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Produktdetails
Trackliste
CD 1
1At long last love00:05:01
2Easy Walker00:09:46
3Tin Tin Deo00:05:37
4I've Got A Crush On You (Live)00:05:15
5A Foggy Day00:04:31
6Like Someone In Love00:11:19
CD 2
1On A Clear Day00:04:28
2I'm in the mood for love00:17:14
3Girl Talk00:05:40
4Medley [I concentrate on you / Moon river]00:06:31
5Robbin's nest00:06:18
CD 3
1Waltzing Is Hip00:06:07
2Satin Doll00:10:01
3Love Is Here To Stay00:04:50
4Sandy's Blues00:09:33
5Alice In Wonderland00:04:47
6Noreen's nocturne00:05:17
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2014

Aber der Lautstärkesprung, der bleibt
Der Katalog der legendären Jazzfirma MPS kommt wieder auf den Markt, teilweise sogar als schweres Vinyl

Für Jazzfans ist das Label MPS eine Legende, die im Laufe der Zeit, seit dem Ende der Musikproduktion im Jahr 1982, immer größer geworden ist. In dieser Legende kommt den sogenannten Privataufnahmen des kanadischen Pianisten Oscar Peterson die Funktion des heiligen Grals zu. Nie zuvor oder danach klang der manische Schnellspieler so gut und auch entspannt wie auf diesen sechs Platten, die seinerzeit unter dem Rubrum "Exclusively For My Friends" veröffentlicht wurden - so fühlte sich jeder Schallplattenkäufer, als wäre er zu einem Privatkonzert eingeladen.

Der Katalog des Labels, der mehr als fünfhundert Alben umfasst, geistert seitdem durch die Plattenindustrie und wurde mal hier und mal dort mehr oder weniger sachkundig ausgebeutet. Jetzt hat die Hamburger Firma Edel ihn erworben. Sie will alle Aufnahmen online verfügbar machen. Noch viel interessanter ist, dass das Label auch ausgewählte Produktionen als Langspielplatten wieder auf den Markt bringt, in schwerem Vinyl. Den Anfang machte eine Box mit sechs Oscar-Peterson-Platten: "Exclusively For My Friends". Im Herbst sollen Einzel-LPs von Ella Fitzgerald, Joe Pass und der Vokalgruppe Singers Unlimited folgen, im nächsten Frühjahr dann Joe Henderson und Stéphane Grappelli.

Alle Platten kommen in den originalen Hüllen auf den Markt und werden aufwendig remastered. Das ist schwierig, weil man dabei streng analog vorgeht - nicht umsonst heißt das Label, auf dem die Platten bei Edel erscheinen, AAA. Die drei Buchstaben waren einst das Gütesiegel für Freunde von analogen Aufnahmen, denn sie bedeuten, dass die Musik analog aufgenommen, gemischt und gemastert wurde. Beim Aufkommen der Compact Disc wurde mit diesen Buchstaben dann so viel Schindluder getrieben, dass die Einteilung in "A" und "D" (für digital) von den Rückseiten der CD-Cover fast vollständig verschwunden ist.

Produzent Dirk Sommer, der im Verbund mit dem Toningenieur Christoph Stickel für das Remastering der MPS-Aufnahmen verantwortlich ist, erklärt seine Philosophie so: "Ein Lautstärkesprung im Applaus, weil ein Raummikrofon etwas verzögert eingeschaltet wurde? Lässt sich ausgleichen. Man könnte auch das gesamte Klatschen wegschneiden, wie das bei den Veröffentlichungen der Alben auf SACD gemacht wurde. All das haben wir nicht getan."

Stattdessen übten Sommer und Stickel sich in vorsichtigen Maßnahmen zur Klang-Optimierung. Sie haben, sagt Sommer, "sehr behutsam zum Beispiel dem Piano seinen an einigen Stellen recht topfigen Klang genommen, dem Bass hier und da zu etwas mehr Druck verholfen oder einem Schlagzeugbecken etwas mehr Glanz gegeben oder Schärfe genommen." "Den Lautstärkesprung haben wir übrigens so gelassen, wie er war. Denn so ist er auch auf der im Jahre 1968 erschienenen Schallplatte zu hören."

Das macht die Oscar-Peterson-Box zu einem Ereignis: So gut klang der Pianist noch nie. Zum Wohlklang der Original-Aufnahmen trägt aber auch schon die persönliche Beziehung bei, die Peterson zu dem vor zehn Jahren verstorbenen MPS-Gründer Hans-Georg Brunner-Schwer hatte. Der hatte das schon zum Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung 1968 erkannt: "Man sollte nicht alles auf die Technik schieben. Es kommt auf die ganze Atmosphäre an, die bei den Aufnahmen herrscht. Wir haben alle Aufnahmen in meinem Privathaus gemacht. Alle Stücke entstanden bei Partys."

MPS - das Kürzel steht für Musikproduktion Schwarzwald - war ein Gesamtkunstwerk. Die Platten erschienen oft in aufwendigen Klapp-Hüllen, avantgardistisches Design oder dokumentarische Fotos prägten die Cover. So stammt das ikonische Foto des schwitzenden Oscar Peterson auf "Action", der ersten LP der Reihe, von dem berühmten Jazzfotografen Sepp Werkmeister.

Auch musikalisch ließ sich Brunner-Schwer nicht einschränken. Neben seiner Liebe für das Mainstream-Piano-Trio Petersons ließ er auch progressivere Klänge gelten. Der Stuttgarter Jazzpianist Wolfgang Dauner veranstaltete perkussive Happenings im Studio in Villingen, Friedrich Gulda wandte sich von der Klassik ab und dem Jazz zu, George Duke, der auch selbst auf MPS veröffentlichte, präsentierte dem verdutzten Brunner-Schwer drei singende Schwestern von den Philippinen. Jazzpapst Joachim-Ernst Berendt durfte wegweisende Aufnahmen mit Joachim Kühn, Albert Mangelsdorff oder Pierre Favre produzieren, der Amerikaner Art van Damme wurde zu einem kurzzeitigen Star am Akkordeon. Jazzrock mit Volker Kriegel und Freejazz mit Gunter Hampel wurden genauso gepflegt wie der Breitwand-Sound eines George Gruntz oder Peter Herbolzheimer. All das wurde in hektischer Betriebsamkeit auf den Markt geworfen. Waren die Aufnahmen erst einmal im Kasten, interessierte sich Brunner-Schwer meist nicht mehr für den Werdegang der Schallplatten. Werbung, Marketing und Promotion waren Fremdworte für den technisch interessierten Macher, der tagelang an der richtigen Mikrophonierung eines Flügels tüfteln konnte. Im 2006 erschienenen Dokumentarfilm "Jazzin' The Black Forest" hat die Regisseurin Elke Baur sich auf Spurensuche begeben und viele Beteiligte aus vergangenen Tagen vor die Kamera bekommen.

In Villingen lebt MPS übrigens weiter, und zwar in Form des Labels HGBS, das nach den Initialen des MPS-Gründers benannt wurde. Obwohl das Label vorrangig zeitgenössische Musiker betreut - wie zum Beispiel die koreanische Pianistin Gee Hye Lee oder die Sängerin Esther Kaiser -, fühlt es sich dem MPS-Erbe ebenfalls verpflichtet. Gute Zeiten also für alle, die sich vom Wahrheitsgehalt des Mythos MPS überzeugen wollen. In knapp zwei Jahrzehnten schufen Brunner-Schwer, Berendt und viele andere ein Gebirge an gehaltvollen Aufnahmen, von dem nachgeborene Jazzmusiker noch heute zehren. Dass dies jetzt endlich wieder zugänglich gemacht wird, ist ein Glücksfall.

ROLF THOMAS

Oscar Peterson: Exclusively For My Friends

(MPS AAA 0209478 MSW/ Edel Kultur)

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