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A New York Times Bestseller The National Book Award winning author of The Echo Maker delivers a novel at once "magnificent and moving" (David L. Ulin, Los Angeles Times).

Produktbeschreibung
A New York Times Bestseller The National Book Award winning author of The Echo Maker delivers a novel at once "magnificent and moving" (David L. Ulin, Los Angeles Times).
Autorenporträt
Richard Powers is the author of fourteen novels, including The Overstory, Bewilderment, and Orfeo. He is the recipient of a MacArthur Fellowship, the Pulitzer Prize, and the National Book Award. He lives in the foothills of the Great Smoky Mountains.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2014

Den Hackern ist er Johann Sebastian Bach
Richard Powers lässt einen Komponisten ins Visier der Behörden geraten

Peter Els, der Protagonist von Richard Powers' neuem Roman "Orfeo", ist ein Besessener auf der Suche nach der perfekten Melodie. In jungen Jahren jagte der Komponist sie unermüdlich, im Alter will er sie in seinem Bio-Bastellabor in die DNA von Bakterien einschreiben. Und plötzlich finden "zwei Albträume, in denen die hysterische Gegenwart lebt - Bazillen und der Dschihad -, in ihm einen gemeinsamen Protagonisten". Die amerikanischen Sicherheitsbehörden entdecken neben dem Heimlabor des Siebzigjährigen einen osmanischen Notendruck aus dem sechzehnten Jahrhundert an der Wand. Als Els tags darauf von einem morgendlichen Spaziergang zurückkehrt, findet er sein Haus von gelbem Absperrband umgeben, Männer in Schutzanzügen buddeln seine im Garten beerdigte Hündin aus, verstauen sie in einer Plastikbox, tragen seine Besitztümer in Kunststoffbehältern hinaus. Els wird panisch und flieht.

Auch Richard Powers selbst liebt Musik und Genetik. Das Physikstudium brach er ab, um Literatur zu studieren, arbeitete dann aber zunächst als Informatiker und ließ als neunter Mensch auf der Welt sein Genom entschlüsseln. In einer Reportage schrieb er darüber, wie lange ein Lied dauern würde, das entstünde, wären die DNA-Basenpaare Noten - ein halbes Jahrhundert lang. Powers hat professionell Cello gespielt, komponiert und befasste sich schon in mehreren Romanen mit Musik (darunter der Bestseller "Der Klang der Zeit") und Genetik (zuletzt in "Das größere Glück"). Ihn treiben die großen Fragen unserer Zeit um: In "Der Klang der Zeit" setzte er sich mit Rassismus und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung auseinander, in "Das größere Glück" mit der Frage, ob Lebenszufriedenheit genetisch bedingt ist.

In "Orfeo" stellt Powers sowohl die neuesten Entwicklungen in der Biotechnologie dar - Hobbybastler können Gott spielen - als auch die Paranoia der Vereinigten Staaten noch mehr als ein Jahrzehnt nach dem 11. September 2001 - amerikanische Sicherheitsbehörden können sie bis zum Beweis ihrer Unschuld wegsperren. Und nicht zuletzt die unheilvolle Logik des Internets, in dem die Treffer für Els' Namen sich vermehren wie die Bakterien, die er züchtet, und wo er "Biohacker-Bach" genannt wird.

Oft wurde Powers vorgeworfen, mit der Schwere der großen Themen die Authentizität seiner Figuren zu erdrücken. Peter Els steht in seiner rührenden Musikbesessenheit aber nicht exemplarisch für irgendetwas. "Ich möchte eine Musik schaffen, die ihre Zuhörer verändert. Sie sollen über ihre persönlichen Vorlieben hinauskommen. Die Musik soll sie zu etwas führen, das außerhalb ihrer selbst liegt." Mit solchen Sätzen zeigt Powers, wie sehr die Vorstellung einer idealen Komposition Els' Leben dominiert. Und wie dieser scheitert. Denn Els ist zwar ein begnadeter Komponist, doch lebt er in der Zeit der wilden Siebziger, in der die Harmonien der Klassiker von aufstrebenden Komponisten belächelt werden. Als Kind dieser Zeit erscheint Els alles Melodische kitschig, weshalb er Musik komponiert, bei der "mehr Personen auf der Bühne als im Publikum" sitzen. Mit zunehmendem Alter kann er jedoch die Sehnsucht nach Schönheit und Harmonie nicht mehr unterdrücken und ist von einem sanften Lied zutiefst berührt: "Mit fünfundzwanzig hätte Els diese Komposition geistlos und reaktionär gefunden. Mit siebzig wünschte er sich, er hätte sie mit fünfundzwanzig geschrieben."

Die Hassliebe, die seinen Protagonisten mit musikalischen Harmonien verbindet, beschreibt Powers intensiv: "Er wird diese Musik zu Tode lieben. Noch ein paar Jahre, dann wird er über ihre Gefühligkeit die Nase rümpfen, die ergreifenden Harmonien verspotten. Wenn man erst einmal dermaßen geliebt hat, ist Verachtung die einzige Zuflucht. Erst wenn es zu spät ist, wird Peter begreifen, dass er sein Leben lang nur ein Einziges wollte: ein Ohr so zu rühren, wie diese Variationen ihn gerührt haben." Sätze wie dieser und seitenlange Schilderungen von Els' Gefühlen, wenn er Musik hört oder sich auch nur an sie erinnert, helfen über die schwachen Bio-Thriller-Stellen des Romans hinweg.

Das Problem von "Orfeo" ist ein anderes als sonst bei Powers: Statt dass dem Leser spannende Fragen durch blass bleibende Figuren präsentiert werden, setzt sich diesmal eine intensiv charakterisierte Figur mit einem Problem auseinander, das sich dem Leser nicht erschließt. Denn in der DNA der Bakterien will Els nicht das Muster perfekter Melodien finden, sondern Musik für immer speichern - ein Bedürfnis, das er im Laufe seines Roman-Lebens an keiner Stelle zum Ausdruck bringt. Dieses Leben entfaltet Powers in Rückblicken auf wichtige Begleiter: Els' erste große Liebe, ein Studienfreund und experimenteller Dramaturg, seine Frau und die gemeinsame Tochter. Er schildert, wie Els manche dieser Beziehungen für die Musik opfert und es später bereut.

Diese Erzählstränge werden immer wieder von der eigentlichen Erzählung unterbrochen, in der Els, gealtert und merkwürdig erregt von der Vorstellung, für einen Bio-Terroristen gehalten zu werden, quer durch Amerika fährt und über die Macht der Bakterien nachdenkt. Das ist nicht sonderlich überzeugend, wie überhaupt die Vorstellung, dass ein Komponist auf seine alten Tage zum Hobby-Genetiker wird und vor der Polizei flieht, statt sich ihr zu erklären. Els' Exfrau lässt eine Begründung anklingen: "Mit diesen Bakterienzellen", sagt sie zu ihm, "wolltest du da für immer leben?"

Das lässt an den titelgebenden Orpheus denken, der mit seinem Gesang die Toten aufwecken kann. Die Bakterien mit der einprogrammierten Musik werden die Menschheit überdauern und bedeuten eine Überwindung der Endlichkeit. Nur, was bedeutete das, ohne ein menschliches Ohr, um die Musik zu hören, und ohne eine menschliche Seele, um sich von ihr berühren zu lassen, wie Peter Els es immer wollte? Die Erklärung hierfür bleibt Powers schuldig.

LEONIE FEUERBACH.

Richard Powers: "Orfeo". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Manfred Allié. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2014. 492 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.10.2014

Bakterie,
ach, sing
mit mir
Ein Orpheus für das 21. Jahrhundert:
Richard Powers’ schrecklich-schöner
Roman über Musik und Gewalt
VON THOMAS STEINFELD
O rfeo“ heißt das jüngste Buch des amerikanischen Schriftstellers Richard Powers. Es ist sein elfter Roman, und wie alle seine Werke zuvor ist auch dieses Buch ein Werk der Dichtkunst wie der wissenschaftlichen Spekulation. „Orfeo“ heißt es, weil sein Held, auch wenn er den Namen Peter Els trägt und bloß ein pensionierter Musiklehrer in der Provinz ist, als aktualisierte Version eines Orpheus durchgehen kann: So, wie die mythische Figur mit ihrem Gesang wilde Tiere in zahme verwandelte, die Götter der Unterwelt zu friedlichen Wesen schrumpfen und Felsen weinen ließ, so will ihr moderner Wiedergänger die Welt in Musik verwandeln, indem er die Musik in die Natur hineinschreibt, für die Ewigkeit aufgehoben in der physischen Existenz der Welt selbst – in einem biochemischen Hobbylabor, das er sich für fünftausend Dollar in der eigenen Küche eingerichtet hat, um dort die DNS bestimmter Bakterien als Datenträger und Generator für Töne und Klänge zu nutzen.
  Das klingt spekulativ und verwegen? Es ist es mitnichten, wenn man die Geschichte der Musik im zwanzigsten Jahrhundert im Sinn behält: Unausweichlich zu werden, Manifestation einer höheren Ordnung, in der das eigentliche Wesen der Dinge zu Hause sein soll, war das große Projekt gewesen, mit dem die ästhetische Moderne in der Musik bei Arnold Schönberg begann. Und was man mit einer DNS machen kann, weiß Richard Powers, spätestens seitdem er vor einigen Jahren der neunte Mensch überhaupt wurde, dessen DNS vollständig entschlüsselt wurde. Im übrigen sind die Erlebnisse des Künstlers, der eines harmlosen biologischen Labors wegen ins Ermittlungsmaschinerie des FBI und der „Homeland Security“ gerät, keineswegs nur erfunden: Richard Powers hat sie nach den Erlebnissen des „Biokünstlers“ Steve Kurtz modelliert, dessen Leben vier Jahre lang tatsächlich von dieser Ermittlung beherrscht wurde.
  Aber das ist nur die eine Seite der Geschichte, die im Winter 2011 spielt und, als ginge es um eine klassische amerikanische Flucht, von Osten nach Westen, von Pennsylvania nach Arizona führt. Die andere ist, dass der amerikanische Staat in Gestalt seines nationalen Sicherheitsdienstes eines Tages über dieses Labor stolpert, in dem Peter Els gerade erst mit seinen Experimenten begonnen hat. Und weil dieser Geheimdienst prinzipiell paranoid arbeitet, verwandelt sich der ehemalige Musikprofessor im Handumdrehen in einen Bioterroristen auf der Flucht. Nicht, dass er wirklich ein solcher wäre – aber was er ist, spielt keine Rolle angesichts eines Staates, der über so große Möglichkeiten der Überwachung nicht nur seiner eigenen Bürger, sondern auch der Bürger anderer Staaten verfügt, dass er jeden Widerstand schon im Augenblick seines Entstehens ersticken kann. Und was ein Widerstand ist, das definiert er allein und souverän.
  Das klingt spekulativ und verwegen? Es ist es mitnichten, wie man spätestens seit den Offenbarungen Edward Snowdens weiß – nur, dass bislang kaum bedacht wurde, was eine gelingende universale Überwachung für den Staat heißt, der sie veranstaltet: Er kann nicht mehr angegriffen werden, jetzt nicht und morgen nicht und nie wieder. Und weil die Menschen das wissen, richten sie ihr Leben darauf ein. So aber wird der Staat ewig, zu einem Wesen höherer Ordnung, wie es auf der Welt noch nie eines gab, die katholische Kirche eingeschlossen. Was bei Dave Eggers und seinem zu Unrecht vielgerühmten Buch „The Circle“ (2013) als naive Verschwörungsfantasie daherkommt: Hier finden sich die jüngsten Formen der staatlichen Überwachung nicht nur präzis geschildert, sondern auch in ihren Gründen und Konsequenzen durchdacht.
  Richard Powers erzählt in „Orfeo“ von einer doppelten Theodizee, wobei sich die beiden Bewegungen hin zur Allmachtgegenläufig vollziehen: Die eine soll der Vollendung von Wahrheit und Schönheit dienen, die andere der Vollendung der Macht. Und bevor sich nun der Verdacht breitmacht, der Roman sei ein Gedankenexperiment, ein Spiel mit theoretischen Extremen und dem sinnlichen Nachvollzug verschlossen, sei widersprochen: Nie verliert Richard Powers die Bindung an die Wirklichkeit, sehr kleinbürgerliche Verhältnisse eingeschlossen, und so wie er jede Bewegung kennt, die der flüchtige Musiklehrer in seinem Fiat verrichtet, so wie er sich auskennt mit den Getränken, die an einer ländlichen Tankstelle zu einem Truthahnsandwich gereicht werden, so unangestrengt und sachkundig geht er mit der Musik um, mit Mozarts „Jupitersymphonie“ zum Beispiel oder mit der „Fünften Symphonie“ vom Dimitri Schostakowitsch, deren abschließender Triumphmarsch in Wirklichkeit einen Zug in den Tod darstellen sollte.
  Und auch wie das Experiment hätte verlaufen können, mit dem die abendländische Musik in die Natur und in die Ewigkeit hätte übertragen werden sollen – auch das wird dem Leser auf eine Weise mitgeteilt, dass er glaubt, er könne es verstehen, wenn er sich nur ein wenig mehr Mühe gebe. Die Beschreibungen der Musik aber: Sie lassen ihn zum CD-Regal laufen, um selber und sofort die unerhörten Dinge wahrzunehmen, die Richard Powers so unvergleichlich genau und mitreißend beschreibt: „Und dann der Schlusssatz mit seinen vier bescheidenen Noten“, heißt es über die „Jupitersymphonie“, „do re fa mi: eine halbe, durcheinandergeratene Tonleiter. Zu einfach, als dass man von Komposition sprechen könnte. Aber dieses Ding schießt hinaus in die Welt wie eine afrikanische Antilope, ein Antilopenbaby, das aus dem Schoß der Mutter purzelt, noch nass und kann doch schon rennen.“
  Ein dritter Handlungsstrang zieht sich durch die Geschichte. Er erzählt das Leben des Chemiestudenten und späteren Tonsetzers Peter Els, eines entfernten Verwandten Adrian Leverkühns in Thomas Manns „Doktor Faustus“, als lange Wanderung durch die musikalische Avantgarde des zwanzigsten Jahrhunderts, von Gustav Mahlers „Kindertotenliedern“ (1901 bis 1904), die Richard Els zum Begräbnis seines Hundes „Fidelio“ auflegt, bis zu Olivier Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“ (1940/41), das in einem deutschen Kriegsgefangenenlager komponiert wurde und nun die Flucht des Peter Els einleitet, von Schostakowitschs „Fünfter Symphonie“ (1937), die den Komponisten in den Augen der Kommunistischen Partei rehabilitierte und doch ein Manifest der Unterdrückung ist (Peter Els hört das Werk, als er seine Verhaftung erwartet), bis zu Terry Riley und Steve Reich. Musik, davon ist Peter Els überzeugt, bedeute nicht das Leben. Sie sei das Leben selbst. Und sein Autor schreibt über Musik, als wäre dieser Satz wahr.
  Es gibt nicht viele Menschen, die von der Musik des Komponisten Peter Els, allem Pathos von Wahrheit zum Trotz (oder vielleicht auch deswegen) etwas hören wollen. In der Regel sitzen bei den Aufführungen mehr Menschen auf der Bühne als im Publikum. Nur einmal hätte ihm ein Erfolg gelingen können, wider Willen: Ein Freund stiftet ihn zu einer Oper über die Wiedertäufer von Münster an, die dort im Februar 1534 ein apokalyptisches Schreckensregime errichteten, das ein gutes Jahr später, mitsamt allen Ideen von Priesterkönigtum, Erwachsenentaufe, Gütergemeinschaft und Vielweiberei, in einem Blutbad endete. Warum sich Peter Els dann mit Grausen von diesem Projekt abwendet, ist eine Sache. Eine andere ist, dass das Reich der Wiedertäufer eine frühe Parallele zu den beiden Theodizeen bildet, die in diesem Roman verhandelt werden: Auch darin ging es darum, das endgültige Heil in den Stoff des Lebens zu versenken.
  Muss man jetzt noch sagen, dass der ganze Roman wie eine Fuge, in der Sonderform des „Krebses“ gebaut ist? Dass die eine Theodizee, die Übertragung von Musik in die DNS, scheitert, während sich die andere, die Universalisierung staatlicher Gewalt, vollendet? „Orfeo“ ist ein erstaunliches Buch, auf beinahe schon schwer glaubliche Weise gelehrt und durchdacht und zugleich anrührend, spannend und „schön“, in einem ganz elementaren, poetischen Sinn. Nur eines gibt es, vielleicht, was man in diesem Roman vermisst: einen Soundtrack, als CD in einer kleinen Tasche zu liefern, eingeklebt in die vordere Buchdecke.
Im Handumdrehen wird
aus dem ehemaligen Professor
ein gesuchter Bioterrorist
Ein erstaunliches Buch:
gelehrt, durchdacht und schön
in einem elementaren Sinn
        
  
  
Richard Powers:
Orfeo. Roman. Aus dem Englischen von Manfred Allié. S. Fischer Verlag,
Reinbek 2014.
496 Seiten, 22,99 Euro. E-Book 19,99 Euro.
Die Narben dieses Riffhais stammen von einem Fangnetz. Hätte er sich nicht befreien können, wäre er wohl erstickt.
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