Der echte Berliner ist wie ein glücklich Verliebter, er ruht in sich, seine Welt ist abgeschlossen. Was soll es auch groß zu sagen geben? Berlin ist die beste Stadt der Welt. Stimmt vielleicht sogar, schließlich ist die ganze Welt zu Gast. Denn Berlin ist im Fokus, nicht nur im politischen. Die Stadt wandelt sich wie keine andere, Ost und West sind Geschichte, Flughäfen werden geöffnet und geschlossen, die In-Viertel wechseln beinah so schnell wie die angesagten Lokale. Aber einiges bleibt dann doch gleich, und auch darauf wirft der Fast-Berliner Jakob Hein einen einsichtsreichen und humorvollen Blick, er lauscht der Berliner Schnauze und flaniert durch die Viertel, er kostet Döner und Currywurst und genießt die Kunst. Am Ende wissen Sie, was es heißt, wenn einer sagt: Ick bin ein Berliner.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.12.2006Bücherecke
Hallo Deutschland!
Wie wir sind und wie wir waren
Am Ende eines Jahres, von dem viele glauben, dass es Deutschland durch die Fußball-WM zu besserem Ansehen in der Welt verholfen hat, ist es an der Zeit, sich mit tieferschürfenden Analysen deutscher Gemütszustände zu befassen. Jakob Hein hat eine „Gebrauchsanweisung für Berlin” geschrieben, die sich mit der Substanz der Stadt auseinandersetzt. Hein sieht in Berlin „ein Mikromodell des Föderalismus”, da es sich weniger um ein homogenes Gebilde als um ein Konglomerat von Vierteln handelt. Und er entdeckt die alte Lebenshaltung der Berliner wieder: Den Ausspruch Friedrichs des Großen, jeder könne nach seiner Façon selig werden, würden die Berliner so auslegen, dass jeder ausschließlich das macht, was er will. „Da sich hier aber so unglaublich viele Gruppen von Menschen aufhalten”, so Hein, „konzentriert sich die Energie der Ablehnung nicht auf eine bestimmte Gruppe, sondern resultiert in einer muffeligen Grundstimmung gegen jeden.” In der Konsequenz aber lassen die Berliner so viel durchgehen wie die Bewohner keiner anderen deutschen Stadt.
Was Hein im Kleinen exerziert, vollzieht Maxim Gorski im Großen: Er hat seine „Gebrauchsanweisung für Deutschland” überarbeitet. Nicht gründlich genug, da die Zählung der Kanzler nach wie vor bei Helmut Kohl endet, und das Ladenschlussgesetz in seinem restriktiven Status von 1996 kritisiert wird. Aber der Trick, als Ausländer den Deutschen ein humorvolles Buch über sie selbst unterzujubeln, das nur so tut, als wäre es für Fremde geschrieben, funktioniert immer noch. STEFAN FISCHER
JAKOB HEIN: Gebrauchsanweisung für Berlin, Piper Verlag, München Zürich 2006, 154 Seiten, 12,90 Euro
MAXIM GORSKI: Gebrauchsanweisung für Deutschland, Piper Verlag, München Zürich 2006, 175 Seiten, 12,90 Euro
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Hallo Deutschland!
Wie wir sind und wie wir waren
Am Ende eines Jahres, von dem viele glauben, dass es Deutschland durch die Fußball-WM zu besserem Ansehen in der Welt verholfen hat, ist es an der Zeit, sich mit tieferschürfenden Analysen deutscher Gemütszustände zu befassen. Jakob Hein hat eine „Gebrauchsanweisung für Berlin” geschrieben, die sich mit der Substanz der Stadt auseinandersetzt. Hein sieht in Berlin „ein Mikromodell des Föderalismus”, da es sich weniger um ein homogenes Gebilde als um ein Konglomerat von Vierteln handelt. Und er entdeckt die alte Lebenshaltung der Berliner wieder: Den Ausspruch Friedrichs des Großen, jeder könne nach seiner Façon selig werden, würden die Berliner so auslegen, dass jeder ausschließlich das macht, was er will. „Da sich hier aber so unglaublich viele Gruppen von Menschen aufhalten”, so Hein, „konzentriert sich die Energie der Ablehnung nicht auf eine bestimmte Gruppe, sondern resultiert in einer muffeligen Grundstimmung gegen jeden.” In der Konsequenz aber lassen die Berliner so viel durchgehen wie die Bewohner keiner anderen deutschen Stadt.
Was Hein im Kleinen exerziert, vollzieht Maxim Gorski im Großen: Er hat seine „Gebrauchsanweisung für Deutschland” überarbeitet. Nicht gründlich genug, da die Zählung der Kanzler nach wie vor bei Helmut Kohl endet, und das Ladenschlussgesetz in seinem restriktiven Status von 1996 kritisiert wird. Aber der Trick, als Ausländer den Deutschen ein humorvolles Buch über sie selbst unterzujubeln, das nur so tut, als wäre es für Fremde geschrieben, funktioniert immer noch. STEFAN FISCHER
JAKOB HEIN: Gebrauchsanweisung für Berlin, Piper Verlag, München Zürich 2006, 154 Seiten, 12,90 Euro
MAXIM GORSKI: Gebrauchsanweisung für Deutschland, Piper Verlag, München Zürich 2006, 175 Seiten, 12,90 Euro
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