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In ihrem autobiographischen Roman erzählt Wioletta Greg in unvergesslichen poetischen Bildern eine mal groteske, mal herzzerreißende Coming-of-Age-Geschichte im Polen der 1970er- und 1980er-Jahre. Seit 1981 herrscht das Kriegsrecht unter General Jaruzelski, aber die großen politischen Ereignisse wirken sich nur gebrochen auf das Leben im schlesischen Dorf Hektary aus. Dort, in einer ganz wunderbar vermittelten Atmosphäre aus Alltag in der Großfamilie, Mit ländlichen, fast heidnischen Bräuchen, einem sehr schlichten Katholizismus und kruden Sozialismus, schlägt sich die vitale, schlagfertige…mehr

Produktbeschreibung
In ihrem autobiographischen Roman erzählt Wioletta Greg in unvergesslichen poetischen Bildern eine mal groteske, mal herzzerreißende Coming-of-Age-Geschichte im Polen der 1970er- und 1980er-Jahre. Seit 1981 herrscht das Kriegsrecht unter General Jaruzelski, aber die großen politischen Ereignisse wirken sich nur gebrochen auf das Leben im schlesischen Dorf Hektary aus. Dort, in einer ganz wunderbar vermittelten Atmosphäre aus Alltag in der Großfamilie, Mit ländlichen, fast heidnischen Bräuchen, einem sehr schlichten Katholizismus und kruden Sozialismus, schlägt sich die vitale, schlagfertige und neugierige Wiolka mit ihrer Mutter herum, entdeckt ihre Sexualität, nicht immer ganz freiwillig, und bemüht sich um den geliebten Vater, der viel zu früh stirbt. Als es heißt, der Papst wolle bei seinem historischen Polenbesuch auch an Hektary vorbeifahren, herrscht im Dorf Aufregung wie nie zuvor. Der Papst nimmt am Ende einen anderen Weg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2018

Katz, Maus, Papst
Zwischen Katholizismus und Kommunismus: Wioletta Greg erzählt in ihrem Roman „Unreife Früchte“
von einer Kindheit in Polen zur Zeit des Kriegsrechtes und der Solidarność
VON ULRICH RÜDENAUER
Am Anfang gibt es keinen Begriff für die Zeit. Das Kind muss erst lernen, sich in die Strukturen des Früher und Später einzuordnen. So sind auch die Erinnerungen, die in die ersten Jahre zurückführen, bestimmt von einer schönen Anarchie: Das Unbedeutende erscheint ganz groß, weil es sich uns aus irgendwelchen Gründen eingeschrieben hat. Das vermeintlich Bedeutsame hingegen mag verblasst sein, nur noch wie durch eine Milchglasscheibe wahrnehmbar oder in einem Nebensatz aufbewahrt. Unser Blick zurück nach innen hüpft von Bild zu Bild, ohne dass diese Bilder sich notwendigerweise aneinanderreihen zu einem Film. Und manchmal sind da kaum aufzufüllende Lücken, legt sich der großzügige „Schleier der Amnesie“ (Freud) über das, was vergessen sein will oder nicht in die eigene Geschichte passen mag.
Wer als Erwachsener zurückschaut auf den Mikrokosmos des Kindes, muss mit dieser höchst partiellen Erinnerung zurechtkommen. Oder damit jonglieren. Wioletta Greg spielt auf faszinierende Weise mit ihren eigenen Kindheitsgeschichten, die sie in dem Band „Unreife Früchte“ in kleinen Szenen zu einem Roman aneinanderfügt – jede Episode für sich genommen ein Splitter, in dem das facettenreiche Ganze sichtbar wird, und alle Splitter zusammen ein Spiegel des Ich mit kleinen Rissen und großen Brüchen. Diese Miniaturen – die englische Übersetzung des Buches hat es auf die Longlist des Man Booker International Prize geschafft – führen zurück in die Siebziger- und Achtzigerjahre im kleinen schlesischen Dorf Hektary. Den Ort gibt es nicht und gibt es doch: Vorbild ist das in eine bildstarke Kulisse verwandelte Dorf Rzeniszów, in dem die 1974 geborene Dichterin Wioletta Greg zu Zeiten General Jaruzelskis und von Solidarność aufgewachsen ist. Wiolka oder Loletka wird sie im Buch von den Eltern gerufen.
Es ist eine abgelegene, aber keine gottverlassene Gegend. Einmal bereitet sich die Gemeinde auf einen bedeutenden Gast vor: Johannes Paul II. soll Hektary zwar nicht besuchen, aber das Dorf in seinem Papamobil doch wenigstens passieren. Die frommen Frauen nähen Wimpel, die von den Männern zu Ehren des Papstes an der Straße aufgehängt werden. Allzu lange schmückt die Wimpelkette das Dorf allerdings nicht: Es warten schon andere, die den Auftrag haben, sie abzureißen und in den Schmutz zu werfen. Es ist ein bisschen wie bei Don Camillo und Peppone: Katholiken und Kommunisten spielen hier Katz und Maus. Der Papst übrigens macht am Ende doch einen Bogen um Hektary; mit dem Hubschrauber hat man ihn bereits am Morgen des großen Tages nach Tschenstochau geflogen.
Wioletta Gregs Roman ist eine Zeitreise. Mit Wiolka streunen wir durch eine bäuerlich geprägte, durch und durch katholische und zugleich vom Aberglauben beherrschte Welt, in der trotz der sozialistischen Fortschrittsfloskeln alles so ist, wie es immer schon gewesen zu sein scheint. Für das Kind sind die Dinge natürlich dennoch staunenswert und neu. Einmal findet die kleine Wiolka einen Kater, mit dem es nicht gut ausgehen wird; aber einen Sommer lang streicht sie mit ihm durch die Felder. „Blacky zeigte mir eine andere Geometrie der Welt, eine, in der nicht die mit Disteln und Gänsefuß bewachsenen Raine, die gepflasterten Wege, die Zäune, die gemähten oder von Menschen ausgetrampelten Pfade die Grenzen markierten, sondern das Licht, die Geräusche und die Elemente. Mit Blacky lernte ich, in Hohlblocksteine und Heumieten zu kriechen, auf Apfel- und Kirschbäume zu klettern, in Brombeerhecken versteckte Kalksteingruben zu umgehen, Hornissennester, Moraste und Schlingen im Getreide zu meiden.“
Wir Leser entdecken in Gregs Roman ebenfalls eine eigene Geometrie, einen verwinkelten, unermesslichen Raum voller Geheimnisse und Magie. Aber auch die ihre Umwelt mit allen Sinnen wahrnehmende Wiolka stößt an die Wirklichkeit und nimmt schemenhaft die unüberwindliche Macht des Vergangenen wahr – die Deutschen und die Sowjets, das sind die Gespenster, die im Bewusstsein der Menschen furchteinflößend herumspuken. Und sie entdeckt, je älter sie wird, Unheimliches und Verwirrendes. Bei einem Arztbesuch macht sie zum ersten Mal Bekanntschaft mit den Abgründen der Erwachsenenwelt. Der Doktor führt das Mädchen hinter einen Wandschirm und kommt ihm verdächtig nah. „Er knöpfte den Hosenschlitz auf, kam noch näher und gab mir seinen Penis in die Hand wie ein Röhrchen aus Knete. Ich sprang weg und verpasste ihm einen Tritt ins Schienbein.“ Wiolkas Erlebnisse werden niemals bewertet, sondern aus der Perspektive des Kindes registriert, dem eigenen Vorstellungshorizont eingefügt, hingenommen.
So durchzieht dieses sinnliche Buch, in dem es nach frischem Heu und erhitztem Wachs, nach verbrannter Tierhaut und nach verrotteten Wurzeln, Schlamm und Kardamom riecht, bei aller Lakonie und auch Witz zwar keine Nostalgie, aber doch ein melancholisches Grundrauschen. Als Wiolkas Vater stirbt, ist er gerade fünfzig Jahre alt. Die Jugendliche erinnert sich am Tag des Begräbnisses daran, wie er einmal zu ihr über die Seltsamkeit des Lebens sprach. „Kaum hab ich mich in der Welt umgesehen, da nennen die Leute mich schon einen alten Mann, dabei bin ich innen noch wie ein unreifer Apfel.“ Von diesem nie vergehenden Gefühl der Absurdität und Vergänglichkeit spricht dieser Roman – und er tut das auf eindrückliche, berührende, poetische Weise.
In dieser bäuerlichen Welt ist trotz
der Fortschrittsfloskeln alles, wie
es immer gewesen zu sein scheint
„Unreife Früchte“ spielt im schlesischen Dorf Hektary. Den Ort gibt es nicht und gibt es doch: Vorbild ist das Dorf Rzeniszów, in dem die 1974 geborene Dichterin Wioletta Greg zu Zeiten des Generals Jaruzelski aufgewachsen ist. – Ein „Solidarność“-Banner beim Besuch des Papstes in Tschenstochau, Juni 1983.
Foto: ap
Wioletta Greg: Unreife Früchte. Roman. Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Verlag C.H. Beck, München 2018.
144 Seiten, 18,95 Euro. E-Book 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2018

Des Bügeleisens schwere Seele
Überformte Kindheit im kommunistischen Polen: Wioletta Greg erzählt

Das Mädchen ist eine Träumerin. Wenn sie der Leichtsinn überkommt oder etwas Verstörendes geschieht, denkt sich Wiolka den Schmerz einfach weg: eine umfallende Hühnerleiter, die sie nachts im Schweinestall am Rücken trifft, ein Abend im Schneesturm auf dem Feld, der sie fast das Leben kostet, ein allzu aufdringlicher Doktor. "Plötzlich wurde ich leicht wie ein Fetzen Plastik. Ich stieg nach oben und setzte mich auf die Scheibe des gekippten Fensterchens. Ich flog hinaus und kreiste eine Weile über dem Obstgarten." Es sind Sätze wie diese in Wioletta Gregs Erzählung "Unreife Früchte", die über die bloßen Kindheitserinnerungen der polnischen Autorin hinausdeuten, obwohl auf diesen 140 Seiten tatsächlich wenig mehr passiert, als dass ein Kind in einem schlesischen Dorf heranwächst.

Wiolka wird beiläufig in eine von Mangel und Repression bestimmte Zeit hineingeboren, während ihre Mutter noch im Arbeitsdienst Pflastersteine herstellt. Anfang der achtziger Jahre verhängte der General und damalige Ministerpräsident Jaruzelski das Kriegsrecht in Polen, und auch in der winzigen Ortschaft Hektary wird die sozialistische Staatsgewalt spürbar. Der Vater, der wegen Fahnenflucht im Gefängnis sitzt, lernt seine Tochter erst deutlich später kennen.

Wiolkas Erinnerungen beginnen mit den Ausnahmemomenten im ländlichen Alltag: eine Kirmes, ein trauriges Lama, Herren mit Strohhut und Spielzeugpistolen. Von der Katze der Familie lernt sie, in Heumieten zu kriechen, auf Kirschbäume zu klettern, Hornissennester zu meiden. Dann verschwindet die Katze, und von diesem Moment an ist das Leben des Kindes von intensiven Momenten bestimmt, auf die Ernüchterungen folgen. Bei einem Malwettbewerb gewinnt Wiolka einen Preis, beim nächsten aber setzt sich ein Klassenkamerad auf ihr Motiv des Roten Platzes. Sie schickt es dennoch ein, verschmiert und knittrig, und wird zur Direktorin beordert. Das Verhör eines listig fragenden Staatsdieners, Furcht und Autoritätenhörigkeit der Erwachsenen - durch Wiolkas Augen wirkt die Reaktion auf diesen Affront gegen die kommunistische Führung grotesk und bringt den subtilen, ins Tragische kippenden Humor der Autorin zum Vorschein.

Meistens ist es aber eine magische Welt, die das Mädchen entdeckt, in der ausgestopfte Habichte die Stube bevölkern, Spinnen göttliche Kräfte haben und Eierlikör auf die Gesundheit des Heiligen Vaters getrunken wird, in der Bügeleisen zum Aufbewahrungsort für alle Seelen der Familie dienen, weil die Platte, die erhitzt und ins Innere des Eisens gelegt wird, als Seele bezeichnet wird. Es ist aber auch eine Welt der nähenden Frauen, der katholischen Strenge und des Aberglaubens, in der immer dann geschwiegen wird, wenn dringend gesprochen werden müsste. Nachdem der Hausarzt das Mädchen sexuell bedrängt hat, schluckt Wiolka lieber Quecksilber aus dem Fieberthermometer, als ihrer Mutter davon zu berichten.

Die mittlerweile in England lebende Lyrikerin und Schriftstellerin Greg hat für ihre vierte Prosaveröffentlichung eine Erzählstimme gewählt, die schlicht und auf einnehmende Art naiv und abgeklärt zugleich klingt. Sie gibt gerade so viel preis, dass die Beobachtungen aus dem ländlichen Alltag niemals langweilen. Deshalb muss so vieles offen bleiben, deshalb fließt die Handlung wie ein Strom von Momentaufnahmen dahin, die nie ganz aufgeklärt werden, vom Beinahe-Besuch des Papstes in Hektary bis zum Tod des geliebten Vaters.

"Unreife Früchte" ist eher eine Sammlung lose verbundener Erzählungen als ein Roman, so unaufgeregt wie die Namen der Kapitel, die "Der Wimpelabend" und "Sauerkirschen" heißen. Das hätte sehr banal geraten können. Stattdessen entwirft Greg so phantasievoll einen Kosmos der Kindheit, dass beim Lesen eine unbestimmte Sehnsucht zurückbleibt. Als Wiolka an der Schwelle zum Erwachsenwerden steht, holt sie eines Abends ihre gesammelten Streichholzschachteletiketten aus dem Schrank und verbrennt sie, eines nach dem anderen, im Ofen: dreißig Jahre Volksrepublik Polen, nationale Volkszählung, die Jahrestage der freiwilligen Feuerwehr. Auch ohne Streichhölzer, Bügeleisen und Eierlikör ist uns dieser Abschied bekannt. Genauso wie die Sehnsucht nach der Zeit davor.

ELENA WITZECK

Wioletta Greg: "Unreife Früchte". Roman.

Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Verlag C. H. Beck, München 2018. 143 S., geb., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Leises Leseglück, das sich angesichts der wunderbaren Sprache der polnischen Autorin mühelos einstellt."
Brigitte Woman

"Ein bezaubernder kleiner Roman (...) eine intensive Momentaufnahme eines zur Frau heranwachsenden Mädchens."
Sigfried Schibli, Basler Zeitung, 26. Juli 2018

"Gut, dass Literatur scheinbar unscheinbare, sehr große kleine Welten aufzuheben in der Lage ist."
Stephan Opitz, Schleswig-Holstein am Wochenende, Mai 2018

"Faszinierend und ganz wunderbar!"
Prof. Erhard Schütz, Das Magazin, 6/2018

"Als Erwachsener aus der Perspektive eines Kindes zu erzählen ist schwer. Der polnischen Schriftstellerin Wioletta Greg glückt es in dem autobiografischen Roman 'Unreife Früchte'."
Stephan Speicher, ZEIT, 7. Juni 2018

"Wunderbar kurzweilig, teils autobiographisch geprägte kleine Szenen, die sich zu einem facettenreichen Roman über eine untergegangene Welt verweben."
Flow, 17. April 2018

"Greg entwirft so phantasievoll einen Kosmos der Kindheit, dass beim Lesen eine unbestimmte Sehnsucht zurückbleibt."
Elena Witzeck, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. April 2018

"Ein zauberhafter kleiner Roman."
Manuela Sulner, Landeszeitung für die Lüneburger Heide, 2. März 2018

"Es ist erstaunlich, wie es der Autorin gelingt, Wiolkas Geschichte aus deren Sichtweise zu erzählen und dennoch in dem kurzen Roman viele Facetten der Gesellschaft darzustellen."
Barbara Zeizinger, fixpoetry, 24. Februar 2018

"Magisch, sinnlich, poetisch: Mit kunstvoll-knappen Bildern des polnischen Landlebens beschwört Wioletta Greg eine für immer vergangene Welt herauf."
Mareike Ilsemann, WDR 5 Bücher, 8. Februar 2018

"Ein sinnlich-melancholischer Roman."
Ulrich Rüdenauer, SWR2 Buch der Woche, 12. Februar 2018

"Poetisch und mosaikartig (...) eine seltsam schöne Coming-of-Age-Geschichte."
Jurek Skrobala, LiteraturSPIEGEL, Februar 2018

"Ein funkelndes kleines Juwel von einem Buch - in Wioletta Gregs Schreiben liegen eine Frische und Wahrhaftigkeit, die mich an Elena Ferrante und Tove Jansson erinnern."
Carys Davies

"Gregs meisterhafter Roman ist bezaubernd, abwechselnd verführerisch und finster."
Kirkus Review
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