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Eingeleitet von Chantal Mouffe, sind die Diskussionsbeiträge sowohl grundlegende Positionsbestimmungen als auch geeignete Einführungen in die Philosophie der Autoren.Dekonstruktion und Pragmatismus, die beiden zur Zeit einflussreichsten philosophischen Positionen, treten sich hier in direkter Konfrontation gegenüber, um das jeweilige Politikverständnis und dessen Bedeutung für die Demokratien am Ende des Jahrtausends zu konturieren. Wo das Konzept Demokratie jenseits von universalistischen Fundierungen, "Vernunft" und "Wahrheit" bedacht wird, treten entscheidende Differenzen, aber auch…mehr

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Produktbeschreibung
Eingeleitet von Chantal Mouffe, sind die Diskussionsbeiträge sowohl grundlegende Positionsbestimmungen als auch geeignete Einführungen in die Philosophie der Autoren.Dekonstruktion und Pragmatismus, die beiden zur Zeit einflussreichsten philosophischen Positionen, treten sich hier in direkter Konfrontation gegenüber, um das jeweilige Politikverständnis und dessen Bedeutung für die Demokratien am Ende des Jahrtausends zu konturieren. Wo das Konzept Demokratie jenseits von universalistischen Fundierungen, "Vernunft" und "Wahrheit" bedacht wird, treten entscheidende Differenzen, aber auch Übereinstimmungen deutlich zutage.Zwischen individueller Autonomie und dem Streben nach sozialer Gerechtigkeit sondieren die Beiträge ein Terrain radikalisierter demokratischer Strategien und antworten so auf den immer wieder an "die Postmoderne" erhobenen Vorwurf, allein einem privatistischen oder relativistischen Zynismus zu folgen, der auf lange Sicht nur in ein politisches Chaos führen könne. Richard Rortys und Jacques Derridas Beiträge stecken einen Rahmen ab, in den Simon Critchley und Ernesto Laclau mit eigenständigen, dennoch verwandten Ansätzen intervenieren: Einerseits einer Levinasschen Öffnung zugewandt, bringen sie andererseits Dekonstruktion mit einer Kritik des hegemonialen Denkens in Reibung. Alle Beiträge sondieren somit die Möglichkeiten einer Engführung von Pragmatismus und Dekonstruktion.
Autorenporträt
Chantal Mouffe ist Permanent Fellow an der University of London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.1999

Sentimental und solidarisch
Der Dekonstruktivismus in der Debatte

Chantal Mouffe (Herausgeberin): Dekonstruktion und Pragmatismus. Demokratie, Wahrheit und Vernunft. Übersetzt von Andreas Leopold Hofbauer. Passagen Verlag, Wien 1999. 200 Seiten, 42,- Mark.

"Draw a distinction!" Die Instruktion des englischen Logikers, Mathematikers und Philosophen George Spencer-Brown - hierzulande berühmt geworden durch Niklas Luhmann - kann getrost auch als Deskription gelesen werden. Wir alle unterscheiden allemal. Und das unaufhörlich. Wir können gar nicht anders.

Die Leitdifferenz Richard Rortys gilt den Philosophen. Und unter diesen nicht zuletzt sich selbst und seiner Arbeit. Sie bestimmte auch, woran der Rezensent sich schmunzelnd wehmütig erinnert, in grauer Vorzeit das Thema seines Abituraufsatzes. Vermutet zeitlos wurde da gefragt, worin der Kandidat seine Aufgabe sähe: in der Vervollkommnung des eigenen Ichs oder in der tätigen Mitwirkung bei der Lösung der Probleme, die uns alle angehen. Mein damals pennälerhaft klug abwägendes "Sowohl-als-auch" fände heute wohl kaum die Zustimmung Rortys. Jedenfalls dann nicht, wenn man seine Position so versteht, wie Simon Critchley sie interpretiert. Danach "ist der Kern von Rortys Analyse . . . die Unterscheidung zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten". Wobei das Private unter anderem die Selbstverwirklichung beträfe, das Öffentliche dagegen verlange, "sich für soziale Gerechtigkeit zu engagieren". Das verrät keine falsche Rorty-Lektüre. Doch ist zu bezweifeln, dass es wirklich "keine Möglichkeit (gibt), auf theoretischer Ebene Selbsterschaffung und Gerechtigkeit zusammenzubringen". So Rorty wörtlich in "Kontingenz, Ironie und Solidarität" und in Critchleys Referat.

Beide waren Teilnehmer eines Symposions, die zwei anderen: Jacques Derrida und Ernesto Laclau. Ihre Beiträge bildeten die Grundlage des jetzt vorliegenden Sammelbandes. Darin kommt Rorty dreimal zu Wort, Derrida nur einmal. Wenn daraus keine Schieflage entsteht, so ist das auch den beiden "Sekundanten" und der Herausgeberin Chantal Mouffe zu danken, die sich kenntnisreich und kompetent mit dem Pragmatismus Rortys auseinander setzen, sowie dem Dekonstruktivismus, den Derrida vertritt.

Diese beiden haben weitaus mehr, aber eben auch dieses gemeinsam: "im Mittelpunkt zahlreicher Kontroversen" zu stehen. Was freilich nicht wunder nimmt, bedenkt man, dass Universalismus und Rationalismus bei ihnen gleichermaßen schlecht wegkommen. Was Rorty und Derrida andererseits aber keineswegs hindert, für das einzutreten, wofür andere meinen, universell geltende Normen beanspruchen zu müssen. Das ist die Minderung von Leid und Elend in der Welt, speziell von Grausamkeit, das aus "Kontingenz, Ironie und Solidarität" bekannte Hauptbeispiel Rortys. Zu Recht rekurriert Critchley deshalb auch ausführlich darauf. Zu Unrecht aber vermutet er zunächst, "der Status des impliziten Appells, Grausamkeiten zu minimieren", sei am Ende eben doch, allen antifundamentalistischen Bestrebungen Rortys zum Trotz, "ein universales Prinzip oder die Grundlage einer moralischen Verpflichtung".

Man sieht, der Mythos vom Vorgegebenen, der Glaube an Über- oder Hinterwelten ist nach wie vor vielfach ungebrochen. Und so fatal wie der korrespondierende Irrtum, "dass das Fehlen unveränderlich feststehender und allgemein anwendbarer Patentprinzipien mit moralischem Chaos gleichbedeutend" sei. So eine treffende Formulierung von Dewey, der gleichfalls gelegentlich in den Debatten auftaucht, die so ausdauernd und angelegentlich vor allem auch die Frage diskutieren, ob und gegebenenfalls wie die genannten pragmatischen und dekonstruktivistischen Einstellungen und Methoden Relevanz beanspruchen können für eine "Politik der Demokratie".

Methoden? Rorty bekennt unverblümt, erfrischend offen, "nie verstanden zu haben, was das überhaupt für eine Methode sein könnte", die man unter dem Namen "Dekonstruktion" angeblich "auf Texte anwenden und . . . Studenten lehren kann". Ihm sei auch niemals eine befriedigende Definition "dieses Wortes untergekommen". Der Rezensent sieht sich in guter Gesellschaft und begreift nur zu gut Rortys Wunsch, "dieser Terminus wäre nie als eine Beschreibung von Derridas Arbeit benutzt worden". Doch nun ist es einmal geschehen. Und nicht ohne Zutun Rortys. Niemand sollte uns deshalb hindern, den Problemen nachzugehen, die unter der Dekonstruktivismusflagge segeln. Und sei es auch die falsche. Zumal in der Tat einiges dabei herauskommt. Sofern man nur bereit ist, manche Umwege zu tolerieren, die nicht zuletzt Laclau ausdauernd geht. An deren Ende stellt er deutlich Warntafeln auf. Sie gelten einmal der "Tendenz" Derridas, zu dem zurückzukehren, was Rorty glücklich überwunden hat: zu einer "ersten Philosophie". Bei diesem sieht er die Gefahr einer engstirnigen "Reduktion auf nur diejenigen strategischen Züge, die innerhalb des diskursiven Universums des amerikanischen Liberalismus möglich sind".

Die feinsinnig in kluger, mitunter klügelnder Rede und Gegenrede hin und her gewendete Frage, ob der Pragmatismus Rorty'scher Prägung nicht doch auch dekonstruktivistische Einsprengsel habe, hätte sich mit Blick auf Rortys Verfahren des blanken Austausch von Vokabularen, der Ersetzung alter durch neue Metaphern, eigentlich umstandslos beantworten lassen. Dass andererseits "Dekonstruktion . . . bestimmte Motive mit dem Pragmatismus teilt", wie Derrida eigens versichert, soll nicht bestritten werden. Ungeachtet dessen spricht manches dafür, dass man in der stets aktuellen Debatte über Solidarität dem Pragmatismus Rortys schließlich die größeren Chancen einräumt.

Solidarität zu üben, gelingt vielleicht wirklich am ehesten denen, die "sentimental" sind und "ans Glück glauben", wie es Rorty nun wiederum von Derrida behauptet. Und jener seinen dieserhalb gewiss schockierten Zuhörern eigens zugab, nicht ohne ausdrücklich hinzuzusetzen, er selbst habe zunächst einmal ob dieser Zumutung "die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen". Verstehen kann man das schon. Luhmann hat in ganz anderen Zusammenhängen, aber mit Blick auf gleichfalls völlig überraschende Einsichten seinen Hörern wiederholt gesagt: "Da können Sie lange darüber nachdenken."

WALTER GRASNICK

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