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Luís de Camões' lyrisches Schaffen hatte eine starke Wirkung nicht nur auf die portugiesische Dichtung des 17. und 18. Jahrhunderts, sondern auch auf spätere Generationen außerhalb Portugals. Friedrich Schlegel - einer der Ersten in Deutschland, der sich sowohl mit den »Lusiaden« wie auch mit der Liebeslyrik ausführlich beschäftigte - lobte die »Einfachheit« und das »schmelzende Gefühl« der portugiesischen Renaissancelyrik. In der Tradition des italienischen Dichters Petrarca verbindet Camões humanistisches Wissen, Kunstfertigkeit und Originalität bei gleichzeitiger Nachahmung antiker…mehr

Produktbeschreibung
Luís de Camões' lyrisches Schaffen hatte eine starke Wirkung nicht nur auf die portugiesische Dichtung des 17. und 18. Jahrhunderts, sondern auch auf spätere Generationen außerhalb Portugals. Friedrich Schlegel - einer der Ersten in Deutschland, der sich sowohl mit den »Lusiaden« wie auch mit der Liebeslyrik ausführlich beschäftigte - lobte die »Einfachheit« und das »schmelzende Gefühl« der portugiesischen Renaissancelyrik. In der Tradition des italienischen Dichters Petrarca verbindet Camões humanistisches Wissen, Kunstfertigkeit und Originalität bei gleichzeitiger Nachahmung antiker Vorbilder. Besonders in seinen Sonetten folgt er dem petrarkistischen Konzept der vielgestaltigen Darstellung einer unnahbaren und vergötterten Dame. Doch findet man bei Camões auch andere Gedichtformen wie Ode, Elegie, Ekloge, Kanzone und Sestine, wobei die Einflüsse der antiken Dichter Ovid und Vergil, aber auch von Tasso, Sannazaro und Garcilaso de la Vega sowie die lebendigen Bezüge zur mittelalterlichen Dichtung deutlich werden. Zu Camões' Lebzeiten wurden nur drei seiner Gedichte gedruckt, jedoch sorgte die große Wertschätzung für sein Epos »Die Lusiaden« dafür, dass bald nach seinem Tod auch eine erste Sammlung mit Gedichten veröffentlicht wurde, deren Anzahl seither beträchtlich angestiegen ist. Die hier vorgelegte Ausgabe - auf der Grundlage der modernen Camões-Forschung - versammelt das lyrische Gesamtwerk im portugiesischen Original und in einer neuen deutschen Übersetzung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2009

Stets melden sich die früheren Geschichten

In Portugal sind seine Gedichte Schullektüre, in Deutschland feierten ihn die Romantiker: Jetzt ist das poetische Werk von Luís de Camões in einer zweisprachigen Ausgabe zu entdecken.

Eigentlich könnte die Dame mit dem ihr gewidmeten Sonett durchaus zufrieden sein: Der Dichter vergleicht ihr blondes Haar mit Gold, ihre Stirn mit Marmor, ihre grünen Augen mit Smaragden und so weiter und so weiter. Irgendwann aber wird sie stutzig geworden sein: "Von Elfenbein die Hände und der Hals / Aus Alabaster, den ein Netz so fein / Aus leuchtend blauen Adern rings umspannt" - das ist ja alles nett, aber sehr lebendig wirkt das Ensemble aus Stein, Metall und Knochen nicht, das ihr angedichtet wird. Mit den Schlusszeilen dürfte dann auch kein Zweifel mehr über die Stoßrichtung des Sonetts bestehen: "Doch staune ich am meisten, jedenfalls, / Dass Ihr, damit Ihr völlig seid aus Stein, / Über ein Herz verfügt aus Diamant." Härter geht es bekanntlich nicht.

Falls außerhalb Portugals, wo seine Gedichte Schullektüre sind, jemand mit dem Namen Luís de Camões etwas Konkretes verbindet, dann wird man ihn als Dichter der Lusiaden kennen, des portugiesischen Nationalepos, das die Geschichte des Landes besingt und dabei vor allem dessen Seefahrer im Blick hat. In Deutschland kannte man Camões (1524 bis 1580) allerdings einmal besser als heute: Um das Jahr 1800 wiesen die Romantiker, namentlich die Brüder Schlegel, nachdrücklich auf ihn hin und gaben damit den Anstoß für andere Autoren wie etwa August von Platen, einzelne seiner Texte zu übersetzen. Auch seine Lebensumstände, von denen man leider nicht allzu viel weiß, wurden damals zum Gegenstand literarischer Spekulationen. In der Biedermeierzeit, in der es von Dichterdramen nur so wimmelt, avancierte auch er zur Bühnenfigur, etwa in den beiden jeweils "Camoens" betitelten Schauspielen von Wilhelm von Chézy (1832) und Friedrich Halm, der ihn in seinem 1837 auf dem Burgtheater uraufgeführten Einakter mit den Goethe-Worten "Mehr Licht!" sterben lässt, nachdem der "Lusiaden"-Dichter zuvor noch prophetisch Portugals künftige Einheit und Größe verkünden durfte (und damit unübersehbar als Kommentator der politischen Verhältnisse im Deutschen Bund fungieren musste).

Vor zehn Jahren sind nun die "Lusiaden" in Hans Joachim Schaeffers gefeierter Übertragung als zweisprachige Ausgabe vollständig im Berliner Elfenbein Verlag erschienen. Dass man sich dort entschlossen hat, denselben Übersetzer nach diesem auch buchgestalterisch ambitionierten 650-Seiten-Band mit einem weiteren Großprojekt zu beauftragen, ist so konsequent wie mutig: Denn natürlich liegt der Gedanke nahe, nach dem in Ottaverimen verfassten epischen Hauptwerk des Dichters nun auch die Sonette und Eklogen, die Oden, Kanzonen und Elegien ebenfalls vollständig (soweit sich das bei der verwickelten Editionsgeschichte der Vorlage sagen lässt) und zweisprachig zu präsentieren. Dass aber ein solches Vorhaben bilanztechnisch in einem Desaster enden kann, liegt ebenso auf der Hand, zumal auch an der Ausstattung dieses mit Schutzumschlag, zwei Lesebändchen und Dünndruckpapier versehenen, mehr als 1100 Seiten starken Bandes nicht gespart worden ist.

Schaeffer hat sich dafür entschlossen, Versmaß und Reimstruktur des Originals nachzuahmen und sich damit tausend ernste Probleme einzuhandeln. Das ist ihm hoch anzurechnen, und dass dabei das Ergebnis hin und wieder aus Reimnot etwas ungelenk wirkt, wird man gern in Kauf nehmen. Andererseits bringt der Übersetzer das Kunststück zuwege, sowohl einen präzisen Eindruck des Inhalts wie auch der Form zu vermitteln. Und da beides durchaus komplexe Angelegenheiten sind, ganz abgesehen von den zahlreichen, im Anhang aufgeschlüsselten Anspielungen auf Historie und Mythologie, staunt man über diese Leistung ebenso wie über eine weitere: Schaeffer lässt in seiner Übersetzung keinen musealen Hauch wehen, niemals erschwert er den Zugang durch künstliche Patina, und so ist sein Werk im besten Sinne ein Camões für das einundzwanzigste Jahrhundert, was die Sprache angeht.

Inhaltlich sind der modernen Rezeption die Grenzen gesetzt, die sich schon aus dem Abstand von mehr als fünf Jahrhunderten ebenso ergeben wie aus der besonderen Lebenssituation des jahrelang exilierten, bei Hof einer wechselnden Konjunktur unterworfenen Dichters. Doch die elementare Erfahrung von Fremdheit und Verlust, von peinigender Erinnerung und Ausweglosigkeit, die sich gern im Gewand von konventionellen Liebesklagen tarnt, teilt sich auch über diesen Abstand hinweg mit - etwa in einer Elegie, die eine Schiffsreise schildert und dabei die Frage stellt, welchen Nutzen man in der Fremde aus der Erinnerung an eine glücklichere Vergangenheit ziehen kann. Und ob nicht ein forciertes Vergessen der bessere Weg sei.

Doch Camões geht es um mehr, und möglicherweise liegt hier ein Grund dafür, dass die Begegnung mit seiner Lyrik so faszinierend wie bereichernd geraten kann: Immer wieder thematisiert er das Verhältnis von Leben und Sagen, Erleiden und Mitteilen, etwa in einer anderen Elegie, die mit dem Bild der Nymphe Echo einsetzt, die physisch vergeht, aber immer noch über eine tragende Stimme verfügt und damit einen bitteren Sieg über den eigenen Untergang feiert. Das Gedicht schließt mit einem kühnen Bild, wiederum aus der Sphäre der antiken Mythologie, in dem sich der verblichene Autor orpheusgleich an der Zustimmung der Abgeschiedenen zu seinem Gesang erfreut.

Ein Sieg des Erzählens über die Anforderungen der tristen Realität? Das mag man so lesen und stolpert dann unvermittelt über kunstvolle Terzinen, die das Bild in die andere Richtung wenden: "Mag ich auch dies und jenes hier berichten, / Mich immerfort mit meinen Waffen wehren, / Stets melden sich die früheren Geschichten." Ob dagegen anzukommen ist, indem man die Vergangenheit durch Sprache bannt, bleibt offen. Und dies ist wohl auch keine Frage, die der Autor in all ihren Facetten eindeutig beantworten mag.

Thetisches und antithetisches Sprechen ist den Gedichten jedenfalls so wenig fremd wie der gesamten Edition, die Texte bündelt, die in jeder Zeile vom Verwehen und Vergehen sprechen, und die gleichzeitig in ihrer Prachtgestalt diese Texte über die Zeiten vor dem Vergessen rettet. Und auch dem Sonett auf die hartherzige Dame stellt sie eine auf den ersten Blick ähnliche, im Detail aber geradezu komplementäre Preisung einer anderen Frau gegenüber: Auch deren Gestalt wird in Einzelteile zerlegt und mit Metaphern belegt, doch an die Seite der anorganischen, starren Materialien treten hier flirrende Gebilde wie Schnee und Licht - diese Statue wird - auch dies ein Bild aus der griechischen Mythologie - durch die Vergleiche geradezu belebt. Verantwortlich ist hier aber, abweichend vom Pygmalion-Mythos, keine Göttin, die dem Statuenerbauer eine Gnade erweist, sondern die Natur selbst: "So, Herrin, hat in Körper und Gesicht / Das allerschönste Kunstwerk sie vollbracht, / Aus Rosen, Gold, Rubinen, Schnee und Licht." Aufgelöst wird diese Spannung nicht, wenigstens in diesem Sonett. Man könnte endlos weiterlesen.

TILMAN SPRECKELSEN

Luís de Camões: "Sämtliche Gedichte". Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Portugiesischen von Hans-Joachim Schaeffer. Herausgegeben von Rafael Arnold. Elfenbein Verlag, Berlin 2008. 1129 S., geb., 75,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Eine ganze Seite widmet Peter Hamm dem portugiesischen Nationaldichter Luis de Camoes, der zu Hamms großem Bedauern außerhalb seiner Heimat kaum noch gelesen wird. Das war im 19. Jahrhundert noch anders, unterrichtet uns der Rezensent, als die Gebrüder Schlegel und Fichte zu Camoes' großen Bewunderern gehörten und sich der Verbreitung seiner Lyrik verschrieben. Denn schon sein abenteuerliches Leben musste jeden Romantiker für sich einnehmen; es führte Camoes bald in den Kerker, zum Kriegsdienst nach Afrika oder auf Strafexpedition nach Macao und Goa. Aber zu den Gedichten: Laut Hamm beherrschte Camoes alle Gattungen von der völkstümlichen bis zur hohen Poesie, er schrieb Kanzone, Oden, Elegien und Sestinen, doch seine höchsten Höhen erreichte er, so Hamm, in seinen Sonetten. Und mit ihnen gab er Portugal den Ton der "saudade" vor, jene "abgrundtiefe Seeleneinsamkeit", die sich aus Schmerzlust und Resignation, aus Liebe und Leiden speist. Zu Hans-Joachim Schaeffers Übersetzung äußert er sich etwas kritisch. Während er noch hinnimmt, dass Schaeffer zugunsten des Reimschemas auf Camoes' Lakonik verzichtet, stört er sich doch erheblich an einigen trivialen Wendungen wie "Verwaltungsstelle" oder "Rücksichtnahme".

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