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Friedrich Hielscher, Publizist und Privatgelehrter, trat schon in seiner Schulzeit einem Freicorps bei, verweigerte sich aber der Teilnahme am Kapp-Putsch. Er studierte Jura in Berlin und Jena, gab seine Tätigkeit am Berliner Kammergericht aber nach kurzem wieder auf. Hielscher, der zu seinen Bekannten Elisabeth Förster-Nietzsche, Oswald Spengler und Theodor Heuss zählte, war einer der ersten Autoren der von Jünger mitherausgegebenen Zeitschrift »Arminius«. Von da an arbeiteten beide, wenn auch nur temporär, im Rahmen der nationalrevolutionären Publizistik zusammen. Hielschers Philosophie, die…mehr

Produktbeschreibung
Friedrich Hielscher, Publizist und Privatgelehrter, trat schon in seiner Schulzeit einem Freicorps bei, verweigerte sich aber der Teilnahme am Kapp-Putsch. Er studierte Jura in Berlin und Jena, gab seine Tätigkeit am Berliner Kammergericht aber nach kurzem wieder auf. Hielscher, der zu seinen Bekannten Elisabeth Förster-Nietzsche, Oswald Spengler und Theodor Heuss zählte, war einer der ersten Autoren der von Jünger mitherausgegebenen Zeitschrift »Arminius«. Von da an arbeiteten beide, wenn auch nur temporär, im Rahmen der nationalrevolutionären Publizistik zusammen. Hielschers Philosophie, die sich an der Formulierung einer »heidnischen« Theologie versuchte, mündete schon früh in die Gründung einer politisch-religiösen Sekte - der »Unabhängigen Freikirche UFK«.
Aus dem epochalen Nachlass Ernst Jüngers liegt nun die Korrespondenz mit Friedrich Hielscher vor. Obwohl die intellektuelle Beziehung der beiden Männer spannungsreich war und durch »Wohlgefallen und Mißbehagen« zugleich geprägt war, setzte sich der in den Zwanziger Jahren begonnene Briefwechsel fort bis zu Hielschers Tod 1990.
Dem Umfang nach nimmt die Korrespondenz einen mittleren Rang ein. Ihre Bedeutung gewinnt sie indes aus dem Umstand, dass sie zu mehr als einem Drittel aus Briefen besteht, die zwischen 1927 und 1933 gewechselt wurden, also aus jenen Jahren stammen, in denen die politische Publizistik Ernst Jüngers ihren Höhepunkt erreichte. Da andere Korrespondenzen aus der Zeit entweder als vernichtet gelten müssen oder nur mehr in Abschriften vorliegen, stellen die mit Hielscher gewechselten Briefe ein einzigartiges Dokument dar, das tiefe Einblicke in die Ideenwelt und das Beziehungsnetz ermöglicht, in denen sich Jünger zur Zeit seines intensivsten politischen Engagements bewegte.
Autorenporträt
Ernst Jünger, am 29. März 1895 in Heidelberg geboren. 1901-1912 Schüler in Hannover, Schwarzenberg, Braunschweig u. a. 1913 Flucht in die Fremdenlegion, nach sechs Wochen auf Intervention des Vaters entlassen 1914-1918 Kriegsfreiwilliger 1918 Verleihung des Ordens »Pour le Mérite«. 1919-1923 Dienst in der Reichswehr. Veröffentlichung seines Erstlings »In Stahlgewittern«. Studium in Leipzig, 1927 Übersiedlung nach Berlin. Mitarbeit an politischen und literarischen Zeitschriften. 1936-1938 Reisen nach Brasilien und Marokko. »Afrikanische Spiele« und »Das Abenteuerliche Herz«. Übersiedlung nach Überlingen. 1939-1941 im Stab des Militärbefehlshabers Frankreich. 1944 Rückkehr Jüngers aus Paris nach Kirchhorst. 1946-1947 »Der Friede«. 1950 Übersiedlung nach Wilflingen. 1965 Abschluß der zehnbändigen »Werke«. 1966-1981 Reisen. Schiller-Gedächtnispreis. 1982 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt/Main.1988 Mit Bundeskanzler Kohl bei den Feierlichkeiten des 25. Jahrestags des Deutsch-Französisch

en Vertrags. 1993 Mitterrand und Kohl in Wilflingen. 1998 Ernst Jünger stirbt in Riedlingen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.1999

Mythologien
Briefe von Ernst Jünger und Carl Schmitt · Von Lorenz Jäger

In dem Roman "Der Junker von Ballantrae" schildert Robert Louis Stevenson einen Bruderkampf. Die beiden stehen auf den feindlichen Seiten einer Bürgerkriegsfront: der erstgeborene James auf der des jakobitischen Kronprätendenten "Bonnie Prince Charlie", Henry auf der von König Georg II. Ein furchtbarer Bruderhaß ist das Resultat, ein Verhängnis, das am Ende beide mit sich reißt. Bertolt Brecht las das Buch 1925 und bewunderte die Technik, mit der ein Mann aus dem Blickpunkt eines Mißgünstigen geschildert wird: "Diese Lebensbeschreibung hat der Feind geschrieben." Walter Benjamin empfahl kommentarlos den "Junker" 1934 seinen emigrierten Freunden. Und am 23. August 1931, als in Deutschland die politische Zerrissenheit den höchsten Grad erreicht hat, meldet Ernst Jünger an Carl Schmitt, er habe den Roman "mit großer Spannung" gelesen. Nur eine einzige Darstellung kenne er, mit der der "Junker" zu vergleichen sei: "Das Faß Amontillado" von Edgar Allan Poe. Bürgerkrieg und Terror haben in die literarische Geschmacksbildung Einzug gehalten.

Der Briefwechsel der beiden Rechtsintellektuellen beginnt im Krisenjahr 1930 und endet im Juli 1983. Nach einer großen Pause in den sechziger Jahren, als die Freundschaft erschöpft schien, schwingt er in den letzten Jahren in Alters- und Sterbensreflexionen weit aus, und man wird ihn deshalb zu den glücklichen Korrespondenzen zählen dürfen, trotz nagender Bitterkeit gegenüber seinem Briefpartner, die aus Schmitts Aufzeichungen des "Glossariums" spricht. Wenn der eine Spannungsbogen der Korrespondenz vom Weltbürgerkrieg und seinen Vernichtungsprogrammen gebildet wird, so ist der andere durch die Frage bestimmt, welche Erkenntnisse der Mythos noch bereithält.

In der ersten Nachkriegszeit realisiert vor allem Jünger den Abstand zu einer Welt, deren Selbstverständnis nunmehr von der Wissenschaft geprägt ist. Er schreibt ein Werk über die Astrologie - "An der Zeitmauer" -, zu dem ihm Schmitt fachkundigen Rat gibt. In den siebziger Jahren finden sich zahlreiche Briefe, in denen der mythenfreie Zustand der technischen Welt am Beispiel der Verkehrstoten verhandelt wird. Jünger verliert Freunde bei einem Flugzeugabsturz. Man muss an Andy Warhols Serie der "Car Crash"-Bilder denken, um die Aktualität dieser Briefe zu erkennen.

Zu Beginn der Korrespondenz trat Jünger als Denker des Krieges auf. "Der Rang eines Geistes wird heute durch sein Verhältnis zur Rüstung bestimmt", schrieb er an Schmitt, nachdem er dessen "Begriff des Politischen" empfangen hatte. Und die Lektüre des katholischen Rebellen Leon Bloy, in der sich beide treffen, wird von Jünger genauer akzentuiert: "Ich bin gerade dabei, die Kriegserinnerungen von Bloy zu lesen; sie sind deshalb aufschlussreich, weil er sich auf diesem Gebiete weniger gut verbergen kann." Aber es ist eben dieses kriegerische Standesempfinden, das mit seinem eigenen Ethos Jünger eine unabhängige Position gegenüber dem Nationalsozialismus ermöglicht, ihn immunisiert.

Schmitt dagegen identifiziert sich mit dem neuen Regime. 1934 schreibt er nach dem "Röhm-Putsch" die berüchtigte Abhandlung "Der Führer schützt das Recht". Welche Konflikte danach auftraten, lässt sich nur indirekt erschließen: "Die zunehmende Politisierung und die wachsende Bösartigkeit des Gespräches waren für mich, obwohl nicht unerwartet, doch recht aufschlussreich", schreibt Jünger nach einem Treffen im November 1934. Der zweite große Konflikt, der in der Nachkriegszeit einsetzt, betrifft die "Exterminierung der Juden" (Jünger am 10. Februar 1945). Schmitt hat sich hier zu klaren Einsichten nie bereit finden können und Jüngers literarische Schilderung der verfolgten "Parsen" in dem Roman "Heliopolis" mit einem Spott übergossen, der die Freundschaft an den Rand des Bruchs führte.

In dem Verständigungscode der Briefe fehlt jede Erwähnung der offiziösen deutschen Literatur der Zeit. Schmitt erinnert Jünger an Theodor Däubler und an den Katholiken Konrad Weiss. Es sind esoterische dichterische Positionen, auf die sein definierendes Ingenium angewiesen war. Einmal erwähnt Jünger ein Gespräch mit Hans Grimm. Ansonsten ist es ausschließlich die internationale Moderne, die verhandelt wird: Malraux, Wittgenstein, Michaux, Hemingway, Céline; immer wieder auch die dekadenten Phantasten der Grausamkeit.

Aus ihren Werken teilt man sich Sentenzen, Verse und Vignetten mit. Unter den Künstlern, die besprochen werden, sind Charles Méryon mit seinen unheimlichen Bildern vom Paris des neunzehnten Jahrhunderts, Hieronymus Bosch und Alfred Kubin. "Die Tiere stehen bei Bosch noch vollkommen in der mittelalterlichen Welt, die aus zwei Hälften besteht, von denen jede ihre Mannigfaltigkeit besitzt. Auf diesem Bilde stellt die Reihenfolge der Tiere vom Vordergrund zum Hintergrund eine fortschreitende Annäherung an das Böse dar", schreibt Jünger 1933 aus Köln. Es gibt in Schmitts Staatstheorie Elemente, die mit solchen Beobachtungen korrespondieren. Seine Auseinandersetzung mit dem "Leviathan" von Thomas Hobbes gilt einem politischen Symbol, einem Mythos, dem Bild des Staates als großes Seeungeheuer, dem der Behemoth, das Tier der Landmächte, gegenübersteht. Das Bild ist biblisch, Schmitt kann es nicht aufrufen, ohne antisemitischen Phantasmagorien Raum zu geben, in denen eine ins Unheimliche verfremdete Kabbala und moderner Liberalismus zu einer staatsfeindlichen Kraft verschmelzen. Während der Arbeit an dem Buch meldet er Jünger, den preußischen Staatsrechtler Julius Stahl - einen geborenen Juden, der konvertierte - im Wolfenbütteler Archiv "stellen" zu wollen.

Anders als der beweglichere Jünger, dem sich der Ausweg des Reisens eröffnet, zieht sich Schmitt in die Figuren zurück, in denen er sich wie in einem Gehäuse niederlässt. Sie werden ihm zu Schutzpatronen und Identifikationsträgern wie Melvilles Benito Cereno - der vermeintliche Kapitän, der in Wahrheit zur Geisel von Kriminellen wird. Sie verwandeln sich geradezu in persönliche Feinde, die er besessen verfolgt, wie eben Julius Stahl, in dessen Lehre er jüdische Zersetzung wittert, oder in Schreckbilder wie der biblische Vogel Zitz, auf den er zurückgreift, als die Luftangriffe einsetzen. Schmitt war ein Gefangener seiner Mythen.

1976 kommt er in einem denkwürdigen Zusammenhang auf die Kabbala zurück. In den "Publikationen des Walter-Benjamin-Freundes Gershom Scholem" glaubt er, "neues grünes Licht" für seine Deutung des Leviathan lesen zu können. "Übrigens könnte ich mir denken", schreibt er an Jünger, "dass Scholems Buch ,Walter Benjamin - die Geschichte einer Freundschaft' (Suhrkamp 1975) Sie aus mehreren verschiedenen Gründen interessiert - vor allem in der Erinnerung an die Berliner Zeit der letzten Monate des Jahres 1930 und Anfang 1931." Jünger wiederum hatte in den siebziger Jahren mit Scholem Kontakt aufgenommen, weil er mit dessen Bruder Werner, der in Buchenwald ermordet worden war, gemeinsam in Hannover die Schule besucht hatte. "Es trifft sich", antwortet er auf Schmitts Hinweis, "daß ich vor kurzem mit ihm eine Korrespondenz über die Kabbala hatte - sie betraf die Unvollkommenheit der Schöpfung, die dort eine große Rolle spielt." Gern wüßte man, ob Scholems Briefe an Jünger verloren sind - die neue Ausgabe, von Itta Shedletzky kürzlich im Verlag C. H. Beck herausgegeben, erwähnt sie nicht -, oder ob sie aus literaturpolitischen Erwägungen dort unveröffentlicht blieben. Man hätte dann einen unschönen Parallelfall zur Editionspolitik der sechziger Jahre, als der Brief Benjamins an Carl Schmitt, der die Übersendung des Trauerspielbuches begleitete, schlicht verschwiegen wurde.

Den etwa vierhundertfünfzig Seiten, die der Briefwechsel einnimmt, steht ein ebenso umfangreicher Kommentar gegenüber, der viele Zusammenhänge erschließt. Unverständlich aber bleibt, dass auf ein Namensregister verzichtet wurde. Und egal, was man sucht - man wird nicht umhin kommen, neunhundert Seiten von vorn nach hinten durchzublättern. So hat die minimale Einsparung einer studentischen Hilfskraft in diesem Fall zu einer maximalen Entwertung der Gesamtedition geführt.

Ernst Jünger / Carl Schmitt: "Briefwechsel 1930 - 1983". Herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort von Helmuth Kiesel. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1999. 893 S., geb., 78. - DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als Briefpartner, nicht als Brieffreunde bezeichnet Rezensent Ralf Berhorst beide Männer, die unterschiedlicher kaum hätten sein können. Hier der kühle Insektensezierer und Geostratege Ernst Jünger, dort der neuheidnische Kirchengründer Friedrich Hielscher. Kennen gelernt haben sie sich Ende der 1920er Jahre, als beide "tief verstrickt" waren in die vielfältigen rechts-nationalen Lager. Besonders diese erste Zeit des Briefwechsels, so Berhorst, sei eine Bereicherung in Hinblick auf Jüngers politische Publizistik. Die "geopolitischen Phantasien" der Briefpartner kulminierten 1929 in Jüngers Vorschlag eines programmatischen Briefwechsels zum "modernen Nationalismus". Nach 1933, betont Berhorst, haben sich beide vom Naziregime distanziert, die Briefe enthalten soagr "unvorsichtige Äußerungen". Insbesondere zwei Dinge mache die Korrespondenz deutlich, so der Rezensent, wie "brüchig" die Weimarer Demokratie war, und auf welche Weise Ernst Jünger sich von seinen frühen rechtsterroristischen Ideen verabschiedet habe. Über den politischen Widerstand von Hielschers Freikirche hingegen sei kaum etwas zu erfahren in einer insgesamt "vorzüglich kommentierten" Ausgabe.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.05.2008

Eine andere Disziplin
Keine Brieffreundschaft: Martin Heidegger und Ernst Jünger
Die Herren hatten sich wenig zu sagen. Der Abdruck ihrer Briefe aus fünfundzwanzig Jahren füllt nicht einmal neunzig Seiten. Zusammengebracht hatte sie überhaupt nur ein Verleger, der sie für ein Projekt zu gewinnen suchte, aus dem dann nichts wurde. Fortan ließen sie den Kontakt nie abreißen, aber es wurde keine Brieffreundschaft von Gleich zu Gleich daraus. Martin Heidegger und Ernst Jünger sahen sich nach 1945 in mancherlei Hinsicht in ähnlicher Rolle. An der projektierten Zeitschrift wollte Heidegger nicht mitarbeiten, weil er, wie er Juni 1949 an Jünger schrieb, der „inzwischen schlauer gewordenen Rachsucht nicht das Letzte zum Fraß vorwerfen” wollte, die „Diktatur der Öffentlichkeit” lasse sich „innerhalb ihrer selbst nicht brechen”. Der soldatisch geprägte Schriftsteller antwortet: „Ihre Lagebeurteilung trifft wohl das Richtige.”
Dennoch gedachte der Philosoph nicht, sich des längeren bei der Lagerbeurteilung aufzuhalten. Wie Jüngers Freund Carl Schmitt im sauerländischen Plettenberg vergrämt konstatierte, betrieb Martin Heidegger sorgfältig sein Comeback, ebenso tat es Gottfried Benn und bald auch Ernst Jünger. Von der weltberühmten Viererbande, die im besetzten Deutschland zunächst Publikationsverbot hatte, war nur Jünger nicht auf Hitler hereingefallen. Er hatte den anderen voraus gehabt, dass er die Nationalsozialisten kannte, bevor sie zur Macht kamen. Dieser Vorzug verschaffte ihm jetzt gegenüber den durchaus von ihm als überlegen empfundenen Geistesgrößen die Chance frischer Unbekümmertheit. Er wirkt da wie d’Artagnan in der Gesellschaft der drei Musketiere Arthos, Portos und Aramis.
Kumpanei und Contenance
Heideggers freundlichkeitsgetränkte Zurückhaltung gerade auch dann, wenn Jünger vermeintlich gemeinsame Ressentiments aktivieren will – so wiederholt mit Abfälligem über Karl Jaspers – ist nun aber doch verwunderlich. Der Philosoph hatte sich fast die ganzen dreißiger Jahre hindurch intensiv mit Jüngers Buch „Der Arbeiter” beschäftigt, seine Aufzeichnungen dazu füllen einen stattlichen Band in der Werkausgabe. In dieser Zeit hatten beide eine Zeit lang nah beieinander gelebt: Jünger in Überlingen, Heidegger in Freiburg beziehungsweise Messkirch. Aber offensichtlich hatten sie keine Lust, einander kennenzulernen.
Äußerlich änderte sich das nun im Zuge ihres Bemühens, im geistigen Leben der Zeit wieder Fuß zu fassen, innerlich führte das nicht weit. Benn, Schmitt, Heidegger und Jünger betrieben mit Fleiß die weltgeschichtliche Überhöhung des Jahres 1933 als eines entscheidenden Augenblicks deutscher Geschichte: Je größer der Eindruck des Augenblicks, umso verzeihlicher ihr Irrtum bei der Deutung desselben. Ernst Jünger, der das nicht gemusst hätte, spielt da mit, wenn er im Sommer 1966 an einen französischen Briefpartner schreibt (eine Kopie geht an Heidegger), er schätze den Philosophen „nicht nur seines Werkes wegen, sondern auch deshalb, weil er sich politisch exponiert hat, während es billiger gewesen wäre, das nicht zu tun.” Da war aber in Deutschland auch schon die Studentenbewegung unterwegs, und die Herren ahnten wohl, dass es jetzt wirklich eng für sie werden könnte.
Heidegger hatte an Jünger eigentlich nur „Der Arbeiter” interessiert. Das kommt besonders krass in dem Brief aus dem August 1968 zum Ausdruck, in dem er das ihm zugesandte Buch „Subtile Jagden” das nächst dem „Arbeiter” „am besten geglückte Buch” nennt, „das Sie je geschrieben haben”. Bis dahin hatte Ernst Jünger immerhin die „Marmorklippen” und die „Strahlungen” veröffentlicht. Aber Martin Heidegger, der zu jener Zeit seine Freundschaft mit René Char pflegte, war belletristisch wohl Besseres gewohnt.
So ist dieser Briefwechsel zwischen ungleichen Partnern, von denen der jüngere, Jünger, cochon et frère spielen will, während der ältere Contenance und Liebenswürdigkeit strapaziert, nicht frei von komischen und tragikomischen Stücken. Jünger bittet Heidegger um Hilfe bei der Übertragung einer Stelle im Rivarol. Heidegger sendet ihm ein Opusculum, in dem er beginnend mit Aristoteles heideggert, wie es der genialste Parodist nicht schöner könnte. Die Briefe wechselten selten flugs hin und her. So kommt es, dass wie in einem Vaudeville auf das Kondolenzschreiben Heideggers zum Tod von Jüngers erster Frau Gretha der Glückwunsch zu Jüngers Verheiratung mit dessen zweiter Frau Liselotte folgt.
Besonders deutlich wird die Distanz, die Heidegger zu wahren suchte, als der Schriftsteller ihm 1973 sein Jungensbuch „Die Zwille” zuschickt. Heidegger bedankt sich, verweist auf seine Zeit vor siebzig Jahren in einem erzbischöflichen Knabenkonvikt, zuerst in Konstanz, dann in Freiburg: da habe es eine „andere Struktur und Disziplin” gegeben als in Jüngers „Pension”. Hier hätte sich, auf den Ton Jünger’scher Briefe eingehend, Gelegenheit ergeben zu erzählen, wie das damals war. Auch Konviktschüler besuchten das staatliche Gymnasium. Die Aufsicht, unter der sie standen, war kaum streng zu nennen. Heidegger, der damals schon einem seiner Lebensthemen frönte, dem Angenehmen im Umgang mit dem anderen Geschlecht, musste Konstanz verlassen, weil besorgte Eltern sich über seine Beziehungen zu ihren gleichaltrigen Töchtern beschwerten. Schmitt flog aus dem Konvikt, weil er die falschen Bücher las. Das war Sünde wider den Geist. Heidegger wurde nach Freiburg verbracht, weil die heilige Mutter Kirche wegen einer Sünde wider das Fleisch auf einen Hochbegabten nicht verzichten wollte.
Das als „Briefwechsel” etikettierte Buch aus zwei Verlagen wird dadurch auf Länge gebracht, dass die gegenseitigen Festschriftbeiträge „Über die Linie” und „Zur Seinsfrage” sowie „Federbälle” nochmals zum Abdruck gelangen. Der wie reichlich daherkommende Kommentar ist leider etwas schlampig. So wird zu „Herrn Barth”, der im Brief nicht unbedeutend erscheint, angemerkt: „Jurist, Lebensdaten nicht ermittelt”. Im soeben erschienenen Briefwechsel Carl Schmitts mit seinem Schüler Ernst Forsthoff liest man im Kommentar: „Heinrich Barth (1914-1997), Rechtsanwalt und Notar, 1954-1960 Bevollmächtigter der Freien Hansestadt Bremen beim Bund, 1960-1963 persönlicher Referent des Bundeskanzlers Adenauer, 1963-1969 Staatssekretär im Bundesministerium für Familie und Jugend.” Für das, woran gegenwärtig mit viel Bohei erinnert wird, aber nicht nur dafür, ist eine solche Mitteilung erhellend. JÜRGEN BUSCHE
ERNST JÜNGER, MARTIN HEIDEGGER: Briefwechsel. Unter Mitarbeit von Simone Maier herausgegeben von Günter Figal. Klett-Cotta Verlag und Vittorio Klostermann Verlag, Stuttgart 2008. 317 Seiten, 29,50 Euro.
Martin Heidegger, Jahrgang 1889. Foto: dpa
Ernst Jünger, Jahr- gang 1895. Foto: dpa
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