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Die schmerzhafteste Folge der vielseitigen griechischen Krise ist unzweifelhaft der triumphale Einzug einer offen faschistischen Partei ins Parlament. Seit der Ermordung des linken Rappers Pavlos Fyssas durch ein Mitglied der Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) hat sich das Klima für die Rechtsextremen zwar geändert: Mitglieder wurden verhaftet, die staatliche finanzielle Förderung gestrichen und die Regierung erwägt sogar ein Verbot. Doch auch wenn Politik und Justiz nun endlich zu handeln scheinen - die Konsequenzen sind offen, und das Buch vonDimitris Psarras, seine darin aufgeworfenen…mehr

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Produktbeschreibung
Die schmerzhafteste Folge der vielseitigen griechischen Krise ist unzweifelhaft der triumphale Einzug einer offen faschistischen Partei ins Parlament. Seit der Ermordung des linken Rappers Pavlos Fyssas durch ein Mitglied der Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) hat sich das Klima für die Rechtsextremen zwar geändert: Mitglieder wurden verhaftet, die staatliche finanzielle Förderung gestrichen und die Regierung erwägt sogar ein Verbot. Doch auch wenn Politik und Justiz nun endlich zu handeln scheinen - die Konsequenzen sind offen, und das Buch vonDimitris Psarras, seine darin aufgeworfenen Fragen und vorgenommenen Analysen bleiben hochaktuell.'Wie sind wir Griechen dorthin gelangt? Wie wurde plötzlich der Sack des Aiolos geöffnet und die bis vor wenigen Jahren diskreditierte und marginale extreme Rechte in die Lage versetzt,heute die politische Tagesordnung zu gestalten? Wie konnten wir die Diktatur vergessen? Und wie können wir in Griechenland, wo die überwiegende Mehrheit der jüdischen Mitbürgerin den Konzentrationslagern umgebracht wurde, die Leugnung des Holocaust tolerieren?'Mit dem vorliegenden Band will der erfahrene Journalist Dimitris Psarras diese Fragen beantworten. In den Texten, den Symbolen und insbesondere in der Praxis der Chrysi Avgi lassen sichdie Gründe aufspüren, die das Wiederauftauchen von 'Sturmtruppen' in einem europäischen Land ermöglicht haben. DimitrisPsarras zeigt aber auch Ansätze auf, wie der Absturz in die Barbarei aufgehalten werden kann.Dimitris Psarras, 1953 in Athen geboren, ist Mitglied der Recherchegruppe 'Ios' (Virus), die viel zum Entstehen des Buches beigetragen hat. Von 1990 bis zum Juni 2012 war Dimitris Psarras als Journalist für die griechische linksliberale Tageszeitung Eleftherotypia (Pressefreiheit) tätig. Seit November 2013 schreibt er für dievom Zeitungskollektiv in einer Genossenschaft herausgegebene Efimerida ton Syntakton (Zeitung der Redakteure).Neofaschisten in Griechenland - Die Partei Chrysi Avgi (die griechische Originalausgabe erschien 2012unter den Titel I mavri vivlos tis Chrysis Avgis) ist bereits das zweite Werk, in demsich Psarras mit den Aktivitäten ultrarechter Organisationen in Griechenland beschäftigt. Schon 2010 gab der Athener VerlagAlexandria seine Studie Die heimliche Hand von Karatzaferis.Die mediale Auferstehung des griechischen Rechtsextremismus heraus.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.05.2014

Randale und Radikale bringen Quote
Griechenland leidet an seinen Neonazis: Der Journalist Dimitris Psarras beschreibt ein Problem, das die Politik zu lange rechts liegen gelassen hat
Eigentlich war der Grieche Failos Kranidiotis, der sich stolz als „Nationalist, Patriot und Antikommunist“ bezeichnet, von seiner konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) schon als Spitzenkandidat für die Europawahl vorgesehen. Dann aber wurde ihm das zu innige Verhältnis eines Parteifreunds zur griechischen Neonazi-Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) zum Verhängnis. Der andere – immerhin bislang Amtschef der Regierung von Antonis Samaras – hatte sich bei einer freundschaftlichen Plauderei mit einem Neonazi im Parlament filmen lassen. Danach wollte Samaras offenbar kein Risiko mehr eingehen. Kranidiotis, Mitglied im Führungszirkel der ND, der nie eine Gefahr von rechts sehen wollte, musste auf die Spitzenkandidatur verzichten.
  Wer das erhellende Buch des griechischen Journalisten Dimitris Psarras über die Partei Chrysi Avgi (CA) gelesen hat, der ahnt, dass der braune Spuk nicht nur ein Katastrophenphänomen ist. Die tiefe wirtschaftliche und soziale Krise in Griechenland katapultierte die CA zwar 2012 ins Parlament, wo ihre 18 Abgeordneten bislang vor allem durch Radau auffielen. Aber die Partei hat eine lange Vorgeschichte. Schon 1980 entstand eine Zeitschrift mit dem Namen Chrysi Avgi , als „Nationalsozialistische periodische Publikation“. Der Herausgeber war Nikolaos Michaloliakos, der heutige Parteichef. Der hat seine Hitler-Verehrung nie verborgen.
  Das gilt auch für die Mitstreiter der ersten Stunde, wie Christos Pappas, inzwischen Parlamentsabgeordneter, der schon 1983 in der CA-Zeitschrift postulierte: „In unseren Herzen schwillt der Glaube an die Worte des Führers.“ Die Eloge auf Adolf Hitler endet mit dem Satz: „Die Zukunft gehört uns.“ Mit solchen Tiraden agierten die griechischen Neonazis zunächst in einer Nische, wenig beachtet vom politischen Mainstream, selbst wenn sie bekannten, wie 1997 ihr „Stoßtruppenführer“ Antonios Androutsopoulos: „Der Fanatismus ist ein bedeutendes Gefühl. Er stimuliert dich, wenn alles verloren scheint. Und er treibt dich in die Begierde, dem Gegner wieder und wieder Schläge zu versetzen, das Mitgefühl auslöschend.“
  Solche Überzeugungen setzten die Chrysi-Avgiten schon in den 90er-Jahren in die Tat um, bei brutalen Angriffen mit Knüppeln und Messern auf Mitglieder linker Gruppen, auf Flüchtlinge oder Arbeiter aus Albanien. Politik und Justiz reagierten mit erstaunlicher Nonchalance. Ein Polizeiminister sprach angesichts der Gewalt der CA noch 2001 von „Auseinandersetzungen zwischen extremistischen Gruppen“ und lud zum Wegschauen geradezu ein.
  Das ging nach der Jahrtausendwende so weiter. Die CA, die sich selbst Ordnungsmacht anmaßte, gewann nicht wenige Sympathien bei den Sicherheitskräften, vor allem unter schlecht bezahlten und oft überforderten Polizisten. Psarras spricht von „Wahlverwandtschaften“ – was sich 2012 auch bei politischen Wahlen zeigte.
  Man kennt die Orte, wo die Sondereinheiten der Polizei in Athen abstimmen. Dort lagen die Ergebnisse für die CA klar über dem Durchschnitt. Erst nach der Ermordung des Rappers Pavlos Fyssas im September 2013 reagierte die Politik. Michaloliakos und mehrere Abgeordnete wurden verhaftet. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung.
  Parteiverbote erlaubt die griechische Verfassung nicht. Psarras glaubt nicht, dass Griechenland nun vom „Albtraum einer starken neonazistischen Organisation befreit ist“, wie er im Vorwort zur deutschen Ausgabe seiner Studie schreibt. In Griechenland ist das Buch schon 2012 erschienen und war ein Bestseller.
  Psarras ist ein äußerst kundiger, langjähriger Beobachter der CA. Er kennt Aussteiger und Insider, hat Prozessakten studiert und die kruden ideologischen Schriften des Parteigründers sowie seiner Kumpane, die Demokratie-Verachtung und offenen Rassismus atmen. Die nächtlichen Jagden auf dunkelhäutige Ausländer in Athen hätten nach der Festnahme des CA-Führers zwar deutlich abgenommen, bemerkt der Journalist. Aber Umfragen zeigten, dass viele der CA-Unterstützer „nicht gewillt sind, die Organisation im Stich zu lassen“.
  Nach einer Mitte April veröffentlichten Untersuchung der Zeitung Parapolitika käme die Partei bei allgemeinen Wahlen nun auf 6,1 Prozent, nur ein knappes Prozent weniger als im Juni 2012, als sie 6,92 Prozent erzielte. Das Meinungsforschungsinstitut Public Issue sah sie zuletzt mit Blick auf die Europawahl allerdings nur noch bei vier Prozent.
  Psarras macht auch seine eigene Zunft – die Medien – für den Aufstieg der der CA verantwortlich. Nach dem Motto: Randale und Radikale bringen Quote. Das erleichterte es der CA auch, Proteststimmen über das rechtsextreme Lager hinaus zu sammeln. Psarras zitiert den in Zypern lehrenden Politikwissenschaftler Antonis Ellinas. Der meint, das politische Repertoire der Rechtsextremen stille „den Durst der Medien nach sinnlichen, vereinfachten persönlichen Geschichten“ und nach Simplifizierung von Politik und Geschichte.
  In Teilen der Samaras-Partei herrschte längere Zeit die Auffassung, man müsse die Dynamik der Rechtsextremen nutzen, „um die Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung abzuwenden“, so Psarras. Also wetterten auch ND-Politiker gegen Ausländer und schwiegen zu den Aktionen der CA. Sie hegten die – leider falsche – Hoffnung, enttäuschte konservative Wähler möchten nicht zu den Neonazis abdriften.
  Aber wie das so ist bei starken Parolen: Gewählt wird eher das Original als die Kopie. Mit den Verhaftungen von führenden CA-Leuten zog die Regierung dann die Notbremse. Ob das juristisch verwertbare Beweismaterial ausreichen wird, CA-Politiker zu verurteilen und die Organisation zu verbieten, ist offen. Die Ermittler haben ja so lange weggeschaut. Psarras ist auch noch keineswegs sicher, dass der machttaktische Umgang mit der CA schon ein Ende hat. Er schließt: „Ob sich der Neofaschismus durchsetzt, hängt davon ab, ob all diejenigen aufhören, mit ihm zu flirten, die sich erhoffen, mit Hilfe der Chrysi Avgi für immer von der Hegemonie der Linken befreit zu werden, die sie als Gespenst sehen, das ihren Plänen zur Zerschlagung der sozialen Errungenschaften Widerstand leistet.“
CHRISTIANE SCHLÖTZER
Dimitris Psarras: Neofaschisten in Griechenland. Die Partei Chrysi Avgi. Aus dem Griechischen von Heike Schrader. Laika Verlag, Hamburg 2014. 215 Seiten, 19 Euro.
Das Repertoire der Neofaschisten
stillt „den Durst der Medien“ nach
vereinfachten Geschichten
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das Buch des griechischen Journalisten Dimitris Psarras über Neofaschisten in Griechenland macht Christiane Schlötzer deutlich, dass die Geschichte der Neonazi-Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) älter ist als die wirtschaftliche und soziale Krise im Land. Erhellend scheint ihr der Band nicht nur wegen Psarras' kundiger, auf jahrelanger Beobachtung beruhender Darstellung der Vorgeschichte der Partei, sondern auch weil der Autor Akten und ideologische Schriften studiert hat, Aussteiger und Insider kennt und das Zusammenspiel der Partei und einer nach Vereinfachung von Politik und Geschichte dürstenden Medienlandschaft.

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