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Susan Sontag schrieb bereits 1963, jede Zeile Simone Weils lohne die Lektüre, Ingeborg Bachmann war fasziniert von der Bedingungslosigkeit der Texte Weils, Emmanuel Levinas erschreckte eben diese. Albert Camus hielt Simone Weils Werk für eine der eigenständigsten Positionen seiner Zeit. Roberto Esposito ist einer der Autoren, die in jüngster Zeit in fruchtbarer Weise auf die politische Philosophie von Simone Weil Bezug genommen haben.
Eben hier schließt der Band »Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien« an. Simone Weil stellt folgende Grundfragen: Wie ist es um die
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Produktbeschreibung
Susan Sontag schrieb bereits 1963, jede Zeile Simone Weils lohne die Lektüre, Ingeborg Bachmann war fasziniert von der Bedingungslosigkeit der Texte Weils, Emmanuel Levinas erschreckte eben diese. Albert Camus hielt Simone Weils Werk für eine der eigenständigsten Positionen seiner Zeit. Roberto Esposito ist einer der Autoren, die in jüngster Zeit in fruchtbarer Weise auf die politische Philosophie von Simone Weil Bezug genommen haben.

Eben hier schließt der Band »Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien« an. Simone Weil stellt folgende Grundfragen: Wie ist es um die Möglichkeit eines jeden Einzelnen bestellt, sein Urteil über Probleme des öffentlichen Lebens kundzutun? Wie lässt sich verhindern, dass in dem Moment, da das Volk befragt wird, dies im Klima kollektiver Leidenschaft geschieht? Unmöglich, von demokratisch-republikanischer Legitimität zu sprechen, wenn diese beiden Fragen nicht berücksichtigt sind. Offenkundig ist zunächst: eine Lösung muss von der allgemeinen Abschaffung der politischen Parteien ausgehen.

Simone Weils Plädoyer für eine generelle Abschaffung der Parteien reicht in seiner Unbedingtheit weit über den Kontext seiner Entstehung hinaus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.2009

Inneres Licht

Mit diesem Buch ließe sich auch das Gegenteil zeigen: dass politische Parteien besser nicht ganz abgeschafft werden sollten. Die kurz vor ihrem Tod 1943 in London entstandene Schrift von Simone Weil ist ein klirrend scharfes Gedankenexperiment dazu, wie unsere Meinungsdemokratien aussähen, wenn sie sich einer anderen als der tatsächlichen politischen Geschichte Europas verdanken würden. Weil spricht nicht von der angelsächsischen, sondern von der kontinentaleuropäischen Parteitradition, einer Tradition also, die die Parteidoktrin mit Spuren des Wahren, Gerechten und Guten versieht. Von diesem Gesichtspunkt her seien Parteien vom Prinzip her schlecht, weil eben partiell. Mit ihren drei Wesensmerkmalen - Produktion kollektiver Leidenschaft für Teilwahrheiten, Manipulation der individuellen Meinungsbildung, Streben nach grenzenlosem Zulauf ihrer Anhänger - sind Parteien für Weil "in Keim und Streben totalitär". Jedes Parteimitglied verfällt ihrer Auffassung zufolge zwangsläufig in den Zustand der Lüge: Lüge gegenüber der Partei, gegenüber der Öffentlichkeit oder gegenüber sich selbst, im Sinn des jeder menschlichen Seele innewohnenden "inneren Lichtes der Evidenz". Wie lässt so ein Licht sich aber ins politische Feld übertragen? Simone Weils Antwort mag naiv klingen, wenn sie statt klarer Parteilinien fluktuierende Geistesverwandtschaften je nach Sachfrage verlangt. Doch diese glasklar verfasste Schrift einer Philosophin der Bedingungslosigkeit ist ein optisches Wunderinstrument, um gleichzeitig die Parteiapparatur unserer Teildemokratien und unsere ins Private zurückverlegten Authentizitätsphantasien zu durchleuchten. (Simone Weil: "Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien". Aus dem Französischen von Esther von der Osten. Diaphanes Verlag, Zürich, Berlin 2009. 48 S., br., 10,- [Euro].) han.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2009

Im Namen des Gemeinwohls
Simone Weils Plädoyer für die Abschaffung der Parteien
Wer heute sämtliche politischen Parteien abschaffen wollte, würde rasch totalitärer Neigungen verdächtigt werden. Die Existenz mehrerer Parteien und deren geregelter Wettkampf um die Macht gelten inzwischen als wertvoll an sich. Simone Weil sah dies anders. „Die Demokratie, die Macht der größeren Zahl sind keine Güter”, heißt es in ihrer erstmals 1950, also posthum veröffentlichten „Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Partei”, die nun auch auf Deutsch vorliegt. Demokratie und Macht der größeren Zahlen seien lediglich „Mittel zum Guten, die zu Recht oder zu Unrecht für wirksam gehalten werden.”
Simone Weil, 1909 in einer liberalen jüdischen Familie in Paris geboren, schrieb die „Anmerkung” im Londoner Exil, während sie über die politische Nachkriegsordnung Frankreichs nachdachte. Im Namen der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls plädierte sie, wenige Monate vor ihrem frühen Tod im August 1943, gegen Parteien überhaupt. Diese schienen ihr durch drei Merkmale hinreichend charakterisiert: Eine Partei sei erstens „eine Maschine zur Fabrikation kollektiver Leidenschaft”, als Organisation übe sie zweitens „kollektiven Druck auf das Denken” ihrer Mitglieder aus; ihr einziger Zweck sei schließlich das eigene, unbegrenzte Wachstum. „Aufgrund dieser drei Merkmale ist jede Partei in Keim und Streben totalitär. Wenn sie es nicht in Wirklichkeit ist, dann nur, weil die anderen Parteien um sie herum es nicht weniger sind als sie.”
Die kurze Schrift ist überreich an solchen sehr klaren, sehr strengen Sätzen. Das ist eine Sprache, die zur Meditation einlädt, nicht zum Gespräch. Ein Gutes kann Weil der Existenz der Parteien nicht abgewinnen. Deren Abschaffung sei legitim und wünschenswert und könne nur gute Wirkungen zeitigen. Parteien zwängen dazu, die Öffentlichkeit, sich selbst und die Partei zu belügen. Sie seien also ein Übel: „Vertraute man die Organisation des öffentlichen Lebens dem Teufel an, er könnte nichts Tückischeres ersinnen.”
Unverzüglich wird man Weil zustimmen wollen, wenn sie darüber spottet, einer sei aufgefordert, den kommunistischen Standpunkt oder den sozialistischen oder den radikalen darzulegen. Wer auf Wahrheit aus ist, sollte sich nicht darum kümmern, ob dies mit einem bestimmten Standpunkt, einer vorgefassten Meinung konform sei. Das informative Nachwort von Thomas Macho und Helen Thein skizziert die politischen Erfahrungen Weils. Dazu gehörte der Spanische Bürgerkrieg, in dem sie die Erfordernisse des Krieges über die Ideale triumphieren sah, zu deren Verteidigung er geführt wurde. Vergleichbares, so glaubte sie, habe sich bereits in Lenins Sowjetrussland ereignet. Die Entwicklung des Gaullismus ließ Ähnliches befürchten. Darauf reagiert ihre melancholische Radikalität.
Der heutige Leser sucht unwillkürlich nach einem dritten, einem gangbaren Weg jenseits von unangefochtener Herrschaft der Lüge oder genereller Abschaffung. Ist das politische Leben tatsächlich zur Verlogenheit, zu Gruppenzwang und Hetze verdammt, solange Parteien existieren? In England scheint es anders auszusehen oder doch wenigstens einmal anders gewesen zu sein. Dort, so Weil, eigne den Parteien ein „Element von Spiel, von Sport” – ein Moment der aristokratischen Tradition und daher nicht übertragbar. Französische Parteien seien dagegen vom Ernst geprägt, wie alle Institutionen mit plebejischer Herkunft.
In Deutschland werden die Parteileidenschaften inzwischen durch programmatische Angleichung gemildert, durch das, was man „Sozialdemokratisierung” nennt. Der gegenwärtige Wahlkampf zeigt vor allem, wie schwer es fällt, politische Emotionen zu wecken, glaubwürdig Propaganda für Parteiinteressen zu betreiben. Zu allgemein ist die Vorliebe für Kompromisse und pragmatische Lösungen geworden, zu häufig scheinen Sachfragen und technokratisches Wissen wichtiger als Doktrin und Standpunkt.
Wenn Simone Weils „Anmerkung” heute dennoch berührt, dann vor allem durch den klaren Duktus, die rousseauistische Leidenschaft fürs Gemeinwohl und den ungeheuren Ernst der Argumentation. JENS BISKY
SIMONE WEIL: Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien. Aus dem Französischen von Esther von der Osten. Diaphanes Verlag, Zürich, Berlin 2009. 60 Seiten, 10 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jens Bisky stellt den 1943 entstandenen, 1950 postum im französischen Original publizierten und erst jetzt auf Deutsch vorliegenden Text von Simone Weil vor, der ihn in seiner "melancholischen Radikalität" beeindruckt hat. Wie der Titel deutlich macht, plädiert die französische Philosophin für die Abschaffung aller Parteien, da sie im "Keim und Streben totalitär" seien, lässt der Rezensent wissen. Auch wenn er sich der Forderung so nicht anschließen mag, so erklärt er sich die Haltung der Autorin aus ihren historischen Erfahrungen. Und ihn haben die Leidenschaftlichkeit, die klare Sprache und die unerbittliche Ernsthaftigkeit sehr für den Text eingenommen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Man kann sich nicht genug wünschen, dass diese 'Anmerkung' als eigenes Buch einer möglichst großen Leserschaft zugänglich gemacht wird.« André Breton