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Mit seinem eigenständigen Sozialismus, der sich von der Sowjetunion scharf abgrenzte, bildete das China Mao Zedongs um 1970 einen bedeutenden Bezugspunkt für Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt wie für die progressive Intelligenz im Westen: Der Maoismus war damals eine maßgebliche linke Strömung, mit der große Hoffnungen auf ein alternatives Gesellschaftsmodell jenseits von Kapitalismus und bürokratischem Staatssozialismus verbunden waren. Mao selbst erreichte zeitweise ähnlich wie Che Guevara den Status einer Pop-Ikone.Nur dreißig Jahre nach dem Tod Maos Zedongs hingegen berufen sich nur…mehr

Produktbeschreibung
Mit seinem eigenständigen Sozialismus, der sich von der Sowjetunion scharf abgrenzte, bildete das China Mao Zedongs um 1970 einen bedeutenden Bezugspunkt für Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt wie für die progressive Intelligenz im Westen: Der Maoismus war damals eine maßgebliche linke Strömung, mit der große Hoffnungen auf ein alternatives Gesellschaftsmodell jenseits von Kapitalismus und bürokratischem Staatssozialismus verbunden waren. Mao selbst erreichte zeitweise ähnlich wie Che Guevara den Status einer Pop-Ikone.Nur dreißig Jahre nach dem Tod Maos Zedongs hingegen berufen sich nur noch wenige Guerillaorganisationen in Lateinamerika und Asien auf die 'Zedong sixiang', die Ideen Maos. Auch unter westlichen Linken gilt Mao mehr oder weniger als chinesischer Stalin und sein Weg zum Sozialismus als gescheitert.In China selbst hält die Führung zwar gewisse Grundspositionen Maos aus den Zeiten des Bürgerkrieges und den ersten Jahren der Republik aufrecht, hat jedoch die eigentlichen charakteristischen Grundpositionen des Maoismus als 'linke Fehler' verworfen. Heute mischt die Volksrepublik China mit wachsendem Gewicht in der kapitalistischen Globalisierung mit, während Maos von den Ausbeutungsverhältnissen des Weltmarkts unabhängiger Entwicklungsweg als Sackgasse gilt.Aus all dem ergeben sich für Autor Henning Böke etliche Fragen, denen er in dem neuen Band der Reihe 'theorie.org' nachgeht:Ist Maos Idee einer Gesellschaftsalternative in einem Entwicklungsland als unrealisierbarer utopischer Traum diskreditiert oder enthält sein politisches Denken Konzepte, die aktuell bleiben? Welche Rolle spielte der Maoismus für die westliche Linke? Gibt es in China heute eine Linke, und wie steht sie zu Mao? Hat Chinas Übergang von Autarkie und 'Vorrang der Politik' zu Marktwirtschaft und Weltmarkt Ende der 1970er für den Siegeszug der Globalisierung nicht eine weit größere Rolle gespielt als etwa der Zusammenbruch der Sowjetunion und der Fall der Mauer?Zu diesenund anderen Fragen zur Rolle der chinesischen Revolution in Geschichte und Gegenwart und ihre Bedeutung für eine antikapitalistische Perspektive möchte diese Einführung Hintergrundwissen vermitteln.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.08.2008

Das kurze Mao-Fieber
Was die chinesische Revolution zeitweise so attraktiv machte
Sorgen und Ängste löst China heute ausschließlich als aufstrebende Militär- und Wirtschaftsmacht aus, der Export preisgünstiger Güter hat den Export revolutionärer Ideen abgelöst. Der Maoismus ist nahezu vergessen, während Mao Zedong außerhalb Chinas mittlerweile sogar in einem Atemzug mit den Massenmördern Hitler und Stalin genannt wird. Da schlägt man nicht ohne eine gewisse Skepsis ein Buch auf, das „Informationsdefiziten im Hinblick auf Mao und China entgegenzutreten” verspricht und das Bemühen, „Mao als Verbrecher und seine Politik als eine einzige Katastrophe zu denunzieren”, als Teil „allgemeiner neoliberaler Umerziehung” abqualifiziert. Doch dieses Unbehagen erweist sich größtenteils als unbegründet.
Böke macht aus seinem linken kapitalismuskritischen Standpunkt keinen Hehl. Er rekapituliert die Entwicklung der revolutionären Bewegung bis zur Gründung der Volksrepublik im Oktober 1949, behandelt die humanitäre Katastrophe des „Großen Sprungs nach vorne”, das gigantische Projekt zur gleichzeitigen und gleichberechtigten Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft, das mit Millionen Hungertoten endete, und analysiert die Kulturrevolution. Nur kurz geht Böke auf den Bruderzwist mit Moskau und das Schisma der kommunistischen Weltbewegung ein.
Nach diesen chronologisch angelegten Kapiteln thematisiert der Autor den Einfluss des Maoismus auf die Neue Linke und neomarxistische Theoretiker wie Louis Althusser und Charles Bettelheim. Danach setzt sich Böke mit „Chinas Weg auf den Weltmarkt” und dem Übergang zu einer sozialistischen Marktwirtschaft auseinander, also mit Fragen, die für die aktuelle Debatte über die „chinesische Herausforderung” von höchstem Interesse sind.
Zwar konzediert er der Führung in Peking erste Erfolge bei der Etablierung rechtsstaatlicher Strukturen, doch zieht er eine negative Bilanz der wirtschaftspolitischen Reformen. China zähle zu den Ländern mit den „größten Einkommensdifferenzierungen”, insbesondere die ländlichen Regionen seien „abgehängt” worden, und in den neu entstandenen Industrien herrschten „frühkapitalistische Ausbeutungsformen”. Kurzum, aus dem „Sozialismus chinesischer Prägung” sei eher „eine Art Kapitalismus chinesischer Prägung” geworden. Ob Chinas neue Linke, um die es im letzten Abschnitt geht, daran etwas zu ändern vermag, erscheint angesichts der Spaltung in gegensätzliche Strömungen zweifelhaft.
Böke verschweigt die schwerwiegenden, für Millionen Chinesen tödlichen Fehlentscheidungen Maos keineswegs, doch macht er dafür, anders als etwa Jung Chang und Jon Halliday in ihrer vor zwei Jahren auf Deutsch erschienenen monumentalen, wissenschaftlichen Ansprüchen gleichwohl nicht genügenden Mao-Biographie, nicht allein den KP-Vorsitzenden verantwortlich. Die Bedeutung des Maoismus sieht er, ungeachtet aller verhängnisvollen Irrwege, in der Durchbrechung des orthodoxen Marxismus, der Ermunterung zur Rebellion gegen verkrustete Strukturen und hohle Autoritäten sowie in der Suche nach einem Modernisierungskonzept jenseits von Kapitalismus und Weltmarktintegration auf der einen und bürokratischem Staatssozialismus auf der anderen Seite. Damit sind auch schon wichtige Gründe benannt, welche die erstaunliche Attraktivität maoistischer Ideen in der eher antiautoritär geprägten Achtundsechziger-Bewegung und vor allem bei deren Zerfallsprodukten, den K-Gruppen und der RAF, zu erklären vermögen.
Weitere Ursachen für Mao-Fieber und China-Hype unter linken Jugendlichen in den siebziger Jahren in Österreich, der Schweiz und der Bundesrepublik listen überwiegend erst in diesem Jahrzehnt geborene Autoren und Autorinnen in einem auf Interviews mit ehemaligen Aktivisten und Aktivistinnen sowie Archivstudien basierenden Sammelband auf: Das „Primat der Praxis”, die jugendbewegten Züge der Kulturrevolution, Maos Image als Künstlerpolitiker, die schwärmerische Solidarität mit den Befreiungsbewegungen der Dritten Welt, die Neigung zur Selbstproletarisierung in studentischen Zirkeln und nicht zuletzt „unkritische” Bücher westlicher Intellektueller über die chinesischen Kommunisten.
Da die Blütezeit des Maoismus – die Autoren des Sammelbandes bevorzugen den Begriff „Maoismen”, um die unterschiedlichen Ausprägungen selbst innerhalb eines Landes nicht zu unterschlagen – bereits Ende der siebziger Jahre vorüber war, mag es übertrieben erscheinen, diesem kurzlebigen Phänomen so viel Aufmerksamkeit zu schenken. Doch Schätzungen zufolge durchliefen allein in der Bundesrepublik zwischen 100 000 und 150 000 Menschen die Schule der K-Gruppen, unter ihnen auch mehr oder weniger prominente rot-grüne Politiker.
Der harte Kern langjähriger Aktivisten und Aktivistinnen war indes zumindest in Österreich und der Schweiz recht klein, wie die Aufsätze über den Kommunistischen Bund Österreichs und die Kommunistische Partei der Schweiz/Marxisten-Leninisten zeigen. Andere Beiträge des Bandes widmen sich dem Verhältnis zwischen Linksterrorismus und maoistischer Ideologie sowie der Konjunktur des Mao-Images in der bundesdeutschen 68er-Bewegung. In ihrer Zusammenfassung überrascht Barbara Mittler mit der These, die „Maoismen unserer Vergangenheit” seien ein „Baustein der Liberalismen unserer Gegenwart geworden”. Schon bezogen auf 1968 hat diese These erst in jüngster Zeit wieder heftige Kritik provoziert; umso mehr dürfte dies für diese neue Variante gelten. WERNER BÜHRER
HENNING BÖKE: Maoismus. China und die Linke – Bilanz und Perspektiven. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2007. 215 Seiten, 10 Euro.
SEBASTIAN GEHRIG / BARBARA MITTLER / FELIX WEMHEUER (Hg.): Kulturrevolution als Vorbild? Maoismen im deutschsprachigen Raum. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2008. 221 Seiten, 39 Euro.
Unter den Augen Maos (hier am Pekinger Tiananmen-Platz mit Olympia-Helferinnen) entwickelt sich ein „Kapitalismus chinesischer Prägung”. Foto: AP
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