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Es ist ein Rätsel in ihrer Familiengeschichte, ein blinder Fleck. Von Bruno, dem ältesten Bruder ihrer Mutter - dem es gelang, dass alles, was er berührte, zu zittern auf hörte - hieß es immer, er sei bei Stalingrad gefallen. Es war eine Lüge: Als Astrid zufällig davon erfährt, muss sie die Suche nach Bruno aufnehmen, ohne erklären zu können, warum. Und diese Spur führt nach Bukarest ...

Produktbeschreibung
Es ist ein Rätsel in ihrer Familiengeschichte, ein blinder Fleck. Von Bruno, dem ältesten Bruder ihrer Mutter - dem es gelang, dass alles, was er berührte, zu zittern auf hörte - hieß es immer, er sei bei Stalingrad gefallen. Es war eine Lüge: Als Astrid zufällig davon erfährt, muss sie die Suche nach Bruno aufnehmen, ohne erklären zu können, warum. Und diese Spur führt nach Bukarest ...
Autorenporträt
Astrid Seeberger, 1949 in Süddeutschland geboren, zog mit 17 Jahren allein nach Schweden und studierte dort Philosophie, Theater- und Filmwissenschaften sowie Medizin. Sie ist Ärztin am renommierten Stockholmer Karolinska Institut und eine international gefragte Fachreferentin. Dass sie auch eine begnadete Erzählerin ist, bewies sie 2010 mit ihrem ersten essayistischen Buch ¿Schamlose Neugier. Von der Kunst des heilsamen Gesprächs¿. Im Verlag Urachhaus erschienen die Bände ¿Goodbye, Bukarest¿ und ¿Nächstes Jahr in Berlin¿ ¿ die beiden ersten Teile ihrer Familiengeschichte.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Elmar Schenkel findet gut, dass Astrid Seebergers Roman über Familiengeschichte und Identität auch den Leser zur Selbstbefragung anrege. Aus mehreren Perspektiven erzählt die Autorin vom Schicksal des deutschen Fliegers Bruno, von seiner Zeit in einem sowjetischen Lager in Sibirien und von seiner Liebesbeziehung mit einem rumänischen Komponisten und dessen Schwester. Der Rezensent findet in Seebergs Schreiben durchaus poetische Züge, die er aber nicht als "schön" verstanden wissen will: Eher "hart-poetisch" scheinen ihm vor allem die Beschreibungen aus dem Lager. Auch die Darstellungen des künstlerisch reichen, aber von der Diktatur zerfressenen Bukarest, wo Bruno schließlich wohnt, seien von besonderer Intensität. Nur Manches, zum Beispiel die Schlussszene, findet Schenkel etwas sentimental. Trotzdem ein poetisches und "scharf gezeichnetes" Porträt, schließt er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2020

Das frisst die Seele an
Astrid Seeberger geht auf Onkel-Suche

Keine Vatersuche diesmal, sondern die Suche nach einem Onkel. Alle derartigen Suchen dienen der Selbstvergewisserung; sie sollen letztlich antworten auf die Frage: Wer bin ich, wer sind wir Nachgeborenen? Ein Kriterium für das künstlerische Gelingen dieser Suche ist, ob Leser oder Leserin im Laufe der Lektüre beginnen, sich diese Frage selbst zu stellen.

Um es vorneweg zu sagen: Bei Astrid Seebergers Roman "Goodbye Bukarest" kann es zu einer solchen Selbstbefragung kommen, die Signale sind gesetzt. Unter anderem ist dies einem Perspektivwechsel geschuldet. Es gibt eine Erzählerin, die zu Teilen mit der Autorin analog scheint - eine nach dem Krieg geborene Deutsche, die in jungen Jahren nach Schweden auswanderte, weil sie sich in der Heimat unheimatlich-unheimisch fühlte; das NS-Erbe war zu sehr präsent. Und da sind weitere Erzähler: der Deutsche und Halbwaise Dimitri/Hannes, der in einen GULag für Kinder gerät, der Rumäne Dinu, der Sohn eines Deutschen und einer Rumänin . . . alle ihre Erzählungen (oder Aufzeichnungen) drehen sich um eine Person, die man als leeres Zentrum bezeichnen könnte: den deutschen Flieger Bruno, der in russische Gefangenschaft geraten ist.

Es ist dieser Onkel der Erzählerin, dessen Seele wie ein weißes Blatt Papier die Schriftzeichen und Deutungen der Erzählenden anzieht, abweist, aufsaugt, je nachdem. Im Leser will sich für ihn keine rechte Sympathie oder Antipathie entwickeln. Er bleibt weiß und eher durchsichtig, Gefühle prallen an ihm ab. Im sowjetischen Lager in Sibirien entwickelt sich jedoch zwischen ihm und dem rumänischen Komponisten Dinu eine Liebesbeziehung. Dinu wird ein Jahr vor ihm freigelassen, doch wartet er treu in der Nähe des Lagers darauf, dass auch Bruno freikommt. Nach einer langen Odyssee schaffen sie es nach Bukarest, wo sie eine Dreier-WG mit Dinus Schwester, einer Malerin, aufmachen. Dinu wird eifersüchtig, als sich Bruno auch der Schwester zuwendet. Aus dieser Verbindung geht Jakob hervor, der letzte der Erzähler, der viele Stränge bündeln hilft, bevor die Hauptsucherin Astrid wieder die Zügel in die Hand nimmt. Offen bleibt, was die Malerin Nadja zu den Vorgängen und Gefühlen ihrer Mitbewohner zu sagen gehabt hätte. Gibt es Bilder, die das dokumentieren könnten, fragt sich Jakob.

Vieles dieser potentiellen Bilder wird wohl in die Färbungen der Erzählerin eingegangen sein. Ihre Schilderungen aus dem GULag sind dicht und klingen, auch wenn sie von einer Nachgeborenen geschrieben sind, authentisch und hart-poetisch. Überhaupt ist das Buch von poetischen Strömen durchzogen; man sollte sie allerdings nicht mit Schönheit verwechseln, obwohl sie sich auch mit lyrischen Momenten anfüllen können. Neben dem Malerischen als Metaphernquelle ist vor allem die Musik sicht- und hörbar. Das Thema "Bruno" wird in allen Variationen vorgespielt. Musik ist ja Dinus Welt, sie bildet Untertöne, die dem Überleben dienen und helfen, die aber auch Erinnerungen wecken oder zum Lesen von Thomas Manns "Doktor Faustus" anleiten, das die Erzählerin eines Abends nach dem Hören der "Winterreise" wie hypnotisiert aus dem Regal zieht. Denn es ist etwas mit dem Pakt zwischen Komponist und Teufel, das auch in die Dynamik dieser Beziehungen hineinstrahlt.

Nach den dichten Beschreibungen der Lagerwelt erreicht der Roman eine weitere Intensität, wenn er in den verwirrenden armen und zugleich künstlerisch reichen Kosmos von Bukarest eintaucht. Arm, weil hier der "Schatten" regiert, Nicolae Ceausescu, der sein Tentakel bis in die feinsten und fernsten Winkel der rumänischen Seele ausstreckt, die Menschen sind ausgehöhlt, sie können jederzeit umkippen, denunzieren und dem Verrat anheimfallen. Diktatur kann die Seele anfressen.

Am Ende (die Schlussszene ist etwas kitschig) geht es um Schutzräume, die zum Überleben helfen: Musik, eine seltene Pflanze in einem urbanen Gebiet, Berührungen. Und so verschwindet Bukarest, verschwinden menschliche Beziehungen und bleiben nur noch in Bildern erhalten wie denen von Nadja - aber wo sind sie geblieben - oder in den Klängen, die ein verzweifelter Mensch komponierte. Ein tief gefühltes, poetisches, manchmal sentimentales, aber doch scharf gezeichnetes Porträt von Menschen, über die man eigentlich nichts weiß.

ELMAR SCHENKEL

Astrid Seeberger: "Goodbye Bukarest". Roman.

Urachhaus, Stuttgart 2020. 244 S., geb., 22,- [Euro].

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