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"Entlang einer der Höhenlinien des Hügels hatte er bald den Wald erreicht, schritt auf dem weichen Boden aus und sog den Duft der Stämme ein. Schon lange hatte er sich nicht mehr so glücklich gefühlt."Statt der ersehnten Ruhe erwarten einen von Schlaflosigkeit und Eheproblemen geplagten Städter auf dem Land seine erste große Liebe mit ihren familiären Problemen, Indianer mit spirituellen Empfehlungen und Erinnerungen an einen visionären Flugpionier, dessen Flügel noch auf einem alten Dachboden versteckt sein könnten.

Produktbeschreibung
"Entlang einer der Höhenlinien des Hügels hatte er bald den Wald erreicht, schritt auf dem weichen Boden aus und sog den Duft der Stämme ein. Schon lange hatte er sich nicht mehr so glücklich gefühlt."Statt der ersehnten Ruhe erwarten einen von Schlaflosigkeit und Eheproblemen geplagten Städter auf dem Land seine erste große Liebe mit ihren familiären Problemen, Indianer mit spirituellen Empfehlungen und Erinnerungen an einen visionären Flugpionier, dessen Flügel noch auf einem alten Dachboden versteckt sein könnten.
Autorenporträt
Hájícek, JiríJirí Hájícek, 1967 in Budweis (Ceské Budejovice) geboren, gehört zu den herausragenden tschechischen Autoren unserer Zeit. Mit seinen Romanen, die alle in der südböhmischen Landschaft angesiedelt sind, hat er bereits zweimal den Magnesia Litera erhalten, Tschechiens höchsten Literaturpreis. Die Leser der Tageszeitung Lidove noviny wählten den Roman Der Regenstab (Original: Destová hul) zum Buch des Jahres 2016.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.03.2019

Das Schwere wird ganz leicht
Jiří Hájícek erzählt elegant von Heimat, Identität und Vergangenheit
Im Jahr 2016 wurde Jiří Hájíceks Roman „Der Regenstab“, der von einer Rückkehr aufs Land erzählt, von den Lesern einer tschechischen Tageszeitung zum „Buch des Jahres“ gewählt. Auch in Deutschland haben Romane, die ihre Protagonisten auf eine Reise in die Vergangenheit ihrer Heimatregion schicken, gerade großen Erfolg. Seit vielen Monaten behauptet sich etwa Dörte Hansens Friesland-Roman „Mittagsstunde“ auf den Bestsellerlisten.
Im Vergleich zu Hansens wehmütiger Verklärung des Vergangen ist es bei Jiří Hájícek jedoch eher eine Art verträumte Nonchalance, mit der sein Protagonist auf die Vergangenheit blickt. In seinen besten Passagen schafft es „Der Regenstab“ den Lesern von einem verfallenen Hof in einem tschechischen Dorf aus Fenster in die Fantasie zu eröffnen.
Der Protagonist heißt Zbyněk Polecký, ist Katasterbeamter, und wenn er nachts nicht schlafen kann, meldet sich sein Ich zu Wort. Dann setzen die Erinnerungen ein – an Bohuna, an das kleine Dorf Lešice, an seine Jugend. Es sind nur wenige Sätze, in denen Hájícek seinem Protagonisten eine eigene, ungebrochene Perspektive auf seine Heimat erlaubt. Und doch setzen diese kurzen Momente, in denen ein Ich-Erzähler das Wort ergreift, den Ton in „Der Regenstab“. In einer Geschichte um Felder, Familienfehden und den unerfüllten Wunsch nach einem Kind machen sie die alltägliche Schwere leichter. Sie lassen in dem erdigen Stoff lichte Traumbilder aufscheinen.
Zu Beginn träumt sich Polecký in die exotischen weißen Weiten von Spitzbergen hinein. Fort aus der Ehe mit der Geigerin Tereza, fort aus der eleganten Stadtwohnung im tschechischen Budweis, das auch die Heimat des Autors Jiří Hájícek ist. Jede Nacht liegt der 46-Jährige Grundstücksverwalter wach und fragt sich, was es ist, das ihm den Schlaf raubt. Tagsüber starren ihn in seinem Büro in der Verwaltung der Universität Budweis die Ordner mit der Aufschrift „Nicht zuordenbares Eigentum“ an, während seine Frau Tereza rote Herzchen in den Kalender klebt. Für die fruchtbaren Tage, damit es doch noch klappt mit dem Kinderkriegen. Zbyněk Polecký steckt mitten in einer Midlife-Crisis.
Da kommt ihm die Rückrufbitte von Bohuna gerade Recht. Zbyněk Jugendliebe lebt immer noch in ihrer beider Heimatdorf im südböhmischen Lešice in einem alten Bauernhof. Dort tropft es durchs Dach und vom Nachbarzimmer schimpft der demente Großvater herüber. Abhilfe hätte eine Erbschaft bringen sollen. Ihr verwirrter Onkel Tonda hatte das versprochene Stück Land aber kurz nach Bohuna auch ihrer verhassten Schwester Eva vermacht. Zbyněk, der sachkundige Städter macht sich auf den Weg, die Eigentumsverhältnisse in seinem Heimatdorf herauszufinden. Er liest sich durch alte Besitzurkunden, vergleicht historische Dorfkarten und erfährt vom jahrhundertelangen Streit der beiden Familienclans der Fuks und der Rajtars um Macht und Einfluss in dem Dörfchen Lešice. Es ist eine kaum überschaubare Fülle an Geschichte und Geschichten, die Jiří Hájícek seinen Protagonisten bei seiner „Expedition in die Urzeit seines Lebens“, wie es im Text heißt, zu Tage fördern lässt.
So stößt Zbyněk über Dokumente zur „Fliegerliga“ des ersten tschechischen Präsidenten Tomáš Masaryk auf den Tischler und Bruchpiloten Kudlička. Der Handwerker hatte versucht, der Enge seines Heimatdorfs im 18. Jahrhundert dadurch zu entfliehen, dass er Gänsefedern auf ein Blechgerüst klebte, um sich in die Lüfte zu erheben.
Was sich an manchen Stellen wie eine historische Kriminalgeschichte liest, führt im weiteren Verlauf des Romans zum zeitweiligen Absturz des Protagonisten selbst. Nachdem ihn seine Frau wegen vermeintlicher Untreue rauswirft, recherchiert Zbyněk von einer heruntergekommenen Bahnhofsunterkunft aus weiter. Am Ende überlegt es sich Tereza aber doch noch einmal anders. Und bis es so weit ist, gibt’s auf Bohunas Hof selbstgemachte Buchteln (Germknödel) zum Kaffee.
Nicht nur die verschiedenen Handlungsstränge wirken in „Der Regenstab“ eher an- als auserzählt, auch die Figuren in diesem dörflichen Mikrokosmos geraten oft arg schematisch. Bohuna, in deren Strickpulli Erdklümpchen von der Gartenarbeit hängen, erscheint als spiegelbildliche Gegenteil der feingeistigen Tereza, die stets „piano, piano“ flüstert und ansonsten viel Geigenunterricht gibt.
Und dann pirschen neben Zbyněks ebenso gutmütigem wie trinkfreudigen Chef Štefka auch noch die Oberschurken durchs heimatliche Gehölz. Bürgermeister Rajtar etwa, der Zbyněk mit seiner Schrotflinte im Gesicht herumfuchtelt, als der auf wichtige Akten zu den Besitzverhältnissen im Dorf stößt. Oder der Immobilienunternehmer Reha, dem die meisten Grundstücke im Dorf gehören und der von der Blauäugigkeit Tondas profitiert hat.
Dass man Hájícek dieses Bauerntheater verzeiht, liegt nicht zuletzt an der Eleganz seiner Sprache und der atmosphärischen Dichte, mit der er menschliche Beziehungen beschreibt: Etwa wenn er gleich zu Anfang das Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit in Zbyněk und Terezas Ehe mit den Worten charakterisiert: „Das Marzipangerüst, das die gemeinsamen Augenblicke und die erträumte Stimmung tragen sollte, war eingestürzt.“
Oder wenn der Liebesakt zum erzählerischen Lichtkunstwerk wird: „Er stellte sich vor, wie dieser feine, hell schimmernde Faden sie für einen Moment verbindet. Lange wird es nicht dauern und das zarte Strahlenbündel lockert sich und löst sich völlig auf. Dann frieren die Blicke ein, wie wenn eine Glasscheibe kaum sichtbar beschlägt.“
In diesen Miniaturen zwischen Träumen und Wachen wird Jiří Hájíceks „Der Regenstab“ zu einer traumwandlerisch leichten Erzählung über Heimat, Identität und persönliches Glück. Was im Einzelnen bisweilen gelingt, wird als Ganzes allerdings zum Problem. Denn im Aufbau leidet der Roman, der mal Dorf- mal Detektiv- und mal Entwicklungsroman sein will, an der Halbherzigkeit, mit der er die einzelnen Handlungsstränge verfolgt.
THOMAS JORDAN
Auf dem Bauernhof tropft es
durchs Dach, und vom
Nachbarzimmer schimpft
der demente
Großvater herüber
Jiří Hájíček:
Der Regenstab. Roman.
Aus dem Tschechischen
von Kristina Kallert.
Karl Rauch Verlag,
Düsseldorf 2019.
285 Seiten, 22 Euro.
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"Ein großer und berührend warmherziger Roman. Eine wahre Entdeckung." Bayerischer Rundfunk