatstadt verbannt wurde.
Dabei wollte dieser stolze „Bürger von Genf” doch nur seine Mitbürger über die legitimen Grundlagen einer staatlichen Ordnung aufklären, deren Ketten jedem Einzelnen dennoch seine Freiheit ließen. Als Theoretiker konzentrierte er sich auf das Grundproblem der neuzeitlichen politischen Philosophie: Kann es unter der Voraussetzung, dass die Freiheit zum Wesen des Menschen gehört, überhaupt legitime Herrschaft geben? Rousseau antwortete mit einem klaren Ja. Denn der Widerstreit zwischen individueller Freiheit und politischer Herrschaft sei auflösbar durch „die vollständige Entäußerung eines jeden Mitglieds mit all seinen Rechten an die Gemeinschaft”. Doch die aufgeworfene Problematik war stärker als diese affirmative Lösung.
Widersprüchliche Werke fordern immer wieder neue Interpretationen heraus. Jede Zeit und Ideologie erschafft sich ihren eigenen Rousseau, sei es als Verfechter liberaler Freiheitsrechte oder als Vordenker totalitärer Volksgemeinschaften. Nun hat Wolfgang Kersting klar zu machen versucht, was in Rousseaus umstrittener Schrift eigentlich gesagt worden ist. Kersting, einer der besten Kenner des neuzeitlichen Vertragsdenkens, hat Rousseaus „Kontraktualismus” in seiner widersprüchlichen Spannung entziffert. Er hat dessen Zwiespältigkeit zwischen selbstbestimmter Individualität und vollständiger Entäußerung in einen „modernitätstheoretischen” Zusammenhang gestellt, der eine neue Diagnose zuließ.
Auf der Schwelle zur Moderne
Auf der einen Seite sei Rousseaus „Gesellschaftsvertrag” ganz modern, weil er mit den begrifflichen und argumentativen Mitteln neuzeitlicher politischer Selbstverständigung kritisch gegen illegitime traditionsmächtige Herrschaftsverhältnisse opponiere. Auf der anderen Seite jedoch beziehe seine radikale Gesellschaftskritik ihren Elan aus einer verloren gegangenen Vormoderne. Tugendhafter patriotischer Gemeinsinn, sozialökonomische Homogenität und sozialintegrative Lebensformen eingelebter kleiner Gemeinschaften werden gegen die Krisen und Revolutionen einer Moderne beschworen, die alles in ihren Abgrund zu ziehen drohe.
Kerstings Untersuchung konzentriert sich auf den argumentativen und atmosphärischen Widerstreit zwischen Vormoderne und Moderne in Rousseaus Text. Über die gesellschaftliche und politische Realität, in der dieser große Einsame zunehmend zum verfolgten Außenseiter wurde, erfährt man wenig. Der „contrat social” wird immanent entziffert als eine „modernitätskritische Funktionalisierung der Vormoderne”, deren Intention dennoch radikal modern sei. Damit ist Rousseaus großes Werk nicht entschärft. Im Gegenteil. Der Knoten dieses verwirrenden Klassikers ist um einige Windungen komplexer geworden, und neue Kommentare und Lesarten werden folgen.
MANFRED GEIER
WOLFGANG KERSTING: Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag”. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002. 228 Seiten, 22,50 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wegweisende philosophische Werke leben davon, dass sie so komplex sind, dass ein Versuch ihrer Auslegung kein Patentrezept bereithält, stellt Manfred Geier fest und zählt zu diesen Klassikern auch Jean-Jacques Rousseaus Klassiker "Der Gesellschaftsvertrag". Mit diesem Werk sorgte der Philosoph zu seiner Zeit für so viel Aufruhr, dass es 1762 verbrannt und sein Autor aus seiner Heimatstadt Genf verbannt wurde, berichtet der Rezensent. Einer der "besten Kenner des neuzeitlichen Vertragsdenkens", Wolfgang Kersting, hat sich nun dieses kanonischen Werks angenommen und fügt dem Diskurs über Freiheit und Bindung des Individuums an den Staat eine weitere Interpretation hinzu, so Geier. Besonders schön daran findet der Rezensent, dass es Kersting gelungen ist, Rousseaus "Kontraktualismus in seiner widersprüchlichen Spannung" zu analysieren. Deutlich werde in dieser Auslegung der "argumentative und atmosphärische Widerstreit zwischen Vormoderne und Moderne", aber, schränkt Geier sein Lob ein, über den gesellschaftlichen und politischen Kontext, in dem Rousseau zunehmend zum "verfolgten Außenseiter" wurde, erfahre der Leser leider nur wenig.

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