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Berlin 1989, Wendezeit. An der durchlässig gewordenen Mauer entlang gehen zwei alte Männer, groß und hager der eine, klein und gedrungen der andere. Ein ungleiches, ein komisches Paar: der Bürobote Theo Wuttke, genannt »Fonty«, und sein »Tagundnachtschatten« Hoftaller, der ewige Spitzel. Beide leben Vorgängern nach, beiden ist Vergangenheit so nahe und gegenwärtig wie die sich überstürzenden Tagesereignisse - während eine junge Französin auf ihre bezaubernde Art ganz neue Zukunftsperspektiven zu eröffnen scheint ...Aus dieser lebensprallen Romankonstellation des »Schwarz- bzw. Hellsehers der…mehr

Produktbeschreibung
Berlin 1989, Wendezeit. An der durchlässig gewordenen Mauer entlang gehen zwei alte Männer, groß und hager der eine, klein und gedrungen der andere. Ein ungleiches, ein komisches Paar: der Bürobote Theo Wuttke, genannt »Fonty«, und sein »Tagundnachtschatten« Hoftaller, der ewige Spitzel. Beide leben Vorgängern nach, beiden ist Vergangenheit so nahe und gegenwärtig wie die sich überstürzenden Tagesereignisse - während eine junge Französin auf ihre bezaubernde Art ganz neue Zukunftsperspektiven zu eröffnen scheint ...Aus dieser lebensprallen Romankonstellation des »Schwarz- bzw. Hellsehers der Nation« entsteht nicht nur eine sinnenfrohe, von Brüchen und Widersprüchen lebende Fontane-Biographie, sondern zugleich ein vielschichtiges Panorama deutscher Geschichte zwischen der Märzrevolution von 1848 und unseren Tagen, eine jede Chronologie sprengende Folge farbiger Bilderbogengeschichten von einst und jetzt, mehr noch, ein kunstvolles, von Humor getragenes Korrektiv zur oft harmonisierenden Hofgeschichtsschreibung: Festtagsreden zum »Aufschwung Ost«, Glockengeläut in »blühenden Landschaften« und Mein-Freund-ist-Ausländer-Kampagnen contra Alltagssorgen, Treuhandskandale und Fremdenfeindlichkeit. Neu zu entdecken, ein herausragender Roman von anhaltender Aktualität.
Autorenporträt
Günter Grass, 1927 bis 2015, wurde in Danzig geboren und war Schriftsteller, Bildhauer und Graphiker. 1999 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Zuletzt erschienen von ihm u. a. Grimms Wörter, der Gedichtband Eintagsfliegen und die illustrierte Jubiläums-Ausgabe seines 1963 erstmals publizierten Romans Hundejahre. Bis kurz vor seinem Tod am 13. April 2015 arbeitete Grass noch intensiv an seinem Buch Vonne Endlichkait, das im August 2015 erschien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.1995

Mit Fontane in der Stasizentrale
Günter Grass liest zum ersten Mal öffentlich aus seinem neuen Roman "Ein weites Feld"

Der große Saal im Jüdischen Gemeindezentrum war ausverkauft, wie immer bei den Veranstaltungen des Literaturforums. Doch diesmal war die Erwartung des Publikums größer, es war spannender als sonst - schon vor Beginn. Kameraleute hielten sich bereit, die Fotografen stürzten sich auf Günter Grass, als er zusammen mit seinem Kritiker und Lobredner endlich erschien. Auch Marcel Reich-Ranicki merkte man, wie dem berühmten Autor, das Lampenfieber an, als er dann die erste öffentliche Lesung aus dem neuen Roman "Ein weites Feld" bedeutungsvoll am Pult vorbereitete. Er erwarte die Lesung mit Freude und mit Unruhe. Nicht nur Grass werde sich an diesen Tag noch lange erinnern, denn er sei sicher einer der wichtigsten im Leben des Autors. Eines anderen, vergleichbaren Höhepunkts im Leben des großen Schriftstellers wollte Reich-Ranicki auch gedenken: Im Herbst 1958 sei es gewesen, als Grass nach seiner Lesung aus dem "Blechtrommel"-Manuskript den Preis der Gruppe 47 zugesprochen bekommen habe.

Als grimmigen Idylliker, als Heimatdichter stellte Reich-Ranicki den Schriftsteller vor. Er lobte den Sprachrhythmus, die literarische Sinnlichkeit, auch die (unterschätzte) Grasssche Lyrik, die unberechenbare, die nicht für den Feiertag sei, sondern für den Alltag - nach dem Motto "Alles Schöne ist schief". Auch damit schon hinführend zum neuen Roman, sprach Reich-Ranicki über die Juden im Romanwerk dieses Autors; ohne Larmoyanz, ohne Sentimentalität füge Grass sie in seinen deutschen Erzählkosmos ein.

Die Kapitel drei und vier des "Weiten Feldes", aus denen Grass dann etwa 90 Minuten lang las, beherbergen ebenfalls viele deutsche Juden - der bekannteste unter ihnen ist der Maler Max Liebermann, der im Jahre 1896 den Romandichter Theodor Fontane im berühmten Bild festhielt. Der neue Roman, dicker als die "Blechtrommel", leiht sich schon den Titel von Fontane. Ein weites Feld sind diese 37 Kapitel (nicht 47, wie Grass irrtümlich angab), unterteilt in fünf Bücher. Und ein weites Feld ist die deutsche Geschichte in 150 Jahren, die beackert werden. Die deutsche Einheit, für die im 19. Jahrhundert schon drei Kriege nötig gewesen seien, ist die historische Folie, auf der sich dieser Berlin-Roman abspielt. Oberflächlich ist es die Zeit vom Herbst 1989 bis zum Herbst 1991. Im Roman-Untergrund wächst ein Wurzelwerk der Beziehungen, Erinnerungen, Anspielungen.

Die beiden Hauptfiguren, der eine des anderen "Tag- und Nachtschatten", sind Verkörperungen und Vergeistigungen deutscher Kulturgeschichte. Beide kannten sich schon im Reichsluftfahrtministerium, und sie treffen sich in unterschiedlichen Funktionen im Stasihauptquartier in der Normannenstraße wieder - sinnigerweise im Paternoster, Aktenmappen aus dem Archiv durch die Weltgeschichte mit sich führend. Die deutschen Vexierbilder sind von aufwendiger Unauffälligkeit. Christa Wolf und Anna Seghers werden erwähnt, Uwe Johnson kommt vor, es gibt Hinweise auf die "Blechtrommel".

Fondy, ein Vexierbild Fontanes, denkt 1990 laut am Alexanderplatz: "In Deutschland hat die Einheit immer die Demokratie versaut." Und mit seiner Erkenntnis "Siegen macht dumm" bezieht sich der Erzähler wieder auf seine Fontane-Lektüre und den alten Treibel, der Moral durch Phrasen ersetzt hat. Ein hochartifizielles deutsches Beziehungsgeflecht unter diesem "Weiten Feld"; zur Buchmesse kann es vermessen werden. (Siehe auch Seite 35.) ARND RÜHLE

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»Grass liest, wie er schreibt, entfaltet Satz für Satz seine präzise Sprachkraft von mitreißender Wucht.« Süddeutsche Zeitung »Nur ein von Grass gelesener Grass ist ein echter Grass.« DIE WELT