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Die große Jazzsängerin Uschi Brüning erzählt erstmals aus ihrem Leben
In der DDR war sie ein Publikumsliebling. Manfred Krug schwärmte für ihre Stimme. Ulrich Plenzdorf setzte ihr ein Denkmal in »Die neuen Leiden des jungen W.«. Nun erzählt die große Jazz- und Soulsängerin Uschi Brüning erstmals von ihrem Leben als Musikerin in der DDR, dem ständigen Vabanquespiel mit dem SED-Regime - und warum sie nie die Ausreise in den Westen erwogen hat.
"Die Stimme der DDR, die nie die Stimme der DDR war." Wiglaf Droste
Schon von klein auf singt sie mit Begeisterung - zu Hause, auf der Straße, im
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Produktbeschreibung
Die große Jazzsängerin Uschi Brüning erzählt erstmals aus ihrem Leben

In der DDR war sie ein Publikumsliebling. Manfred Krug schwärmte für ihre Stimme. Ulrich Plenzdorf setzte ihr ein Denkmal in »Die neuen Leiden des jungen W.«. Nun erzählt die große Jazz- und Soulsängerin Uschi Brüning erstmals von ihrem Leben als Musikerin in der DDR, dem ständigen Vabanquespiel mit dem SED-Regime - und warum sie nie die Ausreise in den Westen erwogen hat.

"Die Stimme der DDR, die nie die Stimme der DDR war." Wiglaf Droste

Schon von klein auf singt sie mit Begeisterung - zu Hause, auf der Straße, im Kinderheim, in der Schule. Mit dreizehn beschließt sie, als Sängerin berühmt werden. Ihre großen Vorbilder sind Caterina Valente und Ella Fitzgerald. Mit der Klaus-Lenz-Band und an der Seite von Manfred Krug feiert die junge Uschi Brüning ihre ersten großen Bühnenerfolge. Sie gründet eine eigene Band, will sich als Frau in der Männerwelt des Jazz behaupten. Bald lernt sie den Saxophonisten Ernst-Ludwig Petrowsky kennen. Die beiden werden nicht nur ein Paar, sondern auch musikalische Partner und genießen als erfolgreiche Künstler manche Freiheiten: Jazz ist in der DDR die geduldete Nische, in der sich auch Unangepasste und Regimekritiker relativ zwanglos zusammenfinden können.
»So wie ich« ist eine außergewöhnliche Reise in die ehemalige DDR und ihre Musikszene und eine Liebeserklärung Uschi Brünings an den Mann ihres Lebens. Vor allem aber gibt das Buch Einblick in das so bewegte wie bewegende Leben dieser hinreißenden Jazzsängerin.
Autorenporträt
Uschi Brüning, geboren 1947 in Leipzig, ist Jazz- und Soulsängerin und Songautorin. Seit 1982 ist sie mit dem Jazzmusiker Ernst-Ludwig »Luten« Petrowsky verheiratet. 2017 wurde sie für den ECHO Jazz nominiert.

Krista Maria Schädlich übersiedelte 1977 mit ihrer Familie aus der DDR in die Bundesrepublik. Nach ihrer Ausreise war sie als Lektorin in verschiedenen Verlagen tätig. Seit 2007 arbeitet sie freiberuflich als Lektorin und Herausgeberin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.11.2019

Sie war die Ella Fitzgerald der DDR

Rückblick auf eine merkwürdige Nischenkultur: Uschi Brüning erzählt von ihrem Leben in der ostdeutschen Jazzszene.

Es ist wohl das größtmögliche Kompliment, das man einer Jazzsängerin machen kann, noch dazu in der Deutschen Demokratischen Republik. "Old Lenz und Uschi Brüning! Wenn die Frau anfing, ging ich immer kaputt. Ich glaube, sie ist nicht schlechter als Ella Fitzgerald oder eine. Sie hätte alles von mir haben können, wenn sie da vorn stand mit ihrer großen Brille und sich langsam in die Truppe einsang." Dieses Lob ließ sie ganz nebenbei auch noch in die Literaturgeschichte eingehen, denn es stammt von keinem Geringeren als Edgar Wibeau, dem Helden von Ulrich Plenzdorfs DDR-Kultroman "Die neuen Leiden des jungen W.".

Im Westen ist Uschi Brüning nicht sonderlich bekannt geworden. Als Plenzdorfs Lob 1972 in der Zeitschrift "Sinn & Form" erscheint, hat die Künstlerbiographie der Frau mit der großen Stimme bereits die erste Zäsur hinter sich. In ihrer Autobiographie ereignet die sich mit einem Anruf: "Hier ist olle Lenz. Ich hab gehört, du sollst ganz gut sein." Ob sie bei ihm einsteigen wolle. Damals, im Jahr 1969, habe sie der Schlag getroffen, schreibt Brüning. Denn "olle Lenz", Vorname Klaus, war einer der wagemutigsten Bandleader der jungen Republik, erst musikalisch, später auch politisch. Uschi Brüning hingegen war bislang eher bodenständig unterwegs gewesen. Die 1947 geborene Tochter einer alleinerziehenden Kaltmamsell hatte 1960 im Kultursaal des VEB Galvanotechnik vor der Belegschaft mit "Die Liebe ist ein seltsames Spiel" debütiert, einem Schlager aus dem Westen, aber das machte nichts. Nun also: Jazz.

Mit Jazz tat sich die restriktive Kulturpolitik der SED besonders schwer, denn er galt einerseits als Ausdruck der "kapitalistischen Großstadt in der Ära des Imperialismus", wie die DDR-Musikzeitschrift "Melodie & Rhythmus" dekretierte, andererseits aber auch als originäre Ausdrucksform der in den Vereinigten Staaten unterdrückten Schwarzen, und damit als potentiell amerikakritisch. Nach einigen umjubelten Konzerten von Louis Armstrong, Etta Cameron oder Harry Belafonte konnte schließlich eine DDR-eigene Jazzszene entstehen - mit ausdrücklicher Billigung der Kulturorgane.

Mit ihrem Engagement bei Klaus Lenz landet Uschi Brüning mitten im Zentrum dieser eigentümlichen Nischenkultur. Die Anfänge in der männerdominierten Szenerie sind für die junge Frau ruppig - ihr Musikerkollege Manfred Krug nennt sie zunächst kategorisch Renate, wie alle Frauen nämlich - und die Improvisation verlangt ihr einiges ab. Ausgestattet mit einer Zuzugsgenehmigung nach Ost-Berlin, singt sie fortan Great American Standards von Ella Fitzgerald, Aretha Franklin und Mahalia Jackson.

Nach einem weiteren Wechsel zum Quartett von Günther Fischer, dem "Zonen-Mozart" (Manfred Krug), bekommt sie endlich für ihre Stimme maßgeschneiderte Kompositionen. Soloplatten machen aus ihr einen veritablen Star, ab 1975 unter dem Band-Namen Uschi Brüning & Co. Sie genießt kleine Freiheiten, etwa auf dem Jazzfestival im Spreewald-Städtchen Peitz, dem "Woodstock am Karpfenteich", und große, denn ab 1972 darf sie bereits Konzerte nicht nur in Polen geben, wo sie vor Sarah Vaughn auftritt, sondern auch im westlichen Ausland. Touren führen sie nun sogar bis nach Indien. Brüning verfügt über den offiziellen "Reisekader"-Pass, mit dem sie spontan nach West-Berlin einreisen darf, um das legendäre "Quartier Latin" zu besuchen.

Etliche Musiker bleiben nach solchen Ausflügen im Ausland. Einige kehren frustriert vom Konkurrenzkampf im Westen reumütig wieder zurück. Die meisten nicht. Als Wolf Biermann 1976 ausgebürgert wird, unterzeichnet Brüning wie viele andere Künstler einen offenen Protestbrief, zieht die Unterschrift dann aber wieder zurück, wie sie in ihrer Autobiographie nun erstmals zugibt. Die Angst vor einem Karriereende sei zu groß gewesen. Denn das Grundeinkommen, das das Komitee für Unterhaltungskunst den Popmusikern der DDR einräumt, ist kein bedingungsloses. Nach und nach dünnt die Szene aus. Ihre Freundin Nina Hagen folgt Biermann unmittelbar in den Westen, Klaus Lenz und Manfred Krug gehen ein Jahr später. Brüning bleibt.

Noch größere Reisefreiheit als sie genießt der Free-Jazzer Ernst-Ludwig "Luten" Petrowsky, mit dem Brüning seit 1974 zusammen ist, erst privat, dann auch auf der Bühne. In den Achtzigern darf er Mitglied der Concert Jazz Band des Schweizers George Gruntz werden und zehn Jahre lang mit der internationalen Formation durch alle Welt touren. Welcher Protektion diese ungewöhnliche Freizügigkeit geschuldet ist, erfährt man aus dem Buch, das sich mit der Ehe zur Doppel-Autobiographie auswächst, nicht. Vielleicht habe es mit der Narrenfreiheit zu tun gehabt, den der Jazz in der DDR mittlerweile genossen habe, schreiben Brüning und ihre Koautorin Krista Maria Schädlich vage.

Doch sie formulieren auch Selbstzweifel, ob Brüning sich in diesem Land "allzu sehr eingerichtet habe". Mit den "Zuständen" habe sie immerhin gehadert und oft auf die SED-Führung geschimpft. Auch habe die Isolation der DDR den ganz großen Durchbruch verhindert, der im Westen vielleicht möglich gewesen wäre. Doch ein Blick auf die eher randständige Position des Free-Jazz in der Bundesrepublik legt den gegenteiligen Schluss nahe. Auch Manfred Krug musste nach seiner Übersiedlung schmerzhaft erfahren, dass er zwar als Seriendarsteller zum Liebling der Bundesdeutschen wurde, nicht aber unbedingt als der Sänger, der er in der DDR noch gewesen war.

Der Mauerfall ereignet sich im Buch dann auch abrupt. "Was in jener Nacht geschah und wie ein Lauffeuer um den Erdball ging, passierte ohne uns", resümiert Brüning nüchtern. Die Nachwendezeit erlebt sie als existenzielle Verunsicherung: Das Publikum bricht zunächst weg, die Stasi-Akten deuten auf Spitzel im engsten Umfeld, und die finanzielle Sicherheit ist dahin. Dazu kommt die innere Unsicherheit gegenüber den selbstsicher bis großspurig auftretenden Westdeutschen: "Hatten wir doch das Gefühl der Minderwertigkeit quasi mit der Muttermilch eingesogen."

Doch Brüning rappelt sich auf. Mit Manfred Krug, der sie längst nicht mehr Renate nennt, steht sie bald wieder auf der Bühne, und mittlerweile spielt sie in wechselnden Konstellationen für ein Publikum, das sich wohl vor allem aus jenen zusammensetzt, die mit ähnlich gemischten Gefühlen auf die DDR zurückblicken. Ihre mit einem Soloalbum von 2015 titelgleiche Autobiographie bietet so eine ambivalente Retrospektive, wie sie in ihren Graustufen für viele DDR-Bürger durchaus repräsentativer gewesen sein dürfte als die dieser Tage wieder omnipräsenten schwarz-weißen Erzählungen von Stasi-Überwachung auf der einen und Fundamentalopposition auf der anderen Seite. Es sollten mehr solcher Lebensgeschichten erzählt werden.

BODO MROZEK

Uschi Brüning: "So wie ich". Autobiografie. Zusammen mit Krista Maria Schädlich.

Ullstein Verlag, Berlin 2019. 271 S., geb., 20,- [Euro].

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"Ein Buch von einer Fülle, die mich umnietet." Wiglaf Droste Junge Welt 20190503