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Seit es Politik gibt, ist sie auch Kampf um Macht. Aber nicht jedes Gerangel um Macht ist deshalb schon Politik. Demokratische Politik hat immer auch damit zu tun, wie Menschen leben wollen und wie sie - meist ganz entschieden - nicht leben wollen. Die privatisierte politische Moral kümmert sich um all das nicht.
Die Spendenaffäre der CDU hat manches von dem zutage gefördert, was Erhard Eppler als Privatisierung der politischen Moral deutet. Das gilt für das Verhalten der Betroffenen, aber auch für die Reaktion der Öffentlichkeit.
Der vorliegende Essay will auf diesen Vorgang aufmerksam
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Produktbeschreibung
Seit es Politik gibt, ist sie auch Kampf um Macht. Aber nicht jedes Gerangel um Macht ist deshalb schon Politik. Demokratische Politik hat immer auch damit zu tun, wie Menschen leben wollen und wie sie - meist ganz entschieden - nicht leben wollen. Die privatisierte politische Moral kümmert sich um all das nicht.

Die Spendenaffäre der CDU hat manches von dem zutage gefördert, was Erhard Eppler als Privatisierung der politischen Moral deutet. Das gilt für das Verhalten der Betroffenen, aber auch für die Reaktion der Öffentlichkeit.

Der vorliegende Essay will auf diesen Vorgang aufmerksam machen, er will ihm aber auch entgegenwirken. Denn es steht zu befürchten, daß die politische Moral ihre Privatisierung nicht lange überleben könnte. Sie wird dann nämlich irrelevant, wirkt manchmal sogar albern. Also wirft man sie weg.
Autorenporträt
Eppler, ErhardErhard Eppler war einer der einflussreichsten Programmatiker der deutschen Sozialdemokratie. Als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Kabinett Willy Brandts begleitete er den politischen Aufbruch zu Beginn der siebziger Jahre. Auch nachdem er sich in den neunziger Jahren von seinen Ämtern zurückgezogen hatte, griff er publizistisch in aktuelle politische Debatten ein.Erhard Eppler wurde 1926 in Ulm geboren. Er studierte Deutsch, Englisch und Geschichte und promovierte im Jahr 1951. Bis 1961 arbeitete er als Lehrer, parallel dazu war er parteipolitisch aktiv: seit 1952 in der von Gustav Heinemann gegründeten Gesamtdeutschen Volkspartei, ab 1956 in der SPD, für die er 1961 in den Bundestag einzog. Kurt Georg Kiesinger berief ihn 1968 zum Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, einen Posten, den er auch unter Willy Brandt und Helmut Schmidt bis 1974 innehatte. Von 1973 bis 1992 leitete Eppler die Grundwertekommission der SPD, von 1973 bis 1989 war er (mit

einer Unterbrechung in den Jahren 1982-1984) Mitglied im Präsidium seiner Partei. Eppler engagierte sich nicht nur in der Parteipolitik, sondern auch in der Evangelischen Kirche in Deutschland, in den Jahren 1989-1991 war er Präsident des Kirchentags.Seit seinem Rückzug aus der offiziellen Politik widmete sich Eppler dem Schreiben. Als 1992 Kavalleriepferde beim Hornsignal erschien, verortete Siegfried Unseld den Autor Eppler in der Tradition von Böll, Grass und Johnson: »Eppler stellt sich als Aufgabe seines Buches, unsere Freiheit wie auch unsere Gebundenheit gegenüber der Sprache wieder bewußt zu machen, eine Sprache zu finden, die den Gefahren, die drohen, angemessen ist.«Erhard Eppler starb am 21. Oktober 2019 im Alter von 92 Jahren in seiner Wahlheimat Schwäbisch Hall.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2000

„Du sollst Politik machen! Du sollst wissen, was Du willst!”
Erhard Eppler, Vordenker der Sozialdemokraten, stellt hochaktuelle Gebote zum Verhältnis von Politik und Moral auf
ERHARD EPPLER: Privatisierung der politischen Moral, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2000. 141 Seiten, 16,90 Mark.
Erhard Eppler nimmt den CDU-Spendenskandal zum Anlass, Gedanken über die politische Kultur und Moral in Deutschland anzustellen. Seine Überlegungen sind nicht aus dem Arm geschüttelt, sondern in langen Jahren gereifte Überzeugungen. Hier erzählt einer, der „zwei Jahrzehnte mit Willy Brandt zusammengearbeitet hat” und der sich schon „45 Jahre lang jeden Tag” über die eigene Partei, die SPD, „ärgern” konnte. Die meisten Gedanken Epplers sind keineswegs neu. Aber sie sind dennoch äußerst anregend, da es Eppler zumeist gelingt, sie aus seinen eigenen Erfahrungen abzuleiten, mit Anekdoten zu bereichern und aktuelle Bezüge zu den Vorgängen des Winters 2000 herzustellen.
Mittel zum Zweck
Es geht dem SPD-Politiker um das Verhältnis von Recht und Macht. Wer einen Politiker beurteilen will, der beginne am besten bei seinem Verhältnis zur Macht. Hat für den Politiker im Zweifel die Macht oder das Recht Priorität? Ohne Zweifel braucht ein Politiker Macht als Mittel zur Durchsetzung einer als richtig erkannten Politik. Die besondere Gefährdung des Politikers besteht nach Eppler darin, dass aus dem Mittel sehr leicht der Zweck werden kann. Das süchtige Streben nach Macht um der Macht willen sei immer wieder die Quelle politischer Unmoral, zumal dann, wenn dabei auch das Recht auf der Strecke bleibt.
Auch der Machtsüchtige kann Überzeugungen haben – aber sie sind dann nur eine Funktion seines Machtwillens, sie sind lediglich nötig zum Erwerb beziehungsweise zur Verteidigung von Macht. Was Eppler auszeichnet ist, dass er dabei durchaus Verständnis für die Anfälligkeit der Politiker äußert: Allein ein Mandat zu erringen, fülle einen Menschen phasenweise ganz aus, könne ihn verhärten, erschöpfen und auspumpen. Die so überforderten Menschen hätten dann am Ende oft gar keine Energie mehr für die Frage, wozu denn die gerade errungene Macht gut ist, was eigentlich bewahrt, gestaltet oder verändert werden sollte. Eppler: „Das Mittel verbraucht so viel Kraft, dass der Zweck aus dem Blick gerät. ”
Eppler bemüht sich um eine gerechte Beurteilung Manfred Kanthers. Er habe sich als Preuße gefühlt, sei pflichtbewusst und korrekt gewesen. Seine Art sei keine Tarnung oder Heuchelei gewesen. Aber Kanther sei, wie viele in den Unionsparteien, einem Freund-Feind-Denken verfallen. Wenn man die eigene Partei als gut, die anderen als böse ansieht, wenn man in politisch Andersdenkenden nur dunkle Kräfte vermutet, welche die gewachsenen Werte der christlichen Zivilisation mit Füßen treten, dann verstehe man es naturgemäß als moralisch gerechtfertigten „Kampfauftrag”, mehr als 20 Millionen Mark in illegalen Auslandskonten zu parken. Eppler zitiert den CDU-Finanzberater Horst Weyrauch: „Ich dachte, wer der Partei dient, dient dem Staat. Das war falsch. ”
In der Tat: Parteien sind, wie der Name schon sagt, nur Teile des Ganzen. Wer die Loyalität zur eigenen Partei über die Loyalität gegenüber Staat und Gesetz stellt, der privatisiert politische Moral. Wenn die eigene Regierung oder Partei sich mit dem Guten identifiziert, wenn in der Opposition das Böse gesehen wird, dann muss, so die fatale Konsequenz, der gute Zweck auch Unmoral und Rechtsbrüche rechtfertigen. Wenn Feinde vor der Tür stehen, dürfen natürlich auch Akten vernichtet werden.
Ist es nicht also eine „Privatisierung der politischen Moral”, wenn das persönliche Ehrenwort über Recht und Gesetz gestellt wird? Mit dem Hinweis auf das „Ehrenwort” schwenkt Helmut Kohl eine moralische Keule. Wer wäre dagegen, ein Ehrenwort zu brechen? Aber indem er damit einen rechtswidrigen Vorgang deckt, missbraucht er den Ehrenbegriff. Eppler fragt daher, was verwerflicher sei: Die Missachtung der Moral oder aber ihr Missbrauch?
Aber nicht nur der Spendenskandal: Das Sozialhilfegesetz, die Ökosteuer, der wirtschaftliche Aufschwung, der Kosovo-Krieg und Bill Clintons Affäre werden vom früheren „Chefdenker” der Sozialdemokratie unter die Lupe genommen. Auch die Medien werden nicht geschont. Indem sie die Maßstäbe Kohls angelegt hätten, nur noch nach Erfolg und Misserfolg, Siegern und Verlierern gefragt hätten, hätten sie, so Eppler, Kohl im Sattel gefestigt. Selbst Augstein habe vor Kohl den Hut gezogen, als dessen Amtszeit diejenige Adenauers überschritt.
Arm und weniger arm
In die nüchterne und scharfsinnige Analyse mischen sich leider immer wieder aber alte ideologische Hüte. Leidenschaftlich geißelt Eppler den Neoliberalismus, der zum Ausschluss der Ärmsten aus der Gesellschaft führe. Eppler warnt vor der gefährlichen Globalisierung, kritisiert die Privatisierung der Bundesbahn und malt das Menetekel einer „Privatisierung der Gewalt” an die Wand, die unweigerlich dort kommen werde, wo Politik durch Markt ersetzt würde.
Drohend erhebt er den Zeigefinger vor amerikanischen Zuständen, wo bereits jetzt jährlich neun Milliarden Dollar für private Waffenkäufe ausgegeben werden. „Mit Zähnen und Klauen” müsse das staatliche Gewaltmonopol verteidigt werden; es gehöre zur politischen Kultur Europas. Eppler erliegt der Faszination von Plebisziten auf Bundesebene als Allheilmittel gegen übermächtige Parteien, ist überzeugt, dass man dem „kritischen Citoyen” durchaus entsprechendes Urteilsvermögen zugestehen sollte. Er übersieht dabei, dass sich die komplexen Probleme unserer Zeit nicht in einfache Ja-Nein-Fragen zwingen lassen, dass Plebiszite zu vermehrter Irrationalität und zum Diktat aktiver Minderheiten ausufern können und schließlich das parlamentarische System, das er stärken möchte, durch die Einführung von Volksentscheiden in Wahrheit geschwächt werden kann.
Wer es im Verlauf des Buches noch nicht gemerkt hat, dem wird spätestens auf den letzten Seiten klar, an wen sich Eppler in seinem Buch eigentlich wendet. Er appelliert vor allem an seine Politikerkollegen im biblisch-prophetischen Imperativ: „Du sollst Politik machen! . . . Du sollst wissen, was du willst! Du sollst wollen, was du sagst . . . Die absolute Wahrheit ist nicht deine Aufgabe . . . Lass die Finger davon . . . Lass dich nicht zur Eitelkeit dressieren . . . Du darfst deine Partei lieben wie eine Mutter ihr hässliches Kind. Du sollst dir nicht mehr zumuten als sie dir. . .” – Nach zweieinhalb Seiten Epplerscher Gebote, die man ob ihrer Länge wohl eher als 95 Thesen bezeichnen sollte, kann man ein Schmunzeln nicht mehr unterdrücken, wenn der Autor befiehlt: „Du sollst nicht unnötig moralisieren. Misstraue jedem, der zu viel moralisiert . . .”
FRIEDBERT PFLÜGER
Der Rezensent ist Bundestagsabgeordneter und Mitglied des CDU-Bundesvorstandes.
Der Bimbes-Kanzler als Puzzle: Wer waren die Spender? Gibt es sie? Darf Helmut Kohl sie verschweigen? Steht ein Ehrenwort über dem Gesetz? Hat der Ex-Kanzler durch die Spendenaffäre seinen Ruhm geschmälert? Oder wird die Geschichte über seine Verfehlungen hinweggehen? Siegt Politik über Moral?
Foto: Vario-Press
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das Thema von Erhard Epplers Buch ist, so der Rezensent Friedbert Pflüger (als ehemaliger Redenschreiber von Richard von Weizsäcker ein Kenner des Gegenstands), das "Verhältnis von Recht und Macht", der Anlass ist die CDU-Spendenaffäre. Pflüger bespricht den Band respektvoll, bemängelt aber das Auftauchen "alter ideologischer Hüte". Damit meint er Epplers Gegnerschaft zu Neoliberalismus und Globalisierung ebenso wie seine Wertschätzung plebiszitärer Elemente. Und zuletzt ist ihm der Predigerton des Buches wohl auch ein bisschen zu viel, insbesondere die eine der "95 Thesen": "Du sollst nicht unnötig moralisieren."

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