Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 59,90 €
  • Buch mit Leinen-Einband

This first German edition of Melanie Klein's (1882-1960) 'Collected Works' provides all of the texts she published during her lifetime as well as a series of important works which were published posthumously. This is a more comprehensive edition with more texts than there were in the 'Writings of Melanie Klein', published in London in 1975. With the exception of a few, the English texts have been newly translated, and many of them are being published in German for the first time. Explanations of each text, a list of Melanie Klein's works and detailed indexes have been added.

Produktbeschreibung
This first German edition of Melanie Klein's (1882-1960) 'Collected Works' provides all of the texts she published during her lifetime as well as a series of important works which were published posthumously. This is a more comprehensive edition with more texts than there were in the 'Writings of Melanie Klein', published in London in 1975. With the exception of a few, the English texts have been newly translated, and many of them are being published in German for the first time. Explanations of each text, a list of Melanie Klein's works and detailed indexes have been added.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2000

Sie konnte das Hexen nicht lassen
Melanie Kleins Begriffe waren keine Bombastik-Bluff-Bomben

"Was zuviel ist, ist zuviel" hat der Pariser Analytiker André Green seinen Beitrag zum hundertsten Geburtstag Melanie Kleins überschrieben. Sie sei für die Psychoanalyse so wichtig gewesen wie Luthers Reformation für den römischen Katholizismus: "Beim Aussprechen des Unerhörten muß man zu weit gehen, damit die, die es hören, wenigstens ein Minimum davon behalten können." Green nennt sie die illegitime Tochter Freuds, aber auch so etwas wie die verleugnete Mutter des Freudschen Unbewußten. Anders als Freud geht es ihr nicht um die Spannung Lust-Unlust, sondern um Schmerz und Angst. Die Angst, schreibt Green, sei keine "Krankheit" des neunzehnten Jahrhunderts gewesen. Wenn das Objekt psychisch abwesend ist, fehlt "zuviel": "Der Mangel hat hier ein exzessives Ausmaß erreicht. Es fehlt zuviel . . . diesen Aspekt fand Melanie Klein im Seelenleben des Kleinkindes wieder."

Fast muß es erstaunen, daß Melanie Klein trotz der chaotischen Mächte, die dieses Seelenleben durchstürmen, an der Verantwortlichkeit des Individuums festhält. Gegen Totalitarismus ist sie gefeit, gerade weil sie in ihrem Werk einen Einblick in das Funktionieren totalitärer Mechanismen gibt, der noch darüber hinausgeht, was Freud in seinem Faschismusbeitrag "Massenpsychologie und Ichanalyse" schreibt. Während bei Freud das Individuum von vornherein tragisch ist und er gut verstehen kann, daß man die Last einer solchen tragischen Individualität eigentlich abgeben möchte, ist bei ihr das Individuelle eher ein Widerstandskern, der weder tragisch ist noch emphatisch zu bejahen - sondern einfach zu konstatieren.

Bezeichnend für ihre Weltanschauung und ihre persönliche Haltung sind ihre Reflexionen "Zum Gefühl der Einsamkeit". Einsamkeit sei nicht nur für die psychotische, sondern auch für die normale Entwicklung unabdingbar, weil auch zu dieser psychotische Risiken gehören. Man kann weder dem Kind noch dem Patienten das Einsamkeitsgefühl abnehmen. Anders gesagt, kann die dezidiert antitotalitäre Melanie Klein dem Kind und dem Erwachsenen die Individuation nicht abnehmen. Die Individualitätslast kann man nicht wegtherapieren. Damit hängt die von ihr immer konzedierte Möglichkeit der Wiedergutmachung all der destruktiven Akte jedes Seelenlebens zusammen: Es gibt jemanden, der etwas wiedergutmachen kann.

Was ist ein Tragöde?

Angesichts der heutigen Schul- und Jugendmisere muß so eine Ansicht wie eine Herausforderung wirken. Die Herausforderung liegt bei Melanie Klein aber dann auch darin, daß ihre Moral - wie jede "echte" Moral - moralfrei ist, da sie auch die Reflexion auf die Bedingungen ihrer Möglichkeit einschließt. Mit dem jüngsten Band sind die theoretischen Schriften Melanie Kleins nun alle in einer editorisch vorbildlichen Form verfügbar. Als Abschluß der Werkausgabe wird noch in zwei Bänden der große Fallbericht "Richard" erscheinen. Aber wer sich mit Melanie Klein als Theoretikerin beschäftigen will, findet hier einige ihrer bedeutendsten Schriften: den "Beitrag zur Theorie von Angst und Schuldgefühl", in dem Angst - das große Thema ihres Lebenswerks - im Wechsel von Verfolgungs- und Schuldangst als Programm der Psyche beschrieben wird; "Neid und Dankbarkeit", ihre Monographie über zwei von Geburt an operierende Gefühle.

Von ihren Reflexionen über "Die psychoanalytische Spieltechnik" meinen die englischen Editoren, sie kämen einer wissenschaftlichen Autobiographie nahe. Ähnliches läßt sich sagen von "Über Identifizierung", ihrer Auseinandersetzung mit Julien Greens Roman "Wenn ich du wäre". Weitere Beispiele für "angewandte" Psychoanalyse sind die "Reflexionen über die Oresteia" - worin sie Aischylos als großen "Kollegen" würdigt, der eine komplette Entwicklung des Ich von seinen Anfängen bis zur Reife an seinen Figuren demonstriert habe - und "Bemerkungen über einige schizoide Mechanismen".

Donald Meltzer, einer ihrer großen Schüler, meint, heute könne man sich die elektrisierende Wirkung nicht mehr vorstellen, die die in diesem Aufsatz entwickelten Begriffe der Spaltung und der projektiven Identifizierung auf die damaligen Analytiker ausgeübt hätten. Beide Konzepte hätten die psychoanalytische Arbeit der zweiten Jahrhunderthälfte entscheidend bestimmt. Denn die Spaltungsmechanismen zerstückelten die Einheit des Selbst als Struktur und öffneten damit die Sicht auf das Theater des inneren Lebens: Die "Zerreißungen" des Individuums müssen nicht mehr mythologisch gefaßt werden, wie Ovid es tat und immer wieder auch Freud.

Liest man die Aufsätze heute, so springt als ihr gemeinsamer Nenner die in der Zeit ihrer Abfassung noch gar nicht sichtbare, heute von der Realität eingeholte Modernität der Klein ins Auge. Sie verfaßt keine psychoanalytischen zeitpolitischen "Anwendungen", ihre Sensibilität gegenüber der Zeitgeschichte zeigt sich in der Obsession durch die klinische Arbeit, in die die traumatischen Erfahrungen des Ersten Weltkriegs ebenso wie später die des Zweiten eingehen.

Nach Karl Abrahams Tod - er war ihr Lehranalytiker - wurde Melanie Klein von ihren männlichen Kollegen, mit einem modernen Wort gesagt, weggemobbt. Sie zog nach England. Manche haben nach Gründen gesucht, warum die Jüdin mit k.u.k. Hintergrund gerade in England so reüssierte. Es mag mit den empirischen Traditionen zusammenhängen oder mit der großen Emphase, die in der englischen Romanliteratur auf die Mutter-Kind-Beziehung gelegt wird. Aber wirkliche Erklärungen sind das nicht.

In den vergangenen Jahren ist unter dem Motto "Return to Melanie Klein" eine bemerkenswerte Melanie-Klein-Literatur entstanden. Dazu zählt der von Lyndsey Stonebridge and John Phillips herausgegebene Sammelband "Reading Melanie Klein" (Routledge, London 1998), in dem sich einige hervorragende gesellschaftskritische und erkenntnistheoretische (meist lacanisierende) Artikel finden. Die eindrucksvollste Hommage an Melanie Klein kommt indes aus Deutschland: Claudia Frank hat mit ihrer Arbeit über "Melanie Kleins erste Kinderanalysen" so etwas wie die erste Arbeitsbiographie der Klein vorgelegt. Es geht um 22 Berliner Kinder, die mit ihnen ungelösten Probleme haben Klein ihr Arbeitsleben lang nicht losgelassen. Damit korrigiert Frank die böswillige Behauptung, Klein habe nur ihre eigenen und wenige Kinder von Kollegen analysiert.

Sie tat's nur den Kindern zuliebe

Der Melanie Klein Trust in London hat der Autorin eine Fülle unveröffentlichten Materials zur Verfügung gestellt. Aus Franks heroischer Archivarbeit ist nebenbei auch ein Muster für den Umgang mit historischen Quellen der Psychoanalyse und kasuistischem Material hervorgegangen. Franks Buch ist deshalb so spannend, weil sie gewissermaßen selbst analytisch mit Melanie Klein arbeitet. Deren Kurznotizen zu ihren "Berliner Kindern" sind so interessant zu lesen wie Kurznotizen Freuds: Frank kommentiert die Texte nicht bloß, sie rekonstruiert vielmehr den psychoanalytischen Prozeß, so daß die Kleinschen Notizen über einen solchen Prozeß wiederum zum Analysegegenstand für den selbstanalytischen Prozeß der Klein werden.

Gescheitert waren die Kinderanalysen bis dahin an der "negativen Übertragung" der Analytiker auf das Kind. Der Forscher der klassischen Psychoanalyse entdeckte im vorgeblich reifen Erwachsenen das einerseits unreife, andererseits frühreife Kind; durch diese Entdeckungsfahrt jedoch war schon eine gewisse Immunität gewährleistet, die Gewißheit, mit "den Kindern" nicht allzu dicht in Berührung zu kommen. Auf diese Entdeckungsfahrt hat Melanie Klein verzichtet und sich dem Doppelwesen von Frühreife und Unreife direkt gestellt.

Einige der prominentesten psychoanalytischen "Kinder" läßt Claudia Frank Revue passieren und zeigt, wie selbst Analytiker zwischen Verniedlichung und Idealisierung schwankten, vor allem aber zeigt sie die Neigung zu pädagogischer Indoktrination. Eines der ersten Kinder war der kleine Hans; dessen Berichte jedoch wurden schon vom Vater gefiltert, die Berichte des Vaters dann wiederum von Freud, der sich als Großvater keine Blöße vor dem Schülervater geben durfte. So wurde die eigentliche Ursache der Neurose des kleinen Hans fast zwangsläufig verschleiert. Zudem mußte Freud mit Kinderanalyse ein sacrificium intellectus, die Entsprachlichung, verbinden, was der Grundmaxime der europäischen Aufklärung widersprach, derzufolge alle aufklärbaren Strukturen sprachliche Strukturen sind.

Die Dame ist fürs Feuer

Melanie Klein ging in ihrer Arbeit mit Kindern hinter diese Versprachlichung zurück und hätte damit die Frankfurter Schule, hätte sie nur von ihr Kenntnis genommen, korrigieren können. Die Quintessenz der Auseinandersetzung der Frankfurter Schule mit der Psychoanalyse bestand darin, daß man durch sie den Rückfall in die Barbarei besser verstehen könne. Von Melanie Klein hätte sie lernen können, daß es eigentlich kein Rückfall ist, daß der Ursprung nicht am Anfang angesiedelt werden kann. Bei ihr geht es vielmehr um eine in jeder Ontogenese unablässig stattfindende Produktion von Barbarei.

"Muß man Melanie Klein verbrennen?" hat Jean Laplanche gefragt und damit auf die "Dämonologie", die dem Kleinianismus vorgeworfen wurde, angespielt, vor allem aber wollte er dieser "Hexe", die potentiell auf den Scheiterhaufen gehöre, die Ehre erweisen, sie dennoch in die orthodoxe Tradition einzureihen. Hexen unserer Zeit verbrennt man nicht mehr, und dennoch, meint Laplanche, sei man in psychoanalytischen Kreisen manchmal nicht so weit davon entfernt: "Andere vor mir haben die Teufelsaustreibungszeremonie beschrieben, die sich während des Blitzkrieges in den Kellern Londons abspielte: Es ging darum, Melanie Klein aus der psychoanalytischen Bewegung auszuschließen."

Das ist nicht gelungen. Aber, wie Ruth Cycon in ihrer Einleitung zur Klein-Ausgabe vermutete, rückte Klein mit ihrer Theorie der destruktiven psychotischen Phantasien den Deutschen, die "viele Jahre lang in einer gesellschaftlichen Welt des Wahnsinns gelebt hatten", zu nahe. Deshalb wurde sie schleunigst als allzu phantasievolle Märchentante (gute Brust - böse Brust!) abgewertet, wie sie schon einmal von ihren Berliner Kollegen abgetan worden war. England hat sie uns erhalten, und mittlerweile ist auch die deutsche Psychoanalyse reif genug, um die "negative Übertragung" gegenüber Klein als produktiven Stimulus zu begreifen.

CAROLINE NEUBAUR

Melanie Klein: "Gesammelte Schriften". Band III: 1946-1963. Herausgegeben von Ruth Cycon unter Mitarbeit von Hermann Erb. Mit Übersetzungen aus dem Englischen von Elisabeth Vorspohl. Verlag frommann-holzboog, Stuttgart 2000. 542 S., 1 Abb., geb., 98,- DM.

Claudia Frank: "Melanie Kleins erste Kinderanalysen". Die Entdeckung des Kindes als Objekt sui generis von Heilen und Forschen. Verlag frommann-holzboog, Stuttgart 1999. 652 S., Abb., br., 128,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
«Kompakte und kompetente Erläuterungen zu den einzelnen Texten erleichtern dem Leser den Zugang; mit einem detaillierten Register sowie einem vollständigen Werkverzeichnis wurde auch editorisch hervorragende Arbeit geleistet.» Sabine Richebächer, Neue Züricher Zeitung «Diese Schriften sind ein absolutes Muß für jeden an der Psychoanalyse Interessierten. [...] Dank und Kompliment an die Herausgeber für die schöne, sorgfältige Edition!» Helmut Reiff, Jahrbuch für Literatur und Psychoanalyse «Man taucht ein wenig ab in die nostalgischen Ursprünge der Disziplin, und obschon wir wissen, daß diese alles andere als friedlich waren, ist das Lesen dieser Texte einfach ein Genuß.» Peter Osten, Integrative Therapie