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Nach langen Jahren gegenseitiger Anerkennung gaben Jacob Taubes und Carl Schmitt die Distanz zueinander schließlich auf und wechselten zwischen 1977 und 1980 insgesamt 36 Briefe. In ihnen ist ein Gespräch zwischen zwei ebenso bedeutenden wie skandalisierenden Intellektuellen dokumentiert. Zwischen Schmitt und Taubes entwickelt sich ein Dialog über aktuelle Fragen des Staates und der Politischen Theologie. Der Hl. Paulus, Thomas Hobbes, Erik Peterson, Leo Strauss und Walter Benjamin - ihr Echo hallt in einer Korrespondenz wider, in der das Denken der Gewissheit von erlösender Offenbarung und…mehr

Produktbeschreibung
Nach langen Jahren gegenseitiger Anerkennung gaben Jacob Taubes und Carl Schmitt die Distanz zueinander schließlich auf und wechselten zwischen 1977 und 1980 insgesamt 36 Briefe. In ihnen ist ein Gespräch zwischen zwei ebenso bedeutenden wie skandalisierenden Intellektuellen dokumentiert. Zwischen Schmitt und Taubes entwickelt sich ein Dialog über aktuelle Fragen des Staates und der Politischen Theologie. Der Hl. Paulus, Thomas Hobbes, Erik Peterson, Leo Strauss und Walter Benjamin - ihr Echo hallt in einer Korrespondenz wider, in der das Denken der Gewissheit von erlösender Offenbarung und katholischer Form unterworfen, vom apokalyptischen Affekt und vom Wirken des Katechonten bestimmt, schließlich im kalten Raum absoluter Entscheidungen verortet ist.
Autorenporträt
Carl Schmitt, geb. 1888 in Plettenberg, lehrte als Professor für Verfassungs- und Völkerrecht in Greifswald (1921), Bonn (1922), Berlin (Handelshochschule, 1926), Köln (1932) sowie an der Universität Berlin (1933-45). Seine Definitionen der Begriffe Politische Romantik und Politische Theologie, Souveränität, Diktatur, Legalität und Legitimität sowie des Politischen (Freund-Feind-Theorie) hatten starken Einfluss weit über die Grenzen Deutschlands und seines Faches hinaus. Der Autor verstarb 1985 in seinem Geburtsort.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.01.2012

Geheimnisvolle Kassiber
Was wollte der „Erzjude“ Jacob Taubes vom rasenden Antisemiten Carl Schmitt? – Der Briefwechsel erlaubt eine Antwort. Sie fällt ernüchternd aus
Die Beziehung zwischen Jacob Taubes (1923-1987) und Carl Schmitt (1888-1985) ist bis heute umwoben von Gerüchten und Legenden. Dieser Legendenstatus, von den einschlägigen Verehrerkreisen sorgfältig gepflegt, entspricht ziemlich exakt dem Habitus zweier Gestalten, die es zu ihren Lebzeiten liebten, sich in Andeutungen und Mehrdeutigkeiten zu zelebrieren und um sich herum die Aura eines Geheimnisses zu verbreiten, zu dem nur die wenigsten Zutritt haben. Der Staatsrechtler galt nach dem Krieg als das Orakel von Plettenberg, immer für einen enigmatischen Spruch gut, während der Berliner Religionswissenschaftler die ständige Camouflage und Maskerade für seine Auftritte wählte. Mehr als einmal ist bei Taubes und Schmitt von „arcana“ die Rede, und der jetzt publizierte Briefwechsel wimmelt von gelehrten esoterischen Anspielungen – gerne im lateinischen Idiom –, die ein Wissen suggerieren sollen, welches höher ist als alle Vernunft.
Man muss die Frage so krass in den Raum stellen: Was wollte der „Erzjude“ (so die Selbstbezeichnung) Jacob Taubes von dem rasenden Antisemiten Carl Schmitt? Was wollte einer, der im Weltbild Schmitts zu den „Feinden“ zählte, die es zu vernichten galt, von einer abgründig sinistren Figur, die die Shoa geistig mitvorbereitet hatte und sich nach der Shoa zum Opfer der Geschichte stilisierte? Kann man Taubes zugute halten, dass er die postume Veröffentlichung des berüchtigten Schmittschen Glossariums (1991) nicht mehr erleben musste, in dem es heißt: „Denn Juden bleiben immer Juden. Während der Kommunist sich bessern und ändern kann . . . Gerade der assimilierte Jude ist der wahre Feind“? Es war ja auch vor dem Glossarium alles bekannt über Schmitts Antisemitismus, und Taubes kannte es. Was also trieb ihn? Im Nachwort des Herausgebers Martin Treml findet sich ein denkwürdiger Hinweis auf Taubes’ Judentum und Schmitts Verhältnis zu demselben.
Zu Schmitts „Judeophobie“ notiert Treml, diese sei „nicht persönlich, sondern vielmehr systematisch begründet“ gewesen, und beruft sich dabei ausdrücklich auf Raphael Gross’ Studie über Carl Schmitt und die Juden (2000). Soll heißen: Schmitt habe „persönlich“ nichts gegen Taubes gehabt, weshalb dessen geplanter Besuch in Plettenberg auch kein Problem war, und „selbstverständlich“ habe Schmitt jüdische Freunde und Schüler in Deutschland, den USA und Israel gehabt.
Diese offenbar apologetisch gemeinte Bemerkung ist in doppelter Hinsicht perfide: zum einen nimmt sie einen Autor in Anspruch, der mit dem Nachweis der Systematik von Schmitts Antisemitismus gewiss anderes im Auge hatte als eine Ehrenrettung des furchtbaren Juristen; zum andern wird so getan, als sei dieser unpersönliche Antisemitismus noch das geringere Übel – das Gegenteil ist wahr. Gerade weil Schmitt in seinem Judenhass von allem Persönlichen absah, wiegt sein Antisemitismus umso schwerer.
Mitte der fünfziger Jahre, noch von Amerika aus, wandte sich Taubes erstmals brieflich an Schmitt, dem er „in Fragestellung und Perspektive“ viel verdanke. Als Herausgeber einer Reihe bei Beacon Press plante er einen Band über „Conservative Tradition“ mit katholischen Autoren des 19. Jahrhunderts wie de Maistre, Bonald, Donoso Cortés und erbat Schmitts Meinung dazu. Dessen Antwort ist nicht überliefert. Von einigen marginalen Annäherungsversuchen Taubes’ abgesehen, folgt eine mehr als zwanzigjährige Pause in der Korrespondenz, ehe diese zwischen 1977 und 1980 ihre Fortsetzung findet. Gleich im ersten Brief vom 17. November 1977 macht Taubes Schmitt vorbehaltlose Avancen, indem er ihm „die Hand über einen Abgrund“ reicht.
Wenn man die Briefe liest, stößt man einerseits auf eine Fülle von interessanten Einzelheiten – von Lektüren, Ideen, Namen und Zitaten. Andererseits fällt auf, wie wenig substanziell der Austausch in der Sache ist. Zwar betont man die Wichtigkeit eines „Gesprächs“, aber dieses will über die Präliminarien hinaus nie so recht ingang kommen. Es bleibt bei bloßen Beteuerungen. Taubes war strukturell nicht in der Lage, seine Gedanken zu diskursivieren, Schmitt war zu alt dazu und hatte wohl auch keine Lust mehr. Eine wichtige Rolle in der Korrespondenz spielt der Brief Walter Benjamins an Schmitt vom 9. Dezember 1930, den Taubes in den siebziger Jahren namentlich gegen Adorno skandalisierte und der Schmitt auch für die linksintellektuelle Szene akzeptabel machen sollte.
Schmitt wiederum hatte den Benjamin-Brief, strategisch geschickt, bereits 1956 in seinem Hamlet-Buch erwähnt, in welchem er sich auch mit Benjamins „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ beschäftigt. Die Zitierung Benjamins sollte Schmitt dazu dienen, seine geistige Isolation zu durchbrechen und Anschluss an die akademische Welt zu finden, von der er sich nach 1945 ausgeschlossen sah.
Schließlich wollte Taubes den Staatstheoretiker für ein Zeitschriftenprojekt gewinnen, für das er sich den Namen „Kassiber“ ausgedacht hatte. Schmitt winkte schon im Vorfeld ab, war ihm, dem Juristen, doch der Kassiber keineswegs geheuer, so wenig wie Hans Blumenberg, der über das Projekt in Kenntnis gesetzt worden war. Man kann sicher sein, dass Taubes auch hier bewusst den Skandal suchte: Der Nachrichtenschmuggel erfüllte nicht zuletzt im Verkehr zwischen den RAF-Häftlingen und ihren Anwälten in den siebziger Jahren eine wichtige politische Funktion, und ausgerechnet im „Deutschen Herbst“ 1977, als sich die Situation dramatisch zuspitzte und die Hauptfiguren der RAF am Ende Selbstmord begingen, auf eine Zeitschrift mit dem Titel „Kassiber“ zu verfallen, konnte nur jemandem in den Sinn kommen, der um jeden Preis auf Krawall aus ist. Taubes war ein Krawallmacher.
Wie man überhaupt sagen muss, und erst recht nach der Lektüre dieses Briefwechsels, dass Taubes zwar in einem bestimmten Sinne vielleicht „interessant“, zugleich aber von einer frappierenden Unseriosität war. Namedropping und Gerüchtestreuen gehörten zu seinen Spezialitäten, und die Bücher, die er gelesen haben wollte, hatte er sich, wie Henning Ritter einmal bemerkte, eher durch Handauflegen angeeignet. Taubes war, sorry, ein Scharlatan, ein Hochstapler und Intrigant – sein Lehrer Gershom Scholem hat das früh beklagt. Sein Medium war die Apokalypse, und es mag sein, dass ihn die Zwangsvorstellung von der Ankunft des Messias und dem bevorstehenden Ende der Zeit mit dem katholischen Entscheidungstheoretiker Schmitt verband. Beide nannten das Politische Theologie. Das alles war ein grandioser, geschwätziger Irrtum, und es ist an der Zeit, endlich Schluss damit zu machen.
HANS-MARTIN LOHMANN
JACOB TAUBES, CARL SCHMITT: Briefwechsel. Hrsg. von Herbert Kopp-Oberstebrink, Thorsten Palzhoff und Martin Treml. Wilhelm Fink Verlag, München 2012. 327 Seiten, 39.90 Euro .
Man stößt auf eine Fülle
interessanter Einzelheiten, aber der
Austausch ist wenig substantiell
Carl Schmitt (links im Jahr 1932), Jacob Taubes 1961 Foto: ullstein, keystone
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nach der Lektüre des nun herausgegebenen Briefwechsels zwischen dem sich selbst als "Erzjuden" bezeichnenden Religionswissenschaftler Jacob Taubes und dem antisemitischen Staatstheoretiker Carl Schmitt ist Rezensent Hans-Martin Lohmann äußerst deprimiert. Denn mit Entsetzen muss der Kritiker feststellen, was wirklich hinter der legendenumwobenen Beziehung der beiden stand: Der in einigen Kreisen sehr verehrten Taubes, den Lohmann allerdings für einen hochstapelnden und unseriösen "Scharlatan" hält, suchte mit seinem Werben um Schmitt (O-Ton: "Juden bleiben immer Juden. Während der Kommunist sich bessern und ändern kann...") den bewussten Skandal für seine Veröffentlichungen. Was die beiden "politischen Theologie" erscheint dem Rezensenten ausgesprochen substanzlos, er nennt es einen "grandiosen geschwätzigen Irrtum". Auch das Nachwort Martin Tremls, der dort auf die nicht persönlich motivierte "Judeophobie" Schmitts hinweise, biete durchaus Anlass zur Kritik, so der Rezensent.

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