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Uns ist der Sinn abhandengekommen. Was tun? Wo suchen? In unserer Kultur haben die traditionellen Wertesysteme ihre Orientierungskraft eingebüßt. Wir fühlen uns von der Vielfalt der Möglichkeiten überfordert. Im Mittelalter war Gott der Sinnstifter. In der Antike leiteten die Götter ihre Lieblinge. Die so Geführten empfanden Dankbarkeit - die Welt leuchtete für sie. Können wir dieses homerische Staunen wiederfi nden? Ja, meinen die Philosophen Hubert Dreyfus und Sean Dorrance Kelly. Sie betrachten die Geschichte der westlichen Literatur - darunter Homer, Dante, Melville und David Foster…mehr

Produktbeschreibung
Uns ist der Sinn abhandengekommen. Was tun? Wo suchen? In unserer Kultur haben die traditionellen Wertesysteme ihre Orientierungskraft eingebüßt. Wir fühlen uns von der Vielfalt der Möglichkeiten überfordert. Im Mittelalter war Gott der Sinnstifter. In der Antike leiteten die Götter ihre Lieblinge. Die so Geführten empfanden Dankbarkeit - die Welt leuchtete für sie. Können wir dieses homerische Staunen wiederfi nden? Ja, meinen die Philosophen Hubert Dreyfus und Sean Dorrance Kelly. Sie betrachten die Geschichte der westlichen Literatur - darunter Homer, Dante, Melville und David Foster Wallace -, und plädieren für einen säkularen Polytheismus, in dem sich der Mensch nicht als bedingungslose Urheber seiner Handlungen versteht, sondern sich der Welt öffnet.
Autorenporträt
Hubert Dreyfus, geboren 1929 in Terre Haute, Indiana, lehrt Philosophie in Berkeley. Er schrieb Bücher über Heidegger und Foucault und gilt als zentraler Vermittler zwischen der analytisch geprägten amerikanischen Philosophie und den kontinentaleuropäischen Strömungen des 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nach der Lektüre von "Alles, was leuchtet" geht Rezensent Thomas Steinfeld mit den beiden Philosophen Hubert Dreyfus, Professor für Philosophie an der Universität Berkeley und Sean Dorrance Kelly, Dekan der Abteilung für die Philosophie an der Universität Harvard, hart ins Gericht. Dabei wollten die beiden doch gar nicht mehr, als unsere verlorene, durch die Aufklärung gepeinigte Generation in ein "Universum der heiligen, leuchtenden Dinge" zu führen, informiert der Kritiker. Schon allein, dass die Autoren den depressiven Schriftsteller David Foster Wallace als Beweis für das hoffnungslose Dasein in der Gegenwart anführen, missfällt Steinfeld. Wenn das Philosophen-Duo in seinem esoterischen Kampf für einen säkularen Polytheismus dann aber auch noch Martin Heidegger als "Trainer des self enhancements" aufführt oder den Griechen jede Form von Hinterlist und Tücke absprechen, platzt dem Kritiker endgültig der Kragen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.07.2014

Esoterischer
Unfug
Lust am Massenwahn: Hubert Dreyfus und
Sean Dorrance Kelly wollen uns mit Sinn versorgen
VON THOMAS STEINFELD
Die Frage, ob das Leben einen Sinn habe, ist eine Angelegenheit voller Tücke. Denn sie ist eigentlich keine Frage, sondern ein Bekenntnis. Sie setzt voraus, dass es jenseits dessen, was man so „Leben“ nennt, also der Gesamtheit der Verrichtungen, denen man von morgens bis abends nachgeht, etwas anderes gebe, etwas ebenso Unspezifisches, Unbedingtes wie Gewaltiges, auf das hin sich dieses Leben zu richten habe. Und diese Autorität ist nicht verschwunden, wenn man die Frage mit „nein“ beantworte. Ein „Nein“ bedeutet ja lediglich, dass da einer ist, der diese Autorität nicht hinnehmen will. Dass es die Möglichkeit eines solchen Sinns gibt, bleibt also unbestritten. Nähme es hingegen jemand ernst mit seinem „Nein“, müsste er anders antworten: so nämlich, dass er die Frage selber befragte, also auf ihren Grund und auf ihre Folgen hin prüfte. Und weil das selten geschieht, nimmt das Fragen nach dem Sinn des Lebens gar kein Ende. Im Gegenteil: Inmitten einer angeblich säkularen Welt scheint es den überwiegenden Teil der Menschheit zu bewegen.
  Es hat also etwas Unredliches, wenn zwei der führenden amerikanischen Philosophen behaupten, man lebe in einem „säkularen Zeitalter“, um sich im nächsten Augenblick mit einem populären Sachbuch an ein diffuses „Wir“ zu wenden, das in ein „Universum der heiligen, leuchtenden Dinge“ zurückkehren möchte. Denn entweder ist die Welt wirklich säkular, aufgeklärt und „sinnlos“, und dann gibt es dieses Bedürfnis nicht, oder sie verlangt nach Sinn und Erleuchtung, und dann ist sie nicht säkular. Und nur, wenn sie zumindest in großen Teilen nicht säkular ist, ergibt das Unternehmen der beiden Philosophen überhaupt einen Sinn: Denn Hubert Dreyfus, Professor für Philosophie an der Universität Berkeley, und Sean Dorrance Kelly, „Chair“ der Abteilung für Philosophie an der Universität Harvard, haben sich die für akademische Philosophen ungewöhnliche, nämlich missionarische Aufgabe gestellt, die Menschen zu bekehren: ihnen aus dem Leiden an „Verwirrung und Verlorenheit“ herauszuhelfen und den Weg zu weisen zu einem „erfüllten Dasein“.
  Kronzeuge für die „Traurigkeit und Verlorenheit unserer Generation“ soll ihnen David Foster Wallace sein, der „bedeutendste amerikanische Schriftsteller seiner Generation, vielleicht sogar ihr größter Geist überhaupt“. Worin die Größe dieses Geistes bestehen soll, erfährt der Leser zwar nicht. Er habe aber „einige vorherrschende Stimmungen unserer Zeit eingefangen“, versichern die beiden Philosophen, darunter die „moderne, selbstreflexive Befangenheit“. Außerdem habe er seinen Lesern gezeigt, „wie sie ein bedeutungsvolles Leben führen können“. Aber was beweist es, wenn ein depressiver Schriftsteller ein Gefühl von „Verlorenheit“ empfand? Und verstößt es nicht gegen die Grundregeln für den philologischen Umgang mit Literatur, wenn alles, was in David Foster Wallace’ Romanen steht, ohne Umstände mit den persönlichen Ansichten und Schicksalen des Schriftstellers zusammengeschlagen wird? David Foster Wallace, fürchtet der Leser bald, ist nur deshalb in diese Erweckungspredigt geraten, weil er unglücklich und prominent war und bei einem jüngeren Publikum beliebt ist.
  Warum aber sind die Menschen so traurig und verloren? Weil, so versichern Hubert Dreyfus und Sean Dorrance Kelly, sie unter einem „unablässigen Strom von Entscheidungsmöglichkeiten“ leiden. Eine Gesellschaft, in der das größte und tiefste Problem der Menschen darin bestehen soll, sich nicht entscheiden zu können, ist nun aber eine seltsam fiktive Veranstaltung. Sind denn die meisten Menschen nicht vor allem damit beschäftigt, sich irgendwie durchs Leben zu schlagen, das Geld zu verdienen, das sie für ein halbwegs manierliches Auskommen brauchen, sich um ihre Kinder zu kümmern und um ihre Eltern, und gibt es nicht Unangenehmes genug, über das nachzudenken wäre – Unangenehmes, das sich nicht abwählen lässt, weil es einfach da ist, von Hartz IV bis zum Bürgerkrieg in der Ukraine?
  Und überhaupt, für wen außerhalb einer kleinen, völlig saturierten Schicht in den westlichen Industrieländern, von der man nicht einmal weiß, ob sie überhaupt existiert, wäre denn „die Qual der Wahl“ das größte aller Probleme? Für einen Arbeitslosen in Detroit, für eine Tagelöhnerin in einem indischen „sweatshop“, für einen Flüchtling aus Somalia? Nicht nur esoterisch ist die Lehre, die da aus den berühmtesten Universitäten der Welt über den Atlantik dringt, sondern auch weltfremd, um nicht zu sagen: von Grund auf verlogen.
  David Foster Wallace bildet indessen nur das Schlusskapitel einer esoterischen Geschichtsphilosophie, die von der abendländischen Geistesgeschichte als vom zunehmenden Verlust einer „gefühlsintensiven und bedeutungsvollen Welt“ erzählt: Je geschulter der Verstand, desto größer das Unglück. Dass es dabei nicht ohne erhebliche Härten für die Fakten zugeht, liegt in der Natur der Sache. „Die Griechen der homerischen Ära lebten intensive und bedeutungsvolle Leben in steter Empfänglichkeit für die überwältigend leuchtende Präsenz der olympischen Götter. Sie waren glückliche Polytheisten“, deren Seligkeit dahinging, als die Menschen lernten, „innerlich zu weinen“ und sich also als Subjektivität der Außenwelt entgegenzusetzen. Der Christus des Neuen Testaments, Dante in der „Divina Comedia“ und Luther in der protestantischen Theologie – sie alle hätten, so die beiden Philosophen, versucht, das Auseinander von Ich und Welt zu überwinden. Es sei aber nichts anderes dabei herausgekommen als eine zunehmende „Betonung des Individuums“, bis hin zu René Descartes, der die beiden Seiten dann radikal getrennt habe.
  Der amerikanische Altphilologe und Historiker Garry Wills sorgte nach Erscheinen der Originalausgabe in einer Rezension in der New York Review of Books (7. April 2011) dankenswerterweise dafür, dass einige der abenteuerlichsten Behauptungen in diesem Werk nicht unwidersprochen blieben – die Idee etwa, die alten Griechen seien nicht selbstreflexiv gewesen, oder der aparte Einfall, Augustinus habe das Seelenleben erfunden. Garry Wills wurde daraufhin von den beiden Philosophen im selben Blatt geziehen, ihr Werk nicht verstanden zuhaben – die Kombination aus esoterischer Heilslehre und akademischem Rang bewirkte offenbar, dass die Standards einer Debatte nicht mehr eingehalten werden mussten.
  Die Aufklärung, so Hubert Dreyfus und Sean Dorrance Kelly, habe „mit ihrer metaphysischen Umarmung des autonomen Individuums nicht nur zu einem drögen, sondern auch unlebbaren Leben geführt“. Ihr gegenüberzutreten, mit einer Aufklärung über die Aufklärung, sehen sie nun als ihre Aufgabe an. Eine zumindest vorläufige Erlösung finden sie im Sport, dem „Bereich, in dem wir uns am mühelosesten zu einer heiligen Gemeinschaft zusammenfinden“, wobei der dazugehörige Fanatismus ebenso unerwähnt bleibt wie der schlichte Umstand, dass Wettkämpfe Verlierer hervorbringen, die weniger glückliche als vielmehr traurige und oft sogar wütende Menschen sind.
  Erlösung verspricht ihnen auch eine Tasse Kaffee am Morgen, falls es gelinge, sie in ein „sinnstiftendes heiliges Ritual zu überführen“. Erlösung verspreche auch Begeisterung, von der Art, die einst Martin Luther Kings Rede „I have a dream“ ausgelöst habe. An einigen Stellen dieser Empfehlungen ahnt man die Lehre von der „Zeughaftigkeit des Zeugs“ herumspuken, und von Martin Heidegger stammt vielleicht auch die Idee, man müsse an die Anfänge der Philosophie zurückkehren: „Die Götter rufen uns noch immer, aber wir haben aufgehört, ihnen zu lauschen. Sie rufen uns zu, unsere Sensibilität zu kultivieren.“ Martin Heidegger selbst dürfte allerdings kaum damit gerechnet haben, eines Tages als Trainer des „self enhancements“ auftreten zu müssen.
  So ergriffen sind die beiden Philosophen von ihrer eigenen Ergriffenheit, dass sie in ihrem Streben nach einem neuen, säkularen Polytheismus gar keine Unterscheidungen mehr machen wollen. Geschenkt, dass die alten Griechen, die homerischen eingeschlossen, über beträchtliche Erfahrungen in Hinterlist und Tücke, Betrug und Verrat, Mord und Totschlag verfügten, die ein moderner Mensch vielleicht nicht erwerben möchte. Aber was ist eigentlich mit der Begeisterung, mit der Millionen Deutsche an nationalsozialistischen Umzügen teilnahmen, weinend und bis ins in die letzte Faser mitgerissen? Was ist mit dem anscheinend völlig ungebrochenen Enthusiasmus, mit dem die Kämpfer der Isis gegenwärtig die letzten Reste eines irakischen Staats zerstören?
  Immerhin bemerken Hubert Dreyfus und Sean Dorrance Kelly noch, dass in ihrer freundlichen Empfehlung an den Leser, beherzt „in den Massenwahn einzutauchen“ ein sehr unfreundliches Problem steckt, weshalb sie, ganz am Ende des Buches und eher verstohlen, auf die Aufklärung doch nicht ganz verzichten wollen: „Nur wenn man bereit ist, sich jede Art von Rhetorik anzuhören und dabei ihre Folgen zu bedenken, lernt man zu unterscheiden, ob sie die gefährliche eines Verführers mit Vernichtungsabsichten ist und deshalb augenblicklich abgelehnt werden muss oder die einer Persönlichkeit, die unserer Unterstützung wert ist.“ Aber wie soll das gehen, wenn es am Ende nur um die „Kunstfertigkeit“ gehen soll, „auf das Heilige reagieren zu können“?
  Dieses Buch ist, in jeder Hinsicht, eine Zumutung.
Warum bloß sind die Menschen so
traurig und verloren? Leiden wir
unter zu viel Wahlmöglichkeiten?
Die beiden Philosophen
sind sehr ergriffen, vor allem von
ihrer eigenen Ergriffenheit
  
Hubert Dreyfus, Sean
Dorrance Kelly: Alles, was leuchtet. Wie große Literatur den Sinn des Lebens erklärt. Aus dem Amerikanischen von Yvonne Badal. Ullstein Verlag, Berlin 2014.
368 Seiten, 19,99 Euro. E-Book 16,99 Euro.
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"Eine leicht erzählte Odyssee durch die Weltliteratur, verfasst von zwei angesehenen amerikanischen Professoren.", Die Zeit, Elisabeth von Thadden, 26.06.2014