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Produktdetails
Trackliste
CD
1Katzenpissepistole00:03:52
2Saugefährlich klingen00:03:13
3Pflanzendisco00:01:36
4Jugendstil00:02:49
529 Marienkäfer00:02:28
6Wenn die Straße ein Fluss wäre00:03:05
7Aktienpaket00:01:03
8Instinkte00:03:42
9Saharasand00:02:40
10Magnolie00:03:01
11Simpsonsplakat00:02:58
12Samenstau00:03:03
13Innehalten00:03:18
14Wandern00:01:42
15Auch nur ein Tier00:02:26
16Sternschnuppen00:02:54
17Würfelspiel00:02:30
18Sozialismus00:03:24
19Anmut und Askese00:02:45
20Wenn die Liebe sich nicht mehr lohnt00:02:54
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2009

Verletzte Gefühle tun nicht mehr weh als andere auch
Er ist Künstler, er darf das: Funny van Dannens Dreizehnte

Zum ersten Mal Funny van Dannen zu hören, das war seinerzeit ungefähr so befreiend, wie zum ersten Mal Helge Schneider zu erleben. Irgendwann in den frühen Neunzigern tauchte der Sänger auf einem Sampler auf, der unter dem Banner des Hamburger Pudel Clubs diverse Liveaufnahmen aus ebenjenem Etablissement versammelte.

Es fand sich viel glorreiche Trinkerkunst auf dieser Platte, der Song "Als Willy Brandt Bundeskanzler war" überragte jedoch alle anderen Beiträge um Längen: Noch nie hatte jemand in deutscher Sprache gleichzeitig so lustig und so traurig, so sentimental und so sentimentalitätskarikierend geklungen, und das scheinbar ohne jede Anstrengung. In dem Lied, das in Abgrenzung zum vermeintlich hohlen Heute einer Zeit hinterhersang, die so toll auch nicht gewesen sein kann, verbanden sich knarziger Liedermachergestus, unverkitschte Wehmut und lakonischer Witz. Die Gitarre schrammelte ungelenker als an jedem Lagerfeuer, und der Gesang hatte das beherzte Belcanto eines Fußgängerzonen-Barden. Funny van Dannen, das merkte man gleich, beherrschte eine künstlerische Tugend perfekt, die in Deutschland nicht allzu hoch geschätzt wird: Er stellte mit denkbar einfachen Mitteln - mancher mochte wohl sagen: auf dilettantische Art und Weise - eine künstlerische Komplexität her, die vereinfachend oft als Widersprüchlichkeit bezeichnet wird: War das ernst gemeint? Lustig? War das sinnhaft? Oder total absurd? War das stümperhaft oder genial?

Doch der Mann konnte noch mehr: Auf den zahlreichen, überwiegend live vor kleinem Publikum aufgenommenen Alben, die folgten, zeigte sich van Dannen als Virtuose einer Disziplin, die hierzulande oft grässlichen Comedians überlassen bleibt und in sich selbst versackt: der Abbildung des Alltäglichen. Seine Songs klingen wie beiläufig aus dem Dasein gepurzelte Beobachtungen, werden allerdings nie trivial, weil er weiß, dass zur Beobachtung der Realität das Surreale und Widersinnige gehört, denn auch der Alltag ist absurd - und eben nicht banal.

Es ist mitunter geniale Gebrauchslyrik, die der bekennende "Hausmann" (Songtitel) scheinbar zwischen dem Bekochen seiner Kinder verfasst: "Ach Mutti, Mutti, Mutti - was heißt Vaterland?", fragte er etwa vor Jahren auf seinem Album "Basics". Er stellte fest: "Auch lesbische schwarze Behinderte können ätzend sein", und dichtete: "Und ich schnitzte in die Schulbank deine Initialen / Das war die Liebe in Nordrhein-Westfalen." Er stellte fest: "Künstler sind nicht überflüssig, aber Bäcker sind viel wichtiger", und enttarnte Mode-Gebrechen wie "Lobdefizit" und "Schilddrüsenunterfunktion".

Es gibt aber auch Liebeslieder - wenn auch bisweilen für ein "Hochhaus mit wehendem Haar". Man mag den Wahlberliner in die Nähe von Max Goldt rücken, da auch van Dannen oft das Profane als Sprungbrett ins Psychedelische benutzt; aber Schwurbeleien liegen ihm fern, insofern ähnelt seine Perspektive eher dem scheinbodenständigen Absurdismus Harald Martensteins. Und um ihn gegen Helge Schneider abzugrenzen: Im Gegensatz zu dem macht Funny van Dannen immer dasselbe. Zum Glück.

Inzwischen ist sein dreizehntes Album "Saharasand" erschienen. Wie schon die letzten Platten entstand das Album mit kleiner Band im Studio, was oft zu hübsch beiläufigen, manchmal aber zu etwas unzwingenden Arrangements führt. "Saharasand" hätte auch "Katzenpissepistole" heißen können, wie der famose Auftaktsong, in dem der Sänger mit seiner Waffe Versammlungen der Eitlen, Mächtigen und Verlogenen besucht, um dort Unruhe zu stiften: "Und wenn sie sich zuprosten, wenn sie sagen ,Zum Wohle' / Dann schlag ich zu, dann schieße ich mit meiner Katzenpissepistole." Und noch bevor man es selber denken kann, singt er im Mittelteil des Stücks: "Das ist selbstverständlich kindisch / aber das macht Spaß / Ich sage ich bin Künstler / und Künstler dürfen das." Zwei Stücke weiter verflucht ein Paar beim sonntäglichen Museumsbesuch den "Scheiß Jugendstil"; anderswo karikiert er den Wunsch nach mehr Ellbogen ("Saugefährlich klingen"), und wenn er in "Wandern" die Grausamkeiten des Alltags abbildet und gegen religiösen Wahn abgrenzt ("Im Fernsehen werden Gefühle verletzt / In den Betten werden Gefühle verletzt /(. . .) auch im Urlaub werden Gefühle verletzt)", dann platzen die Sprachblasen: "Tun verletzte religiöse Gefühle mehr weh als alles andere?"

Mit humorgesättigter Poesie zweifelt sich van Dannen auf "Saharasand" wieder einmal durch die vermeintlichen Sicherheiten des Seins; oft ist er lustig, selten aber pointenvernarrt. Am besten ist er, wenn sich Ironie und Anteilnahme, Komik und Kritik verschränken, wenn alles gleichzeitig da ist, wie im Leben. Dann kann van Dannen mit Zweifel und Humor fast sogar die Welt erklären: Vielleicht, mutmaßt er im Lied "Zum Leben", werde durch die Existenz des Menschen "ein kosmisches Fieber gemessen". Doch was soll die Grübelei, scheint er im Refrain zu fragen: "Als ob das so großartig wäre, zu dieser Erkenntnis zu streben / Ein Auto ist zum Fahren da und wir - wahrscheinlich zum Leben."

Die schönsten Stücke sind wieder einmal die, bei denen van Dannen die Musik nicht nur als Vehikel für seine Texte benutzt, sondern den Song als solchen wirklich ernst nimmt und seine Enttarnungen und Beobachtungen auf einer schönen Melodie dahingleiten lässt, wie im Berliner Neo-Spießer-Idyll "Und wenn die Straße ein Fluss wär" oder im Lied "Instinkte", das es tatsächlich schafft, das beliebte Frauenzeitschriftenthema "Bauchgefühl versus mediale Überflutung" so abzubilden, dass man sich gleichzeitig verstanden und karikiert fühlt: "Das Ticken ist normal, aber was tun, wenn es knackt / Hoffentlich sind meine Instinkte noch intakt." Womöglich kann van Dannen deshalb so gut auf diesem schmalen Grat spazieren gehen und uns den von ganzen Kabarettisten-Generationen herbeigefaselten Spiegel vorhalten, weil er letztlich doch öfter, als man anzunehmen geneigt ist, von sich selbst singt.

ERIC PFEIL

Funny van Dannen, Saharasand. Warner 8370235

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