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Elegant und cool: Rudis unterhaltsames Buch über Prag
Jeder Aufbruch hat einmal ein Ende. Die Revolution, die Anfang der 90er Jahre das Leben in Prag zu einer einzigen großen Rockparty machte, ist längst vorbei. Jetzt ist Spätsommer, das Licht ist bereits schwach und träge geworden. Doch bevor sich der Sommer endgültig dem Ende zuneigt, wird für fünf Menschen nichts mehr so sein, wie es vorher war ...

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Produktbeschreibung
Elegant und cool: Rudis unterhaltsames Buch über Prag

Jeder Aufbruch hat einmal ein Ende. Die Revolution, die Anfang der 90er Jahre das Leben in Prag zu einer einzigen großen Rockparty machte, ist längst vorbei. Jetzt ist Spätsommer, das Licht ist bereits schwach und träge geworden. Doch bevor sich der Sommer endgültig dem Ende zuneigt, wird für fünf Menschen nichts mehr so sein, wie es vorher war ...

Autorenporträt
Jaroslav Rudi, geboren 1972, ist Schriftsteller, Drehbuchautor und Dramatiker. Er studierte Deutsch und Geschichte in Liberec, Zürich und Berlin und arbeitete u.a. als Lehrer und Journalist. Im Luchterhand Literaturverlag erschienen seine aus dem Tschechischen übersetzten Romane 'Grand Hotel', 'Die Stille in Prag', 'Vom Ende des Punks in Helsinki' und 'Nationalstraße', bei btb außerdem 'Der Himmel unter Berlin'. 'Winterbergs letzte Reise', der erste Roman, den Jaroslav Rudi auf Deutsch geschrieben hat, wurde 2019 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Für sein Werk wurde er außerdem mit dem Usedomer Literaturpreis, dem Preis der Literaturhäuser sowie dem Chamisso-Preis/Hellerau ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2012

Mit Musik gegen die Einsamkeit antoben
Tonkunst: Ein Prager Großstadtroman von Jaroslav Rudis

Eine besonders laute Stadt ist Prag ja nicht gerade, verglichen etwa mit Kairo oder Neapel oder, sagen wir, Taipeh. Im Gegenteil - unter den verbliebenen alteuropäischen Metropolen mit vielen Kirchtürmen, krummfassadigen Häusern, engen Gassen und Bogenbrücken gilt Prag nicht grundlos als die alteuropäischste, typischste, verwunschenste. Das ist die Perspektive der vielen Millionen Touristen, die hier in Rabbi Löws Golem-Magie des alten Gettos eintauchen und im Goldenen Gässchen unterm Hradschin an Karl IV. oder Kafka oder Havel denken. Sogar die Revolutionen, scheint es, sind hier poetisch, still und samten. Jaroslav Rudis handelt mit seinem Großstadtroman "Die Stille in Prag" indes nicht vom wohlfeilen Mythos für die Durchreisenden, sondern von Lebensläufen echter Prager, irgendwann in den Jahren nach der Jahrtausendwende. Und da geht es lauter zu.

Wir lernen Hana kennen, die Karrierefrau aus dem Kulturministerium, die nach einer langweiligen Konferenz und einem beglückenden One-Night-Stand aus Lissabon wieder über dem Prager Flughafen einschwebt. Oder Petr, der mit seiner Hündin Malmö im Cockpit von Straßenbahnen durch Prag fährt und dabei als romantischer Loser von der großen Liebe träumt. Oder Vanda, die fast achtzehn ist, klein und zerbrechlich und von der Scheidung ihrer Eltern mitgenommen, aber mit Koks in der Nase und Gitarre in der Punkband Kill the Barbie verdammt großmäulig und erwachsen daherzukommen versucht. Oder Wayne, der als mittelmäßiger Anwalt aus Delaware stammt, irgendwann in den Neunzigern in Prag hängenblieb, bei den Privatisierungen und Marktöffnungen gute Geschäfte machte, doch jetzt merkt, dass es mit Geldverdienen und Gespielin (Hana, siehe oben) nicht erfüllt weitergeht. Oder Vladimir, der vor seiner Pensionierung als Perkussionist im staatlichen Symphonieorchester gearbeitet hat, dessen Frau an Krebs gestorben ist und der nun in seinem Plattenbauquartier einen einsamen Kampf gegen Lärm und laute Musik kämpft.

"Die Stille in Prag" ist das, was Vladimir nach all den Jahren des Bauens und Abreißens und Motorisierens und Erschließens und Konsumierens gern wieder zurückhätte. Am Ende des Romans gelingt ihm das sogar für einen kurzen, kostbaren Dämmermoment, aber da ist Vladimir schon tot. Doch vorher führt Rudis die Lebensläufe seiner Protagonisten an einem ganz gewöhnlichen Tag im mittellauten Prag virtuos zusammen: Petr hatte eine Affäre mit der kleinen Vanda, weil die ihren Typ auf dem Discoklo mit einer anderen erwischte und bei Betriebsschluss ziellos in der Straßenbahn hängenblieb. Hana hat von Wayne und der Karriere die Nase voll, einfach so, nicht wegen des Seitensprungs, und gerät zufällig in Vandas Punkkonzert, gefolgt von Wayne. Und auch Vladimir ist da an der Lärmfront nicht fern.

Nach Art des Episodenfilms, streckenweise mit knappen Dialogen beschleunigt zur Screwball-Comedy, lenkt der Autor sein Personal durch die Stadt und dabei schicksalhaft ineinander - so wie die Straßenbahn, in welche Vandas nervöser Vater, ein Architektenyuppie mit Hang zu Teeniegeliebten, mit seinem Geländewagen hineinrasselt. Oder wie Vladimir, der als Musikverächter in derselben Straßenbahn Hanas iPod-Kabel durchschneidet. Das geschieht übrigens nach sorgsam langem Anlauf auf Seite 93, doch dann ist das Verhängnis schon nicht mehr zu stoppen. Dass Jaroslav Rudis ein erklärter Liebhaber des öffentlichen Schienenverkehrs ist, hat er als Texter des Kultcomics "Alois Nebel" um einen böhmischen Eisenbahner unter Beweis gestellt. Hier spielt neben der Straßenbahn noch seine Passion für Popmusik herein - beileibe nicht nur beim Straßenbahner Petr, der bei der Arbeit am liebsten die genialen britischen Suizidrocker Joy Division hört. Und er weiß auch, warum: "Alle haben Angst vor der Einsamkeit. Deswegen läuft überall Musik."

Fast wie ein Soziologe kann Rudis aus den Geschmäckern seiner Helden Psychogramme zeichnen: Wer steht auf Punk? Wer hört den deutschen Indiepop von Tocotronic? Wer trommelte bei den Sinfonikern? Wer steht auf die unbeugsamen tschechischen Rocker von Priessnitz? Zwischen den Antworten liegen meist Welten und, schlimmer noch, Generationen. In Episoden, die nicht zufällig meist ebenso lange dauern wie ein guter Popsong, mischt DJ Rudis seine Lebensläufe zu einem stimmungsvollen Gruppentanz. Doch die eigentliche Heldin heißt weder Hana noch Vanda, obwohl der Frauenversteher Rudis die beiden mit viel Sensibilität, Aufmüpfigkeit und mehr Power als seine Männer ausgestattet hat. Aber sie kommen nicht an gegen Praha, die böhmische, einst von Frauen gegründete Urmutter aller Städte Mitteleuropas.

Natürlich, es gibt auch, nachdrücklich und verachtet, das Prag der Touristen: "Ein riesiges, schmuddeliges und muffig riechendes Museum. Ein Ort, den man für ein verlängertes Wochenende ansteuert, an dem man sich volllaufen lassen kann und den Rausch dann auf dem Rückflug ausschläft." Aber es gibt auch das Prag der Vorstadtstraßen mit abgerissenen Musikclubs, es gibt die Letná-Höhe, von deren Bänken man so schön über die Moldau und die Verkehrsstaus der Innenstadt schauen kann, es gibt ranzige Szeneviertel wie Zizkov, aber auch die seelenlosen Neubaureihenhäuser mit handtuchgroßen Gärten, die in jenen Jahren rundherum entstehen. Dieses wundervolle, hundert- und fernsehtürmige Prag, das nach den tollen Jahren der Freiheit und des Neuanfangs etwas müde und behäbig und westlich geworden ist, will der Autor in aller Stille - nein, nicht beerdigen, sondern lieber verewigen. Denn was bringt der Alltag in einer nun endlich normalen Stadt Europas anderes als die durchaus erträgliche Schwere des Seins? Die Popmusik, die ebenso schnell altert und vergeht wie die Stimmung in einer Stadt, ist das passende Vehikel für die Wahrnehmung der Nuancen. Dann gibt es noch jede Menge guten und weniger guten Sex, aber das ist im sinnenfrohen Prag, wo es schon bei Milan Kundera und schon vor 1968 hoch herging, wahrlich nichts Neues.

Rudis ist gegenwärtig einer der interessantesten Autoren seiner Breiten, weil er die Entwicklungen mitlebt, ein Ohr für die Historie hat (etwa in seinem tragikomischen Liberec-Roman "Grand Hotel") und auch in diesem schönen, genau beobachteten, melancholischen Zeitroman Geschichten fast wie ein Tontechniker einzufangen vermag. Schnell und wach muss man dafür sein, aber das ist Rudis in hohem Maße. "Vielleicht", sinniert sein trauriger Antiheld Petr mit der unendlichen Weisheit des Straßenbahners, "ist das Glück groß wie eine Filterzigarette und währt auch nur so lange, wie die Zigarette brennt und der Rauch den Mund, die Lunge und die Nase füllt." Und vielleicht ist das ja schon eine ganze Menge.

DIRK SCHÜMER

Jaroslav Rudis: "Die Stille in Prag". Roman.

Aus dem Tschechischen von Eva Profousová. Luchterhand Literaturverlag, München 2012. 240 S., br., 16,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

In Matthias Schnitzlers Augen konnte die tschechische Literatur einen wie Jaroslav Rudis gut gebrauchen. Als Drehbuchautor und Comiczeichner hat Rudis bereits markante Pflöcke ins tschechische Kulturleben geschlagen, und auch den Roman "Die Stille in Prag" kann der Rezensent sehr empfehlen. Prag-Touristen werden mit ihm allerdings weniger auf ihre Kosten kommen, baut Schnitzler etwaigen Erwartungen vor, Rudis erzählt von fünf Menschen, die orientierungslos durch die Stadt treiben. Würden sie dies nicht vornehmlich in der Tram Nummer 22 tun, könnte man sagen, sie seien aus der Bahn geraten. Petr, der Fahrer der Linie, die 18-jährige Punksängerin Vera, der Amerikaner Wayne, die Kulturmanagerin Hana und der Sonderling Vladimir. Mit erkennbarer Begeisterung erzählt Schnitzler von all diesen Figuren, die neu anfangen müssen, und er schwärmt von dem Witz, der Wärme und Magie, mit denen Rudis sie ausgestattet hat.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.10.2012

In der
Zeitnische
Jaroslav Rudis und sein Roman
„Die Stille in Prag“
Endlich wieder einmal ein Prag-Roman, und zwar ein guter: Jaroslav Rudis’ „Die Stille in Prag“, im Original 2007 erschienen und jetzt ins Deutsche übersetzt, spielt in der Zeit nach dem großen Prag-Hype. Es gab ja eine Zeit, Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts, als Prag der Ort des großen Aufbruchs war oder besser, zu sein schien. In Rudis’ Roman sind davon nur noch die Billigtouristen, die korrupten Taxifahrer und eine Menge frustrierter Einheimischer übrig geblieben.
  Die Prager haben das eigene Stadtbild für den Fremdenverkehr geräumt und sich in entlegenere Viertel zurück gezogen, in die natürlich die Touristen zügig nachrücken. Von dort draußen aus schauen sie mal wütend, mal resigniert auf das innerstädtische Treiben. Wenn die Touristen wüssten, denkt Hana, eine der fünf Hauptfiguren in Rudis’ Short Cuts-Konstruktion, „wie leblos und ausgelaugt die Stadt geworden ist. Ein riesiges, schmuddeliges und muffig riechendes Museum. Ein Ort, den man für ein verlängertes Wochenende ansteuert, an dem man sich volllaufen lassen kann und den Rausch dann auf dem Rückflug ausschläft“. Das ist der Prag-Topos der ernüchterten Gegenwart. Kein Wunder, dass Rudis’ Figuren kreuz und quer durch die Welt reisen, um Prag zu entkommen. Kein Wunder auch, dass sie immer wieder zurückkommen. Auch wer sich über Prag ärgert, tut dies immer noch am besten in Prag.
  Man hatte sich schon daran gewöhnt, dass die tschechische Gegenwartsliteratur, zumindest im Ausland, durch Jáchym Topol allein vertreten wird, nun gibt es mit Jaroslav Rudis mindestens einen zweiten Namen, den man sich merken muss. Rudis, Autor unter anderem der Romane „Grand Hotel“, „Vom Ende des Punks in Helsinki“ sowie der viel beachteten Graphic Novel „Alois Nebel“, interessiert sich wie Topol für Spuren der Verwüstung, historische und gegenwärtige. Aber bei Rudis sind Topols schwere Geschichtszeichen – Okkupation, Vertreibung, Stalinismus – selbst historisch geworden.
  Jetzt geht es um nichts mehr als die Gegenwart in ihrer manchmal schmerzlichen Banalität. Der historische Referenzpunkt von Rudis’ Figuren sind die neunziger Jahre, als sie, zum Soundtrack von New Order und Joy Division, vom Taumel der Freiheit erfasst wurden. Jetzt haben sie sich in der Freiheit schlecht und recht eingerichtet und hören noch immer Joy Division, oder sie singen, wie die gerade mal achtzehnjährige Vanda in einer Punkband. Joy Division, Punk – irgendwie haben sich diese Figuren in einer Zeitnische eingerichtet, aus der es kein Entkommen gibt, jedenfalls nicht in Richtung Zukunft.
  Kunstvoll führt Rudis seine fünf Protagonisten einen Prager Spätsommer lang aneinander vorbei und schließlich zueinander hin und erzählt dabei sehr eindringlich von nichts Weltbewegenderem als ein paar Figuren in ihrem Raum und ihrer Zeit. Der Aushilfs-Straßenbahner Petr, der Exil-Amerikaner Wayne, die Kulturwissenschaftlerin Hana, die Punkerin Vanda und Vladimir, ein pensionierter Orchestermusiker, den nach dem Tod seiner Frau nur noch ein Thema beschäftigt, die Herstellung der Stille in Prag, sie alle leben in der Zeit „danach“. Am „verkaterten Morgen“ nach einer größeren Party, entlassen in eine Normalität, die niemandem mehr als Verheißung erscheinen will.
  So gesehen ist Rudis’ Roman auch ein Bericht zur Lage der Nation, unauffällig eingewoben in die Lebensgeschichten von fünf Pragern, denen in diesem Spätsommer des Jahres 2007 nicht viel Besseres einfiel, als ohne Illusionen weiter zu machen.
CHRISTOPH BARTMANN
  
Jaroslav Rudis: Die Stille in Prag. Roman. Aus dem Tschechischen von Eva Profousová. Luchterhand Literaturverlag, München 2012. 240 S., 16,99 Euro.
Es geht um nichts als um
die Gegenwart und ihre zuweilen
schmerzliche Banalität
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