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Die weltweite Bedrohung durch religiös motivierten Terrorismus und Gewalt scheint größer zu sein als je zuvor. Kann es sein, dass das radikale Antlitz des Islamismus nicht so sehr die Eigenheit einer bestimmten Religion ist, sondern auf eine Gemeinsamkeit aller monotheistischen Varianten verweist?Der Ägyptologe und Kulturtheoretiker Jan Assmann geht dem möglichen Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und dem absoluten Wahrheitsanspruch der monotheistischen Religionen nach. Dabei geht es nicht um die Frage, ob der Monotheismus sich historisch mit Gewalt durchgesetzt hat, sondern erstens,…mehr

Produktbeschreibung
Die weltweite Bedrohung durch religiös motivierten Terrorismus und Gewalt scheint größer zu sein als je zuvor. Kann es sein, dass das radikale Antlitz des Islamismus nicht so sehr die Eigenheit einer bestimmten Religion ist, sondern auf eine Gemeinsamkeit aller monotheistischen Varianten verweist?Der Ägyptologe und Kulturtheoretiker Jan Assmann geht dem möglichen Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und dem absoluten Wahrheitsanspruch der monotheistischen Religionen nach. Dabei geht es nicht um die Frage, ob der Monotheismus sich historisch mit Gewalt durchgesetzt hat, sondern erstens, warum er die Geschichte seiner Durchsetzung in den biblischen Texten in so brachialen Formen der Gewalt erinnert und dargestellt hat, und zweitens, unter welchen historischen Bedingungen diese Sprache der Gewalt in Taten umschlägt.
Autorenporträt
Jan Assmann, geboren 1938, Studium der Ägyptologie, Klassischen Archäologie und Gräzistik in München, Heidelberg, Paris und Göttingen, von 1976 bis 2003 Professor für Ägyptologie in Heidelberg, seit 2005 Honorarprofessor für Allgemeine Kulturwissenschaft und Religionstheorie an der Universität Konstanz. Zuletzt erschienen »Die Zauberflöte: Oper und Mysterium« (2013, Hanser) und »Exodus. Die Revolution der Alten Welt« (2015, C.H. Beck). Im Picus Verlag erschien seine Wiener Vorlesung »Die Zauberflöte. Eine Oper mit zwei Gesichtern« (2015).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Michael Stallknecht steht Jan Assmanns Revision seiner These vom potenziell gewalttätigen Monotheismus kritisch gegenüber. Assmanns Differenzierung in einen "Monotheismus der Treue" und einen "Monotheismus der Wahrheit" kann er folgen, ebenso seiner Betonung, dass Gewalt keineswegs eine notwendige Konsequenz des Monotheismus ist. Spätestens jedoch, wenn der Autor den totalitären Zug von Religion mit Carl Schmitts Totalitarismustheorie zu analysieren versucht, wird Stallknecht mulmig zumute. Die Parallele zwischen den von Assmann herangezogenen jüdischen Quellen und einem Theoreiker des Nationalsozialismus erscheint dem Rezensenten "geschmacklich fragwürdig" und argumentativ vage. Wie sich Fragen zur Gewalt in der Religion tabufrei und differenziert diskutieren lassen, kann ihn der Autor allerdings allemal lehren.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.01.2017

Semantisches Dynamit
Die eine Wahrheit und die vielen Götter: Jan Assmann über „Totale Religion“
Islamisten töten auf grausame Weise Angehörige anderer Religionen in von ihnen eroberten Gebieten, vernichten dort die archäologischen Überreste früherer, polytheistischer Glaubensformen, pflegen einen vernichtenden Hass auf Juden und sprengen sich an Flughäfen und in Konzerthallen des „ungläubigen“ Europa in die Luft – all das unter Berufung auf den Koran. Kann ein religiöser Text, so lautet eine der vielen Fragen angesichts der Ereignisse in den vergangenen Jahren, eine Anleitung zu solchen Gewaltexzessen bereitstellen?
Jan Assmann, im Hauptberuf Ägyptologe, aber thematisch schon immer weit in andere Fachgebiete ausgreifend, hat auf diese Frage schon vor mehr als zehn Jahren eine sehr ins Grundsätzliche gehende Antwort gegeben: Mit dem Monotheismus, dem Glauben an einen einzigen Gott, sei eine Unterscheidung zwischen einem „wahren“ Glauben und den vielen „falschen“ Glaubensrichtungen in die Welt gekommen, die geeignet ist, Gewalt im Namen Gottes zu legitimieren. Festgemacht hat er diese Unterscheidung vor allem am Alten Testament, an der Szene zum Beispiel im Buch Exodus, in der Mose nach dem Tanz ums Goldene Kalb den Abfall von Jahwe mit dem Mord an dreitausend Israeliten rächt.
Weil diese These eine heftige Debatte ausgelöst und Assmann auch viel Kritik eingebracht hat, ging er in den vergangenen Jahren dazu über, seine These fortschreitend differenziert. Einen Überblick gibt nun die Überarbeitung eines alten, ursprünglich bereits 2004 erschienenen Vortrags. In „Totale Religion“, so der neue Titel, unterscheidet Assmann zwischen einem „Monotheismus der Treue“ und einem „Monotheismus der Wahrheit“, der für ihn verschiedenen Textschichten im jüdischen Tanach beziehungsweise dem christlichen Alten Testament entspricht. Nur im ersten, dem „Monotheismus der Treue“, wird für ihn ein „eifersüchtiger, zornmütiger Gott“ sichtbar, der mit Mose und dem Volk Israel einen Bund schließt und dafür bedingungslose Treue bis in den Tod verlangt. „Sein Eifer fordert, dass man für ihn eifert.“
Doch wie in den meisten Fällen auch zwischenmenschlicher Eifersucht werden die tödlichen Konsequenzen hier erst einmal nur im Kopf gezogen. Assmann betont, dass die entsprechenden Textschichten gerade in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft und damit einer faktischen Machtlosigkeit des Judentums entstanden seien. In dieser Situation habe es gegolten, mögliche Abtrünnige in den eigenen Reihen umso fester auf den sich formierenden Monotheismus einzuschwören.
Assmann hält also daran fest, dass mit der „Mosaischen Unterscheidung“, wie er sie früher nannte, ein bis dahin unbekannter Puritanismus Einzug in die Religion hält. Im Gegensatz zu polytheistischen Kulturen wird Reinheit nicht nur für rituelle Vollzüge gefordert, sondern auch vom Einzelnen, den es vor dem Abfall von Gott zu bewahren gilt. Die Todesdrohung richtet sich damit im biblischen Judentum nicht wie in späteren Ausprägungen des Monotheismus gegen andere Völker und Kulturen. Auch betont Assmann, dass Gewalt keineswegs eine notwendige Konsequenz monotheistischer Religionsformen sei. Ihm geht es um „die Ursprünge einer bis heute lebendigen kulturellen Semantik“. Ausschlaggebend sei, inwiefern eine Religion die entsprechenden Passagen ihrer heiligen Texte zu historisieren vermag. „Es gilt, ihre Genese aufzudecken, um sie in ihrer Geltung einzuschränken.“
Gleichzeitig aber zielt die Überarbeitung des Vortrags merklich auch auf eine Aktualisierung, wenn Assmann sich den Makkabäerkriegen des zweiten und ersten vorchristlichen Jahrhunderts zuwendet. In den von den biblischen Makkabäer-Büchern überlieferten Auseinandersetzungen wird für ihn erstmals eine historische Situation greifbar, in der das „semantische Dynamit“ des Monotheismus zündet. Dafür deutet er die Makkabäer-Kriege nun unter Berufung auf die neuere Forschung als innerjüdischen Bürgerkrieg, bei dem eine orthodoxe Gruppierung einer modernisierungswilligen Reformpartei gegenübersteht. Die Reformpartei sucht im Rahmen der damaligen hellenistischen Weltzivilisation den eigenen Gott als universalen Gott für alle Menschen zu verstehen, während die Orthodoxen den exklusiven Gottesbegriff des Mose-Bundes aufrechtzuerhalten versuchen. Mittels einer blutigen Gegenreformation schlagen die Orthodoxen die Reformer nieder.
Das erinnert für Assmann nicht nur an die gegenwärtigen fundamentalistischen Bewegungen innerhalb des Islam, die sich ebenfalls als Reaktion auf Modernisierung und Globalisierung verstehen. Für ihn wird hier auch ein latent totalitärer Zug von Religion greifbar, den er mit einem Rückgriff auf die Totalitarismustheorie des Staatsrechtlers Carl Schmitt zu analysieren sucht. So wie für Schmitt eine Gemeinschaft im „Ernstfall“ das Politische allen anderen Kategorien überordnen muss, wird hier die Religion zum zentralen Lebensbezug. Das Religiöse spaltet die Welt in Freund und Feind, wie es für Schmitt das Politische tat. „So wie Carl Schmitt auf den theoretischen Ernstfall des Krieges den totalen Staat, fordert der deuteronomistische Puritanismus die totale Religion.“
Das ist starker Tobak. Denn der historisch schwer belastete Carl Schmitt verstand den Ruf nach dem totalen Staat affirmativ als Normkonzept für den sich formierenden nationalsozialistischen Staat – was Assmann natürlich ebenso ablehnt wie die „totale Religion“. Doch eine Parallele zwischen einer jüdischen Quelle und einem Theoretiker des Nationalsozialismus zu ziehen, bleibt nicht nur geschmacklich fragwürdig. Assmann lässt es hier auch an der Genauigkeit fehlen, die den ersten Teil des Buchs auszeichnet. Mindestens wäre der Hinweis wichtig, dass das Judentum im Gegensatz zum katholischen und orthodoxen Christentum die Makkabäer-Büchern nie zu seinen kanonischen Schriften zählte. Die Parallele zwischen dem totalen Staat und der „totalen Religion“ erscheint als eher vage Analogie, die gerade die Historisierung der Quellen unterläuft, die Assmann sonst zu Recht so vehement einfordert. Sie betrachtet den monotheistischen Exklusivismus nicht in seinem konkreten historischen Umfeld, sondern als zeitenübergreifendes Schema.
Sichtbar werden damit auch die Schwierigkeiten eines Ansatzes, der unterschiedliche religiöse Ausprägungen unter dem Begriff des Monotheismus subsumiert. Wenn Assmann schon innerhalb des Buches Exodus mehrere Schichten des Gottesbildes voneinander trennt, wäre vielleicht auch zwischen den unterschiedlichen Monotheismen zu differenzieren. Unter dem Blickwinkel der Gegenwart erschiene dann die Frage nach der Semantik islamischer Quellen zielführender als der Rückgang auf den von Mose abgeschlossenen Gottesbund. Denn die These, dass der Islam als solcher gewaltfördernd sei, führt in der Diskussion ebenso wenig weiter wie die gegenteilige, dass Islamismus nicht aus den Quellen abzuleiten sei.
Es sind zwei Extrempositionen, die die notwendige Komplexität der Betrachtung unterschreiten. Viel eher geht es, wie Assmann für die gewalttätigen Passagen des Alten Testaments formuliert, um „ein Phänomen, das zunächst einmal jenseits aller Polemik und Apologetik verstanden werden will“. Die entsprechenden Fragen tabufrei zu diskutieren und gleichzeitig in möglichst hohem Maß zu differenzieren, bleibt etwas, was man von Assmann durchaus lernen kann.
MICHAEL STALLKNECHT
Jan Assmann: Totale Religion – Ursprünge und Formen puritanischer Verschärfung. Picus Verlag, Wien 2016. 180 Seiten, 20 Euro. E-Book 15,99 Euro.
Reinheit wird vom Einzelnen
gefordert, den es vorm Abfall von
Gott zu bewahren gilt
Die Extrempositionen,
Polemik wie Apologetik, helfen
dem Verstehen nicht
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