Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
der Geschichte
Martha Gellhorns eindringliche
Reportagen aus dem Krieg
„Drei kleine Jungen hatten kahlrasierte Köpfe und unterschiedliche Schienen an ihren Körpern; das Bein des einen Jungen war an einem von der Decke hängenden Seil befestigt. Sie lebten für sich in einer Ecke; nicht nur, daß sie verwundet waren, sie hatten auch noch Tuberkulose. Die Schwester sagte, sie hätten Fieber und das machte sie ausgelassen. Sie würden nicht durchkommen, nicht einmal dann, meinte sie, wenn man ihnen etwas zu essen geben oder sie in ein Sanatorium schicken könnte.“ Barcelona, im Winter 1938. Die spanische Republik steht vor dem Fall. Aus der katalanischen Großstadt, welche die Faschisten im folgenden Jahr erreichen werden, schreibt die amerikanische Journalistin Martha Gellhorn (1908–1998). Jahrzehntelang berichtete sie über bewaffnete Konflikte: Spanien, China, der Zweite Weltkrieg, Vietnam, Nahost. Sie gehörte zu den besten Kriegskorrespondenten, die es je gab – weil sie sich nie vereinnahmen ließ, unglaublich nah vom Geschehen berichtete und weil für sie weniger Feldzüge und Strategien wichtig waren als die Folgen des Krieges für die Menschen, wie für die drei verlorenen Kinder in Barcelona 1938.
Der Dörlemann-Verlag hat ein liebevoll gestaltetes, sehr lesenswertes Buch mit übersetzten Gellhorn-Reportagen von 1937 bis 1987 herausgebracht. Es erinnert an eine großartige Journalistin, an eine mutige, ihrem moralischen Leitstern folgende Frau. Es führt die Leser auch an Orte von Konflikten, die heute vergessen sind und damals für die Menschen eine epochale Katastrophe waren. In Finnland, 1939 bestürmt von Stalins Roter Armee, ist Gellhorn beeindruckt von der tapferen Gegenwehr des demokratischen Landes: Dessen Armee „besitzt die Entschlossenheit derjenigen, die auf ihrer Heimaterde kämpfen“. In Java 1946 besucht sie, alles andere als eine Anhängerin des Kolonialismus, gefangene holländische Zivilisten, die in die Hand der Aufstandsbewegung geraten sind, wie menschliches Strandgut von Konflikten, die sie kaum verstehen: „Der allertraurigste Anblick waren die Kinder, wie sie da an den Wänden hockten und versuchen, bräunliche Batzen aus trockenem Reis aufzuwärmen. “
Zu Unrecht stand sie als Autorin im Schatten des Schriftstellers Ernest Hemingway, den sie 1940 heiratete. Frei von großen Irrtümern blieb auch sie nicht, aber wer ist das schon? Gellhorn war nach 1945 eine scharfzüngige Kritikerin aller amerikanischen Kriege und der nuklearen Aufrüstung; jeder Krieg, schrieb sie 1959, „ist eine bösartige Krankheit, eine Idiotie“. Und doch schilderte kaum jemand eindringlicher den spanischen Bürgerkrieg ab 1936 als verzweifelten Widerstand einer Republik, die von Demokratien des Westens alleingelassen wurde gegen die Macht der Faschisten. Eine Militärintervention des Westens hätte wahrscheinlich den Lauf der Weltgeschichte zum Besseren verändert.
JOACHIM KÄPPNER
Martha Gellhorn: Das Gesicht des Krieges. Reportagen 1937-1987. Aus dem Englischen von Hans-Ulrich Möhring. Dörlemann Verlag, Zürich 2012. 567 Seiten, 24,90 Euro.
„Krieg ist eine bösartige
Krankheit, eine Idiotie.“
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de