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Beim Spaziergang durch Prag entdeckt der Autor an der Krypta eine Gedenktafel für tschechische Widerstandskämpfer. Sie versteckten sich dort nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich - bis deutsche Soldaten, nachdem sie auf der Suche nach ihnen schon ganz Prag auf den Kopf gestellt hatten, die Krypta fluten ließen. Der Ich-Erzähler Binet ist so elektrisiert von dieser Geschichte, dass er beschließt, von Paris nach Prag zu ziehen und ihr nachzugehen. Er verfolgt die sich kreuzenden Spuren der Nationalsozialisten und Widerstandskämpfer im Frühsommer 1942 in Prag. Der Chef der Gestapo Reinhard…mehr

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Produktbeschreibung
Beim Spaziergang durch Prag entdeckt der Autor an der Krypta eine Gedenktafel für tschechische Widerstandskämpfer. Sie versteckten sich dort nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich - bis deutsche Soldaten, nachdem sie auf der Suche nach ihnen schon ganz Prag auf den Kopf gestellt hatten, die Krypta fluten ließen. Der Ich-Erzähler Binet ist so elektrisiert von dieser Geschichte, dass er beschließt, von Paris nach Prag zu ziehen und ihr nachzugehen. Er verfolgt die sich kreuzenden Spuren der Nationalsozialisten und Widerstandskämpfer im Frühsommer 1942 in Prag. Der Chef der Gestapo Reinhard Heydrich soll von dem Tschechen Josef Gabcik, der an den braven Soldaten Schwejk erinnert, auf offener Straße erschossen werden. Doch als der Mercedes mit Heydrich naht, klemmt der Abzug ... Ein freches und mutiges Buch, das man lachend und weinend zugleich liest. «Ein stilistisches Feuerwerk über den gefährlichsten Mann des Dritten Reichs.» PAGE

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, CY, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, IRL, I, L, M, NL, P, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Laurent Binet wurde 1972 in Paris geboren und hat in Prag Geschichte studiert. Jetzt lebt er in Paris. Sein erster Roman «HHhH» gewann den Prix Goncourt du Premier Roman und wurde von der New York Times zu den 100 besten Büchern des Jahres 2012 gewählt. "Die siebte Sprachfunktion" wurde mit dem Prix Interallié und dem Prix du Roman Fnac ausgezeichnet. Für "Die Eroberung" erhielt Binet den Grand Prix de l'Académie française, der Roman war in Frankreich ein großer Bestseller und wird als Serie verfilmt. Mayela Gerhardt, in Mexiko geboren, lebt als Übersetzerin von Laurent Binet, Joe Dunthorne, Margo Lanagan u.a. in Barcelona.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2011

Wie die blonde Bestie starb

Laurent Binets Roman über das Attentat auf Reinhard Heydrich tritt anspruchsvoll auf, setzt aber in Wahrheit ganz auf Einfühlung und Subjektivität.

Von Lorenz Jäger

Ein packender Stoff erster Ordnung - in Form einer Doku-Fiction. Es geht um das Attentat auf den SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich am 27. Mai 1942, auf den in Prag residierenden "Stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren" also, den Chef des Reichssicherheitshauptamtes, den Organisator der Wannsee-Konferenz, auf der die "Endlösung der Judenfrage" vorbereitet wurde. Heydrich war der Prototyp des intelligenten und kalten Nationalsozialisten, kein Massendemagoge mit Gebrüll, sondern ein managerialer Geist, ein Kind der "Neuen Sachlichkeit" der zwanziger Jahre, der es verstand, das Schrecklichste mit der größten Perfektion zu exekutieren. Zu den oft und auch in diesem Buch wiederholten Gerüchten um den unheimlichen Mann gehört die Legende, unter Heydrichs eigenen Vorfahren seien Juden gewesen. Sie entbehrt jeder Grundlage, auch wenn sie Gelegenheit zu manchen "gebildeten" Betrachtungen wie der von Carl Jacob Burckhardt gab, der nach einem Treffen mit Heydrich notierte: "Es schauen mich zwei Personen gleichzeitig an, sagte ich mir."

So öffnet diese Geschichte Möglichkeiten, Perspektiven der Darstellung wie kaum eine andere. Man kann nach London blicken, auf die tschechoslowakische Exilregierung unter Eduard Benesch, die das Attentat plante; auf die beiden Männer, die es ausführten (es waren ein Tscheche und ein Slowake, Sinnbild der Einheit einer Nation, die damals nicht mehr existierte). Man wird die Karriere Heydrichs analysieren, seine frühe Entlassung aus der Reichsmarine wegen einer Frauenaffäre und seinen Aufstieg in der SS - er wurde sogar der Chef von Interpol. Und man wird auf die unmittelbare Folge des Attentats blicken, auf das Massaker von Lidice, das noch vor Auschwitz zum emblematischen Ort der NS-Schrecken wurde, als die Deutschen 172 Männer erschossen und 195 Frauen nach Ravensbrück deportierten, von denen 52 ermordet wurden. Von den 98 Kindern wurden 13 zur "Germanisierung" vorgesehen und die übrigen in Kulmhof vergast.

Heydrich war nach Prag geschickt worden, weil das Land mit den Skoda-Werken für die deutsche Rüstung entscheidend war. Der Reichsprotektor Konstantin von Neurath, erst Außenminister Hitlers und zuvor schon der Weimarer Republik, wurde des teils offenen, teils verdeckten Widerstands nicht Herr. Die Prager Regierung stand zu diesem Zeitpunkt immer noch im Kontakt mit Benesch in London. Heydrich kam Ende 1941 nach Prag und errichtete ein Schreckensregiment; der Ministerpräsident wurde nach kurzem Verfahren hingerichtet. Da andererseits Ruhe, vor allem unter der Arbeiterschaft, kriegsentscheidend war, konnte Terror nicht der einzige Weg sein. So kam es im "Protektorat" zu einer gewissen Sozialpolitik. Auch bei Binet liest man, dass Heydrichs Vorgehen gegen den Schwarzhandel mit Lebensmitteln ihm eine bestimmte Popularität verschaffte. Aus dem Henker schien ein Wohltäter werden zu wollen.

Nichts konnte für die Londoner Exilregierung gefährlicher sein als diese "geschmeidige Strategie", von der Heinz Höhne in seiner Geschichte der SS gesprochen hat. Und deshalb wurde Heydrich das erste Ziel - gegen Bedenken des innertschechischen Widerstands, der harte Racheaktionen der Deutschen nicht zu Unrecht befürchtete.

Die Schilderung der Ereignisse, vor allem des sehr dramatischen, um ein Haar missglückten Attentats ist aber nur die eine Hälfte des Programms, das Laurent Binet sich in seinem Roman "HHhH" (Himmlers Hirn heißt Heydrich) vorgenommen hat. Denn seiner Doku-Fiction gibt er einen höchst anspruchsvollen poetologischen Überbau. Binet will weg vom "realistischen" Roman, er streut die Namen von Jorge Luis Borges und Roland Barthes ein - und er schaut sich dabei beständig über die Schulter. Er lobt sich überschwänglich für seine Empathie, aber auch für Kleinigkeiten, zum Beispiel, als er herausfindet, dass Theresienstadt nach der Kaiserin Maria Theresia benannt ist oder dass Heydrich aus Halle an der Saale, nicht aus Halle in Westfalen stammt. Und er tadelt sich zerknirscht bei anderen Gelegenheiten.

Eine gutwillige postmoderne Kritik kann diese steten Einschübe natürlich als "metafiktionale" Reflexionen rechtfertigen. Den unbefangenen Leser stellen sie mit ihrem prätentiösen Ton doch auf eine harte Probe: "Ich glaube, ich beginne zu verstehen", heißt es einmal. "Ich bin dabei, einen Infra-Roman zu schreiben." Binet träumt sich in die Rolle des Augenzeugen, ja fast des Mit-Widerständlers hinein. Immer meint er zu wissen oder hofft, erfahren zu können, wie sich etwas "anfühlt": "Ich spüre den Wind, der die Gesichter der zwei Deutschen im Wagen peitscht." "Der Slowake, der Mähre und der Tscheche aus Böhmen befinden sich ebenfalls in Wartestellung, und ich gäbe einiges dafür, fühlen zu können, was sie damals fühlten." Der letzte Satz des Buches macht die Identifikation überdeutlich. Nachdem Binet die Fahrt über die Ostsee imaginiert hat, die beide Attentäter nach Frankreich und zur Fremdenlegion bringt, meint er, eine Frau zu sehen, die seiner eigenen Freundin Natacha ähnelt. "Und vielleicht bin auch ich an Bord."

Stilistisch liebt Binet das Burschikose: Heydrich war "stinksauer", Heydrich "schmollte". Zur Vorgeschichte, vor allem zum Münchner Abkommen, wird das Übliche geboten: der britische Premier tritt als der "niederträchtige Chamberlain" auf. Man sieht auch wieder Hitler beim Teppichbeißen.

Bei den Einzelheiten darf man nicht immer genau hinschauen. Der Unterstaatssekretär Ribbentrops, der das Auswärtige Amt bei der Wannsee-Konferenz vertrat, hieß nicht Frank, sondern Martin Luther. Einmal wird an den Meisterspion der Sowjets, Leopold Trepper, erinnert - bei Binet heißt er "Treppa", und seine in Deutschland als "Rote Kapelle" bekannte Organisation begegnet unter dem Namen "Orchestre Rouge". Emil Hácha wird einmal - korrekt - als das formelle Staatsoberhaupt des "Protektorats Böhmen und Mähren" angesprochen, ein anderes Mal als "vertrottelter Expräsident". Die Übersetzerin war in der Zeitgeschichte nicht wirklich zu Hause.

Johannes Gross veröffentlichte 1984 im Magazin dieser Zeitung einen seiner stärksten Aphorismen: "Je länger das Dritte Reich tot ist, umso stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen." In diesem, nur in diesem Sinne ist "HHhH" das "freche und mutige" Buch, als das der Klappentext es anpreist.

Laurent Binet: "HHhH". Roman.

Aus dem Französischen von Mayela Gerhardt. Rowohlt Verlag, Reinbek 2011. 448 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.10.2011

Ein Bild von einem Massenmörder
Mit kalter Empathie und mit tuschelnder Indiskretion: Eine historische Biographie und ein Roman untersuchen Reinhard Heydrich,
den „Architekten der Endlösung“ aus der Mitte der deutschen Gesellschaft Von Burkhard Müller
Als Adolf Eichmann vor dem Tribunal in Tel Aviv stand, da wunderten sich alle, wie ein Mann, der federführend an millionenfachem Mord beteiligt war, von solch menschlicher Unbeträchtlichkeit sein konnte. Hanna Arendt taufte diese Verwunderung damals auf den Namen, der ihr seither geblieben ist, den von der „Banalität des Bösen“. Wie konnten es so ganz normale Menschen sein, die so etwas getan hatten, oder umgekehrt, wie konnten solche Taten auf solche postbeamtenhaften Täter zurückverweisen?
So hat sich die Sehnsucht, das Antlitz des Bösen leibhaftig zu sehen, von jeher auf einen Mann konzentriert, der formell gar nicht zu den obersten Chargen der Nazi-Hierarchie gehörte: Reinhard Heydrich, SS-Gruppenführer, Chef des Sicherheitsdienstes, (stellvertretender) Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, vor allem aber „Architekt der Endlösung“. Von unübersehbar arischer Rasse, arrogant, charmant, musikalisch und eiskalt, gab er das gültige Bild des Erz-Nazis, hinter dem die höheren Ränge schon rein physiognomisch zurückblieben: unstreitig die interessanteste Figur des ganzen Vereins. Wie aber stellt man diese Figur angemessen dar?
Man muss es als fruchtbaren Zufall bezeichnen, dass jetzt zwei ganz verschiedenartige Bücher über ihn auf Deutsch erscheinen. Sie laden nicht nur zum Vergleich ein, sondern verheißen, gerade weil sie zueinander versetzt stehen, ihren Gegenstand im Zusammenspiel zu perspektivieren. Der aus Deutschland gebürtige Historiker Robert Gerwarth, Professor für Moderne Geschichte in Dublin, legt eine Biographie vor. Und der slowakischstämmige französische Autor Laurent Binet behandelt dasselbe Thema in einem (mit dem Prix Goncourt gekrönten) Roman mit dem Titel „HHhH - Himmlers Hirn heißt Heydrich“. Was, so fragt sich der Doppel-Leser gespannt, vermag der Roman, das dem geschichtlichen Werk fehlt – und umgekehrt?
Der Historiker ist gehalten, über seine Methode klaren Aufschluss zu geben. Gerwarth äußert einleitend Zweifel am „gruppenbiographischen“ Verfahren, das offenbar in jüngerer Zeit beliebt gewesen ist, hält aber auch nichts von der „psychologisierenden Charakterstudie“, als die er die Arbeit Joachim Fests qualifiziert, welcher Heydrich als „Mann wie ein Peitschenknall“ geschildert hatte. Wie aber dann? Hier hilft augenscheinlich nur ein synthetischer Ansatz: „Im vorliegenden Buch sind daher private Lebensgeschichte, politische Biographie und Strukturgeschichte verschränkt.“ Ein besonderes Problem bedeutet dabei das affektive Verhältnis, das der Verfasser gegenüber seinem Gegenstand einnimmt. Gerwarth entscheidet sich für die paradoxe Formel der „kalten Empathie“: „Heydrichs Handlungen, seine Ausdrucksweise und sein Verhalten sprechen ohnehin für sich und offenbaren uns einen zunehmend von der eigenen ideologischen Sendung überzeugten genozidalen Massenmörder aus der Mitte der deutschen Gesellschaft."
Mit eiserner Disziplin steuert Gerwarth sein Buch durch ein starkes Magnetfeld, um Fassung vor dem Grauenhaften bemüht wie ein Zeuge vor Gericht. Es sind klug ausgewählte Quellen, denen der Autor auf indirektem Weg die wichtige emotionale Seite seines Buchs anvertraut. Er zitiert Briefe Heydrichs, entstanden im Abstand einiger Jahre, die deutlicher als jedes Außenurteil erkennen lassen, wie sich dessen Charakter unter dem Einfluss der Umstände ändert: Den Schwiegereltern verspricht er, noch ganz eifriger Kleinbürger, dass er seine Schulden zurückzahlen und ihre Tochter glücklich machen wird; der vorbeugende Abschiedsbrief an Lina bei Kriegsbeginn zeigt, bei aller zärtlichen Gattenliebe, einen Mann, der die Brücken ins bürgerliche Leben hinter sich verbrannt hat.
Dazu kommen zahlreiche Zeugnisse über Heydrich als Menschen: von seinem Gegner aus den eigenen Reihen Werner Best, von seinem spöttischen Bewunderer Albert Speer, nicht zu vergessen den ergriffenen Nachruf, den sein Mentor und Freund Heinrich Himmler ihm hält, als Heydrich den Folgen des Attentats vom 27. 5. 1942 erlegen ist. So entsteht ein vielschichtiges Porträt, das die Vorzüge einer soziologischen Studie mit denen der klassischen Biographie vereint. Noch wenn Heydrich aus nächster Nähe die Erschießung jüdischer Kinder überwacht, hat er dabei das Gefühl, rein reaktiv und als Opfer einer höheren Notwendigkeit zu handeln. Daran hängt sein Selbstbild als „Müllkipper“ des Reichs und seine Vorstellung von Anstand – Massenmord ja, aber keine eigennützigen Plünderungen und keine sadistischen Übergriffe. Gegen beides ist Heydrich, der Mann des sauberen Kopfschusses, stets entschieden vorgegangen. Das eben ist das „Verquere“, wie Gerwarth mit typischer Zurückhaltung sagt, an Heydrichs und Himmlers Logik, dem man, will man es begreifen, wohl wirklich nicht anders als mit „kalter Empathie“ begegnen kann.
Es liegt im Wesen des Buchs, dass sein biografischer Anteil im weiteren Verlauf, spätestens mit dem Angriff auf Polen und den zugehörigen SS-Aktionen, von der Strukturgeschichte zurückgedrängt wird. Dabei verliert Gerwarths Werk, das nunmehr notwendig ins große Ganze geht, einiges von seiner spezifischen Qualität; das Abstraktionsniveau steigt. Man kann es dem Autor nachempfinden, dass er angesichts der schieren Totenzahlen meint, die anekdotische Evidenz, die immer ja auch den Beigeschmack des Amüsanten und Harmlosen hat, müsse schweigen. Dennoch, hier ist der Punkt erreicht, wo man beginnt, hinüberzuschielen zum Roman.
Der Roman von Laurent Binet, um es gleich zu sagen, ist eine große Enttäuschung. Dass es sich hier um besonders heikles Terrain handelt – weil der Gegenstand erstens so entsetzlich und zweitens so entsetzlich gut dokumentiert ist – weiß Binet wohl; aber es schert ihn nicht.
Die einzige Chance, die ein Roman über Heydrich hätte, bestünde darin, eine überzeugende erzählerische Position zu finden. Der Erzähler müsste eine kraftvolle Stimme haben, aber unsichtbar bleiben; er müsste den Leichenbergen standhalten und zugleich wissen, dass es vor ihnen auf seine Wenigkeit zuallerletzt ankommt. Stattdessen bläst sich hier ein kokettes Ich auf. Immerzu heißt es „Mehr kann ich dazu nicht sagen“, „Ich könnte ausschweifende Anmerkungen machen“, „Ich bin beschämt“ – aber natürlich verzeiht er sich alles sogleich. Stellt er fest, dass ein Detail nicht stimmt, führt er eine kleine Komödie auf: „Was für peinliche Fehler!“ Doch statt die also noch rechtzeitig aufgefundenen Irrtümer ohne Getue durch das Richtige zu ersetzen, lässt er sie stehen, denn wir sollen dieses Buch als work in progress würdigen, als primär seine Geschichte.
Die Nazis marschieren in Prag ein, und: „Ich stelle mir vor, wie Rabenschwärme die Tyn-Kirche umkreisen.“ Die Vögel (wohl eher Krähen oder Dohlen) kreisen, was diese Plaudertasche leider nicht bedenkt, bestimmt auch bei Sonnenschein und wenn gerade keine Nazis einmarschieren. Der Augenblick des Attentats ist gekommen, die Spannung steigt aufs äußerste, und das Äußerste bei Binet geht so: „Ein Vulkan bedeckt die Kurve der Klein-Holeschowitz-Straße mit glühendem Adrenalin.“ Es gehört zu diesem haltlosen Erzähler, dass er, bei aller tuschelnden Indiskretion, kein halb so einprägsames Porträt des Menschen Heydrich liefert wie Gerwarths kühle Biographie. Gerade dort, wo ein Roman überhaupt ein Plus gegenüber der Geschichtswissenschaft einheimsen könnte, versagt Binet jammervoll. Was ist Heydrich für ein Mensch? Ein „Sittenstrolch“? Diese sabbernde Vokabel dürfte die verächtliche Einstellung eines Herrenmenschen zum anderen Geschlecht nicht annäherungsweise treffen. Ein „unheilbringender, unbarmherziger Saukerl“? Was für ein moralischer und stilistischer Schwächeanfall.
Bevor man die zwei Bücher gelesen hatte, war man darauf gefasst, dass der Roman das fragwürdigere wäre. Nach beendeter Lektüre muss man sagen, dass Robert Gerwarth über den faszinierendsten aller Faschisten nicht nur eine sehr gute Biographie, sondern auch den besseren Roman geschrieben hat.
Robert Gerwarth
Reinhard Heydrich
Aus dem Englischen von Udo Rennert. Eine Biographie. Siedler Verlag, München 2011. 478 Seiten, 29,95 Euro.
Laurent Binet
HHhH – Himmlers Hirn
heißt Heydrich
Roman. Aus dem Französischen von Mayela Gerhardt. Rowohlt, Reinbek 2011, 445 Seiten, 19,95 Euro.
Was vermag der Roman,
das dem geschichtlichen Werk
fehlt – und umgekehrt?
Ein entsetzlicher
Gegenstand, entsetzlich
gut dokumentiert
„Warum schon wieder ein Buch über Hitlers Reich?“, fragt Michael Wolffsohn gleich zu Beginn. Es hätte der Forschung keinen Abbruch angetan, wäre es bei dieser Frage geblieben. Aber Wolffsohn hat das Vorwort geschrieben für Ralf Georg Reuths Bildband über das „Dritte Reich in 3D-Photos“ (Pendo, München/Zürich 2011. 207 Seiten, 14,99 Euro). So spinnert, wie es klingt, ist das Buch dann doch nicht: Es sammelt 3D-Propagandamotive aus der Werkstatt des Hitler-Freundes und Fotografen Heinrich Hoffmann. Sie wurden damals Raumbilder genannt und als Exotikum bestaunt. Das sind sie immer noch. Tiefer ist der Blick in 3D freilich nicht. jkä/Bayerische Staatsbibliothek München/Fotoarchiv Hoffmann
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit gemischten Gefühlen hat Rezensent Lorenz Jäger Laurent Binets doku-fiktionalen Roman "HHhH", eine Abkürzung für "Himmlers Hirn heißt Heydrich", gelesen. Einiges erfährt der Kritiker - durch Binet noch einmal neu untersucht -  über den SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, der als "kalter und intelligenter" Geist Grausamstes mit der größten "Perfektion" durchführte. Der Schwerpunkt des Romans liege dabei vor allem auf dem Attentat auf Heydrich und dem unmittelbar darauffolgenden Massaker von Lidice. Die auch in diesem Buch aufgegriffenen Gerüchte, unter Heydrichs Vorfahren seien Juden gewesen, weist der Rezensent allerdings entschieden zurück. Dass Binet seinen Roman mit einem vordergründig "anspruchsvollen poetologischen Überbau" versehen musste, hat den Kritiker aber geärgert. Prätentiös lasse Binet Namen wie Jorge Luis Borges oder Roland Barthes fallen, lobe sich immer wieder für seine Empathie und verfalle letztendlich völlig in eine identifikatorische Subjektivität, wenn er sich in die Rolle eines Augenzeugen beim innertschechischen Widerstand begebe.

© Perlentaucher Medien GmbH
«HHhH» hat mich umgehauen. ... Das ist einer der besten Geschichtsromane, die mir je untergekommen sind. Bret Easton Ellis