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Irène Némirovsky, Autorin des hochgelobten Welterfolgs «Suite française», beweist auch in der kleinen Form ihre literarische Größe: In ihren bewegenden Erzählungen richtet sie den Blick auf die Macht des Schicksals. Mit außergewöhnlichem Einfühlungsvermögen spürt sie den Träumen und Vorahnungen ihrer Figuren nach und zeichnet dabei ein stimmungsvolles Bild vom Paris der 1920er und 30er-Jahre. Eine geheimnisvolle Prophezeiung schickt den jungen Russen Sascha auf die lebenslange Suche nach seiner großen Liebe. Aline steht vor der gleichen folgenschweren Entscheidung, die ihre Mutter Jahre zuvor…mehr

Produktbeschreibung
Irène Némirovsky, Autorin des hochgelobten Welterfolgs «Suite française», beweist auch in der kleinen Form ihre literarische Größe: In ihren bewegenden Erzählungen richtet sie den Blick auf die Macht des Schicksals. Mit außergewöhnlichem Einfühlungsvermögen spürt sie den Träumen und Vorahnungen ihrer Figuren nach und zeichnet dabei ein stimmungsvolles Bild vom Paris der 1920er und 30er-Jahre. Eine geheimnisvolle Prophezeiung schickt den jungen Russen Sascha auf die lebenslange Suche nach seiner großen Liebe. Aline steht vor der gleichen folgenschweren Entscheidung, die ihre Mutter Jahre zuvor zu treffen hatte. Hélène wird von den Geistern der Vergangenheit verfolgt - und tut alles, um sie abzuschütteln ... Auf kleinstem Raum entwirft Irène Némirovsky das präzise Porträt einer langen, in den Mühen des Alltags erstarrten Ehe, einer zerbrechlichen ersten Liebe oder einer tiefen Freundschaft, die das Leben prägt. Vielschichtig und unberechenbar sind die Charaktere, deren Sehnsüchte und Leidenschaften sie ausleuchtet. Némirovskys Erzählungen sind packende psychologische Studien und ein mitreißendes Leseerlebnis.

Autorenporträt
Némirovsky, Irène
Irène Némirovsky wurde 1903 in Kiew geboren und kam während der Oktoberrevolution nach Paris. 1929 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, der sie schlagartig zum Star der Pariser Literaturszene machte. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs floh sie mit ihrer Familie in die Provinz, wurde jedoch 1942 deportiert und starb in Auschwitz.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Winter, Regen und Nacht prägen die Szenerien im Band "Pariser Symphonie", welcher Filmskizzen und Novellen der wiederentdeckten Schriftstellerin Irène Némirovsky (1903 - 1942) versammelt. Die Tochter eines jüdischen Fabrikanten aus Kiew floh mit den Eltern vor der russischen Revolution nach Paris - und wurde dort zur Erfolgsautorin. Ihr nächster Fluchtpunkt: Burgund, diesmal mit Mann und Kindern. Der Gestapo entkam die Familie nicht. Das Ehepaar starb 1942 in Auschwitz, die beiden Töchter überlebten. In dem ihnen anvertrauten Koffer fanden sie Némirovskys Opus Magnum "Suite française", das 2004 - mit dem Prix Renaudot gekrönt - veröffentlicht, und 2016 verfilmt wurde. Die titelgebende Filmskizze "Pariser Symphonie" erzählt von einem Musiker aus der Provinz, der, wie ein balzacscher Held, Paris erobern will. Die Geräusche der Metropole verbinden sich für ihn zum Orchesterwerk; sein Weg zur wahren Kunst ist leidvoll und lang. Andere Texte münden in Entzauberung: Barbarei, Strenge und Unbelehrbarkeit lassen die Welt erkalten, immerfort. "Die Zeit macht uns hart", lautet eines der bitteren Resümees. Unglückliche Ehen und Eltern-Kind-Beziehungen, Krieg, Exil, Verlorenheit: Némirovsky erzählt von solchen Korrosionen mit Feinsinn und Scharfblick, in modernen "Cuts".

© BÜCHERmagazin, Ingeborg Waldinger (wal)
«Eine gelungene Einführung in Némirovskys Werk. Der Band zeigt, wie sie sachliche Eleganz entwickelt, die revolutionär gewirkt haben muss, heute jedoch zeitlos vertraut vorkommt.» FAZ Frankfurter Allgemeine, Niklas Bender

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2016

Liebe und Hass wohnen hier Tür an Tür
Was der Kamerastift erfasst: Ein Erzählungssammlung zeigt Irène Némirovsky als literarische Pionierin

Seit ihr Weltkriegsroman "Suite française" 2004 posthum publiziert wurde, ist Irène Némirovsky (1903-1942) über Nacht zum modernen Klassiker geworden. Zumindest im Taschenformat gibt es eine zweibändige französische Werkausgabe, hierzulande erscheinen regelmäßig Übersetzungen - eine faszinierender als die andere. "Pariser Symphonie" präsentiert nun - nach "Meistererzählungen" (2011) - zum zweiten Mal eine Geschichtensammlung, denn die überaus produktive Schriftstellerin hat außer fünfzehn Romanen auch ein reiches Novellenwerk hinterlassen: Mehr als fünfzig hat sie zwischen 1921 und 1941 verfasst. Manesse legt nun eine Auswahl von elf Erzählungen vor, die diverse Phasen und Genres abdecken und in einem präzisen Nachwort erläutert werden: eine gelungene Einführung in Némirovskys Werk.

Zwei Jungen, die in einem verlassenen Zimmer Umgang mit Spukgestalten haben und den ehemaligen Familiensitz Monjeu mental besuchen: Der Einstieg mit "Die Geister", einer phantastischen Erzählung im Stil Théophile Gautiers, überrascht. Auf den zweiten Blick ist das Geschehen psychologisch plausibel, verweist es doch auf die bessere Vergangenheit ihrer Mutter Hélène, die sich in einer beengten kleinbürgerlichen Existenz zurechtfinden muss; für sie hat "die Stunde der Reue" geschlagen. Gewohnt hingegen ist Némirovskys kaustischer Stil, der die Situation knapp und schmerzhaft einätzt: "Es gibt Existenzen, die, wenn sie zu Ende gehen, einem den Geschmack von kaltem Kalbfleisch im Mund hinterlassen, nahrhaft, weiß und fade." Der Satz resümiert ein Menschenleben in einer konkret-unerbittlichen Metapher, die wie der Name des ungeliebten Ehemanns - Dufour: darin steckt "four", "Backofen" - ein banales Hausfrauendasein evoziert. Andere Geschichten brechen das Übersinnliche: "Magie" erzählt von Sascha, der die durch Tischerücken angekündigte Frau seines Lebens verpasst. Der Glauben an höhere Mächte wird ad absurdum geführt: "Irgendwo in den Fäden, die das Schicksal für uns spinnt, muss ein Fehler sein, eine Unregelmäßigkeit.", so die moderne Konklusion zur Unvorhersehbarkeit der Existenz. Stilistisch wirken diese Texte gemäßigt, trotz ihrer harten Sprache.

Modern im stilistischen und medialen Sinne sind paradoxerweise eher die früheren Erzählungen: Sie übertragen filmische Perspektiven und Erzählverfahren auf die Literatur, ein Ansatz, der "David Golder" (1929), dem ersten Roman, den Vorwurf eingebracht hatte, mit Blick auf die Verfilmung verfasst worden zu sein. "Filmische Novellen" nennt Némirovsky solche Erzählungen, und das trifft es genau; der Übergang zu tatsächlichen Drehbüchern, mit "Ein Film" ebenfalls im Band vertreten, ist fließend. Sie entwickeln einen äußerlichen, versachlichenden Blick auf die Figuren, das zeigt die Titelgeschichte "Pariser Symphonie", die 2009 im Archiv der "Société des auteurs de films" wiederentdeckt und 2012 erstmals publiziert wurde. Der Einstieg ist wie die Szenenbeschreibung in einem Skript. Das abendliche Paris wird erst in einem visuellen Tableau gefasst, dann in einem akustischen. Erzählt wird die Geschichte von Mario, einem Musiker, der sein Glück in Paris versucht und eine Erziehung des Herzens durchläuft, welche die Musik mittels Regieanweisungen begleitet: "Das musikalische Thema erklingt zum ersten Mal."

Némirovskys "caméra stylo", ihr Kamerastift, antwortet auf die Krise des Romans, welche die französische Literatur seit dem Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigt. Die immer noch durch rhetorischen Klassizismus geprägte Literatursprache wirkt anämisch, die Experimente von Naturalismus und Symbolismus haben sich erschöpft. Die großen Stimmen der Zeit suchen nach Auswegen: Proust pflegt radikale Subjektivierung und Psychologisierung, Gide entwickelt ein Prisma von Standpunkten und die Selbstreflexion des Romans, Céline will durch Argot-Einsatz und syntaktische Brüche die untergründige Emotion zurückholen, die Surrealisten erforschen das Unbewusste in Traum und Zufall. Auf das Schachbrett möglicher Antworten lässt Némirovsky eine eiskalte Filmkamera springen und deutet damit, wie das Nachwort zu Recht erklärt, bereits auf den Nouveau Roman voraus. Némirovskys Werk ist damit ein, wenn nicht das Missing Link zwischen dem 19. Jahrhundert und den 1950er Jahren.

Die späteren Erzählungen zeigen: Némirovsky bleibt bei dieser Modernität nicht stehen. Novellen wie "Die Diebin" oder "Die Jungfern" beschreiben Schicksalsmomente in der Provinz, in denen Frauen sich in einem huis clos gegenüberstehen. Wenn Marcelle in "Die Diebin" ihre Großmutter durch einen simulierten Klau zwingt, ihre verstorbene Mutter von einer falschen Anschuldigung freizusprechen, oder wenn in "Die Jungfern" die vom Ehemann verlassene Camille zu ihrer Schwester Alberte, einer alten Jungfer, zieht, dann scheinen archetypische Konstellationen auf: In Némirovskys Familienuniversum sind Liebe und Hass vertraute Nachbarn. Die archaischen Gefühle fern der Großstadtmoderne beschreibt sie ohne Kamera, aber in einem geläuterten Stil: "Ach! Ich weiß nicht, ob ich ihn liebte oder nicht. Es ist kaum eine Frage der Liebe. Ich brauchte eine bestimmte Stimmfärbung, das Geräusch seiner Schritte, das Gefühl seiner Hand auf meinem Nacken, brauchte seine Schläge und seine Küsse. Brauchte das alles wie Brot, Wasser und Salz." So pathetisch das Gefühl, so fern ist das deklamatorische Erbe - freilich sind auch die modernistischen Experimente beendet.

Bedauern kann man nur, dass die Anordnung der Texte die Entwicklung nicht abbildet. Ansonsten zeigt "Pariser Symphonie", wie Némirovsky eine sachliche Eleganz entwickelt, die revolutionär gewirkt haben muss, heute jedoch zeitlos vertraut vorkommt.

NIKLAS BENDER

Irène Némirovsky: "Pariser Symphonie". Erzählungen.

Aus dem Französischen übersetzt von Susanne Röckel, Nachwort von Sandra Kegel. Zürich, Manesse Verlag 2016. 226 S., geb., 24,95 [Euro].

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»Eine menschenkluge Beobachterin.« Deutschlandradio Kultur