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Arthur Schopenhauer (1788-1860), unter den großen Philosophen einer der sprachgewaltigsten, kann als der eigentliche Erfinder der Altersweisheit gelten. Er hat seine Anhänger, und es werden immer mehr. Von ihm lassen sich Einsichten beziehen, die nicht unbedingt glücklich machen, dafür jedoch beträchtliche Gelassenheit vermitteln. Was man bekommt, wenn man auf Schopenhauer als Lebensberater setzt, davon erzählt dieses Buch. Es zeigt, dass man sich seiner Philosophie bedienen kann, ohne zum Schopenhauerianer werden zu müssen. Wer Schopenhauer liest, macht nicht automatisch eine Ausbildung zum…mehr

Produktbeschreibung
Arthur Schopenhauer (1788-1860), unter den großen Philosophen einer der sprachgewaltigsten, kann als der eigentliche Erfinder der Altersweisheit gelten. Er hat seine Anhänger, und es werden immer mehr. Von ihm lassen sich Einsichten beziehen, die nicht unbedingt glücklich machen, dafür jedoch beträchtliche Gelassenheit vermitteln. Was man bekommt, wenn man auf Schopenhauer als Lebensberater setzt, davon erzählt dieses Buch. Es zeigt, dass man sich seiner Philosophie bedienen kann, ohne zum Schopenhauerianer werden zu müssen. Wer Schopenhauer liest, macht nicht automatisch eine Ausbildung zum Menschenfeind durch, sondern wird mit Heiterkeit belohnt: "Der Heiterkeit, wann immer sie sich einstellt, sollen wir Tür und Tor öffnen: denn sie kommt nie zur unrechten Zeit."
Autorenporträt
Otto A. Böhner, 1949 in Rothenburg ob der Tauber geboren, lebt in Wöllstadt (Wetterau). Studium der Philosophie, Politologie, Soziologie und Literaturwissenschaft an den Universitäten Münster und Freiburg. Promotion mit einer Arbeit über J.G. Fichte. 1983 erschien sein erster Roman , weitere folgten. Funkarbeiten u.a. für den SWR, WDR und BR. Essays und Literaturkritiken u.a. für Die Zeit, die Frankfurter Rundschau, Neue Zürcher Zeitung und die Süddeutsche Zeitung. Mehrere renommierte Auszeichnungen, darunter der Erich-Fried-Preis 2001.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2010

Das Sein ist das Nichts

Mit ihm ist schwer ins Gespräch zu kommen: 150 Jahre nach seinem Tod macht man aus Schopenhauer einen Steinbruch, der für alles und jedes etwas hergibt. Hat er uns denn gar nichts Zusammenhängendes mehr zu sagen?

Hat er das verdient? Einhundertfünfzig Jahre nach seinem Tod ist Schopenhauer auf Ratgeber-Niveau angekommen. "Die Kunst, glücklich zu sein", "Die Kunst, recht zu behalten", "Die Kunst, zu beleidigen", "Die Kunst, alt zu werden", "Die Kunst, mit Frauen umzugehen" - so lauten jüngere Titel, Textsammlungen zumeist, die ihm Auskunft in zweitrangigen Fragen abpressen oder, wie im Falle des Glücklichseins, gar Unmögliches verlangen. "Die Welt", dieses Resümee zog der Philosoph selbst, "hat einiges von mir gelernt, was sie nie wieder vergessen wird." Aber so, im Sinne von Klugheitsregeln, die ohne Rückbindung an seine metaphysischen Grundannahmen auskommen und die man zur Not ja auch anderswo beziehen kann, war das vermutlich nicht gemeint.

Wenig ist in der Befassung mit ihm geblieben von der Erschütterung, aber auch von der Befriedigung, die frühere Leser durch seinen abgrundtiefen Pessimismus erfahren haben und der Guy de Maupassant wohl den gültigsten Ausdruck verliehen hat: "Schopenhauer hat die Menschheit mit dem Kainsmal seiner Verachtung gezeichnet, er hat das Ungeheuerlichste an Skeptizismus vollbracht, das jemals unternommen wurde. Er hat mit seinem Hohn alles durchpflügt und alles ausgehöhlt. Und heute noch leben im Geist selbst derer, die ihn schmähen, seine Gedanken fort."

Außer Feministinnen, die sich über seinen Frauenhass aufregen und diesen zur Nagelprobe auf sein ganzes Denken machen, wie neulich eine Autorin in der "Süddeutschen Zeitung", hält es heute aber niemand mehr für nötig, ihn zu schmähen. Lieber macht man, unbekümmert um denkerische Zusammenhänge, aus ihm einen Stichwortgeber, dessen scharfkantiges Profil eingebettet wird in die Watte der Lebenshilfe.

Alles nicht mehr von Interesse?

Welche Zumutung er, der den Menschen zur "Fabrikwaare der Natur" abwertet, gerade in Zeiten darstellt, in denen ans politische wie philosophische Denken immer mehr Korrektheitsansprüche gestellt werden; welche Schlüsse aus seiner so heil- wie hoffnungslosen Zustandsbeschreibung zu ziehen wären; wie er, als Lehrer des Willensprimats, der Dominanz also von Trieben und Affekten über die Vernunft, für die moderne Psychologie, deren Stammvater er ist, fruchtbar zu machen wäre; was er als mit schlagender Logik operierender Leugner der Willensfreiheit zu entsprechenden hirnwissenschaftlichen Überlegungen beisteuern könnte; inwiefern sein strikt ahistorischer Sinn zu befragen wäre, der gesellschaftlichen Fortschritt nicht nur nicht kennt, sondern auch für überflüssig erklärt, weil ja doch zu allen Zeiten dasselbe passiert; was man auch von ihm als Stilisten und Literaturkritiker lernen kann; was wir mit seiner um jede Mode unbekümmerten Unzeitgemäßheit, wie er sie praktisch in jeder Hinsicht vorlebte, heute noch oder wieder anfangen könnten und ob wir, nach so vielen Katastrophen im vergangenen und jetzigen Jahrhundert, nicht schließlich auch Ohren haben sollten für das Klagelied, das er mit nicht erlahmendem Elan anstimmt über das Leiden von Mensch und Tier und das wenig genug Anlass gibt, ihn als "Schwarzseher" zu verharmlosen; wo also, kurz gesagt, seine Humanität liegt (jedenfalls nicht immer auf der Hand) - das ist alles kaum noch von Interesse.

Stattdessen die immer gleiche Beteuerung seiner Ausnahme- oder Außenseiterstellung. Deutlich herrscht im Blick auf den, der immer aufs Ganze ging, Anekdotisches vor, das schon seit Jahrzehnten wiedergekäut wird. Wenn man die Einleitungen zu den neueren Schopenhauer-Brevieren liest, dann kann man den Eindruck bekommen, dass es im Wesentlichen nur noch darum geht, ob einem dieser Denker nicht doch irgendwie sympathisch sein könnte. Deswegen hat die Lektüre auch vor allem eines zu sein: vergnüglich.

So trägt der Umgang mit ihm betulich-verharmlosende Züge. Statt des konsequentesten, scharfsinnigsten, dabei aber, anders als Nietzsche, sich im Ton mäßigenden Denkers wird uns, wie im Kuriositätenkabinett, ein Kauz vorgeführt, dessen Patent auf die Begriffe "Wille" und "Vorstellung" allmählich erlischt. Er, der die Selbstdenker so lobte (in seiner eigenen Nähe freilich auch lieber ergebene Jünger haben wollte), wird fast nur noch paraphrasiert.

Selten aber gab es einen Philosophen, der, bei allem persönlichen Egoismus, seine eigene Existenz, seinen Leib und sein Leben nur als Gefäß für eine höhere Wahrheit betrachtet hat, die zu verkünden er von Anfang an überzeugt und getrieben war. Man könnte ihn in dieser Hinsicht fast selbstlos nennen. Das kommt in seiner späten Korrespondenz zum Ausdruck, die so manisch um Fragen der lange vermissten Anerkennung kreist und in der er fast durchweg nicht von sich, sondern von "meiner Philosophie" spricht, die sich endlich durchzusetzen beginne. Umso erstaunlicher ist es, dass er selbst zu seinem Ehrentag dorthin zurückgeholt wird, wo er sich nur notgedrungen aufhielt: in die Immanenz, ja, den Alltag.

Der unermüdliche Ludger Lütkehaus, verdienter Herausgeber, macht mit einer thematisch vage geordneten Zitatensammlung aus ihm nun sogar einen "glücklichen Pessimisten". Der Band "Ich bin ein Mann, der Spaß versteht: Einsichten eines glücklichen Pessimisten" ist eine Blütenlese, die zwar Reizvolles enthält, dieses aber so kontextlos und ohne nähere Erläuterung aneinanderreiht, dass das Ganze unmotiviert und beliebig wirkt. Den reklamierten Humor hatte Schopenhauer ja, aber er ist meistens unbeabsichtigt - das macht ihn so wertvoll. Thomas Mann nannte das "kaustisch": die grimmige Zuspitzung von Sachverhalten, deren düsterer Charakter gerade durch die Treffsicherheit der Formulierungen erträglich, ja, genießbar wird.

Es versteht sich, dass der derart Zugerichtete in einer Zeit der Ratgeberliteratur und des sich allenthalben artikulierenden Bedürfnisses nach Lebensoptimierung oder auch nur -orientierung neuerlich Konjunktur hat, freilich zu dem Preis, dass seine Negativität, die schon Jean Paul in seiner berühmten Rezension der "Welt als Wille und Vorstellung" so hoffnungslos stimmte, zur Randerscheinung verkommt, mit der man sich am Ende doch versöhnen könne.

Er redete Offenbarungen

Das 1818 in erster Auflage erschienene Hauptwerk war, das vergisst man leicht, das Produkt einer jugendlichen, vergrübelt-genialischen Konzeption, eines einzigen Gedankens: "Die Welt ist die Selbsterkenntnis des Willens." Schopenhauer schrieb später über jene Zeit: Ganz egal, auf welchen Gegenstand er geblickt habe - "er redete Offenbarungen zu mir". Zum Erweckungserlebnis wurde er dann auch selbst; man denke an seine Leser Wagner, Tolstoi, Nietzsche oder Thomas Mann. Seine Wirkung auf die Kunst, die herauszufinden die Schopenhauer-Forschung weit in ästhetische Bereiche gedrängt hat, ist nur noch ein fernes Echo. Wo wäre heute der Schriftsteller, der die bisweilen geradezu erschütternde Begegnung mit ihm noch zu feiern wüsste? Statt der unerhörten Musikalität des Systems Rechnung zu tragen und die "Welt als Wille und Vorstellung" als Sinfonie mit gewaltigsten Akkorden als Ganzes auf sich wirken zu lassen, betrachtet man Schopenhauer heute überwiegend als Steinbruch, der zu allem etwas hergibt. Ernst Ziegler nimmt sein Diktum, die Philosophie sei Einübung in den Tod, beim Wort und versammelt, nach einer instruktiven Einleitung, "Gedanken und Einsichten über letzte Dinge". Eine eigene Deutung legt Otto A. Böhmer in einem schmalen Band vor: "Schopenhauer oder Die Erfindung der Altersweisheit" bietet anderthalb Dutzend launig-pointierte, lesenswerte Essays zu wichtigen, dies- und jenseitigen Fragen. Dabei bringt Böhmer eine Leseerfahrung auf den Punkt, die wörtlich schon André Gide geäußert hat: "Schopenhauers Philosophie leuchtet unmittelbar ein; es ist, als ob man, nach langer Suchfahrt durch die Gänge eines übervollen Erkenntnismarktes, auf einmal vor dem richtigen Regal steht und weiß: Das ist es." Tatsächlich erklärt sich das System weitgehend durch sich selbst, was vielleicht mit ein Grund dafür ist, dass Schopenhauer in der von ihm so verachteten Universitätsphilosophie bis heute keine nennenswerte Rolle spielt.

So ist denn auch im Jubiläumsjahr eine gewisse publizistische Verlegenheit nicht zu verkennen. Was soll man auch groß über ihn sagen? Als hätte Schopenhauer seine Inanspruchnahme vorausgeahnt, hat er in der Einleitung seiner 1851 den "Parerga und Paralipomena" beigelegten "Aphorismen zur Lebensweisheit" ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Kategorie eines glücklichen Lebens bei ihm nur sinnvoll ist, wenn man von seiner eigentlichen, anti-weltlichen Tendenz absieht: "Ob nun das menschliche Leben dem Begriff eines solchen Daseins entspreche, oder auch nur entsprechen könne, ist eine Frage, welche bekanntlich meine Philosophie verneint. Folglich beruht die ganze hier zu gebende Auseinandersetzung gewissermaßen auf einer Akkommodation, sofern sie nämlich auf dem gewöhnlichen, empirischen Standpunkte bleibt und dessen Irrtum festhält. Demnach kann auch ihr Wert nur ein bedingter sein, da selbst das Wort Eudämonologie nur ein Euphemismus ist."

Gut leben, darunter verstand er: mit so wenig Reibungsverlusten wie möglich. Dies war das Thema des alten Schopenhauer, den dieses Jahr der frühverstorbene Franco Volpi und Ernst Ziegler in den sorgfältig herausgegebenen, aber vom Textcorpus her nicht neuen Nachlassnotizen "Senilia" weiter in den Blick gerückt haben. Ihn fasst nun auch Robert Zimmer in seiner Biographie "Arthur Schopenhauer. Ein philosophischer Weltbürger" ins Auge. Es ist das wichtigste Buch zum Todestag.

Schärfer als bisher, schärfer auch als in Rüdiger Safranskis großer Biographie "Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie" wird hier der Ost-West-Denker konturiert, der als der erste wirklich globale Kopf überhaupt erscheint, der sich von Platon und Kant nicht weniger hat inspirieren lassen als vom Buddhismus und den Upanischaden, dieser Schriftensammlung des Hinduismus. Entschieden stellt Zimmer den Moralisten in eine Reihe mit Montaigne, Gracián und Chamfort und sieht, in dieser Hinsicht, in ihm eher einen Schriftsteller, der dem deutschen Idealismus freilich eine naturwissenschaftliche Wappnung vorausgehabt habe, die sein Denken weniger spekulativ gemacht habe. In dieser Perspektive werden die "Aphorismen zur Lebensweisheit" zum heimlichen Hauptwerk, das aus der bildungsbürgerlichen Bücherecke herausgeholt und als sprachliches wie gedankliches Meisterwerk ausgewiesen wird. Auch was die Metaphysik betrifft, sieht Ziegler ihn als Rationalisten: als Diagnostiker, nicht als Propagator des Willens.

Wieso ist es so schwer (geworden), mit Schopenhauer ins Gespräch zu kommen? Wie ein schwarzes Loch saugt seine Negativität alles an und verschluckt am Ende sogar die Sprache. Im berühmten Schlussakkord der "Welt als Wille und Vorstellung" sieht er ungerührten, eisigen Blickes ins Nichts: "Wir bekennen es vielmehr frei: Was nach gänzlicher Aufhebung des Willens übrig bleibt, ist für alle die, welche noch des Willens voll sind, allerdings Nichts. Aber auch umgekehrt ist denen, in welchen der Wille sich gewendet und verneint hat, diese unsere so sehr reale Welt mit allen ihren Sonnen und Milchstraßen - Nichts."

EDO REENTS

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