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In diesem Werk thematisiert Descartes anhand einer Affektenlehre die Problematik der Wechselwirkung von Seele und Körper. Er reagiert damit auf bohrende Nachfragen Elisabeths von der Pfalz, die im Ausgang von ihrer Lektüre der »Meditationen« und der ihr gewidmeten »Principia« die Möglichkeit einer solchen Wechselwirkung - wie viele heutige Interpreten - nicht sehen konnte: Wie kann eine per definitionem unkörperliche Seele sich in einer substantiellen Einheit mit dem menschlichen Körper befinden? Es ist diese Frage, die Descartes in den »Passionen der Seele« zu beantworten sucht.

Produktbeschreibung
In diesem Werk thematisiert Descartes anhand einer Affektenlehre die Problematik der Wechselwirkung von Seele und Körper. Er reagiert damit auf bohrende Nachfragen Elisabeths von der Pfalz, die im Ausgang von ihrer Lektüre der »Meditationen« und der ihr gewidmeten »Principia« die Möglichkeit einer solchen Wechselwirkung - wie viele heutige Interpreten - nicht sehen konnte: Wie kann eine per definitionem unkörperliche Seele sich in einer substantiellen Einheit mit dem menschlichen Körper befinden? Es ist diese Frage, die Descartes in den »Passionen der Seele« zu beantworten sucht.
Autorenporträt
René Descartes wird 1596 in der Touraine als Sohn eines Parlamentsrates geboren. Der Achtzehnjährige tritt 1604 ins jesuitische Collège Royal ein und erhält dort eine umfassende Ausbildung in Latein, Geschichte, Rhetorik, Philosophie, Physik und Mathematik. Von 1616 an reist Descartes im Dienste unterschiedlicher Feldherren quer durch Europa und nimmt an den ersten Feldzügen des Dreißigjährigen Krieges teil. Dabei ist er jedoch ständig auch mit naturwissenschaftlichen wie auch philosophischen Fragestellungen beschäftigt und nutzt die Gelegenheit, sich europaweit mit führenden Gelehrten auszutauschen. Die Emigration in die Niederlande 1628 ist auf die Auseinandersetzung mit Theologen Frankreichs zurückzuführen. Dort erscheint auch 1637 anonym die Discour de la méthode. Die Meditationes de prima philosophia (1641) entwickeln dann die im Discour nur angedeutete grundlegende Wissenschaft der Metaphysik, während die Principia Philosophiae die Zäsur setzen, die Descartes' Rang als Begründer der Philosophie der Neuzeit geltend machen. 1649 folgt Descartes einer Einladung seiner Briefpartnerin, der Königin Christina von Schweden, sie in der Philosophie zu unterrichten. Kaum angekommen, erliegt er jedoch dem rauhen Klima und stirbt 1650 an einer Lungenentzündung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.06.2015

Der Philosoph als Diener zweier Damen

Von Leidenschaften, Vernunft und der Suche nach Lebensregeln: Descartes pflegte Umgang mit einer bemerkenswerten Freundin - und mit einer, die ihn ins Grab gebracht hat.

Zu den vielen Philosophen, denen das Schicksal nicht günstig gesinnt war, zählt zweifelsohne René Descartes. An den Hohen Schulen fühlt er sich nicht wohl, seine eigene Zunft erscheint ihm als eine Sekte geistiger Hochstapler, in Frankreich fühlt er sich gegängelt, und auch in Holland, wohin er 1628 emigriert, wird er von Neidern und Kritikern attackiert. Seit seinen "Meditationen" von 1641 gilt Descartes' "neue" Philosophie als gefährlich, will heißen: atheistisch - und dies, obwohl Descartes, dieser einstige Zögling des Jesuitenkollegs von La Flèche, seine Werke mit methodisch filigranen Gottesbeweisen gesichert hatte.

Just im verträumten nordholländischen Küstenort Egmont-Binnen, wohin sich Descartes vor den Händeln der Welt zurückgezogen hatte, erreichte ihn der geballte Zorn der Utrechter Theologen: Descartes' Philosophie sei antiaristotelisch, theologisch fragwürdig und verführe die studentische Jugend zu unorthodoxem Denken. Zwar geht der Giftbecher an Descartes vorbei, aber ein unguter Dämon führt ihn 1649 an den kalten Stockholmer Hof der Frühaufsteherin Christina von Schweden. Philosophie soll er sie lehren, aber die Audienzen in aller Morgenfrühe setzen Descartes zu. Im Februar 1650 stirbt der glücklose königliche Philosophielehrer an einer Lungenentzündung.

Man lässt den Katholiken diskret begraben. 1663 setzt der Vatikan - mit gutem Riecher, wenn auch mit Verspätung - sämtliche Schriften von Descartes auf den Index. Fürwahr, der vermeintliche Gründervater des neuzeitlichen Rationalismus hat die Glücksformel weder für das eigene Leben noch für sein Werk gefunden. Auch die kommenden Denker, weder in Frankreich noch sonst wo, haben kaum je klar und deutlich auf den Cartesianismus gesetzt. Spätestens mit Newton waren die cartesischen Wirbel erledigt.

Und doch hat Descartes einigen, die ihn näher kannten, Erkenntnis, Trost und gar Seelenfrieden geboten. Zu den anrührendsten Zeugnissen einer glückenden Freundschaft gehören die Briefe, die 1643 bis 1649 zwischen Elisabeth von der Pfalz und ihm hin- und hergingen. Auch Elisabeth ist eine Exilierte; als älteste Tochter des kurpfälzischen "Winterkönigs" Friedrich V. lebt sie seit 1627 im holländischen Exil in Den Haag, wohin die Familie des Pfalzgrafen nach dem Verlust der kurfürstlichen Würde emigriert ist. Und obwohl diese Briefe für beide Beteiligten eine Aufwertung ihrer Person darstellten - Elisabeth partizipiert am gelehrten Status ihres Briefpartners, Descartes an der Standeswürde seines Gegenübers -, ist es doch erstaunlich, wie offen man miteinander spricht.

Elisabeth weiß um Descartes' Anfeindungen und lobt erst recht die Klarheit seiner Argumentation: "Jedesmal, wenn ich Ihre Schriften lese, vermöchte ich mir nicht vorzustellen, dass Sie es tatsächlich bereuen können, sie gedruckt haben zu lassen, da es unmöglich ist, dass sie schließlich nicht gelesen werden und der Öffentlichkeit Nutzen bringen."

Das schreibt Elisabeth im Februar 1647. Ein paar Monate zuvor verpflichtet sie sich, dem Herzog von Braunschweig die Werke Descartes' für dessen Bibliothek in Wolfenbüttel zu verschaffen, doch, so Elisabeth: "Ich glaube nicht, dass sie ihm dazu dienen werden, sein schleimhautentzündetes Hirn auszuschmücken, das bereits mit Pedanterie ganz beschäftigt ist."

Elisabeth ist allerdings keine wohlanständige Standesmamsell. Sie kann denken, und zwar vorzüglich außerhalb der gängigen Bahnen der aristotelischen Schulphilosophie. Der eben neu übersetzte und klug kommentierte Briefwechsel bietet auch im 21. Jahrhundert intellektuelles Vergnügen jenseits von Pedanterie und comme il faut.

Es ist das "Neue" an Descartes, die "provisorische Moral", das Eingehen auf praktische Fragen der Lebensführung, das Elisabeth an den Werken des Monsieur Descartes fasziniert. Denn nach Lebensregeln sucht sie. Wie ist mein schleichendes Fieber zu verstehen? Gibt es eine Verbindung zwischen einer körperlichen und einer stimmungsmäßigen Unpässlichkeit? Descartes muss auf die Fragen der hohen Dame eingehen, ein dogmatischer Verweis auf die eigenen Schriften genügt nicht. Man liest zusammen Epikur und Seneca, auch Machiavellis "Principe", den beide verwerfen.

Auch wenn Elisabeth pro forma dem weiblichen Bescheidenheitsgebot einen kleinen, fast selbstironischen Tribut zollt und von den "Schwächen des weiblichen Geschlechts" spricht, kommt sie in der Sache schnell zum heiklen Punkt. "Teilen Sie mir doch bitte mit, werter Monsieur Descartes, wie die Seele des Menschen die Geister des Körpers veranlassen kann, willentliche Handlungen auszuführen." Denn sie, die Seele, sei ja nichts als eine denkende und unkörperliche Substanz. Genau hier, in Elisabeths durchaus hörbarer Kritik an allen dualistischen Systemen, liegt der Angelpunkt, weshalb diese Briefe weiterhin Interesse verdienen.

Die grundlegende Fragestellung ist noch heute nicht beantwortet, auch wenn die Zunft sie mittlerweile anglifiziert unter dem Label des Mind-Body-Problems diskutiert. Descartes und seine Briefpartnerin aber widmen sich ab Mai 1643 gemeinsam einem Steckenpferd: über die Konturen der Passion nachzudenken; über die Frage, ob alles Denken nicht auch ein Fühlen und Empfinden sein könne. Einheit und Vereinigung sind die Fluchtpunkte von Elisabeths Räsonnement. Ein Gemütszustand wäre damit weder rein körperlich noch rein geistig zu verstehen, sondern immer als psychophysische Einheit, was freilich gegen Descartes' gut befestigte Trennlinie zwischen res cogitans und res extensa läuft.

Da ist nun Descartes, der große Trenner und Auseinanderhalter, doch etwas embarrassiert und erbittet sich Bedenkzeit. Seine ausführliche Briefantwort im Oktober 1645 zeigt schon die Argumentationslinien seines letzten philosophischen Werks, der Abhandlung über die "Passionen der Seele". Sie erscheint 1649 in Amsterdam und Paris zugleich und ist ein dann doch wieder recht dogmatisches, einem mechanistischen Körperverständnis zugewandtes Werk, das den tentativen Gesprächston des Briefwechsels verlassen hat und das menschliche Gemüt weitestgehend zum hydraulischen

System reduziert. Bezeichnenderweise widmet Descartes diese heruntergekühlten "Leidenschaften" der Schwedenkönigin.

Freilich: Zum Schluss des Briefwechsels mit Elisabeth kann man verfolgen, in welche Klemme Descartes nun gekommen ist, da er sich plötzlich als philosophischer Diener zweier hoher Damen sieht. Mit Elisabeth hat er über die Leidenschaften diskutiert, das daraus entstandene Werk widmet er der ranghöheren Christina von Schweden; ein Entscheid, den man durchaus "rational" im cartesischen Sinne nennen mag. Doch das Leben ist mit Ratio und Kalkül allein nicht zu bewältigen. Descartes hat es am eigenen Körper in Schweden erfahren.

Dass nun beide Werke - der Briefwechsel mit Elisabeth wie die "Passionen der Seele" - in zwei neuen, vorbildlich edierten Ausgaben vorliegen, hat seinen subkutanen Reiz. Am 9. Oktober 1649 versichert der immer diplomatische und vorsichtige Descartes der schwedischen Königin, es gebe mit Blick auf ihn, den Philosophielehrer, keinen Grund zur Eifersucht zwischen Christina und Elisabeth. Zeitgleich definiert Artikel 167 der "Leidenschaften der Seele": "Eifersucht ist eine Art der Furcht, die sich auf das Verlangen bezieht, den Besitz eines Guts zu bewahren." Als ob man Menschen, männliche wie weibliche, jemals besitzen könnte.

URSULA PIA JAUCH

René Descartes: "Der Briefwechsel mit Elisabeth von der Pfalz". Französisch-deutsch.

Hrsg. und übersetzt von

Isabelle Wienand und

Olivier Ribordy. Felix Meiner Verlag, Hamburg 2015. 543 S., geb., 78,- [Euro].

René Descartes: "Die Passionen der Seele".

Hrsg. und übersetzt von Christian Wohlers. Felix Meiner Verlag, Hamburg 2014. 236 S., geb., 48,- [Euro].

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»Vorbildlich edierte Ausgabe« Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.06.15, Ursula Pia Jauch