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Ein Buch für Philosophen und Wissenschaftler, dessen erster Teil ("Darstellen") die wesentlichen wissenschaftstheoretischen Grundlagen und Ansätze behandelt (Objektivität, Realismus, Positivismus, Pragmatismus u. a.). Der zweite Teil ("Eingreifen") bietet eine Einführung in die philosophischen Probleme des Experiments und der Beobachtung mit vielen Fallbeispielen aus Physik, Biologie, Chemie. Es zeigt sich, daß Experiment und Theorie voneinander unabhängig sein können. Das hat Folgen für ein adäquates Verständnis des wissenschaftlichen Realismus.

Produktbeschreibung
Ein Buch für Philosophen und Wissenschaftler, dessen erster Teil ("Darstellen") die wesentlichen wissenschaftstheoretischen Grundlagen und Ansätze behandelt (Objektivität, Realismus, Positivismus, Pragmatismus u. a.). Der zweite Teil ("Eingreifen") bietet eine Einführung in die philosophischen Probleme des Experiments und der Beobachtung mit vielen Fallbeispielen aus Physik, Biologie, Chemie. Es zeigt sich, daß Experiment und Theorie voneinander unabhängig sein können. Das hat Folgen für ein adäquates Verständnis des wissenschaftlichen Realismus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.1996

Im Anfang war die Tat
Für Ian Hacking verbürgt das Experiment die Wirklichkeit

Vor einigen Jahren veröffentlichten zwei britische Forscher in der Zeitschrift "Nature" ein Pamphlet, in dem sie Wissenschaftstheoretiker beschuldigten, für die finanzielle Misere der Grundlagenforschung verantwortlich zu sein. Die Philosophen hätten den wissenschaftlichen Anspruch diskreditiert, die Wahrheit über die Welt herauszufinden. Zu den Übeltätern zählte Karl Popper mit seinem Prinzip des Mißtrauens gegen Theorien. Außerdem Thomas Kuhn, der 1962 irrationale Paradigmenwechsel im Kern der Wissenschaftsgeschichte entdeckte. Und natürlich der Methodenhasser Paul Feyerabend. Ihr Einfluß soll dazu geführt haben, daß sich in der Öffentlichkeit das Gespenst des Antirealismus ausgebreitet hat - es gibt keine Wirklichkeit, nur viele Versionen von ihr. Die beiden aufgebrachten Briten sahen darin den Grund für gekürzte Forschungsetats - denn warum sollte die Gesellschaft in eine so zweifelhafte Sache viel Geld investieren?

Wenn man dem kanadischen Wissenschaftstheoretiker Ian Hacking glaubt, handelt es sich bei dem Streit um Realismus und Antirealismus nur um ein Scheingefecht. In seiner "Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften" erklärt er, daß die Idee einer einheitlichen, objektiv die Welt abbildenden Naturwissenschaft stets nur eine Legende gewesen sei, ein Sonntagskleid für die alltägliche unansehnliche Forschungsarbeit. Nach Hacking bedeutet das aber gerade die Chance, einen Realismus ohne die alten Kinderkrankheiten zu entwickeln. Für ihn kommen nicht die Bilder zuerst, die wir uns von der Welt machen, sondern unser Handeln in ihr. Was aber tun die meisten Naturwissenschaftler in der Welt? Sie experimentieren. Das Experiment ist für Hacking der Grundstein einer neuen rationalen Wissenschaftstheorie, die den spekulativen Spiegelfechtereien entkommen will.

Hackings bevorzugtes Beispiel ist dabei das Elektron. Für manchen Wissenschaftstheoretiker existiert es nicht, da es nicht direkt beobachtet werden kann. Für Hacking ist ein solches Argument Unsinn. Elektronen existieren - nicht nur, weil sich ihre Ladung messen läßt. "Wichtiger ist, daß man allmählich die Möglichkeit erhält, die theoretische Entität zum Gegenstand von Handlungen zu machen." So kann man Elektronen versprühen, um bestimmte Wirkungen zu erreichen. Es mag verschiedene Erklärungen für die Effekte geben - doch das ändert nach Hacking nichts an der Existenz dieser Partikel: "Wenn man sie versprühen kann, sind sie real."

Die Idee, Experimente seien die eigentliche Brücke zu einem haltbaren Realismus, führt Hacking in zwei Schritten aus. Zunächst untersucht er in dem ersten Abschnitt "Darstellen" philosophische Antworten auf die Frage, ob solche Dinge wie Quarks, Schwarze Löcher oder eben Elektronen ebenso wirklich wie "Zehennägel, Turbinen, Flußstrudel und Vulkane" sind oder nur Konstrukte naturwissenschaftlicher Modelle. Einander widersprechende Theorien über solche Gegenstände müßten nicht dazu führen, ihre Existenz zu bezweifeln. Im zweiten, "Eingreifen" genannten Teil des Buches entwickelt Hacking dann seine Theorie des Experiments. Dazu kommen Fallbeispiele aus der Wissenschaftsgeschichte, die zeigen sollen, daß Versuche nicht allein Hilfsmittel theoretischer Modelle sind, sondern einen eigenständigen Zugang zur Realität erlauben.

Allerdings ist das Experiment heute kein so selten diskutiertes Thema mehr wie 1983, als Hackings Buch auf englisch erschien. Leider wurde die "Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften" für die deutsche Übersetzung weder überarbeitet noch mit einem ergänzenden Vorwort versehen; nur ein paar zusätzliche Literaturhinweise hat Hacking am Schluß angefügt. Auch steht die Sprache nicht mehr so im Zentrum der Philosophie, wie Hacking sagt - heute sind es eher Geist und Bewußtsein. Neue Ansätze des Konstruktivismus, der Wissenschaftssoziologie, der Neurowissenschaften oder der Metaphysik kommen nicht vor. HUBERTUS BREUER

Ian Hacking: "Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften". Aus dem Englischen von Joachim Schulte. Reclam Verlag, Stuttgart 1996. 479 S., br., 19,- DM.

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Jedem, der wissen will, was moderne Philosophie der Naturwissenschaften bedeutet, ist das Buch zu empfehlen. Die Thematik ist aktuell, wenn auch nicht ganz leichte Kost; der Zugang zum Thema wird durch eine einfache, unkomplizierte Sprache und ein umfangreiches Literaturverzeichnis erleichtert. Badisches Tagblatt