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Ostpreußen im Winter 1944/45: Alles ist in Auflösung. Flüchtlingsströme wälzen sich in Richtung Westen. Nur auf dem Gutshof der von Globigs scheint die Welt noch heil zu sein. Bis auch hier die Ordnung zusammenbricht. Walter Kempowskis Meisterwerk bringt die Themen Flucht und Vertreibung, Schuld und Heimatlosigkeit in eine eindringliche, literarische Form. • Der neue Roman von Kempowski – von ihm selbst gelesen. • "Es ist sozusagen eine Endabrechnung – mit mir. "Walter Kempowski über "Alles umsonst".

  • Format: mp3
  • Größe: 479MB
  • Spieldauer: 709 Min.
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Produktbeschreibung
Ostpreußen im Winter 1944/45: Alles ist in Auflösung. Flüchtlingsströme wälzen sich in Richtung Westen. Nur auf dem Gutshof der von Globigs scheint die Welt noch heil zu sein. Bis auch hier die Ordnung zusammenbricht. Walter Kempowskis Meisterwerk bringt die Themen Flucht und Vertreibung, Schuld und Heimatlosigkeit in eine eindringliche, literarische Form. • Der neue Roman von Kempowski – von ihm selbst gelesen. • "Es ist sozusagen eine Endabrechnung – mit mir. "Walter Kempowski über "Alles umsonst".

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Kempowski, Walter
Walter Kempowski wurde am 29. April 1929 als Sohn eines Reeders in Rostock geboren. Er besuchte dort die Oberschule und wurde gegen Ende des Krieges noch eingezogen. 1948 wurde er aus politischen Gründen von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach acht Jahren im Zuchthaus Bautzen wurde Walter Kempowski entlassen. Er studierte in Göttingen Pädagogik und ging als Lehrer aufs Land. Seit Mitte der sechziger Jahre arbeitete Walter Kempowski planmäßig an der auf neun Bände angelegten "Deutschen Chronik", deren Erscheinen er 1971 mit dem Roman "Tadellöser & Wolff" eröffnete und 1984 mit "Herzlich Willkommen" beschloss. Kempowskis "Deutsche Chronik" ist ein in der deutschen Literatur beispielloses Unternehmen, dem der Autor das mit der "Chronik" korrespondierende zehnbändige "Echolot", für das er höchste internationale Anerkennung erntete, folgen ließ.Walter Kempowski verstarb am 5. Oktober 2007 im Kreise seiner Familie. Er gehört zu

den bedeutendsten deutschen Autoren der Nachkriegszeit. Seit 30 Jahren erscheint sein umfangreiches Werk im Knaus Verlag.
Rezensionen
"Mit ruhiger, freundlicher, zugleich melancholischer Stimme liest Kempowski sein Werk in der beeindruckenden Hörbuchfassung."

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.09.2006

Mit vor Entsetzen geweiteten Augen
„Alles umsonst”: Walter Kempowskis großer Roman zur Flucht aus Ostpreußen im Frühjahr 1945
„Wenn die Menschheit schon leidet, dann soll das auch zu Buche schlagen. Die großen Erzählungen aus dem Dreißigjährigen Krieg. Verdun. Und die Kinder Israels wandern noch immer durch das Rote Meer!” So denkt in Walter Kempowskis neuem Roman „Alles umsonst” der gebildete Lehrer Dr. Wagner, der sich im Winter 1945 vor den Russen auf der Flucht durch Ostpreußen befindet.
Wagner und sein Zögling Peter, die sich im Treck durch das vereiste, weißverschneite Land schleppen, haben das verlassene Haus eines deutschen, offenbar vaterländischen Dichters betreten, in dem sich eine große Bibliothek und ein persönlich gewidmetes Führerbild befinden; da Dr. Wagner und Peter gerade von einer „Johann-Gottfried-Herder-Jugendherberge” kommen und es dem Lehrer schmerzlich zu Bewusstsein kam, dass er von diesem Klassiker gar keinen Sinnspruch oder Vers parat hat, sucht er in der zurückgelassenen Bibliothek nach dessen Werken, vergebens – nur Goethe, Schiller, Körner.
Ist es Ernst, ist es Hohn? Der Satz von den „großen Erzählungen” sagt eine geschichtliche Wahrheit, die jedem gebildeten Schulmann bewusst ist; er spielt aber auch an auf heutige deutsche Debatten seit den neunziger Jahren: Wo blieb das Luftkriegsepos, darf man die deutschen Leiden bei den Vertreibungen zum Thema machen? Walter Kempowski erzählt nun schon vier Jahrzehnte lang von der ganzen deutschen Geschichte seit dem Heraufkommen des Nationalsozialismus bis in unsere Tage, und er hat dabei die unverrechenbaren Mischungsverhältnisse von Schuld, Verstricktsein, schuldlosem Leiden jeweils so präzise und kleinteilig ins Bild gerückt, dass die globale Frage sich erledigt: Von allem darf, ja muss man erzählen, wenn man nur unerbittlich genau dabei bleibt. Nur kein „genre sentimental”.
Der Lehrer und der Oberwart
„Alles umsonst” ist Kempowskis Buch zur Flucht vor den Russen aus Ostpreußen. Der Schrecken, der die provinzielle deutsche Gesellschaft in dem von ihm gewählten Ausschnitt – das Gebiet um die Kleinstadt Mitkau – in Marsch setzt, ist dabei nur als bedrohliches Grollen am Horizont zu vernehmen. Es geht um die Deutschen, die erst gehorsam den Durchhalteparolen folgen und abwarten, aber die Flucht insgeheim schon vorbereiten; die sich dann überstürzt, aber doch nicht ohne bürokratische Gängelung mit Sack und Pack auf den Weg machen, und die am Ende in wilder Flucht entweder ausgerieben werden oder sich vereinzelt und auf sich gestellt durchschlagen.
Diesen mahlstromartigen Vorgang zeigt Kempowski an einer liebevoll konturierten Menschengruppe, den Bewohnern von Gut Georgenhof und seiner Nachbarn bei Mitkau. Eine Mutter und ihr Sohn, ein den Haushalt führendes „Tantchen”, der Tag für Tag durch den Schnee anstiefelnde Lehrer Dr. Wagner sowie sich ganz gut stehende Ostarbeiter bilden die Bevölkerung des Gutes. Der Hausherr befindet sich als Offizier in Italien, die Ostfront hat er zu verlassen gewusst. Auf der anderen Straßenseite macht sich eine wohlgeputzte „Leo-Schlageter-Siedlung” mit Brunnendenkmal am Aufmarschplatz und eifrigem „Oberwart” aus der Partei breit.
Gut Georgenhof ist ein begehrtes Ziel hereinschneiender Wanderer, denn dort sind die Verhältnisse vergleichsweise günstig, man hat Nutztiere, Vorräte und also noch viel zu essen. Altmodisch-traulich geht die Geschichte los mit solchen Besuchen, die die Bedrohlichkeit der Kriegs- und Zeitlage in die behagliche Binnenwelt der bürgerlich-neuadligen Umgebung tragen. Man redet von Verteidigungsanstrengungen, Luftangriffen auf Königsberg, draußen rollen Panzerkolonnen vorbei. Es ist furchtbar kalt, die Schule hat geschlossen und wird für Flüchtlinge von weiter ostwärts gebraucht. Ein briefmarkensammelnder Ökonom, ein einarmiger Soldat, eine in der Verwundetenbetreuung tätige Geigerin, überzeugte Nazi, schauen vorbei.
Das alte Deutschland zeigt sich in diesen an Wilhelm Raabe erinnernden Figuren eher grotesk als rührend. Kempowski hat die Technik, seine Romankosmen aus historisch beschränkten Bewusstseinszuständen aufzubauen, wieder meisterlich eingesetzt. Diskret und kontinuierlich wird zitiert und ein Sprachfluidum geschaffen, das einen vergangenen Erfahrungshorizont enthält. Schlager, Kirchenlieder, Bildungsgut durchziehen den Text und sorgen für eine so zart gestufte Lokalfarbe, dass man sich manchmal besorgt fragt, wie lange es das Publikum noch geben mag, das dergleichen Präzisionmalerei würdigen kann. Am Ende skandieren kontinuierliche Heil-Hitler-Grüße das Geschehen.
Auf dem Tisch der Gutsherrin liegt der Band „Deutsche Dome” aus den „Blauen Büchern”, gewiss, weil diese Dome soeben in Schutt sinken, aber auch als Leitmotiv einer popularisierten patriotischen Bildung. „Zwei in einer großen Stadt,/ die ein gold’ner Traum verzaubert hat” summt es, aber daneben schmettert es auch: „Wir fahren in die Weite,/ das Fähnlein weht im Wind./ Vieltausend uns zur Seite,/ die ausgezogen sind”, bündisches Parteiliedgut. Lutherchoräle und Schiller-Verse („auch das Schöne muss sterben”) sind zur Hand. Wer nur einen minimalen Sinn für die Aura von Zitaten und Requisiten mitbringt, der wird sich mit schaurigem Entzücken in die Welt der Deutschen vom Januar 1945 gezogen sehen, in ihre Provinzialität, ihre Ahnungslosigkeit, aber auch ihren Selbstbetrug.
Die Gutsherrin und der Jude
Denn natürlich machen Gerüchte von den Untaten im Osten längst die Runde, vor allem weil die Deutschen anfangen, sich Sorgen um sich selbst zu machen – um die Folgen ihres Tuns. Russische Rache und die Loyalität der überall eingesetzten Zwangsarbeiter sind unmittelbare Befürchtungen, aber hier und da sickert schon der Schrecken des Massenmords an den Juden ins Gewisper.
Die schematischen Täter-Opfer-Rechnungen, die das Thema von Flucht und Vertreibungen reflexhaft provoziert, hat Kempowski systematisch unterlaufen. Die schöne, verträumte Gutsherrin versteckt für eine Nacht einen Juden auf der Flucht, jedoch nicht aus durchdachter politischer Überzeugung, sondern von einem herrischen Pfarrer fast gezwungen. Dieser Pfarrer aber, so erfahren wir wenig später, war vordem „Deutscher Christ”. Der versteckte Jude begeht die Ungeschicklichkeit, eine Wegskizze zum Georgenhof nicht wegzuwerfen und bringt so die Gutsherrin mit in Haft, als er selbst aufgegriffen wird.
Im Gutshaus sieht man sich unangenehm beäugt von dem „Oberwart” aus der Nazi-Siedlung, doch ist er es, der ganz am Ende des Buches dem Kind Peter seinen Platz auf dem Fluchtschiff im Haff räumt, vielleicht im Gedanken an den eigenen gefallenen Sohn. Der Nazi verliert deswegen nicht seine Kontur als gefährlicher Tyrann, und der Pfarrer war wohl immer die unangenehm bollerige Figur, die für „typisch deutsch” durchgehen konnte. Das liebenswürdige Tantchen, Seele des Gutshaushalts, spielt mit dem Gedanken, einen Kunstmaler bei der Gestapo anzuzeigen, der ihr den Rat gegeben hatte, das Führerbild in ihrem Zimmer abzuhängen, bevor die Russen kommen.
Dieser Maler, einer der durch Georgenhof gespensternden Wanderer, bereist die deutschen Provinzen, um das „Stehengebliebene” zu malen – gemeint ist das Idyllisch-Rückständige alter Verhältnisse, aber natürlich enthüllt das Wort längst seinen aktuellen Nebensinn. Der Maler interessiert sich auch für die düster verstaubten Ahnenbilder, die unbeachtet in der Halle des Gutshofes hängen. Reinigen müsse man sie, erklärt er, und so wischt er immerhin ihre Augen sauber, „und sie strahlten aus der braunen Rembrandt-Sauce heraus”.
Diese aus historischem Schlaf geweckten, wie vor Entsetzen geweiteten Augen starren nun in ihren letzten Lebenstagen auf den Zusammenbruch einer jahrhundertealten Landschaftsformation. In so winzigen Zügen verbirgt sich bei Kempowski das tragische Bewusstsein von der geschichtlichen Dimension hinter dem kleinteiligen Alltag seiner Figuren – und natürlich klingt irgendwann auch der Goethe-Vers „Ihr glücklichen Augen,/ was je ihr gesehn,/ es sei wie es wolle,/ es war doch so schön” melodisch schmerzhaft durch den Text.
Baron und Zwangsarbeiter
Unerbittliche Genauigkeit verhindert wie immer bei diesem Meister des Erzählens und Denkens alle schiefen Symmetrien und Aufrechnungen, vor allem jede Sentimentalität. Die furchtbare Flucht hatte ihre Ursachen; aber im Einzelnen gerecht ist sie selbstverständlich mitnichten. Die Opfer sind Opfer, aber deswegen sind sie weder gut noch rührend. Im Verlauf der Auflösung der ländlichen Gesellschaft reißen auch die Bande herkömmlicher Sittlichkeit: Am Ende setzt unter den Fliehenden ein allgemeines Stehlen ein, man eignet sich an, was einem gerade in den Weg kommt, und sei es das Eigentum Nahestehender, und dabei sind baltische Barone nicht anders als polnische Zwangsarbeiter.
Die Kollektivierung im endlosen Treck, der durch die weiße Öde zieht, führt im Inneren zur Vereinzelung der Stärkeren, die durchkommen. Von Gut Georgenhof scheint am Ende nur Peter zu überleben, die Mutter verschwindet als politischer Häftling, das Tantchen wird bei einem amerikanischen Luftangriff auf den Treck erschossen, der Lehrer Dr. Wagner kommt buchstäblich unter die Räder, als er auf ein Fluchtauto klettern will: „Dr. Wagner sprang mit seiner letzten Kraft an die Ladeluke, aber rutschte ab, fiel hintenüber auf die Straße, und ein schwerer Wagen fuhr über ihn weg. ,Uhhh‘, rief Peter und ließ sich zurückfallen. War es das, was Wagner unter ,Vollendung‘ verstanden hatte?”
Walter Kempowskis Roman „Alles umsonst” zeigt auch das Umsonst einer bestimmten, zur idealistischen Phrase gewordenen Bildung. Die kahle, feststellende Manier seines musivischen, Welten erschaffenden Stils, sein Sinn für Abgrund und Groteske, sein mutiger Blick aufs Ganze und auf das Einzelne, das sich zum Ganzen nicht fügt – all das enthüllt die kurrenten Debatten zu Flucht und Vertreibung als geschichtspolitischen Wortmüll. Dieses Geschichtsgeschwätz ist die heutige Gestalt der idealistischen Phrase. Der große Walter Kempowski hat ein weiteres Mal das fast Unmögliche, fast nie Gelingende geleistet: einen vollkommen überzeugenden historischen Roman. GUSTAV SEIBT
WALTER KEMPOWSKI: Alles umsonst. Roman. Knaus Verlag, München 2006. 383 Seiten, 21,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Im gurgelnden Chaos
Bis das Blut gefriert: Walter Kempowskis Flüchtlingsroman / Von Wolfgang Schneider

Vermeintliche Darstellungstabus wie Flucht, Vertreibung und Bombenkrieg hat er schon ganz früh gebrochen, ohne daß dies gewürdigt wurde. Mit "Alles umsonst" rundet Walter Kempowski sein Lebenswerk ab.

Walter Kempowski, der im "Echolot" einen gewaltigen Chor von Zeitzeugenstimmen dirigierte, um den Schrecken und Leiden des Zweiten Weltkriegs zum bleibenden Ausdruck zu verhelfen, will dem Inferno des Winters 1945, dem das "Echolot" in einer "Fuga furiosa" vier Bände widmete, nun noch einmal in individueller Autorschaft beikommen: "Wenn die Menschheit schon leidet, dann soll das auch zu Buche schlagen", heißt es an einer Stelle seines neuen Romans.

"Alles umsonst" spielt auf einem Gutshof in Ostpreußen, im Januar 1945, vor dem Donnergrollen der näherrückenden Ostfront. Hier lebt Katharina von Globig, eine verträumte Schönheit, mit ihrem zwölfjährigen Sohn Peter, dem Kempowski eigene Züge verliehen hat. Für die rauheren Burschen aus der nahen Schlageter-Siedlung ist Peter ein allzu feines "Plutokratenjüngelchen". Der Ertüchtigung bei der Hitler-Jugend kann er sich dank hartnäckiger Erkältungen entziehen. Meistens ist er mit seinem Weihnachtsgeschenk beschäftigt, einem Mikroskop, das den Forschergeist stimuliert.

Die Schule fällt bereits aus, aber Studienrat Wagner, ein homophil tingierter Bildungsphilister, läßt seinen Lieblingsschüler nicht im Stich. Mit pädagogischem Eros und Wandervogelgesinnung läuft der Siebzigjährige täglich durch Schnee und Eis die vier Kilometer nach Georgenhof. Neuerdings kommen immer mehr Bauernwagen vorbei, hoch mit Hausrat beladen, Richtung Westen. Täglich wird dieser Zug anschwellen. Und die "Fremdarbeiter", die den Gutsbetrieb bisher am Laufen hielten - "Gesochs", vor dessen Diebesgesinnung und übermäßiger Sinnlichkeit der Volksdeutsche auf der Hut zu sein hat -, stecken desto öfter die Köpfe zusammen, je vernehmlicher es im Osten rumpelt.

Während sich die Zeichen des Unheils mehren, versucht man auf dem Georgenhof mit Erfolg, worauf sich so viele Deutsche in jenen Jahren gut verstanden: die Realität nicht an sich heranzulassen. Kultur hilft dabei, vor allem die Musik. Wo sie gegenwärtig ist, ist die Gegenwart eine Weile vergessen. Im zweiten Kapitel stellt sich unversehens eine junge Geigerin ein, die gerade von der Truppenbetreuung kommt, ein forsches, wenn auch ideologisch verseuchtes Mädel. Und bald gesellt sich ein Soldat hinzu, der sie auf dem Klavier begleitet, wenn auch nur mit einer Hand: "Die andere hatte man ihm amputiert." Das Hauskonzert findet auch unter erschwerten Bedingungen statt. Das sind Szenen von gespenstischer Heiterkeit.

Detailreich wird die Idylle im Auge des Orkans geschildert: wie sich das schlesische "Tantchen", in dessen Zimmer es nach "reifen Äpfeln und verwesenden Mäusen" riecht, die Wärmflasche macht. Noch als der Feuerschein bereits am Horizont zu sehen ist, wird Schnee gefegt, als wäre alles wie immer. Man braucht so lange dafür, sich mit dem Gedanken an die Flucht anzufreunden, bis es fast zu spät ist. Muß man nicht den offiziellen Bescheid abwarten? Und soll man, bevor man sich auf den Weg macht, noch einmal die Vorhänge waschen?

Kempowski gelingen Zeittypen wie der gestrenge Herr Drygalski, Parteigenosse der ersten Stunde. Das ihm gewidmete Kapitel entwickelt sich zum Bewußtseinsstrom eines kleinen Nationalsozialisten, der sogar die Schneemänner vor den Häusern defätistisch findet: "Irgendwann lassen die dann eben doch den Kopf hängen und sacken in sich zusammen." Drygalski war Kolonialwarenhändler, der in der Weltwirtschaftskrise alles verloren hatte. Nach Jahren des Elends machten die Nazis ihn zum "Oberwart" in der Deutschen Arbeitsfront. "Endlich ging es aufwärts."

Auch wenn der Autor hier mit Ironie im Hintergrund waltet - bei Kempowski bestimmt keine pädagogische Perspektive den Blick auf die Vergangenheit. Geschichte wird bei ihm kontaminiert mit den Phrasen der Epoche dargestellt. Auch die heute indiskutablen Gesinnungen und Gefühle gilt es zu überliefern. Vor allem mittels der virtuos praktizierten erlebten Rede versetzt sich das Buch in den Bewußtseinszustand des Jahres 1945 mitsamt seinen Verblendungen. Oft werden die Floskeln, mit denen sich die Menschen das unbekömmliche Schicksal mundgerecht machten, mit Fragezeichen als Markierungen einer fundamentalen Verunsicherung versehen. Man könnte geradezu von einer Poetik des Geredes und einer Kunst des Fragezeichens sprechen.

Einige Beispiele: Eberhard von Globig, Katharinas Man, hatte als Offizier mit der "Ausschöpfung des östlichen Wirtschaftsraumes" zu tun, bevor er nach Italien verlegt wurde. "Die Ukraine, Weißrußland. Da war allerhand zu holen gewesen." Es hagelt Euphemismen. "Sachen, die doch an sich gar nicht nötig waren?", raunt Wagner über die Verbrechen im Osten. Von den Russen keine Schonung zu erwarten, meint ein anderer; denn "wir Deutsche sind ja auch kein Kind von Traurigkeit". Verbreitet ist die Auffassung, daß Hitler die Russen nur ein Stückchen ins Land hineinlasse, um dann "den Sack" zuzuziehen.

Indem er sich ganz der Figurenperspektive überläßt, gelingt es Kempowski darzustellen, wie der normale Alltag und der methodisch gewordene Irrsinn im "Dritten Reich" gutnachbarlich zusammenlebten. Da ist die Rede von Katharinas schwangerer Freundin Felicitas. Ihr Mann "lag in Graudenz . . . Hatte es dort in der Festung mit deutschen Drückebergern zu tun. ,Die werden natürlich alle erschossen', hatte er erzählt. Felicitas hätte ihn natürlich besuchen können, aber in diesem elenden Nest, wo es noch nicht einmal ein Kino gab?"

Bisweilen gelingen Szenen von genialischer Lakonie. Die Globigs sitzen zusammen mit den neuerdings auch bei ihnen einquartierten Flüchtlingen: "Spät in der Nacht senkte man dann doch die Stimme bis zum Gewisper: Von Juden wurde geredet. ",Das rächt sich.' - ,Ich halte nichts von diesen Brüdern, aber. . .' - ,Naja, Schwamm drüber.'" So muß man es sich wohl vorstellen, das "Wissen", von dem später so viele nichts mehr gewußt haben wollen.

Kempowski verfolgt eine Ästhetik der Archivierung, die Lebensformen inventarisiert, bis hin zu den Schlagern und Filmen, die noch den Untergang versüßten. Mit der Handlung läßt sich das Buch dagegen Zeit. Sie kommt in Gang, als Katharina von Globig einen verfolgten Mann für eine Nacht versteckt. Nicht aus Widerstandswillen oder Humanität, sondern weil sie es dem Pfarrer nicht abschlagen kann und es mit einem Abenteuer verwechselt. Es ist ein "kleiner Jude", der einige Tage später aufgegriffen wird und, entsprechend "verhört", alles gesteht. Katharina von Globig wird verhaftet.

Der einzelne ist nur ein Sandkorn auf der Schaufel der Historie. Kempowski will Geschichte erfahrbar machen als Mahlstrom der Schicksale. Die Geschichtsschreibung erzählt im geordneten Rückblick, er dagegen versucht, im "Echolot" ebenso wie im letzten Viertel dieses Romans, das "gurgelnde Chaos" des Jahres 1945 abzubilden, von dem er im Notizband "Culpa" gesprochen hat: die Todesmärsche von KZ-Häftlingen (Katharina von Globig darunter); die endlosen, von Tieffliegern attackierten Flüchtlingstrecks; die Verwundeten und Toten am Straßenrand, meistens Kinder und Alte; die desorganisierten Kolonnen der Soldaten; die von den "Kettenhunden" liquidierten Deserteure, Plünderer und "Feiglinge". Und mittendrin unsere pittoresken Hauptfiguren. Sie stehen mit einem Bein noch im beschaulichen neunzehnten Jahrhundert und werden nun mit der lapidaren Brutalität des zwanzigsten beseitigt.

Kempowski tut allerdings gut daran, die Katastrophe romantechnisch hinauszuschieben. Denn er ist ein Autor des Alltags; die Schilderung des Ausnahmezustands ist nicht seine Stärke. Eindringlich beschreibt er, wie Menschen unter extremen Bedingungen ihr gewohntes Leben aufrechtzuerhalten suchen. Eine trockene Komik des Inkommensurablen ist in Kempowskis Romanen wirksam; in keinem so wie in hier. Der Erzähler versteht sich darauf, über Abgründe hinwegzuplaudern. Aber wenn es den Abgrund des Infernos endlich zu schildern gilt, wirkt der Parlando-Ton bisweilen inadäquat.

Das Pathos von Furcht und Mitleid, das im "Echolot" so überwältigend funktionierte, bleibt außen vor. Vielmehr wirkt es forciert und dürr, wenn Kempowski prinzipiell nie mehr als einen Satz auf einen Todesfall verwendet. Das Tantchen wird von der Kutsche gebombt, ihre Brust aufgerissen. Fast möchte man mit einer legendären Kempowski-Sentenz bemerken: "Was das nun wieder soll?!" Gewiß sind Leichen ein gewohnter Anblick geworden, kaum der Rede wert. Aber muß Peter sein Mikroskop aufstellen, um das Blut der Tante zu untersuchen? Bei einem toten Mädchen interessieren ihn die Strapsbeine. An seine inhaftierte Mutter verschwendet er keinen Gedanken. Er wirkt wie anästhesiert. Das mag der Situation entsprechen, aber es schadet der Einfühlung des Lesers.

Mit Recht hat sich Kempowski darüber geärgert, wenn andere (gemeint war vor allem Grass) dafür gelobt wurden, daß sie vermeintliche Darstellungstabus wie Flucht, Vertreibung und Bombenkrieg gebrochen hätten - als gäbe es nicht die "Deutsche Chronik" und das "Echolot", in dem auch die Tragödie der "Wilhelm Gustloff" breiten Raum einnimmt. Jetzt gibt es auch "Alles umsonst", einen das Lebenswerk rundenden Roman, der über weite Strecken, solange er ein Endspiel als Kammerspiel sein will, große Literatur bietet, und nur am Ende, wenn er ins Große strebt, ein bißchen zu klein geraten ist.

Walter Kempowski: "Alles umsonst". Roman. Knaus Verlag, München 2006, 383 S., geb., 21,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nur knapp verfehlt Walter Kempowskis Flüchtlingsroman die Bestnote des Rezensenten. Eigentlich ist alles da: Detailreichtum, Heiterkeit (wenn auch gespenstische), das düstere Zeitkolorit von Anno '45 und ein Autor der "mit Ironie im Hintergrund" waltet und keine pädagogische Keule schwingt. Das So-muss-es-gewesen-sein-Gefühl überkommt Wolfgang Schneider dank der vom Autor erfolgreich angewandten "Poetik des Geredes", unterstützt von einer "Ästhetik der Archivierung". Figurenperspektivisch, lakonisch findet Schneider die "Phrasen der Epoche" wiedergegeben. Die gepriesene Einfühlung des Leser aber funktioniert am Schluss des Buches kaum noch. Für Schneider ein Jammer, der sich erklären lässt: Kempowskis Parlando, findet er, passt einfach nicht zu dem mächtigen Abgrund, der sich schließlich auftut. Etwas von dem "Pathos von Furcht und Mitleid" aus Kempowskis "Echolot", gibt Schneider zu verstehen, hätte dem Buch gut getan.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Er war Chronist, Literat und einer der herausragendsten Autoren Deutschlands." Stern

"Dieses Buch zeigt, dass Literatur etwas kann, was Historiker nicht vermögen." Andreas Isenschmid, Neue Zürcher Zeitung

"Der große Walter Kempowski hat ein weiteres Mal das fast Unmögliche, das fast nie Gelingende geleistet: einen vollkommen überzeugenden historischen Roman." Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung

"In der deutschen Literaturlandschaft ist Walter Kempowski eine Ausnahmeerscheinung." Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Walter Kempowski hat einen meisterlichen historischen Roman geschrieben. Sein Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite eine einzige Wohltat sachlicher wie stilistischer Angemessenheit." Andreas Isenschmid, Neue Zürcher Zeitung

"Bei allem Understatement doch schmerzlich ergreifend." DER SPIEGEL

"Unerbittliche Genauigkeit verhindert bei diesem Meister des Erzählens und Denkens alle schiefen Symmetrien und Aufrechnungen, vor allem jede Sentimentalität." Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung

"Vermeintliche Darstellungstabus wie Flucht, Vertreibung und Bombenkrieg hat Walter Kempowski schon ganz früh gebrochen. Mit 'Alles umsonst' rundet er sein Lebenswerk ab." Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Dieses Buch zeigt, dass Literatur etwas kann, was Historiker nicht vermögen, geschweige denn die Debattierkanonen des Feuilletons." Andreas Isenschmid, Neue Zürcher Zeitung

"Es wäre vielleicht um unser historisches Gedächtnis besser bestellt, hätten wir mehr als den einen Kempowski." Die Welt

"Wer Augen und Ohren im Kopf hat und einen Sinn für menschliche Grautöne, die hier kühn und doch zutiefst glaubwürdig ausgemalt werden, der höre den großen Walter Kempowski." Edo Reents, Frankfurter Allgemeine Zeitung (zur Hörbuch-Ausgabe von "Alles Umsonst")

"Kempowski zielt nicht auf Mitleid (...) Und er klagt nicht an, weil die Dinge selbst anklagen." Die Zeit
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»Der große Walter Kempowski hat ein weiteres Mal das fast Unmögliche, fast nie Gelingende geleistet: einen vollkommen überzeugenden historischen Roman.« Süddeutsche Zeitung