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Nach dem grandiosen Auftritt von Metallica bei den diesjährigen "Rock am Ring"- und "Rock im Park"-Festivals wurde wieder deutlich, wie wichtig diese Band für die Rockmusik ist. Das letzte Album des Bay Area-Vierers, "St. Anger", wurde heiß diskutiert und ist noch heute ein beliebter Streitpunkt unter Musikexperten.
Schaffen es Metallica auch 2008, ein derart polarisierendes Werk auf die Musikwelt loszulassen? Oder orientieren sie sich 2008 mehr an ihrem erfolgreichsten Album "Metallica" aus dem Jahre 1991? Oder vielleicht doch an Frühwerken wie "Kill 'Em All" oder "Ride The Lightning"?
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Produktbeschreibung
Nach dem grandiosen Auftritt von Metallica bei den diesjährigen "Rock am Ring"- und "Rock im Park"-Festivals wurde wieder deutlich, wie wichtig diese Band für die Rockmusik ist. Das letzte Album des Bay Area-Vierers, "St. Anger", wurde heiß diskutiert und ist noch heute ein beliebter Streitpunkt unter Musikexperten.

Schaffen es Metallica auch 2008, ein derart polarisierendes Werk auf die Musikwelt loszulassen? Oder orientieren sie sich 2008 mehr an ihrem erfolgreichsten Album "Metallica" aus dem Jahre 1991? Oder vielleicht doch an Frühwerken wie "Kill 'Em All" oder "Ride The Lightning"? Die Spannung steigt auf jeden Fall.

Die CD enthält 10 Tracks mit einer Spielzeit von 76 Minuten. Produziert wurde "Death Magnetic" von Rick Rubin, der schon für unzählige legendäre Künstler wie Red Hot Chili Peppers, AC/DC, Johnny Cash oder Beastie Boys hinter den Reglern stand.
Trackliste
CD
1That Was Just Your Life00:07:10
2The End Of The Line00:07:52
3Broken, Beat & Scarred00:06:27
4The Day That Never Comes00:07:57
5All Nightmare Long00:08:01
6Cyanide00:06:41
7The Unforgiven III00:07:47
8The Judas Kiss00:08:02
9Suicide & Redemption00:10:02
10My Apocalypse00:05:01
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2008

Vier Väter im Steinbruch ihrer Werke

Metallica, die einzigen Metal-Rocker, die selbst Modezeitschriftenleser kennen, haben sich mit Rick Rubin im Studio eingesperrt und eine überraschend gute Platte aufgenommen: "Death Magnetic".

Jedes bessere Musikerhirn kennt den Ärger: Das ewige Problem der Ohren sind die Hände. Denn was die können, wollen sie auch dauernd machen, bis aus Kunst schiere Manier wird. Der heikle Jahrhundertpianist Glenn Gould hat die kleinen und großen Sünden, die sich wegen der Freude am Effekt vor Publikum ins Spiel einschleichen, schließlich so gehasst, dass er gar keine Bühne mehr betreten wollte und fortan nur noch im Studio wirkte. Bei Rockmusikern, die am Instrument komponieren statt auf Notenpapier, sickern in der Spielpraxis erworbene und eingeschliffene Unarten, aber auch Tricks und Mogeleien spätestens ab der dritten Platte ins fortlaufende Erfinden des Neuen ein, das daher bald nicht mehr besonders lebendig wirkt. Je weiter die Arbeit sich von der Improvisation entfernt, je angewiesener der jeweilige Stil aber andererseits darauf ist, gerade im Widerspiel von Genretreue und expressiven Ausbrechern seine Verwirklichung zu suchen, desto enger wird die Klemme, in die das Werk der Hände die armen Ohren zwingt.

Metallica, gegründet 1981, sind die derzeit wohl wichtigste (vielleicht nicht beste, sicher aber sowohl kommerziell erfolgreichste als auch stilgeschichtlich breitestwirksame) Heavy-Metal-Band der Welt und haben mit dem Eigensinn der Hände seit je intimen Umgang. Auf der Flucht vor der Gewöhnung ans Gekonnte verhedderten sie sich schließlich ab ungefähr 1988 in dermaßen verhakten Songstrukturen, dass Auftritte unter der Last der allzu ausgedachten Kleinsymphonien immer häufiger zusammenzubrechen drohten. Der Ausweg, den sie ab 1996, als die Platte "Load" erschien, beherzt beschritten, hinterlässt in der Rückschau zwiespältige Empfindungen: lieber ein schlechtes Album machen als ein berechenbares. Es gibt gescheitere Ideen.

Hinter dem Rücken der Band, die heute aus vier zwar nicht gerade gesetzten, aber doch gestandenen Familienvätern besteht, ist das Frühwerk, dessen Schwerefeld sie eine Weile so dringend entkommen wollten, zur Klassik versteinert. Und diese Felswand, so war im Vorfeld zur neuen Veröffentlichung "Death Magnetic" auf allerlei üblichen und unüblichen Wegen zu erfahren, wollten sie sich jetzt wieder aneignen, und zwar so, wie Hammerschwinger sich einen Steinbruch erobern.

"Death Magnetic" klingt in den ersten anderthalb Minuten erst mal wie alles Mögliche - den dumpfen Herzschlag kennt man aus "Coma" von Guns N' Roses, das tieftönende Einstiegsthema von Anthrax ("Among the Living"), sogar ein wenig Metallica ist dabei.

James Hetfield, Rhythmusgitarrist und Sänger, bellt sich bissig ein, die Nummer ("That Was Just Your Life") hackt ganz achtbar vor sich hin. Ende der fünften Minute darf Leadgitarrist Kirk Hammett endlich wieder tun, was ihm in der kargen, verwachsenen, aber auch beeindruckenden Rost-und-Stacheldraht-Landschaft der Vorgängerplatte "St. Anger" von 2003 noch streng verboten war: flattrige Arpeggien und puddingweiches Gedudel loslassen, dass es nur so pfeift. Na schön.

Was macht eigentlich der hochverdiente (Johnny Cash, Shakira, Slayer, Glenn Danzig usw.) Produzent Rick Rubin die ganze Zeit, den sich die vier diesmal geholt haben? Das zweite Stück, "The End of the Line", folgt ohne Störung im Betriebsablauf und ist ebenfalls recht nett. Zwischenfrage: Wo sind wir hier reingeraten? Seminarraum? Klassentreffen? Aber dann kommt "Broken, Beat & Scarred", ein morgenländisches Militärmelodiechen legt seinen fliegenden Teppich vor uns hin, eiserne Flügeltüren öffnen sich, und es geht los: Vom Eise befreit, mit Starkstrom gefüttert und mit Maschinenöl geschmiert sind Metallica von diesem Moment an endlich ganz bei sich - dieses Stück und das fünfte, "All Nightmare Long", gehören zum Dornigsten und baulich Gelungensten, was diese Leute überhaupt je erfunden haben, und der Rest ist ebenfalls mindestens hocherfreulich. "The dawn, the death / the fight to the final breath": So kann man sich natürlich auch aus dem Treibsand befreien, indem man ihn einfach per Vulkangebrüll zu Glas heißschmilzt.

Die Gangart heißt hier nicht selten Galopp, da trampelt dann eine Herde amphetamingefütterter Bonanzapferdchen die Prärie zu Bruch, und der Erlkönig spuckt Scharlachverwehungen in den Sturm: "Cause we hunt you down without mercy / hunt you down all nightmare long", und dazu Hetfields Handwerk am Brett, eine Rockversion dessen, was die Flamencofachleute rasgueado nennen, womit er aber vor allem seinen eigenen Gesang vorantreiben will, was diesmal klappt wie lange nicht mehr.

Als man seine Stimme Anfang bis Mitte der Achtziger die ersten paar Male zu hören kriegte, hieß es oft, der könne doch gar nicht singen. Das stimmte schon damals nur bedingt, etwa so, wie man sagen kann: Gertrude Stein konnte nicht schreiben, und Picasso konnte keine Porträts malen, weil er dachte, dass Leute ihre Augen auf der Backe tragen. Heute hat Hetfields Rachendrachenraspelhusten längst Schule gemacht: So kreuzverschiedene und grundanständige Sänger wie der Amerikaner Matthew Heafy von Trivium und der Deutsche Matthias Zimmer von Perzonal War orientieren ihren Stil an je eigenen Interpretationen von Hetfields Schaffen und treiben dabei teilweise einen so großen Aufwand an Auslegungsanstrengung, dass man das Ergebnis genauso gut als Neuschöpfung eigenständiger Stimmfarben werten darf, allerdings eben im Rahmen einer offenbar mittlerweile stattgehabten Schulenbildung. Hetfields Lieblingsbuchstabe "o" spielt eine wichtige Rolle dabei, als eine Art Rauchring aus blutigem Dampf, der mit wikingerhafter Inbrunst zu johlen ist: "Jooohoo".

Die Pflichten der Songschöpfung teilt sich das Ungeheuer, das so lärmt, seit je vornehmlich mit Schlagzeuger Lars Ulrich. Dieser ist dabei zuständig für das gleichsam Objektive, Begriffliche, den gültigen Takt, das Meisterwerk (Ulrichs leicht suspekte Liebe zu auktionsbeglaubigter Wichtigkunst zwischen Rothko und Basquiat weist ihn als jemanden aus, für den Ruhm eine Sache des Investierens und Amortisierens ist). Heftield dagegen will vor allem die finsteren Bewegtheiten seiner Seele dokumentieren, schreckt dabei vor Pathos und Grellheit nicht zurück, musikalisiert innere Unruhe, mangelndes Urvertrauen und das Bedürfnis, der Menschheit gelegentlich eins in die Fresse zu hauen.

Die Dynamik, die aus dem Sichaneinanderreiben dieser beiden Songautorenstrategien entsteht, hat Musik geboren, die sich aufgrund der in ihr erreichten Vermählung von Anspruch (Ulrich) und Ausdruck (Hetfield) als autonome Klangwelt immer wieder auch aus dem Urheberkontext lösen ließ und die bizarrsten Lesarten überlebt hat, von der fernöstlich angehauchten Verwurstung durch das Buddha Lounge Ensemble ("For Whom the Bell Tolls" wird bei denen zur Räucherstäbchenpraline, du fasst es nicht) über die kammermusikalische Aufbereitung durch Apocalyptica, das Computergestampfe der deutschen Industrierobotergruppe Die Krupps bis hin zur haarsträubenden Synthese aus Metallica- und Beatlessubstanz bei einer Spaßband namens Beatallica. Wer auf dem "Metallic Attack"-Sampler von 2004 die Höhlenmenschen von Flotsam & Jetsam dabei belauscht hat, wie sie das wunderbare Werk "Damage Inc." zerstören, hält sogar für möglich, dass man, ein bisschen Talent und eine große Macke vorausgesetzt, aus klugem Heavy Metal unfassbar dummen Heavy Metal machen kann.

Die meisten Imitatoren scheitern, wenn sie spielen sollen wie Metallica, an der rhythmischen Arbeit. Bei dem, was da verlangt ist, wird nämlich der jeweilige Takt nicht einfach banal wie bei jedem besseren Jahrmarktsrambazamba "gehalten", sondern vielmehr im eisernen Schraubstock eines dem Ohr zu jedem Augenblick total transparenten Schlagregiments am stürmischen Auseinanderfahren gehindert - das Zeitmaß will eigentlich dauernd explodieren und anschließend, in seine Bestandteile zerlegt, im Zickzack übers große Schlachtfeld in sämtliche Hörraumhimmelsrichtungen davonrennen; einzig die Präzisionsverbohrtheit der Musiker hält es zurück und fest im Genick gepackt. Die Versuchung, sich im Gefühligen zu entspannen, ist bei diesem Treiben naturgemäß groß - auf "Death Magnetic" steht dafür "The Unforgiven III" ein. Dessen präludierendes Klaviergeschlumpfe mitsamt Streichern, Zimt und Zucker hätte es nicht unbedingt gebraucht; aber eine Kavallerietrompete aus dem Western reißt es dann gleich wieder raus, und Hetfield klagt noch ein bisschen über die allgemeine Lieblosigkeit; er hat ja recht. Die erste Single, "The Day that Never Comes", ist ähnlich zusammengerührt, am Ende dieser Quasiballade verlieren die Herrschaften dann aber die Geduld mit ihrer elegischen Gestimmtheit und stecken lieber noch ein paar kalkweiße Synkopenknochen ineinander, in deren Mikadogerüst Hammett seine bewährten Christbaumkugeln hängt, während Hetfields Riffing sich anhört, als er ob die Schneide seines Gitarrenkampfmessers mutwillig gegen die Drehrichtung des Schleifbands führte. Wie das wieder in den Backenzähnen weh tut, einfach wunderbar.

Bei der Gelegenheit: Was hat es eigentlich mit der vielberedeten "Härte" dieser Musik auf sich? Hart im Sinne von "kaum auszuhalten" ist ja eher die CD, auf der Meira Asher mit den Stimmen ehemaliger Kindersoldatinnen aus Sierra Leone arbeitet, die Selbsterlebtes von Mord bis Vergewaltigung erzählen; wer so etwas beim Joggen weghören kann, um den sollte man einen weiten Bogen machen. Im Heavy Metal dagegen bedeutet Härte einfach Konsequenz, Aufrichtigkeit, Schnörkelvermeidung und ähnliche Tugenden; als emotionale Kunstbasis aber vor allem so etwas wie "Wutlust".

Der Nährboden dieser Art Härte ist natürlich ein sozialer: Wer es weiß, kann gar nicht überhören, dass die Musiker der besten Metal-Bands aus einer Position heraus ihre Platten aufnehmen und Konzerte geben, welche davon ausgeht, dass es für diese Menschen zum Musikmachen nur die Alternativen einer blöden und langweiligen Erwerbsarbeit beziehungsweise der Dienstverpflichtung in der Armee gegeben hätte. Demgegenüber können Leute, bei denen es nicht ganz zum gefeierten Produzenten abwegiger Ambient Music reicht, immer noch Popjournalisten oder lacanistische Filmtheoretiker werden. Entsprechend klingt die aus der jeweiligen Lage abstrahierte Musik dann auch (Obacht, der soeben entfaltete klassenanalytische Ansatz ist vulgärmarxistisch und führt direkt zur Absetzung führender SPD-Kader). Ein Metalmusiker muss "von unten" kommen oder so klingen können. Wenigstens einen Latino-Namen sollte er (leider immer noch fast nie: sie) mitbringen.

Das größte Vergnügen bereitet auf "Death Magnetic" dementsprechend der Neue: Robert Trujillo am Bass, seit 2003 dabei, erzeugt seine tiefen Töne, wie der Maulwurf in der Baugrube buddelt, und legt sie dann so intarsienliebevoll in die Akkordfolgen von Hetfields Hackbratenschlacke, dass die beiderseitige Unzertrennlichkeit des Resultats den neuen musikwissenschaftlichen Begriff "siamesisches Zwillingsdröhnen" verlangt (früher sagte man "Powerchord").

Nachdem mit "Suicide & Redemption" auch noch ein ausführliches Instrumentalstück serviert wurde, das sogar ruhig hätte länger sein dürfen, entbietet die Band zum Schluss an alle Metzger, Brandstifter, Kinderfresser und Steinläuse einen kleinen Liebesgruß, "My Apocalypse", auf dem die Formel ausgekotzt wird, die dem Album den Titel spendiert: "Deadly vision / prophecy reveal / death magnetic". Knirsch, batsch, aus. Aufatmen im Universum. Es hat geklappt: Das Hirn ist magnetisiert, die Hände waren fleißig, die Ohren summen vor wütendem Glück.

DIETMAR DATH.

Metallica, Death Magnetic. Universal Music 773726

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