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WAS TUN, WENN WIR TÄTIG SIND? »Vita activa« im ursprüngliche Sinne meint Arbeiten, Herstellen und Handeln. Hannah Arendts umfassende Analyse gilt vor allem diesen drei Grundtätigkeiten. Sie untersucht darüber hinaus, wie sie sich im Laufe der Geschichte bis in die Neuzeit hinein zu verhalten haben. Hannah Arendts Auseinandersetzung mit dem Fetisch Arbeit und Konsum in der modernen Arbeitsgesellschaft im Zusammenhang mit dem Niedergang einer Kultur der politischen Öffentlichkeit bildet den Kern ihrer politischen Theorie. Kurt Sontheimer schrieb dazu: »Der Philosophie als einer theoretischen,…mehr

Produktbeschreibung
WAS TUN, WENN WIR TÄTIG SIND?
»Vita activa« im ursprüngliche Sinne meint Arbeiten, Herstellen und Handeln. Hannah Arendts umfassende Analyse gilt vor allem diesen drei Grundtätigkeiten. Sie untersucht darüber hinaus, wie sie sich im Laufe der Geschichte bis in die Neuzeit hinein zu verhalten haben. Hannah Arendts Auseinandersetzung mit dem Fetisch Arbeit und Konsum in der modernen Arbeitsgesellschaft im Zusammenhang mit dem Niedergang einer Kultur der politischen Öffentlichkeit bildet den Kern ihrer politischen Theorie. Kurt Sontheimer schrieb dazu: »Der Philosophie als einer theoretischen, auf die reine Erkenntnis der Natur gerichteten Disziplin stellte sie die Politik als die Sphäre der Praxis, als das Reich handelnder Menschen gegenüber.«

Vita activa ist das philosophische Hauptwerk der politischen Theoretikerin.
Autorenporträt
Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 im heutigen Hannover geboren und am 4. Dezember 1975 in New York gestorben, studierte unter anderem Philosophie bei Martin Heidegger und Karl Jaspers, bei dem sie 1928 promovierte. 1933 emigrierte Arendt nach Paris, 1941 nach New York. Von 1946 bis 1948 arbeitete sie als Lektorin, danach als freie Autorin. Sie war Gastprofessorin in Princeton und Professorin an der University of Chicago. Ab 1967 lehrte sie an der New School for Social Research in New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.1999

Der abgesperrten Weltluft den deutschen Raum weit öffnen
Wiedergelesen: Alle Reden der Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels / Ehrliche und unehrliche Auskünfte zur inneren Verfassung der Bundesrepublik

An einem Augusttag im Sommer 1949, zwischen der Verkündung des Grundgesetzes und der Wahl von Theodor Heuss zum ersten Bundespräsidenten, entstand die Idee zu einem Friedenspreis der deutschen Verleger und Buchhändler. Sie war ein Kind der im Juni 1948 in den drei Westzonen vollzogenen Währungsreform. Der Buchmarkt hatte eben sein erstes Jahr unter Bedingungen der Marktwirtschaft hinter sich und war aus der Nachkriegsordnung der Papierkontingentierungen, Buchzuteilungen und Lizenzierungen, aber auch der bürokratisch garantierten Absatzgewißheiten herausgetreten.

Nicht ohne Sinn für das Versponnene der Szenerie hat der Verleger Friedrich Wittig die Herkunft des Friedenspreises aus Schöppenstedt südöstlich von Braunschweig beschrieben. Dort, an einer der Wirkungsstätten Eulenspiegels, lebte der Schriftsteller Hans Schwarz in hochgespannter Erwartung einer glanzvollen Neubegründung der deutschen Verlagstraditionen. Unter Berufung auf Kants Schrift "Zum ewigen Frieden" (1795) schlug Schwarz seinem Hamburger Besucher vor, die deutschen Verleger sollten einen Friedenspreis stiften und damit jährlich eine Persönlichkeit auszeichnen, "die für Frieden und Verständigung unter den Völkern gewirkt hatte". Bis zum nächsten Frühjahr wurden fünfzehn Verleger für die Stiftung des ersten Preises gewonnen. Er ging Anfang Juni 1950 an den Schriftsteller und Büchermacher Max Tau (1897 bis 1976), der vor dem Krieg Cheflektor im Verlag Bruno Cassirer in Berlin gewesen und als Jude 1938 nach Norwegen emigriert war.

Die Preisverleihung an Max Tau fand in privatem Rahmen in Alsterdorf im Haus eines Weinhändlers statt. Eine gewisse Publizität war ihr vor allem dadurch gesichert, daß Adolf Grimme, der Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks in Hamburg, die Laudatio hielt. Aber erst im Frühjahr 1951 erfolgte der entscheidende Qualitätssprung, der den Preis zu einer überregional bedeutsamen kulturellen Institution der noch jungen Bundesrepublik werden ließ. Mit der Übernahme der Trägerschaft durch den Börsenverein wurde aus einer Initiative einzelner Verleger der "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels".

Durch die Koppelung an die Frankfurter Buchmesse gewann die Preisverleihung die ideelle Gesamtheit der Leser, Autoren, Buchhändler und Verleger als Publikum. Durch die Wahl der Paulskirche als Verleihungsort schließlich erhielt sie einen Echoraum, in dem die Politik nicht nur wegen des demonstrativen Rückgriffs auf die Nationalversammlung des Jahres 1848 in der ersten Reihe saß.

Im Rückblick auf das Auftaktjahrzehnt des Friedenspreises erweist sich Theodor Heuss als Schlüsselfigur. Er hielt im Herbst 1951 die Laudatio auf den ersten in der Paulskirche geehrten Preisträger, Albert Schweitzer. Drei Jahre später, als Carl J. Burckhardt den Preis entgegennahm, war wiederum Heuss der Laudator. Und kaum hatte er sein Amt als Bundespräsident verlassen, nahm er seinerseits den ihm schon seit Jahren in Aussicht gestellten Preis an. Die Friedenspreisrede, die er im Herbst 1959 hielt, war die erste nach seiner Amtszeit. Heuss war ein idealer Resonanzverstärker des Friedenspreises. Für große Teile der deutschen Öffentlichkeit verkörperte er die Personalunion von Geist und Politik. Ohnehin hatte der Bundespräsident die geringen verfassungspolitischen Möglichkeiten seines Amtes durch die Macht des Wortes zu kompensieren. Die Formel, die Benno Reifenberg in seiner Laudatio auf Heuss für diese "andere Art von Autorität" fand, könnte ebensogut für den Friedenspreisträger wie den Bundespräsidenten gelten: "Er handelt nicht. Aber er denkt laut."

Reifenberg hatte beobachtet, daß Heuss sich als politischer Redner gern selbst unterbrach: "Er schaltete den für ihn kennzeichnenden Satz ein: ,Und nun spricht nicht der Bundespräsident, sondern Theodor Heuss.' Er sagte auch ,der Theodor Heuss' oder schlechthin ,der Heuss'." Reifenberg sah darin vor allem die "schwäbische Objektivität gegen sich selbst". Er beschrieb aber zugleich die rhetorische Strategie, mit der Heuss zur Etablierung des Friedenspreises als einer unpolitischen Instanz mit politischer Ausstrahlung beitrug. Alle seine Festreden in der Paulskirche, nicht erst die nach dem Ende der Amtszeit, waren durch die Geste des Heraustretens aus dem Amt geprägt. In "einer Art persönlicher Unterhaltung" redete er Albert Schweitzer an, als jüngst gewonnenen Freund den "Gestalter, Dichter und Staatsmann" Carl J. Burckhardt.

Er gab damit einen Ton vor, der gerne aufgegriffen wurde. Gewiß, es ging stets um das große Ganze, um den "Geist der Humanität", um Antworten auf ein "entsetzliches Inferno". Aber beim Wiederlesen der von Anekdoten, persönlichen Reminiszenzen und Gesten der Intimität durchsetzten frühen Preisreden überlagert nicht selten der Eindruck privater Vorabvertrautheit eines privaten Honoratiorenzirkels das Historienbild einer gesetzgebenden Versammlung zur inneren Verfassung der jungen Bundesrepublik. Sachlich-politische Differenzen wie die zwischen Reinhold Schneider, dem Preisträger des Jahres 1956, der sich skeptisch zur Wiederbewaffnung Westdeutschlands geäußert hatte, und Theodor Heuss, der stets für sie eingetreten war, fanden keinen Eingang in die Reden. Eine Brise der scharfen bundesrepublikanischen Außenluft der frühen fünfziger Jahre weht allerdings durch die energische Brandrede für Berlin, mit der Ernst Reuter vor der Versammlung in der Paulskirche sein "Schaut auf diese Stadt!" bekräftigte, statt eine Laudatio auf Romano Guardini, den Preisträger des Jahres 1952, zu halten.

Theodor Heuss hat als leibhaftig-pragmatische Definitionsmacht den bis heute charakteristischen Zwitterstatus des Friedenspreises als einer zwar prosaisch verfaßten und von einem unspektakulären Verband vergebenen, aber zugleich mit der Aura eines Staatspreises umgebenen Auszeichnung geprägt. Hannah Arendt hat den Friedenspreis nie bekommen, aber sie hat in ihrer Laudatio auf Karl Jaspers im Jahre 1958 seinem Anspruch, mehr zu sein als ein Literaturpreis, die anspruchsvollste Begründung geliefert. In ihrem Beharren auf dem klassischen Raum des Politischen als der Hintergrundvoraussetzung, deren es bedarf, um "Würde zu erkennen und zu feiern", ist diese strenge Laudatio ein kleines Seitenstück zu ihrem in Amerika im selben Jahr erschienenen Buch "The human condition". Es wurde knapp zehn Jahre später unter dem Titel "Vita activa" ins Deutsche übersetzt.

Hier wie dort ist das öffentliche geistige Leben als eine dem Bereich des Politischen analoge Sphäre gedacht, "wo das Persönliche ganz und gar keine Privatsache ist". So konsequent Hannah Arendt die Auszeichnung der Person, nicht lediglich des Werks, ins Zentrum der Preisvergabe rückt, so strikt scheidet sie die allein in der Öffentlichkeit entstehende und an sie gebundene "Person" vom rein Subjektiven, das die Öffentlichkeit nichts angeht. Statt persönliche Reminiszenzen in ihre Laudatio einzuflechten oder Karl Jaspers direkt anzusprechen, spricht sie ausschließlich über ihn. Im Rückblick auf seine isolierte Position im nationalsozialistischen Deutschland entwirft sie die Figur des reinen Repräsentanten zwar nicht der "Humanitas der Deutschen", wohl aber der "Humanitas in Deutschland". Seine Position ist allein vom Gewicht der Person getragen, "ohne irgend etwas anderes zu repräsentieren als die eigene Existenz". Auch in der Verborgenheit ist diese Figur freilich vom Bezug auf die Öffentlichkeit des vernichteten Politischen nicht ablösbar.

Der Hartnäckigkeit, mit der Hannah Arendt den Raum der klassischen politischen Öffentlichkeit auch innerhalb der modernen repräsentativen Demokratie verteidigt, entspricht die Bedeutung, die sie dem "Gesehen- und Gehörtwerden", dem "vor anderen In-Erscheinung-Treten" zumißt. Die Würdigung der "Person", die sie dem Friedenspreis als Aufgabe ins Stammbuch schrieb, verlangt das Heraustreten der Redner aus dem Subjektiven und aus den Unverbindlichkeiten des familiären Umgangstons.

Es war aber damit ein Problem eher auf die Spitze getrieben als gelöst: zur Person die ihr angemessene Sprache und darin zugleich die Rückbindung an den Raum des Politischen zu finden. In der Logik Hannah Arendts konnte es dabei keine Ex-kathedra-Autorität geben: sie ermunterte weder die Berufung auf das Gute in der deutschen Kultur noch die auf ein Amt oder gar die Illusion, Schriftsteller seien gewissermaßen konstitutionell zu höherer Einsicht in Politik und Moral befähigt.

Von Beginn an war der Akt der öffentlichen Friedenspreisverleihung in der Paulskirche nicht nur eine symbolische Parallelaktion zur politischen Konsolidierung der Bundesrepublik im Inneren. Er war zugleich ein Akt der Rehabilitierung der Deutschen nach außen. Schon beim Festakt für Albert Schweitzer lobte Theodor Heuss die deutschen Verleger für ihr Bemühen, "der abgesperrten Weltluft den deutschen Raum wieder weit zu öffnen". Und er dankte ihnen "für die noch nicht ganz so erfolgreiche Mühe, dem deutschen Geist draußen wieder Achtung und Geltung zu erkämpfen". Die Mühe wäre ohne die Repräsentanten der Versöhnung aus dem Ausland noch weniger erfolgreich gewesen, die schon sehr früh an die Seite der Repräsentanten des deutschen Geistes traten.

Alle nichtdeutschen Preisträger des ersten Jahrzehnts waren prominente Kritiker der These von der Kollektivschuld des deutschen Volkes. Martin Bubers Dankesrede war im Jahre 1953 die erste, in der die Namen von Auschwitz und Treblinka fielen. Seine Anfangssätze hat dreißig Jahre später Manès Sperber als Zitat in die eigene Rede übernommen: "Vor einem Jahrzehnt etwa hat eine erhebliche Anzahl deutscher Menschen - es müssen mehrere Tausende gewesen sein - auf den indirekten Befehl der deutschen Reichsregierung, auf den direkten Befehl von deren Beauftragten Millionen meiner Volks- und Glaubensgenossen umgebracht, in einer systematisch vorbereiteten und durchgeführten Prozedur, der an organisierter Grausamkeit kein früherer geschichtlicher Vorgang zu vergleichen ist. Ich, einer der am Leben Gebliebenen, habe mit denen, die an jener Handlung in irgendeiner Funktion teilgenommen haben, die Dimensionen des menschlichen Daseins nur zum Schein gemein; sie haben sich dem menschlichen Bereich so dimensional entrückt, so in eine meinem Vorstellungsvermögen unzugängliche Sphäre der monströsen Unmenschlichkeit versetzt, daß nicht einmal ein Haß, geschweige denn eine Haßüberwindung in mir hat aufkommen können."

Es ist im Rückblick auf Hannah Arendt, Martin Buber und Karl Jaspers frappierend zu sehen, wie früh die Koordinaten, denen Martin Walser in seiner Rede nicht entkam, in der Geschichte des Friedenspreises festgelegt waren. Buber sprach als Anwalt der Erinnerung ohne Haß, Jaspers sprach als Aufklärer, der die überfällige Aufnahme von Nationalsozialismus und Judenvernichtung in die Unterrichtung der Jugend anmahnte. Hannah Arendt formulierte für Laudatoren wie Preisträger einen kategorischen Imperativ der öffentlichen Rede: Sprich stets so, daß deine Rede als Äußerung deiner Person, nicht lediglich deiner subjektiven Existenz verstanden werden kann.

Martin Buber war unter den Preisträgern der Adenauer-Ära die Komplementärfigur zu Karl Jaspers und Paul Tillich. In seinem emphatischen Vertrauen auf das dialogische Prinzip war er zugleich die Stimme der Opfer des Holocaust und der erste in der langen Reihe der Repräsentanten der Versöhnung. Er begründete eine Tradition jüdischer Preisträger, die über Manès Sperber und Teddy Kollek bis zu György Konrád und Amos Oz reicht. Zu dieser Reihe gehörte der englische Verleger und Gründer des "Left Book Club" Victor Gollancz (1893 bis 1967), dessen Laudator im Jahre 1960 der neue Bundespräsident, Heinrich Lübke, war. Über das von Gollancz in zwei abgründigen Sätzen seiner Ansprache erreichte Extrem hinaus hat kein Friedenspreisträger das Pathos der Versöhnung getrieben: "Ich konnte Hitler nicht hassen. Und aus der Tiefe meines Herzens sage ich nun in dieser Halle, die einst ein Gotteshaus war: Möge seine gequälte Seele in Frieden ruhen." Man liest das, die jüngste Debatte um das Gedenken an den Holocaust noch im Ohr, mit Verblüffung und malt sich die Reaktionen aus, die ein solcher Satz fände, würde er in diesem Jahr in der Paulskirche gesprochen.

Victor Gollancz war eine Ausnahme unter den frühen Preisträgern. Noch 1974 merkte Ernst Klett im Rückblick auf die ersten fünfundzwanzig Jahre des Friedenspreises an: "Die Linke ist sicher manchem zu schwach repräsentiert." Da aber war, mit der Preisvergabe an Ernst Bloch im Jahre 1967, die Zäsur bereits markiert. Sie ließ die Figur des legitimen Kritikers an die Seite der Repräsentanten der Versöhnung und der Rehabilitierung der Deutschen treten. Alfred Grosser und Max Frisch kritisierten in ihren Dankesreden den Radikalenerlaß. Dem Rückblick auf den vergangenen wurde die Vermeidung künftiger Kriege gegenübergestellt.

Mit Gunnar und Alva Myrdal wurde nicht nur die Friedensforschung, sondern programmatisch auch eine "emanzipierte Forscherehe" gewürdigt. Nach der Erweiterung des Vorschlagsrechtes und des Kandidatenkreises wurde der Preis 1972 postum an Janusz Korczak und 1973 an eine Institution, den "Club of Rome", vergeben. In der Laudatio auf Leopold Seda Senghor historisierte François Bondy den ersten Preisträger, Albert Schweitzer. Für die resolute Internationalisierung des Preises seit den späten siebziger Jahren standen Yehudi Menuhin, Ernesto Cardenal, George F. Kennan und Octavio Paz. Unter den zehn Preisträgern zwischen 1976 und 1985 war kein Deutscher. In Abkehr von der Dominanz des südwestdeutschen Raums im ersten Jahrzehnt wurden seit den späten achtziger Jahren mit Wladyslaw Bartyschewski, Václav Havel, Karl Dedecius, György Konrád zunehmend Repräsentanten und Vermittler des europäischen Ostens gekürt.

Doch behielt der Friedenspreis in allen seinen Metamorphosen die in der Frühzeit gewonnene Funktion einer alljährlichen öffentlichen Repräsentation der inneren Verfassung der Bundesrepublik. Dazu gehört, daß in den achtziger Jahren die von Gustav Heinemann, Walter Scheel und Karl Carstens unterbrochene Tradition der Bundespräsidenten als Laudatoren wiederaufgenommen wurde. Richard von Weizsäcker hielt zu Beginn seiner Amtszeit die Rede auf Octavio Paz und gegen ihr Ende die auf Friedrich Schorlemmer. Roman Herzog sprach für Annemarie Schimmel. Doch wurde zugleich absehbar, daß Hannah Arendts Versuch einer Bindung des Preises an den Raum der klassischen Öffentlichkeit auf Dauer mißlingen mußte.

Dolf Sternberger hat über Hannah Arendts Auffassung dieses Raumes einmal gesagt, es gebe darin keinen Platz für Psychologie. Sie hat sich inzwischen sowohl in der Radikalisierung des "Beiseitesprechens", des Unterlaufens der Forderung, als öffentliche Person aufzutreten, wie in der Logik des Verdachts, mit der man gelegentlich zwischen den Zeilen nach dem "Unbewußten" der Redner suchte, Platz geschaffen. Noch gilt für den Friedenspreis Hannah Arendts Formel, daß im öffentlichen Raum Gegenstand einer Würdigung nur sein kann, wer seinerseits "sein Leben und seine Person mit in das Wagnis der Öffentlichkeit nimmt". Er wäre auf eine Verfassungswirklichkeit hin zu überprüfen, in der Hannah Arendts Begriff der Öffentlichkeit nur noch eine ferne Reminiszenz ist. LOTHAR MÜLLER

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"Dem Menschen den notwendigen Raum für die Politik, das heißt für das freie Handeln offen zuhalten, dies war das wesentliche Ziel von Hannah Arendts politischer Theorie.", Kurt Sontheimer 20151120