22,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Seit zwei Jahrzehnten tritt der Politwissenschaftler John McCormick für eine »demokratische Wende« in der Forschung zu Machiavelli ein, indem er die plebejischen, antioligarchischen und sogar »populistischen« Züge von dessen politischem Denken betont. Wie die bahnbrechenden Aufsätze in diesem Band zeigen, ist Machiavelli überraschend relevant für die Analyse der gegenwärtigen Krise der Demokratie, die durch Populismus und Plutokratie gekennzeichnet ist. Mit seiner Hilfe, so McCormick, lassen sich unsere demokratischen Verfassungen neu gestalten, so dass die Bürgerinnen und Bürger die…mehr

Produktbeschreibung
Seit zwei Jahrzehnten tritt der Politwissenschaftler John McCormick für eine »demokratische Wende« in der Forschung zu Machiavelli ein, indem er die plebejischen, antioligarchischen und sogar »populistischen« Züge von dessen politischem Denken betont. Wie die bahnbrechenden Aufsätze in diesem Band zeigen, ist Machiavelli überraschend relevant für die Analyse der gegenwärtigen Krise der Demokratie, die durch Populismus und Plutokratie gekennzeichnet ist. Mit seiner Hilfe, so McCormick, lassen sich unsere demokratischen Verfassungen neu gestalten, so dass die Bürgerinnen und Bürger die Korruption von Oligarchen vereiteln und sich direkter sowie umfassender am politischen Geschehen beteiligen können.
Autorenporträt
John McCormick ist Professor für Politikwissenschaft an der University of Chicago. Er gilt als einer der bedeutendsten Machiavelli-Forscher der Gegenwart. Dirk Jörke, geboren 1971, ist Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Technischen Universität Darmstadt. Er war u. a. Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Rezensionen
»Machiavellis Ideen, der Krise der Demokratie abzuhelfen, sind robuster als die anderer Philosophen. ... Könnte McCormicks Neomachiavellismus in der Linken auf offene Ohre stoßen? Es wäre zu wünschen ...« Jakob Hayner DIE WELT 20230528

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Jan Schroeder kann nicht jeden Vorschlag ernstnehmen aus dem Buch des Machiavelli-Kenners John McCormick. Wenn der Autor rät, mit Machiavellis Ideen den heutigen Populismus zu bekämpfen, Wahlen durch Plebiszite zu ersetzen und korrupte Reiche kurzerhand um die Ecke zu bringen, muss er schmunzeln. Dass Skandale wie Wirecard oder Cum-Ex den Populisten in die Karten spielen, wie McCormick feststellt, findet Schroeder immerhin bedenkenswert, auch wenn ihm insgesamt Zweifel kommen, ob die italienische Antike als Ratschlagreservoir für heutige Probleme taugt. Schroeder begreift das Buch eher als Warnung.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2023

Elende Eliten
John McCormick will mit Gedanken des Renaissance-Philosophen Machiavelli die Demokratie retten
Die Angst geht um, das Volk könne sein Stimmrecht dazu gebrauchen, die liberale Demokratie abzuwählen. Viele misstrauen dem Demos, und doch wird die Bedeutung der Demokratie heute so stark betont wie selten zuvor. Längst hat auch eine Suche nach Rezepten in der Geschichte begonnen, wie der Populismus von Trump, AfD und Co. noch zu stoppen wäre. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler erklärte die Ideengeschichte zum „Laboratorium für die Herausforderungen der Gegenwart“. In den USA wurde so der italienische Philosoph Niccolò Machiavelli wiederentdeckt, der als der erste moderne politische Theoretiker gilt und weitreichende Überlegungen zu einem Phänomen anstellte, das dem heutigen Populismus ähnelt.
Einer der weltweit renommiertesten Kenner Machiavellis, John P. McCormick von der University of Chicago, hat in den vergangenen zwanzig Jahren eine „radikale“ Demokratietheorie entwickelt, die auch schon außerhalb der Fachwelt kontrovers diskutiert wurde. Nun erscheint sein erstes Buch „Machiavelli und der populistische Schmerzensschrei“ auf Deutsch. McCormick schlägt darin vor, die repräsentative Demokratie zum Teil durch Elemente direkter Volksherrschaft zu ersetzen. Mehr Entscheidungen müssten direkt durch Plebiszite getroffen werden, es bedürfe einer Art Arbeiterquote für politische Ämter. Wer Populismus effektiv bekämpfen wolle, müsse sich allerdings zuerst vom Misstrauen gegenüber dem Demos befreien.
Das große Problem der Gegenwart seien nicht „die Vielen“, sondern es sei die „Korruption der Wenigen“. Elitenkontrolle als Vorsorge gegen Populismus? Die Geschichte biete dafür Beispiele, so McCormick. Man nehme etwa den Fall der antiken Republik Syrakus, die 315 nach Christi durch eine die Gefahr einer feindlichen Invasion und innere Unruhen bedroht war. Der aufstrebende Söldnerführer Agathokles konnte Machiavelli zufolge den Zusammenbruch nur durch radikale Mittel verhindern. Um der Anarchie zuvorzukommen, ließ Agathokles kurzerhand die korrupten Oligarchen öffentlich hinrichten, ihren Besitz teilte er unter dem Volk auf. Obwohl das Beispiel heute drastisch klinge, meint McCormick, lasse sich daraus lernen: Demokratiefördernd wären etwa konsequentere Strafverfahren gegen korrupte Politiker und Unternehmer.
Ende August löste ein offensichtlich von McCormick inspirierter Artikel in der New York Times eine heftige Debatte aus. Der Artikel wurde zunächst mit der Überschrift „To Improve Democracy, Get Rid of Elections“ (Um die Demokratie zu verbessern, schafft die Wahlen ab) online gestellt. Es folgte ein Shitstorm. Der Text des Gastautors Adam Grant blieb allerdings unverändert: „Wenn wir wollen, dass öffentliche Ämter integer sind, sollten wir vielleicht besser ganz auf Wahlen verzichten“, schrieb er. Als Alternative schlägt Grant in Einklang mit McCormick vor, Elemente der antiken athenischen Demokratie einzuführen. Statt politische Ämter zu wählen, sollten diese teils oder in Gänze per Losverfahren unter der Bevölkerung verteilt werden. Populisten hätten dann keine Chance mehr, den Demos zu verführen.
McCormicks Einlassungen lesen sich teils als leicht überdrehte Antworten auf Trump, ganz ernsthaft wirken sie nicht immer. Trotz der bisweilen schrillen und auftrumpfenden Vorschläge aus dem Arsenal Machiavellis – McCormick empfiehlt unter Berufung auf den Philosophen etwa auch die Todesstrafe für Wirtschaftsbetrug oder Steuerhinterziehung, sofern die Straftaten von Reichen begangen werden – enthält das Buch aber auch zahlreiche interessante Überlegungen.
So betrachtet er den Populismus etwa als Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Zustandes, nicht als Verirrung einzelner Bevölkerungsgruppen – und widerspricht damit gängigen Erklärungen, die Wähler von Populisten als „Globalisierungsverlierer“ oder gleich, wie Hillary Clinton 2016, als „Deplorables“ (Bedauernswerte) abkanzeln.
Nach McCormick sind für den anhaltenden Erfolg der AfD die fragwürdigen Verbindungen des Kanzlers Olaf Scholz mit den Cum-Ex-Geschäften, der Wirecard-Skandal, die Graichen-Affäre oder die Maskendeals einiger Abgeordneter viel bedeutsamer. Entscheidend seien jedoch nicht die Einzelfälle, sondern wofür sie in ihrer Gesamtheit stünden: für eine politische Klasse, die sich trotz Wahlen kaum verantworten müsse. Populismus gebe es nur, wo „plutokratisch erzeugte systematische Korruption“ herrsche. Grundsätzlich fragwürdig bleibt natürlich, ob die Geschichte der Antike und der italienischen Stadtstaaten wirklich auf heute übertragen werden kann. Machiavellis kreative Rezepte gegen den Populismus nehmen wenig Rücksicht auf die Gebote moderner Rechtsstaaten. Produktiv liest sich McCormicks Theorie eher als Warnung.
JAN SCHROEDER
John McCormick:
Machiavelli und der populistische Schmerzensschrei. Studien zur politischen Theorie.
Suhrkamp Verlag, 2023. 303 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr