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Lambert ist Zauberer, aber er ist es nicht gern. Bei einem Auftritt in Kanada lernt er Fe kennen, die ausgestorbene Tierarten erforscht. Sie geht ihm nicht aus dem Kopf. Bald muss Lambert sich entscheiden: Will er zurück in sein altes Leben in Osnabrück, wo seine Freundin auf ihn wartet - oder setzt er alles aufs Spiel und geht mit Fe in die Wildnis? Ein zauberhafter Roman über das Wesen der Liebe - und warum manchmal nur ein Trick die Rettung bringt

Produktbeschreibung
Lambert ist Zauberer, aber er ist es nicht gern. Bei einem Auftritt in Kanada lernt er Fe kennen, die ausgestorbene Tierarten erforscht. Sie geht ihm nicht aus dem Kopf. Bald muss Lambert sich entscheiden: Will er zurück in sein altes Leben in Osnabrück, wo seine Freundin auf ihn wartet - oder setzt er alles aufs Spiel und geht mit Fe in die Wildnis? Ein zauberhafter Roman über das Wesen der Liebe - und warum manchmal nur ein Trick die Rettung bringt
Autorenporträt
Lendle, JoJo Lendle wurde 1968 geboren und studierte Kulturwissenschaften und Literatur in Hildesheim, Montreal und Leipzig. Bei der DVA sind seine Romane "Was wir Liebe nennen" (2013), "Alles Land" (2011), "Mein letzter Versuch, die Welt zu retten" (2009) und "Die Kosmonautin" (2008) erschienen. "Eine Art Familie" ist sein erster Roman bei Penguin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2013

Der Doppelgänger

Romantisches Motiv, gebrochen durch Ironie: Jo Lendle übernimmt am 1. Januar den Hanser Verlag. Heute erscheint sein neuer Roman "Was wir Liebe nennen".

Wer dieser Tage zwischen München, Berlin und Köln auf Jo Lendle trifft, den lässt der Fünfundvierzigjährige nichts spüren von der großen Aufgabe, die ihm zum Jahreswechsel bevorsteht. Dann wird er Chef des angesehenen Hanser Verlags, Heimat zahlreicher Nobelpreisträger. Er aber strahlt nach wie vor diese eigenwillige Mischung aus jungenhafter Verschmitztheit und Konzentration aus. Und wenn er ins Reden kommt, über Bücher, die unbedingt geschrieben werden müssten, oder Autoren, von denen lange nichts zu hören war, dann malt er mit seinem signalrot umwickelten Arm große Kreise in die Luft.

Lendle ist mit dem Fahrrad gestürzt. Zum Glück ist nur der linke Arm verletzt, den rechten hat er in den vergangenen Monaten gebraucht. Sein Sabbatical zwischen dem Neuanfang in München und dem Weggang in Köln, wo er fünfzehn Jahre lang bei Dumont gearbeitet hat, zum Schluss als verlegerischer Geschäftsführer, hat er unter anderem genutzt, um einen Roman zu schreiben: "Was wir Liebe nennen". Heute kommt er in den Handel.

Es wird kaum Zufall sein, dass Lendle eine phantastische Doppelgänger-Geschichte erzählt. Denn bei seiner enormen Produktivität kommt einem bisweilen der Gedanke, ob er vielleicht selbst ein Double habe. 1968 in Osnabrück geboren, wurde er nach dem Studium in Hildesheim, Montreal und Leipzig erst Lektor, dann Programmleiter und vor drei Jahren schließlich Verleger - alles bei Dumont, dem Verlag, den er mit großen Autoren wie Haruki Murakami, Hilary Mantel und Michel Houellebecq sowie den jungen Schriftstellern Jan Brandt, Andreas Schäfer und Tilman Rammstedt gut aufgestellt hat. Zugleich schreibt er, der 1999 mit den Prosaskizzen "Unter Mardern" debütierte, regelmäßig und erfolgreich eigene Bücher. Die Doppelbegabung teilt er mit seinem Vorgänger bei Hanser, Michael Krüger. Und wie dieser schreibt auch Lendle morgens, noch ehe der Tag so richtig begonnen hat - oder sich auch nur seine beiden Kinder, im Teenageralter, aus dem Bett geschält haben. Abends könnte er keine Zeile zu Papier bringen, nachdem er sich den ganzen Tag kritisch, wertend und oft auch ablehnend über die Texte anderer Leute gebeugt habe, sagt er.

Lendles jüngster Held, Lambert, ein mäßig erfolgreicher Zauberer aus dem beschaulichen Osnabrück, verschlägt es auf einem turbulenten Flug inklusive Notlandung nach Kanada. Buchstäblich aus der Bahn geworfen, auch durch den Tod des Vaters, den er am Tag vor der Abreise noch beerdigt hat, stolpert Lambert in der Neuen Welt in einen amour fou mit Felicitas, genannt Fe. Die Paläobiologin mit den ungezähmten Locken versucht in Quebec eine rückgezüchtete Pferdeart auszuwildern. Für den introvertierten Illusionisten aus dem Münsterland verkörpert die Kanadierin den Inbegriff von Freiheit. Alles andere wird plötzlich unwichtig. Vergebens versuchen seine Freundin Andrea und sein Chef Lambert ihn per Telefon, E-Mail und SMS zu erreichen.

Soll er alles hinschmeißen? Die Flucht in ein neues Leben wagen? Oder doch in seine frühere Existenz zurückkehren und auf Beständigkeit setzen? "Man konnte nicht auf jedes Pferd aufspringen, das vorbeigeritten kam." Und so ringt er mit sich: "Er konnte nicht bei dieser Frau bleiben, nur weil sie neu war. Sie hatten sich durch einen Zufall kennengelernt, na und?" Doch ehe er sichs versieht, wird ihm die Entscheidung aus der Hand genommen. Denn in einer fast surrealen Landschaft stößt der Zauberer unversehens auf sein zweites Ich. Was als arg süßliche Liebesgeschichte begann, in der Lendle die romantische Idee der Polarität auf sämtlichen Ebenen durchspielt, gerät zur komödiantischen Farce. Denn das Duell seiner beiden Ichs stürzt den armen Lambert hochgradig in Verwirrung. Der brave Lambert kann kaum glauben, dass der andere Lambert, "der Löwe", tatsächlich in ihm gesteckt haben soll: "Die Frage, ob man auf sich selbst eifersüchtig sein konnte, legte sich als Schlinge um Lamberts Hirn." Die Zwei-Seelen-ach-in-einer-Brust-Story packt Lendle in märchenhaft-fremde Bilder. Was als Reisegeschichte beginnt und sich fortsetzt als Verfolgungsjagd kreuz und quer durch die kanadische Wildnis, endet im regelrechten Gemetzel zwischen Lamberts Trieb-Ich und seinem Vernunft-Ich. Das Drama eines "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" und all der Doppelgängergeschichten der düsteren Romantik, dessen sich Lendle hier bedient, wird durch den oft ironischen Ton immer wieder gebrochen. Die Moralfrage stellt sich heute eben nicht mehr wie im neunzehnten Jahrhundert.

Lendle hat ein anderes Interesse: die Liebe samt all ihren Auswüchsen des Begehrens. Ging es bei der Vertreibung aus dem Paradies um Sex oder um Erkenntnis? Was passiert, wenn man am Apfel der Versuchung nur riecht? Und warum müssen wir den Frosch, damit er sich zum Prinzen wandelt, erst an die Wand werfen? Das sind Ungewissheiten, die Lendles Protagonist ebenso verhandelt wie die Hauptfrage, ob es sich bei den großen Gefühlen, dem Rausch, der Aufregung und dem Glück, in Wahrheit bloß um biochemische Prozesse handelt. "Was wir Liebe nennen", heißt es da, wäre demnach "nichts anderes als ein Schwappen von Körperflüssigkeiten, ein aus dem Takt geratener Tanz, ein Schluckauf, letztlich, nur etwas kleiner".

In allen seinen Romanen schickt Lendle seine Helden auf Reisen, ob ins Wendland, nach Grönland oder zum Mond. Und alle Geschichten führen in den Tod. Die poetisch geschriebene "Kosmonautin" über eine Mutter, die statt ihres toten Sohns ins All fliegt, ebenso wie das Sittenbild der politisierten achtziger Jahre "Mein letzter Versuch, die Welt zu retten" und auch die lesenswerte Romanbiographie über den Klimatologen Alfred Wegener, der 1930 im grönländischen Inlandeis verschollen ist. Dagegen nimmt sich "Was wir Liebe nennen" fast positiv aus. Immerhin lässt Lendle einen der beiden Lamberts überleben. War der Doppelgänger in der Romantik ein beliebtes Schauermotiv, so steht er in der Moderne vor allem für die vielen ungeahnten Möglichkeiten der Grenzüberschreitung. Keine schlechten Aussichten für den Hanser Verlag.

SANDRA KEGEL

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rainer Moritz hätte sich gewünscht, dass der Autor mehr seinen Fertigkeiten vertraute. Die liegen laut Moritz in einem bewusst naiven Ton ohne viel Pathos. So hätte ihm die eigentlich "charmante" Geschichte eines Ausbruchs aus einer festen Lebenskonstellation und die folgende Liebesgeschichte viel besser gefallen. Da Jo Lendle, wie Moritz bedauernd schreibt, seinen Text allerdings mit Bedeutung überfrachtet und mit poetischen Miniaturen ohne erkennbaren Zweck, hat Moritz Mühe, das derart "in sich selbst verliebte" Buch wirklich gern zu haben.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.09.2013

Nimm die Zügel in die Hand
Zaubern, um dem Zauber zu entkommen: Jo Lendle erzählt in seinem Roman „Was wir Liebe nennen“
eine Ausreißergeschichte – und vergaloppiert sich dabei
VON ALEX RÜHLE
Ach, zaubern müsste man können. Aus nichts etwas schaffen. Sich selbst am eigenen Schopf aus dieser Ödnis namens Alltag ziehen. Oder, wenn das schon nicht klappt, dann eben diese Ödnis in Schönheit verwandeln. Ist nicht die Literatur die größte aller Zauberkünste? Aus Worten schafft sie Welten, die nach dem Lesen zwischen zwei Buchdeckeln verschwinden und die doch für immer in unserer Erinnerung erhalten bleiben, wirklicher oft als echte Erinnerungen. Apropos Erinnerung, noch so ein magisch Wunderding! Oder die Liebe. Genau, die ist ja wohl der Wunderhammer schlechthin. Und hört sich dieses ganze Gerede nicht ziemlich übertourt an?
  Also noch mal von vorn. Jo Lendle ist vielleicht kein Zauberer, aber doch ein Wunderkind des deutschen Literaturbetriebs: Fängt kaum als Lektor beim Dumont-Verlag an, da wird er schon Verleger. Ist kaum Chef bei Dumont, wo er ein stark konturiertes Programm macht, da wird er schon zu Hanser berufen, um dem Vollauratiker Michael Krüger zu folgen, und all das im „zarten Alter“ (Krüger über Lendle) von 45 Jahren. Derselbe Lendle schreibt aber, während er diese beeindruckende Karriere hinlegt, nebenher Romane, vier hat er veröffentlicht seit 2008, zuletzt
„Alles Land“, ein großartiges Buch über den Geologen Alfred Wegener, die Schönheit der Polarwelt und die Sehnsucht nach der Einsamkeit. Trotz dieses beeindruckenden Pensums wirkt Lendle stets tiefenentspannt, witzig, charmant. Und jetzt kommt schon wieder ein Roman. Zauberei!
  Zauberei also. Lambert. Im Leben ein Zauderer, von Beruf Zauberer, einer, der seine Tricks beherrscht, aber nicht wirklich begnadet ist. Den sein Beruf anödet, der aber nichts anderes kann. Macht er eben weiter. „Er hätte zaubern müssen, um dem Zaubern zu entkommen.“
  Der Roman hat kaum begonnen, da hebt er schon ab: Lamberts Vater ist gestorben, er war bei der Beerdigung in Osnabrück, jetzt muss er zu einem Berufskongress nach Montreal. Er nimmt den Trip von vornherein als eine „dreitägige Auszeit aus seinem Leben“, schließlich hat dieses Leben unmerklich seinen Glanz verloren. Und wie das so ist auf Reisen, plötzlich wirkt alles bunter, reicher, sinngesättigt.
  Man folgt diesem Lambert zunächst ausgesprochen gern auf seine Reise, alles beginnt so leichthändig und ist doch dicht erzählt, geschmeidige Dialoge, straffe Handlung, ein Beinahe-Absturz, eine Flugbekanntschaft, en passant eingestreute Sätze über die Liebe und die Erinnerung werden ganz unauffällig zu Leitmotiven, und ein Spielzeugpferd im Flieger wächst sich nach der Landung zu einem echten Tier aus. In Montreal lernt Lambert nämlich Fe kennen, eine Paläobiologin, die Przewalskipferde auswildert. Ihr verfällt Lambert auf Anhieb: „Lambert konnte sich nicht erinnern, schon einmal von solchen Augen angesehen worden zu sein.“
  Mit dieser Fe könnte ein neues Leben beginnen, in Kanadas Weiten Urpferde auswildern, das ist so ziemlich der wildeste Gegenentwurf zu Osnabrück und dem eigenen Alltag, in dem die Restauratorin Andrea auf ihn wartet, mit der es schon okay ist, aber soll das wirklich schon das Leben gewesen sein?
  Andererseits: alles einfach aufgeben? Geht das denn?
  Als der zögerliche Lambert nach der ersten gemeinsamen Nacht erwacht, ist Fe verschwunden und mit ihr Lamberts Kleider. Als Leser ist man in dem Moment ähnlich verwundert wie der nackte Held, denn plötzlich ist man in einem anderen Buch, Abteilung magischer Realismus, Unterabteilung David Lynch als Farce: In eine Gardine gewickelt, nimmt Lambert die Verfolgung auf. Und findet Fe wieder in einem Ort namens Hippolyte. Wer aber ist bei ihr? Er selber.
  Es gibt ihn plötzlich in zweifacher Ausführung. Einmal den alten Lambert, schlagfertig zwar, aber immer noch gehemmt. Und einmal eine Art Przewalskiversion, wild, ursprünglich, triebhaft, der Lambert, der sich Fe einfach nimmt. Einer, mit dem man Pferde nicht nur stehlen, sondern auch schlachten kann, sobald der Hunger kommt. Einer, der dem alten Lambert vom hohen Ross herab erklärt: „Du hättest dich niemals entschieden, da musste ich es in die Hand nehmen.“ So wird die alteuropäische, entscheidungsschwache Version unseres Erzählers erstmals gezwungen zu handeln. Ah, nein, sagen wir’s mit noch einer Pferdemetapher: Er muss die Zügel in die Hand zu nehmen. Damit er mit seiner Fe in einen ewigen Sonnenuntergang reiten kann.
  Am Ende wird nämlich die Zeit aufgehoben, und Lambert kann einfach in seinem Aussteigerglück bleiben, solange er will, aber da haben sich die Leser schon verabschiedet, weil das Ganze, das anfangs doch mit solch großer Leichtigkeit aufgefaltet wurde, plötzlich dermaßen klappert, als hätte Jo Lendle während seiner erzählerischen Zaubershow irgendwann keine Lust mehr gehabt auf den ganzen Hokuspokus, als hätte er im Zuschauerraum jäh das grelle Neonlicht angeknipst, den Deckel seiner Trickkiste angehoben und einem einen Einblick gegeben, den man doch gar nicht haben will: schau, hier haben wir die Pferdemetapher, die ich totgeritten habe, hier haben wir ein paar semantische Namenstricks: Hippocampus, Hippolyte, Hippopotamus, da kann man lauter Querverbindungen behaupten. Und hier, die schöne Eingangsgeschichte mit der Flugzeugbekanntschaft, die brauch ich am Ende eigentlich nur, um die Zeit anhalten zu können.
  Ach Mensch, wie schade. Als hätte sich eine Sonate unterm Spielen in eine Etüde verwandelt. Das eine ist eine Fingerübung, das andere Musik.  
Jo Lendle : Was wir Liebe nennen. Roman. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2013. 256 Seiten., 19,99 Euro.
Im Hut des Lebens sollte doch noch mehr sein: Ein professioneller, unzufriedener Zauberer ist der Held in Jo Lendles neuem Roman.
FOTO:  DDP IMAGES
  
  
Jo Lendle , Jahrgang 1968, war bis März 2013 verlegerischer Geschäftsführer im Dumont-Buchverlag, Ende des Jahres wird er die Leitung des Hanser Verlags übernehmen. FOTO: DPA
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»Immer traumgleicher wird dieses Intermezzo am anderen Ende der Welt, das für Lambert wie die Möglichkeit des Ausbruchs in ein vollkommen anderes Leben erscheint.« Neue Zürcher Zeitung