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Nobelpreis für Literatur 2014
Die Mutter, eine schöne Flämin, kommt 1942 durch einen Offizier der Propagandastaffel nach Paris, um eine Schauspielkarriere zu beginnen. Der Vater, während der deutschen Okkupation als Jude verfolgt, ist ein Lebemann, der vom großen Geld träumt und alles, was er bei zwielichtigen Geschäften gewinnt, bald wieder verliert. Die Ehe der Eltern - eine Fehlentscheidung. Zwei Söhne haben sie, der jüngere stirbt im Alter von neun Jahren. Der ältere, Patrick, wird ins Internat abgeschoben, flieht, wird erneut eingesperrt, immer wieder, bis er schließlich mit dem Vater…mehr

Produktbeschreibung
Nobelpreis für Literatur 2014

Die Mutter, eine schöne Flämin, kommt 1942 durch einen Offizier der Propagandastaffel nach Paris, um eine Schauspielkarriere zu beginnen. Der Vater, während der deutschen Okkupation als Jude verfolgt, ist ein Lebemann, der vom großen Geld träumt und alles, was er bei zwielichtigen Geschäften gewinnt, bald wieder verliert. Die Ehe der Eltern - eine Fehlentscheidung. Zwei Söhne haben sie, der jüngere stirbt im Alter von neun Jahren. Der ältere, Patrick, wird ins Internat abgeschoben, flieht, wird erneut eingesperrt, immer wieder, bis er schließlich mit dem Vater bricht, sich mit kleinen Diebstählen durchschlägt und sein erstes Buch schreibt, mit dem er auf Anhieb Erfolg hat.

Patrick Modiano erzählt von seiner unglücklichen Kindheit. Ohne Pathos, ohne Sentimentalität, ohne Hass oder Anklage: »Ich bin ein Hund, der so tut, als habe er einen Stammbaum.«
Autorenporträt
Patrick Modiano, 1945 geboren, ist einer der bedeutendsten französischen Schriftsteller der Gegenwart. Er erhielt zahlreiche Auszeichungen, darunter den großen Romanpreis der Académie française und den Prix Goncourt. 2012 wurde ihm der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur verliehen und 2014 der Nobelpreis für Literatur.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2015

„Ich war in See gestochen“
Gert Heidenreich liest „Ein Stammbaum“
„Ich schreibe das Leben wie ein Protokoll“, heißt es an einer Stelle. Jahreszahlen, Orte, Namen: Nahezu manisch reiht sie Patrick Modiano in „Ein Stammbaum“ aneinander. In der Hoffnung, durch die Faktizität der Angaben ließe sich die Realität greifen und begreifen. Doch all die Listen sind letzten Endes „Gespensterlisten“. Die Menschen, die auf ihnen stehen, sind verschwunden, gestorben oder wurden ermordet. Die Orte, die angeführt werden, existieren nicht mehr oder haben im Laufe der Jahre ihr Gesicht verändert.
  Nichts ist in den Büchern des Literaturnobelpreisträgers so, wie es scheint. Die Figuren leben in einer Art somnambulem Zwischenreich. Modiano hält an der urfranzösischen Idee der Aufklärung fest – und zeigt doch laufend, wie sie verfehlt wird. Das Paradox, das seine Texte so abgründig macht: Einerseits sind da die Sätze von protokollarischer Strenge und Kühle. Andererseits schließen die Protagonisten immer wieder die Augen und beginnen – zu träumen. „Schwindel. Gefühle“ heißt ein Buch von W.G. Sebald, und bei aller Unterschiedlichkeit der Autoren: Der Titel umschreibt gut Modianos Poetologie. Denn ganz so nüchtern, wie immer wieder behauptet wird – nicht zuletzt vom Autor selbst – sind die Bücher dann doch nicht.
  In „Ein Stammbaum“, in Frankreich 2005 und hierzulande 2007 erschienen, schildert Modiano die ersten 23 Jahre seines Lebens von der Geburt 1945 in der Nähe von Paris bis zur Veröffentlichung des Debütromans „Place de l’Étoile“. Rückblickend kommen noch die Jahre hinzu, in denen Paris von den Nazis besetzt und der jüdische Vater ständig gefährdet war. Die Übersetzerin Elisabeth Edl hat es in ihrem Nachwort auf den Punkt gebracht: Das Buch ist autobiografisch, mit dem gewichtigen Unterschied, dass Modiano sein Leben nicht anders erzählt als das Leben seiner Romanfiguren. Wie ein Detektiv macht er sich auf die Suche nach Kindheit und Jugend, trägt Bruchstücke zusammen, bevor sie „in die kalte Nacht des Vergessens“ entschwinden. Die Sätze sind meist im Präsens gehalten – Versuch, die Vergangenheit zu vergegenwärtigen.
  „Ein Stammbaum“ ist auch als Bildungsroman zu lesen. Patricks hartherzige Eltern trennen sich früh, das Kind wird in muffige Internate gesteckt, die nur das Gefühl des Gefangenseins hinterlassen. Der Junge büxt aus, stiehlt. Oder flieht in Fantasiewelten. Eines seiner Lieblingsbücher heißt „Der geheimnisvolle Frachter“ – es bringt ihn „zum Träumen“. Eine erste Liebe und der Tod des Bruders Rudy werden angedeutet, das endgültige Zerwürfnis mit dem Vater beschrieben. Es wirkt wie eine Befreiung: „Ich war in See gestochen (. . . ). Es war höchste Zeit.“
  Gert Heidenreich ist als Erzähler eine Idealbesetzung. Seine Stimme vereint beides: die protokollarische Aufzählung und das Verträumte. Über weite Strecken klingt sie nüchtern und unaufgeregt, verfügt aber über ein warmes Timbre, das den Hörer auch zum Träumen verführen kann. Auf die Gefahr hin, dass ihm plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Genauso wie es Modianos von Schwindelanfällen heimgesuchten Protagonisten immer wieder passiert.
FLORIAN WELLE
Patrick Modiano: Ein Stammbaum. Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. Gelesen von Gert Heidenreich. Hörbuch Hamburg, Hamburg 2015. 3 CDs, ca. 180 Min, 14,99 Euro.
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