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Roberto Bolanos Romangroßwerk '2666' gehört zu jenen Texten der Weltliteratur, die ihre eigene Gattung, also ihre eigene Poetik hervorbringen. Christgau deutet erstmals diese Metapoetik und stellt die Frage nachdem Status von Literatur überhaupt.

Produktbeschreibung
Roberto Bolanos Romangroßwerk '2666' gehört zu jenen Texten der Weltliteratur, die ihre eigene Gattung, also ihre eigene Poetik hervorbringen. Christgau deutet erstmals diese Metapoetik und stellt die Frage nachdem Status von Literatur überhaupt.
Autorenporträt
Nataniel Christgau, geboren 1984 in Düsseldorf, ist wissenschaftlciher Mitarbeiter am romanischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Lateinamerikanische Literatur des 20. Jahrhunderts sowie das Grenzgebiet zwischen Literatur und Philosophie. Er promoviert über das Ingenio bei Baltasar Gracián.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kaum ein Schriftsteller hat lebendiger über den Tod geschrieben als Roberto Bolano, versichert Rezensent Ralph Hammerthaler. Schade, dass der Literaturwissenschaftler Nathaniel Christgau sich in seinem Essay über Bolanos Roman "2666" derart auf den Tod fokussiert, klagt der Kritiker, der Bolanos Humor und Neugier vermisst. Zwar liest er, abgesehen von einigen schiefen Formulierungen, gebannt, was Christgau über die Ambivalenzen und Absonderlichkeiten der Todesthematik bei Bolano zu sagen hat. Dass der Autor den erzählerischen Kosmos in Bolanos "2666" aber als von der Welt abgeschottetes System betrachtet, erscheint dem Kritiker mit Blick auf den Wirklichkeitsbezug des Werkes als schwerwiegende Fehleinschätzung.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2016

Das Geheimnis des Arturo Belano
Abgekoppelt: Nataniel Christgaus Essay „Tod und Text“ über Roberto Bolaño und seinen Roman „2666“
Vierzehn Tage vor seinem Tod hatte der Aufklärer Georg Christoph Lichtenberg einen seltsamen Traum: In einem Wirtshaus schaut er einer hageren Frau beim Stricken zu. Was damit zu gewinnen sei, fragt er sie. Und sie antwortet: nichts. Könne man dabei etwas verlieren? Nein, sagt sie. Für Roberto Bolaño, der diesen Traum in seinem kurzen Text „Lichtenberg im Angesicht des Todes“ zitiert, ist die hagere Frau eine Botin des nahen Endes. „Und wie verhält sich unser Philosoph aus Göttingen angesichts des Besuchs der hageren alten Frau? Nun, mit Humor und Neugier, den beiden wichtigsten Ingredienzien der Intelligenz.“
In dem Essay „Tod und Text“ des Heidelberger Literaturwissenschaftlers Nataniel Christgau über Bolaños Roman „2666“ gibt es keinen Hinweis auf Bolaños Lichtenberg-Lektüre. Dabei hätte der Essay davon profitieren können, vom Humor vor allem und von der Neugier. Stattdessen wird Bolaños Werk unbeirrbar auf den Tod ausgerichtet, das „chaotische Gravitationszentrum“. Natürlich ist der Tod in Bolaños Texten allgegenwärtig. Er liefert die Basstöne für die wunderbarsten und absonderlichsten Melodien. Streckenweise also schlagen einen Christgaus Argumente, trotz einiger ungelenker Formulierungen, durchaus in Bann.
  Fragt sich nur, warum Bolaños Prosa zum Lebendigsten zählt, was jemals geschrieben worden ist. Roberto Bolaño ist unverschämt zweischneidig. In „Die wilden Detektive“ etwa erwähnt er den Gesichtsausdruck eines Freundes, „ein Lächeln, das dir sagte, hier stehen wir, und hier stehen wir auch wieder nicht“. Obwohl Christgau ein Ohr hat für Ambivalenzen, scheint ihm der Tod nur der Tod zu sein, ohne darin die irrwitzige Feier des Lebens zu erkennen. Unheilvoll ist die Welt dennoch, durchdrungen von Verbrechen, Gewalt und Tod. Kann diese Welt geheilt werden?, wurde Bolaño einmal gefragt. Er antwortete: „Die Welt ist lebendig, und nichts, was lebendig ist, kann geheilt werden, und das ist unser Glück.“
Dass ein Romankunstwerk nicht der Wirklichkeit entspricht, ist banal. Aber mit Blick auf die literarische Figur des Arturo Belano, laut Bolaño der Erzähler von „2666“, glaubt Christgau es gleich doppelt abgeschottet: „Diese Literatur hat sich von der Wirklichkeit ‚abgekoppelt‘ und ist völlig frei. Sie ist ein in sich ‚geschlossenes System‘, das aus sich selbst entsteht und immer weiter geht.“ Tatsächlich verfügt Bolaño über einen wuchernden erzählerischen Kosmos. Doch daraus zu folgern, dieser Kosmos sei abgekoppelt von der Welt, gar ein geschlossenes System, ist ein schwer verzeihlicher Trugschluss. Kaum ein anderes Buch ist durchlässiger für die Wirklichkeit als ein Buch von Roberto Bolaño. Für die Präzision seiner Prosa war es unabdingbar, dass er sich von einem mexikanischen Journalisten Informationen schicken ließ über die Frauenmorde in Ciudad Juárez, die er in „2666“ aufgreift.
Den eigenen Tod bereits vor Augen, notierte Bolaño im Blick auf das Ende des Romans und sein Alter Ego Belano: „Und das ist alles, Freunde. Ich habe alles getan. Ich habe alles erlebt. Wenn ich die Kraft dazu hätte, würde ich weinen. Lebewohl sagt Euch Arturo Belano.“ Mit Roberto Bolaño wird die Literaturwissenschaft nie fertig werden.
RALPH HAMMERTHALER
Nataniel Christgau: Tod und Text. Zu Roberto Bolaños „2666“. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2016. 133 Seiten, 14 Euro.
Christgau übersieht die irrwitzige
Feier des Lebens bei Bolaño
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