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Ein erschütterndes Familiendrama um Verrat, Liebe und Vergebung– vom preisgekrönten Autor David Grossman Drei Frauen – Vera, ihre Tochter Nina und ihre Enkelin Gili – kämpfen mit einem alten Familiengeheimnis, das erst nach einem halben Jahrhundert gelüftet wird. An Veras 90. Geburtstag, der im Kibbuz groß gefeiert wird, beschließt Gili, einen Film über ihre Großmutter zu drehen und mit ihr und Nina nach Kroatien, auf die frühere Gefängnisinsel Goli Otok zu reisen. Dort soll Vera ihre Lebensgeschichte endlich einmal vollständig erzählen. Was genau geschah damals, als sie von der jugoslawischen…mehr

  • Format: mp3
  • Größe: 497MB
  • Spieldauer: 689 Min.
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Produktbeschreibung
Ein erschütterndes Familiendrama um Verrat, Liebe und Vergebung– vom preisgekrönten Autor David Grossman Drei Frauen – Vera, ihre Tochter Nina und ihre Enkelin Gili – kämpfen mit einem alten Familiengeheimnis, das erst nach einem halben Jahrhundert gelüftet wird. An Veras 90. Geburtstag, der im Kibbuz groß gefeiert wird, beschließt Gili, einen Film über ihre Großmutter zu drehen und mit ihr und Nina nach Kroatien, auf die frühere Gefängnisinsel Goli Otok zu reisen. Dort soll Vera ihre Lebensgeschichte endlich einmal vollständig erzählen. Was genau geschah damals, als sie von der jugoslawischen Geheimpolizei unter Tito verhaftet wurde? Und warum war sie bereit, ihre sechseinhalbjährige Tochter wegzugeben und ins Lager zu gehen, anstatt sich durch ein Geständnis freizukaufen? "Was Nina wusste" beruht auf einer realen Geschichte. David Grossmans schriftstellerisches Können macht daraus einen fesselnden Roman.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.

Autorenporträt
David Grossman wurde 1954 in Jerusalem geboren und gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern der israelischen Gegenwartsliteratur. 2008 erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis, 2010 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 2017 den internationalen Man-Booker-Preis für seinen Roman Kommt ein Pferd in die Bar. 2021 wurde ihm das Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Bei Hanser erschienen zuletzt Diesen Krieg kann keiner gewinnen (2003), Das Gedächtnis der Haut (2004), Die Kraft zur Korrektur (2008), Eine Frau flieht vor einer Nachricht (Roman, 2009), Die Umarmung (2012), Aus der Zeit fallen (2013), Kommt ein Pferd in die Bar (Roman, 2016), Die Sonnenprinzessin (2016), Eine Taube erschießen (Reden und Essays, 2018) und Was Nina wusste (2020). Im Hanser Kinder- und Jugendbuch erschien zuletzt 2018 das Kinderbuch Giraffe und dann ab ins Bett!, 2023 folgt das Bilderbuch Opa, warum hast du Falten?.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Etwas ambivalent ist diese Besprechung von Thomas E. Schmidt, der hier "Längen" entdeckt und sogar "Kitsch". Dass er trotzdem fasziniert ist: Ja. Aber begeistert? Der Kritiker schaut sich anhand der Geschichte das Verhältnis des Landes Israel zu seinen Menschen und der Menschen zu ihrem Land an. Er fragt, ob aus der "Ort- und Ruhelosigkeit" der Protagonistin Nina - und eigentlich wohl des Unabgegoltenen in der Geschichte - etwas anderen werden kann als der beständige Selbstzweifel - des Zionismus? Das Vexierspiel zwischen Dokumentation und Fiktion wird ihm durch diesen Roman zu einer "fiktionalen Zeugenschaft" des Lesers. Ob dies ein Lob ist, bleibt dem Publikum überlassen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.08.2020

Als die Liebe gehärtet wurde

David Grossmans neuer Roman "Was Nina wusste" erzählt vom generationenüberspannenden Leid totalitaristischer Willkür. Und vom Weg aus diesem Erbe hinaus.

Wieder ein Geburtstag. In "Kommt ein Pferd in die Bar", dem Roman, der David Grossman vor drei Jahren den Man Booker International Prize einbrachte und damit die bislang bedeutendste Auszeichnung für eines seiner Bücher, setzte die Handlung am siebenundfünfzigsten Geburtstag des Stand-up-Komikers Dovele Grinstein ein, und als der Tag zu Ende ging, war auch dessen Bühnenauftritt in der israelischen Küstenstadt Netanja und damit das Buch vorbei, aber wir hatten ein ganzes trauriges Leben erzählt bekommen. In Grossmans neuem Roman "Was Nina wusste" ist wieder ein Geburtstag Auslöser des Geschehens, diesmal allerdings ein neunzigster, und als sich im Kibbuz die riesige Familie zur Feier der Jubilarin Vera Bruck versammelt, ist alles eitel Sonnenschein. Wenige Tage danach jedoch tritt Vera in Begleitung von drei Angehörigen zu einer Reise in die Schattenwelt der Vergangenheit an, von deren Verlauf das Buch erzählt. Diesmal geht also alles erst richtig los, als der Ehrentag vorbei ist.

Zumindest für uns als Leser. Für Vera ist dagegen alles bereits 1936 losgegangen, als die in der kroatischen Kleinstadt Cakovec geborene Jüdin mit achtzehn den jungen serbischen Soldaten Milos Novak kennenlernte. Es folgten fünfzehn überglückliche gemeinsame Jahre, denen auch der Einfall der Deutschen ins Königreich Jugoslawien und die Exzesse des nationalsozialistischen Judenmords nichts anhaben konnten. Nach dem Krieg schlug sich das immer noch junge Paar auf die Seite der neuen kommunistischen Staatsführung unter Tito. Wie zur Bekräftigung dieses neuen Lebens kam ihre Tochter Nina zur Welt. Doch mit dem Abfall Titos von der Sowjetunion setzten politische Verfolgungen ein, und die Novaks gerieten in die Mühle des innerjugoslawischen Terrors. Milos überlebte ihn nicht. Und Vera zog schließlich mit der Tochter nach Israel, wo sie 1963 ihren zweiten Mann kennenlernte. Es ist größtenteils seine Familie, mit der die Greisin im Jahr 2008 ihren neunzigsten Geburtstag feiert. Nur Nina ist außerdem da. Und deren mittlerweile neununddreißigjährige Tochter Gili. Beide werden mit Vera auf die Reise gehen.

Drei Frauengenerationen, und doch ein einziges Schicksal. In Grossmans Buch dreht sich alles um die Folgen des Todes von Milos für dessen Frau und die Tochter und damit auch für die Enkelin Gili, die erst achtzehn Jahre nach der jugoslawischen Tragödie geboren wurde. Trotzdem lebt auch sie in deren Schatten, denn als kleines Kind war sie von ihrer Mutter Nina verlassen worden, die selbst dasselbe Kindertrauma erlitten hatte, als die Eltern in Jugoslawien verhaftet worden waren und sie dann bei fremden Leuten aufwuchs. Gili hatte mehr Glück: Sie konnte beim Vater bleiben. Dieser Rafael ist der vierte Reisegefährte - und der Stiefsohn Veras aus ihrer israelischen Ehe. Die Beziehung zu dem Stiefbruder war Nina als junge Frau wie einen Protest eingegangen, und ihr Liebesleben nach der Trennung war ein nymphomanisches, das sich um keine Konventionen scherte. Das verletzte Rafael, der Nina immer noch liebte. So finden sich vielfach Verwundete zu einer Reisegesellschaft zusammen, die nach Jugoslawien aufbricht, an die Orte von Veras Glück und Unglück. Das sie wiederum geerbt haben.

All diese Verhältnisse werden erst im Verlauf des Romans entwirrt, und zwar aus der Sicht von Gili, die über das Privileg verfügt, das größte Geheimnis ihrer Großmutter zu kennen. Es ist ein schreckliches Geheimnis, vor allem, wenn Nina es erführe, und der Titel der deutschen Übersetzung deutet es an: "Was Nina wusste", ist die Frage, die Gili sich ständig stellen muss. Im hebräischen Original heißt Grossmans Buch "Das Leben spielt mit mir", und damit wird seine Ich-Erzählerin Gili in den Mittelpunkt gerückt. Sie ist der Kopf des Geschehens, nicht zuletzt weil das, was wir lesen, als ein Buch ausgewiesen wird, das auf ihren Aufzeichnungen von der Reise des Jahres 2008 beruht. Die fertigt sie auf Anweisung ihres Vaters an, der in Jugoslawien einen Film über das Leben Veras drehen will und seine Tochter früher schon als Scriptgirl beschäftigt hat: "Ich sollte die Dinge aufschreiben, die nicht offensichtlich und ausdrücklich im Film vorkamen, Gedanken, Assoziationen, sogar zufällige Erinnerungen von Leuten aus dem Team, aber auch meine eigenen." Nach dieser Methode beobachtet und dokumentiert Gili nun auch den Familienausflug in die Vergangenheit. Mit keiner anderen Figur dieses Romans wird man so vertraut.

Dessen deutscher Titel aber verschiebt den Akzent: auf Nina, die tatsächlich die Seele des Buchs ist, eine unschuldig von den Zwängen der Geschichte gepeinigte Frau, die zudem an beginnendem Alzheimer leidet. Umso weniger kann sie dem vertrauen, was sie zu wissen oder auch zu vermuten meint, doch sie wird auf der Reise alles enthüllt bekommen, was Vera ihr verschwiegen hat, und am Schluss wird Nina in einer großen Geste die grausame Vergangenheit dem anheimstellen, was sie selbst so panisch befürchtet: dem Vergessen. Mit keiner anderen Figur dieses Romans leidet man derart mit.

Und keine andere liebt man so wie die alte Vera. Sie ist das Herz des Buchs, nicht nur stark, sondern auch witzig, und man kann Grossman nur bewundern für dieses Porträt einer Frau, die spät und alles andere als freiwillig die Aliyah gewählt, sich dann in Israel ein Leben in Gemeinschaft zurückerkämpft hat und nun, zur Handlungszeit 2008, als aktive Gegnerin der Besatzungspolitik ihres Landes und Mittelpunkt einer Großfamilie agiert. Womöglich noch mehr bewundern muss man jedoch, wie die Übersetzerin Anne Birkenhauer Veras auch nach fast einem halben Jahrhundert immer noch unüberhörbaren Akzent aus dem Hebräischen ins Deutsche gebracht hat. Denn darauf beruht nicht zuletzt die immer wieder aufbrandende Komik, sondern auch der resultierende Kontrast zum entsetzlichen Geschehen im früheren Leben.

Für Vera Bruck gibt es ein reales Vorbild: die 2015 im Alter von 97 Jahren gestorbene Eva Panic-Nahir, über ihre letzten beiden Jahrzehnte hinweg eine Freundin von Grossman, die ihm ihre Lebensgeschichte immer wieder erzählt hat. Sein Roman nimmt sich viele Freiheiten bei der Zeit nach 1951, doch im Zentrum bleibt die unlösliche Liebe zu Milos, der in Wirklichkeit Rade hieß. Im Roman sagt Vera ihrem zweiten Mann: "Jede Nacht werde ich dir erzählen von ihm", und so hielt ihr Vorbild es im Freundeskreis. Ein anderer bedeutender Schriftsteller, Danilo Kis, war auch fasziniert von Eva Panic-Nahir und wollte ein Buch über ihr Leben schreiben, nachdem er sie 1989 in Israel kennengelernt hatte. Doch daraus wurde nichts; Kis starb noch im selben Jahr. Womöglich hat der frühe Tod des großen jugoslawischen Autors uns erst das Buch seines großen israelischen Kollegen geschenkt. Wer hätte schon gegen ein Werk von Kis anzuschreiben gewagt?

Und doch: David Grossman hätte das Zeug dazu. Die in unterschiedlicher Typographie spät im Roman eingefügte Binnenerzählung aus Veras eigenem Mund über ihre fast dreijährige Leidenszeit in einem staatlichen Straflager auf der kargen Gefängnisinsel Goli Otok ist so grausam-präzise und zugleich so souverän gebaut, wie man es auch von Kis kennt. Und sie findet ein Motiv in einer Schikane der Lagerleitung, das einem den Atem nimmt - nicht nur aus Schreck. Alles, was wir zuvor von Vera zu wissen glaubten, wird da noch einmal gewendet, und als schließlich ihr großes Geheimnis aufgedeckt wird, erscheint es nur konsequent angesichts der Kraft, die diese Frau ansonsten bewiesen hat. Sie ist in Liebe verhärtet und hat deshalb überlebt. Nina wird nicht mehr gerettet, aber Gili schreibt die Geschichte weiter - buchstäblich und übertragen.

Was David Grossman mit diesem Buch leistet, entzieht sich der Beschreibung in Worten, weil es in der liebenden Härte gegenüber seinen Figuren dem entspricht, was Vera getan hat. Man muss "Was Nina wusste" lesen, um etwas vom Unbegreiflichen zu wissen.

ANDREAS PLATTHAUS

David Grossman: "Was Nina wusste". Roman.

Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Hanser Verlag, München 2020. 351 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.08.2020

Familienaufstellung mit Dämonen
Weil die Mutter standhaft blieb, brachte Titos Geheimpolizei sie auf eine Gefängnisinsel.
David Grossman erzählt in „Was Nina wusste“ von einem Trauma über drei Generationen hinweg
VON ALEX RÜHLE
Jugoslawien 1951, nach dem Bruch zwischen Tito und Stalin. Ein treuer Tito-Anhänger wird wegen „stalinistischer Umtriebe“ verhaftet und bringt sich im Gefängnis aus Verzweiflung um. Daraufhin wird seine Frau vom Geheimdienst erpresst: „Entweder Sie unterschreiben, dass Ihr Mann ein Verräter war oder Sie kommen ins Gefängnis.“ Die Frau weigert sich. Der Offizier zieht die Schraube weiter an: Sie habe doch eine sechsjährige Tochter. Wenn sie unterschreibe, bekomme sie die Pension ihres Mannes und könne mit dem Geld ihr Kind erziehen. Falls nicht, lande sie im Gefängnis und ihre Tochter auf der Straße. Die Frau sagt: „Mein Mann war kein Verräter, ich unterschreibe nichts.“
So kam die jüdische Jugoslawin Eva Panić-Nahir auf die Gefängnisinsel Goli Otok, wo sie 19 Monate Zwangsarbeit und Folter durchlitt; ihre Tochter aber landete tatsächlich auf der Straße. Weshalb der Moment der heldenhaften Loyalität ihrem toten Ehemann gegenüber gleichzeitig zum Moment des Verrats an ihrer lebenden Tochter wurde – und zum Quell transgenerationellen Leidens. Dennoch sagte Panić-Nahir, die nach ihrer Haftentlassung nach Israel auswanderte, bis ins hohe Alter: Ich würde es wieder so machen. Wäre ich eingeknickt, ich hätte mich und meine Tochter danach aus Scham umbringen müssen.
Diese wahre Geschichte bildet den Schmerzkern des neuen Romans von David Grossman, der befreundet war mit Eva Panić-Nahir und im Nachwort schreibt, es sei unmöglich, diese Frau „nicht zu lieben und nicht über ihre Kraft zu staunen. Aber manchmal war es auch schwer, nicht gegen ihre undurchdringliche Starrheit anzubranden. Sie wollte, dass ich ihre Geschichte und die ihrer Tochter aufschreibe“.
Nun ist es immer eine knifflige Sache, ein Leben in Romanform wiederzugeben. Wo ist es sinnvoll, Wahrheit in Dichtung zu überführen, also dazu zu erfinden oder umzudichten? Wo ist es besser, einfach nur aufzuschreiben, was war. Gleichzeitig natürlich: Wer weiß schon, was wirklich war?
In diesem Falle kommt hinzu, dass Eva Panić-Nahirs Leben bereits mehrfach erzählt wurde: 1989 lernte der jugoslawische Autor Danilo Kiš sie kennen und wollte sofort ein Buch über sie schreiben. Er starb während der Recherchearbeit, die langen Videogespräche der beiden wurden aber zu dem Film „A Naked Life“ montiert, der den Jugoslawen nach Jahrzehnten der Geschichtsklitterung erstmals vor Augen führte, was für ein grauenhafter Ort Titos Gefangeneninsel Goli Otok war.
2003 dann entstand der berührende Film „Eva – a documentary“, der auf Youtube frei verfügbar ist. Darin begleiten die Filmemacher Avner Faingulerent und Macabit Abramzon Eva Panić-Nahir, ihre Tochter und ihre Enkelin nach Jugoslawien und auf jene Insel zurück, über die die Enkelin bei Grossman sagt: „Ich kenne Goli Otok, als wäre ich da geboren. Ich könnte dort Touristen herumführen. Für eine Arbeit über die Wurzeln unserer Familie hab ich schon in der siebten Klasse ein Modell von der Insel aus Karton gebaut.“
Grossman stellt diese Reise in den Mittelpunkt seines Romans, gibt aber, um von vornherein zu zeigen, dass er das Ganze fiktionalisiert, den drei Frauen neue Namen: Es beginnt an Veras 90. Geburtstag, der im Kibbuz groß gefeiert wird. Sie hat in Israel wieder geheiratet, aus wenigen Szenen wird deutlich, dass diese lebenszugewandte, humorbegabte, radikal ehrliche Frau das Kraftzentrum ihrer Familie ist. Es ist ein herzliches Miteinander, gleichzeitig spürt man von der ersten Seite an, dass im Untergrund tektonische Kräfte walten, die jederzeit zu schweren Erdbeben führen können: Nina, Veras Tochter, ist ebenfalls zu der Feier gekommen. Sie, die verraten wurde um des toten Vaters willen, hat das Verhalten ihrer Mutter insofern wiederholt, als sie nach der Geburt ihrer eigenen Tochter Mann und Kind nicht nur verlassen hat, sondern untergetaucht ist. Seither irrlichtert sie durch die Welt, hat sich immer wieder von Männern gezielt missbrauchen lassen und lebt mittlerweile am Polarkreis. Jetzt ist sie, die Abwesende im Familienpuzzle, plötzlich wieder da und erzählt, dass sie an Alzheimer erkrankt ist. Oje, denkt man da erstmals, auch das noch.
Gili, Veras Enkelin und Ninas Tochter, ist Dokumentarfilmerin und Erzählerin des Buches und schafft es, Mutter und Großmutter zu der gemeinsamen Reise zu überreden. Sie will das Ganze mit der Kamera festhalten und hofft auf kathartische Klärung, schließlich ist auch sie schwer gezeichnet, fühlt sich verraten und hat einen Selbstmordversuch hinter sich. Außerdem kommt noch Gilis Vater mit, der, jetzt bitte festhalten, gleichzeitig der Stiefsohn von Vera ist und immer gehofft hat, Nina durch seine Liebe vor den Dämonen der Vergangenheit retten zu können.
Familientechnisch ist das also alles gelinde gesagt vertrackt. Andererseits ist David Grossman literarischer Experte für komplexe Biografien. Außerdem hat er in vielen seiner Bücher ein untrügliches Gespür für die wechselseitige Durchdringung von Privatleben und Geschichte, von autonomer Freiheit und biografischem Zwang bewiesen. In „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“ (2009) schickte er eine Frau auf eine Reise quer durch Israel und zugleich quer durch ihr eigenes Leben: Ora, Mutter zweier Soldaten, begibt sich darin auf Wanderschaft, um der permanent drohenden Nachricht vom Tod eines ihrer Söhne zu entgehen. Während er dort aber en passant ein breites historisches Panorama auffächert, während sich Oras Biografie im Text so elegant in die Geschichte Israels einfügt wie der schmale Wanderweg in die galiläische Landschaft, in der sie siebenhundert Seiten lang unterwegs ist, wirkt „Was Nina wusste“ wie eine Familienaufstellung vor extrem kargen historischen Kulissen. Goli Otok, „die kahle Insel“, wird natürlich eindringlich beschrieben. Aber das Nachkriegsjugoslawien, die paranoide Atmosphäre während der „Säuberungs“-Phasen, die komplexe Gemengelage in dem Vielvölkerstaat, all das wird höchstens in Bezug auf die Familie erwähnt, und auch dann immer nur ansatzweise.
Etwas anderes irritiert noch mehr. Pars pro Toto kann man das am zentralen Besuch auf der Insel zeigen, der bei Grossman inmitten eines aufziehenden Unwetters stattfindet. „Wir schwankten mit dem Boot. Wind peitschte uns ins Gesicht, die Luft stank nach totem Fisch.“ Während der finalen Aussprache geht dann sintflutartiger Regen über der Insel nieder. Im Dokumentarfilm dagegen sieht man, wie die Frauen Goli Otok bei ruhiger See und herrlichem Sonnenschein besuchen.
Nun steht es einem großen Romancier selbstverständlich frei, Dinge neu zu erfinden. Die Szene ist nur symptomatisch für verschiedene überflüssige Dramatisierungen. Das Leben von Eva/Vera, ihr Mut, als Jüdin einen orthodoxen Serben zu heiraten; die unbedingte Liebe zu diesem Mann, mit dem sie in ihrer Partisanenzeit 1500 Menschen vor dem Holocaust gerettet hat; die qualvoll offene Frage, ob sie nicht ihrer Tochter gegenüber die Verantwortung gehabt hätte, pragmatisch zu lügen; die Zeit im Folterlager, in dem sie niemanden denunzierte; das transgenerationale Trauma, das durch das Leben aller drei Frauen gefahren ist, all das ist so stark. Warum dazu solche hollywoodesken Effekte?
Grossman findet immer wieder wunderbare Bilder. Als die vier Reisenden einmal gemeinsam auflachen, alle spontan und doch verhalten, weil sie wissen, dass sie gerade wieder in einem innerfamiliären Minenfeld unterwegs sind, schreibt er über das schiefe Gelächter: „Wir klingen wie ein Quartett, das vor dem Konzert seine Instrumente stimmt.“ Das Bild könnte man weiterspinnen: Grossman ist ein großer Stimmenimitator. Es gibt Bücher, da könnte man danach schwören, man habe die darin sprechenden Menschen wirklich gehört. „Tausende von Minuten, Stunden, Tage, Millionen Dinge, unendlich viele Versuche, Fehler, Gespräche – das alles, um einen einzigen Menschen zu bilden“, heißt es in „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“. Dort gelingt ihm genau das. Er hält dem Staub aus Alltag und Gedankenmurmeln, aus Arbeit, Essen, Liebe, Schweigen sein Textsieb hin und sammelt darin so lange einzelne Partikel, bis man glaubt, Oras Stimme zu hören. Hier dagegen schleicht sich ab und an ein falscher Ton ein. Das liegt gewiss nicht an Anne Birkenhauer, Grossmans getreuer Übersetzerin, die auch diesmal wieder alle Register beherrscht. Alleine ihre Art, Veras kroatisch geprägtes Ivrit in ein knatternd herzhaftes Deutsch zu übertragen, ist so witzig wie anrührend.
Der zuweilen falsche Quartett-Ton rührt eher von der Konstruktion des Buches her. Schließlich wissen ja alle Beteiligten um den Ursprung ihrer Versehrtheit. Im Text aber werden um der Dramaturgie willen wesentliche Punkte immer noch weiter herausgezögert. „Nein, warte, lass mich das erklären.“ „Ich will dir mal was sagen, aber lass mich ausreden.“ „Halt, nur kurz, einen Moment.“ Solche Sätze sollen dem Ganzen eine vorwärtsdrängende Unbedingtheit geben, sie tauchen aber derart oft auf, dass man den Frauen irgendwann zurufen möchte: Hört mal, ihr wisst das noch nicht, aber Grossman gibt euch 351 Seiten Platz, Ihr habt alle Zeit der Welt, einander einfach alles in Ruhe zu erzählen.
Am seltsamsten wirkt aber, dass Nina, die Titelfigur, im Roman ein Lebenswrack ist, das nun auch noch darum weiß, dass es sich bald schon im Vergessen auflösen wird. Tiana, die echte Tochter, die als Goldschmiedin in den USA lebt, wirkt in dem gerade mal einstündigen Dokumentarfilm geerdeter, ruhiger, normaler und in ihrem leisen, zärtlichen Verzeihen ihrer Mutter gegenüber fast interessanter als Grossmans tragische Drama-Queen.
David Grossman: Was Nina wusste. Roman. Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Hanser, München 2020. 352 Seiten, 25 Euro.
Vera ist das Kraftzentrum ihrer
Familie, sie ist humorbegabt,
lebenszugewandt, radikal ehrlich
„Nein, warte, lass mich
das erklären.“ – „Halt, nur kurz,
einen Moment.“
Überreste des Gefängnisses auf der kroatischen Insel Goli Otok, hierher reisen die drei Frauen in Grossmans Roman.
Foto: imago images/Pixsell
Liebe auf den ersten Blick und weit über den Tod hinaus: Eva Panic-Nahir am Tag ihrer Hochzeit.
Foto: Yarmut Productions Ltd.
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"David Grossman ist ein Meister darin, mit erbarmungslosem Feingefühl zu beschreiben, wie sehr Menschen darum ringen, sich Wahrheiten nicht zu stellen. ... Er weicht weder der Härte, noch der Düsternis aus, doch sein zutiefst menschlicher Ton, die Eleganz seiner Sprache machen 'Was Nina wusste' auch zu einem Werk umwerfender Schönheit." Claudia Voigt, Der Spiegel, 28.11.20

"Die Neugier, der Antrieb zum Schreiben, die Sogkraft der Geschichten, das speist sich aus seinen politischen Überzeugungen, seinen Zweifeln, seinen Fragen. Das ist seine Kunst." Volker Weidermann, Der Spiegel, 10.10.20

"Grossman spürt mit großem Einfühlungsvermögen und sprachlichem Feingefühl den Beweggründen nach, die Menschen wie seine Vera so handeln lassen, wie sie eben handeln." Klara Obermüller, Neue Zürcher Zeitung, 30.08.20

"Grossmans Schreiben aus Gilis mitfühlender Perspektive setzt sich wie getrieben immer neuen Gefühlswaschgängen
aus und nutzt dennoch jede Gelegenheit, um mit sarkastischem Witz nach Luft zu schnappen, einen Moment des Abstands herzustellen." Eva Behrendt, Die Tageszeitung, 29.08.20

"Anne Birkenhauer, Grossmans getreue Übersetzerin, beherrscht alle Register. Alleine ihre Art, Veras kroatisch geprägtes Ivrit in ein knatternd herzhaftes Deutsch zu übertragen, ist so witzig wie anrührend." Alex Rühle, Süddeutsche Zeitung, 28.08.20

"'Was Nina wusste' ist Familiengeschichte und Zeitgeschichte in einem. Mit großer Empathie deutet Grossman die Folgen politischer und psychischer Gewalt aus. ... Seine beeindruckenden Charaktere geben den Blick frei in die Tiefe menschlichen Empfindens und die Abgründe des 20. Jahrhunderts." Carsten Hueck, WDR5 Bücher, 22.08.20

"Was David Grossman mit diesem Buch leistet, entzieht sich der Beschreibung in Worten, weil es in der liebenden Härte gegenüber seinen Figuren dem entspricht, was Vera getan hat. Man muss 'Was Nina wusste' lesen, um etwas vom Unbegreiflichen zu wissen." Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.08.20

"Der Roman verströmt eine weltumarmende Kraft und Energie. ... Ein zum Niederknien überragend
guter Text." Annemarie Stoltenberg, NDR Kultur, 14.08.20

"Je mehr man sich in diese von der Politik torpedierte Familiengeschichte versenkt, desto mehr psychologische Finessen offenbart sie und desto glaubhafter wirkt die sie bestimmende Sehnsucht nach Aussprache und letztlich Versöhnung." Wolfgang Schneider, Tagesspiegel, 20.08.20

"Die Erzählung schafft eine Unterbrechung, die dem über Generationen weitergegeben Trauma Einhalt gebieten kann. "Was Nina wusste" ist alles auf einmal: Kriegsbericht, historische Rekonstruktion, Liebesgeschichte und Familienroman und in jeder Hinsicht überwältigend. David Grossman ist einfach der größte lebende Schriftsteller... umwerfend und atemberaubend." Julia Encke, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.08.20

"Mit welcher Empathie und Genauigkeit erzählt der Menschenkennerund illusionslose Menschenfreund David Grossman diese Geschichte! Wie ein Sog folgt der Leser diesen schmerzhaft nah heran rückenden Personen, möchte sie gar vor ihren eigenen Verletzungen schützen." Marko Martin, Welt am Sonntag, 16.08.20

"Grossman gestaltet diese historische und tiefenpsychologische Exkursion szenisch stark, in gewohnt feinfühliger und empathischer Weise. Vergangenheit und Gegenwart schieben sich übereinander wie die Perspektiven der einzelnen Figuren." Carsten Hueck, Deutschlandfunk Kultur, 15.08.20

"Es ist schön und befreiend, Grossman bei seinen schreibenden Entspannungsübungen zu folgen und zu erleben, wie die Fäuste sich langsam öffnen. Vera ist eine fantastische Figur - eine fanatische Ideologin, warm herzig und kühl entschlossen zu gleich, lebenskundig und doch blind für ihre Nächsten." Volker Weidermann, Der Spiegel, 14.08.20
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