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Der globale Freihandel spaltet die Welt in Befürworter und Gegner. Für die einen vermehrt er den Wohlstand und hilft Armut zu überwinden, für die anderen macht er die Reichen noch reicher und lässt neue Armut entstehen. Die Entwicklung der vergangenen 30 Jahre lehrt, dass die Wahrheit beide Positionen umfasst. Der freie Welthandel lässt die Wirtschaft wachsen und verteilt den geschaffenen Wohlstand neu auf Gewinner und Verlierer. In den bislang armen Regionen der Welt entstehen neue Zentren des Reichtums, in den bislangreichen Regionen neue Zonen der Armut. Richard Münch erklärt den…mehr

Produktbeschreibung
Der globale Freihandel spaltet die Welt in Befürworter und Gegner. Für die einen vermehrt er den Wohlstand und hilft Armut zu überwinden, für die anderen macht er die Reichen noch reicher und lässt neue Armut entstehen. Die Entwicklung der vergangenen 30 Jahre lehrt, dass die Wahrheit beide Positionen umfasst. Der freie Welthandel lässt die Wirtschaft wachsen und verteilt den geschaffenen Wohlstand neu auf Gewinner und Verlierer. In den bislang armen Regionen der Welt entstehen neue Zentren des Reichtums, in den bislangreichen Regionen neue Zonen der Armut. Richard Münch erklärt den Zusammenhang dieser zwei Seiten des Freihandels mittels einer Theorie des Solidaritätswandels in der wachsenden internationalen Arbeitsteilung und analysiert ihn gemeinsam mit ChristianDressel empirisch. Zusammen mit den Vorgängerbänden »Das Regime des liberalen Kapitalismus« und »Das Regime des Pluralismus« liefert Münch hier eine umfassende Untersuchung staatlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen in Europa und darüber hinaus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2012

Soziologie des Freihandels
Ökonomisches und Moralisches über die Weltgesellschaft

Richard Münch lehrt an der Universität Bamberg Soziologie. Sein Buch behandelt den Freihandel und seine moralischen, normativen und institutionellen Begleiterscheinungen, außerdem auch seine Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung und die Einkommensverteilung. Das Buch besteht neben einer Einleitung und einem theoretische Grundfragen diskutierenden ersten Kapitel, einem stärker deskriptiven zweiten Kapitel, das sich mit Weltbank, Internationalem Währungsfonds und Welthandelsorganisation beschäftigt, einem wieder stärker theoretisch orientierten dritten Kapitel, das unter anderem Reziprozität und Meistbegünstigung diskutiert, und einem vierten Kapitel zu den Entwicklungs- und Verteilungsfolgen des Freihandels. Das fünfte Kapitel liefert statistische Analysen, die wesentlich Christian Dressel zuzuschreiben sind.

Interessant ist die Verknüpfung des Themas Freihandel mit dem Werk zweier soziologischer Klassiker, Emile Durkheim und Max Weber, die sich beide nicht nur für Wirtschaftsfragen, sondern auch für moralische oder institutionelle Voraussetzungen und Folgen von Freihandel, Arbeitsteilung und Kapitalismus interessiert haben. Dabei wird Münch stärker von Durkheim als von Weber inspiriert. Nach Durkheim ist die Arbeitsteilung vor allem Folge der Verdichtung von Gesellschaften, die er an Urbanisierung, Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten abliest. Diese materielle Verdichtung verschärft den Daseinskampf, kann aber durch Arbeitsteilung produktiv verarbeitet werden.

Voraussetzung dafür ist eine normative Basis, die bei Durkheim "mechanische Solidarität" heißt und auf Ähnlichkeit der Menschen und ihrer Tätigkeiten in zunächst wenig differenzierten Gesellschaften beruht. Weil Menschen mit zunehmender Arbeitsteilung immer unähnlicher werden, verschwindet nach Durkheim gleichzeitig die mechanische Solidaritätsbasis, und es entsteht durch gegenseitige Abhängigkeit eine neue Art der Solidarität: die "organische".

Diese über 100 Jahre alte Erklärung der Arbeitsteilung überträgt Münch in unser Zeitalter. Die globale Arbeitsteilung und Interdependenz untergräbt einerseits die Solidarität innerhalb von Nationalstaaten, die in den westlichen Demokratien zu Sozialstaaten geführt hat, und bereitet andererseits eine umfassendere Solidarität vor, die auf universale Menschenrechte hin ausgerichtet ist. Wie Durkheim betont Münch, dass es ohne Solidarität nicht geht. Dabei verweist er auch auf Max Weber, in dessen Wirtschaftsgeschichte die Überwindung der dualistischen Moral eine der Voraussetzungen für eine kapitalistische Wirtschaftsentwicklung ist. Im Zuge der Globalisierung verdrängt eine universalistische Moral mit ihrem im Meistbegünstigungsprinzip zum Ausdruck kommenden Diskriminierungsverbot die alten Moralvorstellungen, die im Binnenverhältnis mehr Brüderlichkeit, im Außenverhältnis aber mehr Rücksichtslosigkeit implizierten. Münch betont, dass es um moralischen Wandel, nicht einfach um Moralverfall geht. Bei der Durchsetzung dieses Wandels spielen Weltbank, Währungsfonds und Welthandelsorganisation, aber auch deren Kontrahenten im Diskurs, nämlich globalisierungskritische Nichtregierungsorganisationen, eine wichtige Rolle.

Die quantitativen Analysen bringen wenig Neues. Nach der vorhergehenden Diskussion hätte man einen stärkeren Zusammenhang zwischen der Beteiligung an der Globalisierung einerseits und abnehmender Ungleichheit zwischen den Nationen (durch Aufholen vor allem asiatischer Länder) und zunehmender Ungleichheit innerhalb der Länder andererseits erwartet. In den Analysen zeigt sich die abnehmende Ungleichheit zwischen den Nationen viel deutlicher als die zunehmende Ungleichheit innerhalb von Nationen als Globalisierungseffekt.

Das Buch leistet einen Beitrag zur Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den sozialwissenschaftlichen Disziplinen. Während die Gründerväter der Soziologie (Durkheim, Marx, Weber) sich noch intensiv mit dem ökonomischen Denken ihrer Zeit auseinandersetzten, hat die deutsche Makro-Soziologie lange zwischen marxistisch inspirierter Einseitigkeit und Vergeisteswissenschaftlichung, also Entfernung vom ökonomischen Denken und Wirtschaftsfragen, geschwankt. Das kann man Münch nicht vorwerfen.

ERICH WEEDE.

Richard Münch: Das Regime des Freihandels.

Campus Verlag, Frankfurt 2011, 330 Seiten, 24,90 Euro.

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