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Der Antrieb aller Religionen lautet: Erlösung vom Übel. 'Erlösung' ist aber keine statische Idee. Sie entwickelt sich vom Mythos zur aufgeklärten Religiosität. Diese strebt nach einer 'Geborgenheit im Schlechten', einem Welteinverständnis trotz aller Weltübel: 'Es ist, wie es ist, und es ist gut.' Das religiöse Welteinverständnis stützt sich auf metaphysische Überschüsse in unserer Erfahrung: Erstens die Existenz objektiver Werte, welche die Grenzbegriffe des guten Lebens und der Erlösung miteinander verschränken. Zweitens die Existenz des Schönen, nicht nur als Artefakt, sondern auch als…mehr

Produktbeschreibung
Der Antrieb aller Religionen lautet: Erlösung vom Übel. 'Erlösung' ist aber keine statische Idee. Sie entwickelt sich vom Mythos zur aufgeklärten Religiosität. Diese strebt nach einer 'Geborgenheit im Schlechten', einem Welteinverständnis trotz aller Weltübel: 'Es ist, wie es ist, und es ist gut.' Das religiöse Welteinverständnis stützt sich auf metaphysische Überschüsse in unserer Erfahrung: Erstens die Existenz objektiver Werte, welche die Grenzbegriffe des guten Lebens und der Erlösung miteinander verschränken. Zweitens die Existenz des Schönen, nicht nur als Artefakt, sondern auch als Naturgegebenheit. Drittens das 'Wunder' der Existenz, insofern nichts, was faktisch ist, aus sich selbst heraus bestehen kann. Obwohl die Existenz der Übel jedes Bild eines persönlichen Gottes zerstört, sind in der Welt Spuren eines 'Initialereignisses' enthalten, dessen Vollkommenheit keine Einschränkung duldet. Was 'vollkommen' bedeutet, unterliegt einer Blockade, die freilich das religiöse Fragen nicht sinnlos macht, es vielmehr anstachelt.
Autorenporträt
Peter Strasser ist Professor für Philosophie und Rechtsphilosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz und Gastprofessor an der Universität Klagenfurt. Seit 2003 Verfasser der Mittwochkolumne "Die vorletzten Dinge" in Die Presse. Zahlreiche Publikationen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.11.2006

Es ist, wie es ist
Eine metaphorische Theologie reicht Peter Strasser nicht
Ende 2003 sitzt Peter Strasser in der Straßenbahn. Der Grazer Philosoph erblickt eine „schwarzverschleierte Frau mit ihrem Baby”. Ein Mädchen verwickelt die Frau in ein Gespräch. Es beginnt mit der Frage „Warum tötet ihr unschuldige Kinder?” und endet mit einer „Verzeihung”, um die das Mädchen die „Schwarzverschleierte” bittet. Dazwischen legte die Frau den Schleier ab. Peter Strasser kommentiert das Religionsgespräch und das Stück Tuch, das es auslöste: „Der autonome Menschenverstand sagt einem, dass kein Gott und kein Prophet einen solchen Akt der Selbstausgrenzung jemals wollen kann. Andernfalls wäre da weder ein Gott noch ein Prophet. Das ist es, was wir wissen müssen.”
Solche bekenntnishaften Sätze erwartet man nicht in einer „Einführung in die Religionsphilosophie”. Peter Strasser nennt sein rundum originelles, durchdachtes Buch ein Selbstgespräch: „Hier will sich jemand darüber klar werden, was es heute noch bedeuten mag, eine religiöse Haltung einzunehmen. Dieser jemand bin ich”. Religiös im Strasserschen Sinne ist ein Welteinverständnis, das den „dummen Optimismus der Aufklärung” ebenso hinter sich lässt wie den Glaubensfundamentalismus und die atheistische Unvernunft. Religiös ist „unsere Ehrfurcht vor dem, was ist – und zwar einfach deshalb, weil es ist, und weil es ist, wie es ist.”
Kein Sophist, kein Positivist, kein besonders konservativer Mensch spricht hier. Strasser begreift sich als leidenschaftlicher Fragensteller, der Antworten nur akzeptiert, wenn sie neuen Zweifel nähren. Darum missfallen ihm die Virtuosen der Fraglosigkeit. Wenig abzugewinnen vermag er der „modernen Theologie”, die Kernerzählungen des Christentums, etwa die Auferstehung, metaphorisch deute: „Eine symbolische Wahrheit ist zu wenig, um gegen die Trostlosigkeit des Todes etwas ausrichten zu können.” Nicht minder unzart angegangen werden die Naturwissenschaften. Die Welt sei keine Maschine, sondern ein „zweckloses Wunder”. Indem die Wissenschaft jeden intrinsischen Wert aus dem Bild verbanne, das sie vom Kosmos zeichnet, überschätze sie den „wertirrationalen Mechanismus des Lebens”.
Wenn die Schleier fallen
Warum soll eine religiöse Haltung, die kulminiert in dem Satz „Es ist, wie es ist, und es ist gut”, sinnvoll sein, ja alternativlos? Die Antwort ist ebenso knapp wie überraschend: weil der Mensch nach Glück strebt. Strasser begreift Glück als „zentralen intrinsischen Wert”, der um seiner selbst willen angestrebt wird, als „Wert im Sinne eines Eröffnungspotentials”. Glück eröffnet demnach den Horizont des guten Lebens. Ziel jeden Glücksverlangens sei die „moralische Vervollkommnung”. Dieser Grenzwert wiederum, die realisierte Utopie, fiele zusammen mit der Erlösung, der „Transformation der ganzen Welt”. Und so kann man laut Strasser vom Guten nur reden, wenn man dessen transzendente Aufladung akzeptiert, wenn man den religiösen Fluchtpunkt alles Moralischen ernstnimmt.
Durch diese Begrifflichkeit kommt Strasser nicht in Versuchung, sich an der Betrachtung diverser Gottesbilder oder Glaubenspraktiken abzuarbeiten. Er bekennt zwar, dass er, der katholisch sozialisierte Kirchenferne, „in einem bestimmten Sinne” nichts vom Protestantismus und nichts vom Islam verstehe; doch die Distanz aus Kontingenz und Lauterkeit bewahrt ihn vor dem ermüdenden, standpunktlosen Kleinklein, das die Lektüre religionswissenschaftlicher Bücher zum zähen Vergnügen macht. Nein, hier will ein Jemand die Einsicht, dass die Welt voller Übel, aber eben nicht von Übel sei, denkend verantworten und so retten vor dem dogmatischen Zugriff beider Orthodoxien: der Orthodoxie des Glaubens und der Orthodoxie des Unglaubens.
Als Arbeit in der und an der Krise versteht Strasser sein Buch. Vorbei sei die Zeit, „da man noch theologisch ernsthaft dachte”, vorbei auch die Geborgenheit in einer Welt, die eine Abfolge göttlicher Fingerzeige war. Geblieben seien „Zustände der Vollkommenheit, und sie zu leugnen, bedeutet, sich bewusst blind zu stellen”. Die Schönheit, so die platonische Pointe, zähle zum rätselhaften „Abglanz des guten Lebens”. Den Vorwurf absichtsvoller Blindheit muss sich der „wissenschaftliche Standpunkt” gefallen lassen, demzufolge die Schönheit eine willkürliche Zutat des Betrachters ist. Bekanntlich kapitulierte auch Darwin beim Versuch, die Schönheit in das Konzept von Mutation und Selektion einzupassen. Strasser rehabilitiert keinen fortwährend aktiven Schöpfergott, wohl aber die Intuition eines personalen Weltanfangs: „Aus nichts wird nichts.”
Nicht jeden zu befriedigen, wohl aber zu erhellen vermag die Volte, mit der das Theodizeeproblem entschärft wird. „Der Machtdiskurs ist kein Vervollkommnungsdiskurs”, heißt es lapidar. Ergo kann ein Wesen, das wir als vollkommen denken, in den Kategorien von Macht und Allmacht nicht erfasst werden. Anders formuliert: Transzendenz heißt die vollendete Ankunft im guten Leben, heißt die nicht steigerbare Präsenz von Liebe, Glück, Schönheit, Würde. Ein kleiner Menschengott wäre ein Gott, den man an seinem imperatorischen Gehabe erkennen soll. Die „Schwarzverschleierte” im Bus hält darum auch diese Lektion bereit: „Die Schleier werden erst fallen, wenn Gerechtigkeit sein wird auf Erden.”
ALEXANDER KISSLER
PETER STRASSER: Theorie der Erlösung. Eine Einführung in die Religionsphilosophie. Wilhelm Fink Verlag, München 2006. 174 Seiten, 29,90 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Alexander Kissler findet Peter Strassers "Einführung in die Religionsphilosophie" berückend überzeugend und dazu noch sehr "originell". Der Autor will in seinem Buch keine fertigen Antworten geben, sondern fragt zur Freude des Rezensenten nach den Möglichkeiten einer zeitgemäßen religiösen Haltung. Sowohl mit der modernen Theologie, die die biblischen Erzählungen nurmehr metaphorisch deutet, als auch mit den Naturwissenschaften und ihren jedwede Transzendenz leugnenden Theorien geht der Autor scharf ins Gericht und argumentiert für eine Welt mit "intrinsischem Wert", informiert Kissler, der Strassers Buch als gelungenen Beitrag zur Bewältigung der religiösen Problematik der Gegenwart würdigt.

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