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Mai 1970: In der experimentellen psychiatrischen Kommune des Psychiaters Zack Busner in London treffen Menschen und Traumata aus dem Pazifikkrieg aufeinander: ein Überlebender des von den Japanern torpedierten Kriegsschiffes USS Indianapolis, das kurz zuvor die für Hiroshima bestimmte Atombombe transportiert hat, und ein britischer Beobachter, der an Bord des Bombers den Abwurf miterlebt hat. Gemeinsam mit Zack Busner begeben sich die Patienten auf einen LSD-Trip, in dem die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit endgültig zerfließen. Der Blutrausch der Haie, die beinahe die gesamte…mehr

Produktbeschreibung
Mai 1970: In der experimentellen psychiatrischen Kommune des Psychiaters Zack Busner in London treffen Menschen und Traumata aus dem Pazifikkrieg aufeinander: ein Überlebender des von den Japanern torpedierten Kriegsschiffes USS Indianapolis, das kurz zuvor die für Hiroshima bestimmte Atombombe transportiert hat, und ein britischer Beobachter, der an Bord des Bombers den Abwurf miterlebt hat. Gemeinsam mit Zack Busner begeben sich die Patienten auf einen LSD-Trip, in dem die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit endgültig zerfließen. Der Blutrausch der Haie, die beinahe die gesamte Schiffsmannschaft der USS Indianapolis verschlingen, und der Blick auf die grauenhafte Schönheit des Atompilzes über Hiroshima aus dem Bomber - in beiden Ereignissen kristallisiert sich eine neue Dimension des Krieges, die die Überlebenden in das treibt, was die Gesellschaft als Wahn tituliert. Zack Busner hat den Verdacht, dass nur seine Patienten den Irrsinn einer Welt, in der Massenvernichtung technologisch perfektioniert ist, durchschauen ...
Autorenporträt
Self, WillWill Self ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren Englands. Auf Deutsch erschienen von ihm zuletzt die Romane Dorian: Eine Nachahmung (2008), Die Kippe (2011) sowie bei Hoffmann und Campe Regenschirm (2014), der für den Man Booker Prize nominiert war, und Shark (2016). Will Self lebt in London.

Hens, GregorGregor Hens wurde 1965 in Köln geboren und lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Zuletzt erschien von ihm Nikotin (2010). Er übersetzte Werke von Marlon Brando, Leonard Cohen, Rawi Hage und Kurt Vonnegut.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.11.2016

Hai sein, frei sein,
überall dabei sein
Der englische Autor Will Self treibt in „Shark“
den psychedelischen Roman auf die Spitze
VON JUTTA PERSON
Stellt man die alte Hippie-Floskel „High sein, frei sein, überall dabei sein“ auf die Kalauerprobe, dann wird klar, dass die Misere der unschuldig-verstrahlten Weltumarmung von Anfang an zu hören war. Nirgends ist der Hippie so sehr Hai wie dort, wo er Gutes und Wahres verspricht – oder auch „absolute Freiheit, keine Medikamente, keine Behandlung“. Mit dieser Art von Idealismus gründet Zack Busner, der antipsychiatrische Antiheld in Will Selfs großartig psychedelischem Roman „Shark“, im London der frühen Siebziger eine Kommune, in der psychisch Kranke und Psychiater zwang- und hierarchielos zusammenleben wollen.
  Im „Konzepthaus“ wohnen Zack Busner, seine Familie, sein Kollege Roger und acht weitere psychotische Patienten (die weder psychotisch noch Patienten genannt werden). Besonders Claude „das Ekel“ Evenrude, ein amerikanischer Weltkriegsveteran, der den Untergang des Kriegsschiffs USS Indianapolis überlebt hat, wird zum Dreh- und Angelpunkt einer halluzinierenden Wortspirale – in der Haie eine Hauptrolle spielen.
  Zack und Roger folgen der Lehre Ronald D. Laings, wobei ihnen der schottische Antipsychiater nicht radikal genug ist: Beide sind überzeugt, „dass sie – und nur sie – den Röntgenblick besaßen, der nötig war, um die Pseudoereignisse zu durchschauen, die sie … im flimmernden Herzen des sklerotischen Kapitalismus umgaben“. Als Roger seine Mitbewohner, sich selbst und seinen Kollegen auf einen LSD-Trip schickt, eskaliert die Lage; ein paar Katastrophen später erklärt Zack das Experiment des Konzepthauses für gescheitert. Die Summe des Leidens bleibe im Grunde gleich, die Bilanz falle aber zu seinen Ungunsten aus, erklärt er seiner Frau.
  So viel zum Hai-Werden des Hippies, der sehenden Auges die Irren in ihre Klinikknäste zurückschickt und sich selbst in den weißen Kittel des Systems zurückschwingt (seine Ehe rettet er damit trotzdem nicht). Genau dort – in den Fängen des Systems – hatte man Busner schon in Will Selfs Roman „Regenschirm“ von 2012 kennenlernen können: als Psychiater einer Nervenklinik, der eine jahrzehntelang vor sich hin dämmernde Patientin erwachen lässt und damit ein atemberaubendes Geschichtspanorama bis zurück zum Ersten Weltkrieg eröffnet. „Regenschirm“ und „Shark“ bilden zwei Teile einer geplanten Trilogie, wobei der Hai-Roman in den Zweiten Weltkrieg führt.
  Auch „Shark“ dreht sich nämlich nicht nur um Busner und die antipsychiatrische Bewegung, vielmehr rauschen ineinander: die Atombombe von Hiroshima; ein englischer Pazifist, der sich im Zweiten Weltkrieg ins Landleben flüchtet; der Meeresbiologe und Hai-Experte Jacques Cousteau; die USS Indianapolis, deren Besatzung im Juli 1945 zu einem großen Teil von den Haien des Pazifiks gefressen wurde, nachdem sie einen Teil der Atombombe abgeliefert hatte; ein Junkie-Strichmädchen namens Jeanie, das sich – nach David Bowies Song – Genie nennt; ihre herzlose, versoffene Mutter, genannt Mumsie, die in einen Abgrund aus Vulgarität und Verwahrlosung blicken lässt und außerdem mit erwähntem Kriegsdienstverweigerer liiert war; sowie Steven Spielbergs „Der weiße Hai“, den sich Busner mit seinen Söhnen im Kino anschaut, als die Familie schon längst auseinandergefallen ist.
  Ein fünfhundertseitiger Bewusstseinsstrom lässt die Zeiten, Orte und Figuren wie drogengeschwängerte Monsterquallen ineinandermorphen. Dass alles mit allem zusammenhängt, ist bei Will Self aber nicht nur dem literarisch etablierten Prinzip Paranoia geschuldet – die Dinge sind tatsächlich kausal verbunden. Claude trifft auf den britischen Militärbeobachter Michael Lincoln, der an Bord der Enola Gay den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima erlebt hat und im London der frühen Siebziger als Vormund eines psychotischen Jungen in die Kommune kommt.
  Zufällig ist er auch der Bruder des besagten Kriegsdienstverweigerers, der als Vater von Jeanie-Genie in Betracht kommt. Von den Kriegshandlungen (fantastisch sind die Passagen, in denen der melancholische Pazifistenbruder in W.-G.-Sebald-Manier durch die englische Provinz zieht) führen alle Wege in die scheinbar befreiten Siebziger, unter deren Oberfläche sich die Umrisse der Hai-Phantome zeigen. Zack erkennt dieses kosmische Ganze erst ein paar Jahre später im Kino.
  Auf seinem LSD-Trip halluziniert Zack einen Ouroboros, die mythische Figur, die sich selbst in den Schwanz beißt und einen ewigen Zirkel bildet, ähnlich wie ein Hai, der mit seiner Finne einen Kreis um die Beute zieht. Darin liegt der nicht ganz so hippieske Clou des Romans: Es geht ums Schlingen, Beißen und Verschlucken. Um Feindvernichtung. Etwa, wenn Claude mit sarkastischer Todesverachtung beobachtet, wie die anderen Schiffbrüchigen ihre Konkurrenten um einen Platz auf dem Floß in den Pazifik zu den Haien stoßen.
  Jeder Figur schiebt Self etwas Haihaftes unter, Embryos inbegriffen. Zacks schwangere Frau fühlt unheimliche Fischbewegungen: „Jetzt, wo der Hahn tropft und im Duett die Uhr in der dunklen Tiefsee der Wohnung tick-tropf-tockt, spürt sie es schon … in mir dreschen, seine Schwanzflossen streifen ihre Gebärmutterwand im … phylogenetischen Überschlag.“
  Man hat Will Self – der in Großbritannien zuerst als Mitglied der Punkband The Abusers, als Zeichner und Journalist bekannt war, ehe er in den Neunzigern als Schriftsteller erfolgreich wurde – immer wieder als Modernisten auf den Spuren von James Joyce porträtiert. Zur modernistischen Schreibweise gehört aber auch jene überbordende Masse an Songtexten, Filmzitaten, Kalauern, Werbeslogans und Wortverhackstückungen, die jedem ernst zu nehmenden Psychotiker und /oder Drogenkonsumenten durch die Rübe rauscht. Zacks Frau nennt Claudes Sprachfuror einmal eine „verbale Bouillabaisse“, die Klangbruchstücke der Vergangenheit mit solchen aus der Gegenwart kurzschließt.
  Diese delirante Fischsuppe hat der Übersetzer Gregor Hens in eine Form gebracht, nach der man süchtig werden kann: In den Wohnzimmern zuzeln die Staubsauger, ein Hai mampft sich ins Herz von London, und wenn Zack auf LSD den Wasserhahn aufdreht, heißt es: „der Geysir sprötzelt und erwacht zum Leben, die Rakete ruckelt“. Überhaupt, die drogeninduzierte Spülorgie: „Schrubb-Spül-Wisch-Flutsch – und immer wieder von vorn. Zack, der mit der schwungvollen Sicherheit eines Zwergs arbeitet, fängt an zu summen – und es dauert nicht lange, bis alle gemeinsam den Refrain singen: Hei-ho, hei-ho, wir sind vergnügt und froh“. Die Welt wird eine Dermis, „die sich über nur Scheinendes runzelt“. Vor allem aber wird sie, auch dank dieser Übersetzung, zu einer wahnwitzigen Wahrnehmungspforte. Mit Will Selfs Sarkasmus wächst endlich zusammen, was zusammengehört – ohne dass man dafür Drogen nehmen müsste.
Will Self: Shark. Roman. Aus dem Englischen von Gregor Hens. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2016. 512 Seiten, 34 Euro.
Die „verbale Bouillabaisse“
dieses furiosen Romans serviert
Gregor Hens auf Deutsch
Lesen verbinde die Menschen, sagt McCurry. Zum Beispiel die Schüler im äthiopischen Omo-Tal (Bild oben) mit den Mädchen in Istanbul.
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»"Shark" ist eine bild- und sprachgewaltige Verbeugung vor den endlosen Erzählbewegungen der Moderne. [...] Einzelne Erzählsplitter verdichten sich zu einem von Bildern strotzenden, endlosen Bewusstseinsstrom, der von den unterschiedlichsten Figuren gespeist wird.« Hans von Trotha Deutschlandradio, 13.10.2016