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Margaret Stonborough, die Schwester des Philosophen Ludwig Wittgenstein, hatte bereits seit ihrer Jugend einen großen intellektuellen Einfluss auf ihren Bruder ausgeübt. Als gefeierte Fin-de-Siècle-Schönheit von Gustav Klimt anlässlich ihrer Verlobung 1904/05 porträtiert, macht sie sich selbst als Sammlerin und Mäzenin um die österreichische Moderne verdient. Sie vergab zahlreiche Aufträge an die Wiener Werkstätte, veranlasste den Ausbau der Villa Toscana in Gmunden und initiierte den Bau des Palais Wittgenstein in Wien, wo ihr Salon zu einem der Zentralisationspunkte österreichischen…mehr

Produktbeschreibung
Margaret Stonborough, die Schwester des Philosophen Ludwig Wittgenstein, hatte bereits seit ihrer Jugend einen großen intellektuellen Einfluss auf ihren Bruder ausgeübt. Als gefeierte Fin-de-Siècle-Schönheit von Gustav Klimt anlässlich ihrer Verlobung 1904/05 porträtiert, macht sie sich selbst als Sammlerin und Mäzenin um die österreichische Moderne verdient. Sie vergab zahlreiche Aufträge an die Wiener Werkstätte, veranlasste den Ausbau der Villa Toscana in Gmunden und initiierte den Bau des Palais Wittgenstein in Wien, wo ihr Salon zu einem der Zentralisationspunkte österreichischen Geisteslebens wurde. Bedeutend ist auch ihr soziales Engagement, insbesondere ihre Organisation einer amerikanischen Hilfsmission zugunsten hungerleidender Wiener Kinder. In der NS-Zeit verhalf sie zahlreichen Wiener Juden, unter anderen Sigmund Freud, zur Flucht, bis sie schließlich selbst zur Emigration gezwungen wurde. Nach Kriegsende wieder nach Österreich zurückgekehrt, konnte sie während der Ungarnkrise 1956 zum letzten Mal ihr soziales Engagement einbringen und starb 1958 in Wien.
Autorenporträt
Ursula Prokop ist freiberufliche Architektur- und Kunsthistorikerin. Neben zahlreichen Publikationen zur Wiener Architektur (Wien Aufbruch zur Metropole, 1994, Margaret Stonborough - Wittgenstein, 2003), auch spezielle Beiträge über jüdische Architekten (Zum jüdischen Erbe in der Wiener Architektur, 2016). Daneben Beteiligung an diversen Forschungsprojekten (u. a. AzW: Architektenlexikon Wien 1770-1945) und freie Mitarbeiterin der Kulturzeitschrift "David".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2003

Eine Frau aus Wien geht ihren Weg

Sie war viel mehr als die Schwester des Philosophen Ludwig Wittgenstein: Eine Biographie holt das Leben der Margaret Stonborough-Wittgenstein aus dem Schatten.

VON DANIELA GREGORI

WIEN. Schon einmal - in den Jahren 1904/1905, während ihrer Brautzeit - hatte ein berühmt-berüchtigter Frauenfreund sie, diese hochintelligente und geistreiche Schönheit aus bestem Hause, porträtiert. Tatsächlich sollte es bei Gustav Klimts Porträt bleiben. Denn als sich die durchaus vermögende Österreicherin mit amerikanischem Paß im Herbst 1928 abermals von prominenter Stelle malen lassen wollte, verweigerte kein anderer als Pablo Picasso, damals schon ganz Malerfürst, im Herbst 1928 ein Treffen in Paris.

Auch diesmal, wie fast ein Vierteljahrhundert zuvor, stand die jetzt Sechsundvierzigjährige vor einem neuen Lebensabschnitt: Sie hatte sich gerade, als Bauherrin, ein Heim geschaffen, das - so befand ihre Schwester - zu ihr paßte "wie der Handschuh auf die Hand", ein Haus, das Architekturgeschichte schreiben sollte. In die Kunstgeschichte freilich ging sie mit jenem Bildnis ein, das Klimt schuf, kurz vor ihrer Eheschließung mit Jerome Stonborough.

Die Wiener Kunsthistorikerin Ursula Prokop hat nun den Versuch unternommen, Margaret Stonborough-Wittgenstein in einer umfassenden Biographie als Bauherrin, Intellektuelle und Mäzenin der Kunst und Wissenschaft zu würdigen und sie so aus einem - nicht immer freundlich formulierten - Randdasein als Schwester des Philosophen Ludwig Wittgenstein zu befreien. Doch zunächst einmal war Margaret, familienintern stets "Gretl" genannt, Margherita und vor allem Tochter. Für die Eltern Karl und Leopoldine, beide aus jüdisch-assimilierten Familien stammend, ist Margaret das siebente Kind von neun. Der Vater, der gemeinsam mit Paul Kupelwieser das mächtigste Eisen- und-Stahl-Imperium der Donaumonarchie errichtete, war kurz vor seinem Abitur im Alter von siebzehn Jahren mit einer Geige, einem gefälschten Paß und einer Barschaft von nur 200 Gulden von zu Hause ausgebüchst, um zwei Jahre lang in Amerika das Abenteuer zu suchen; erst danach erlangte er die Hochschulreife und absolvierte sein Technikstudium. Er war erfolgreich, gutaussehend, sportlich wie musisch talentiert, hatte Witz - kurz, er war nahezu perfekt.

Ein Umstand, der die drei überlebenden Töchter Hermine, Helene und Margaret - Dora, die zweitgeborene, war bei der Geburt gestorben - weniger betraf als die Söhne: Diese, sämtlich von musischer Veranlagung wie ihre Schwestern, scheiterten am übermächtigen Vater, dem eine völlig überforderte Ehefrau zur Seite stand. Hans und Rudi begingen noch als junge Männer Selbstmord; Kurt setzte 1918 als Offizier an der italienischen Front seinem Leben ein Ende. Nur die jüngeren Brüder Paul, der trotz des Verlusts seines rechten Arms im Ersten Weltkrieg seine Karriere als Pianist fortsetzte, und Ludwig, der sein gesamtes Erbe den Geschwistern (mit Ausnahme von Margaret) überläßt, können sich einigermaßen vom Vater emanzipieren.

Die überlebenden Geschwister blieben, nicht immer ganz konfliktfrei, stets miteinander zumindest durch Briefe in Kontakt und Hermine, der Ältesten, verbunden, die nach dem Tod des Vaters zum oftmals vermittelnden Kopf des Familienclans wurde. Hermine und Margarets eigene, bislang unveröffentlichten Tagebucheintragungen und Erinnerungen samt dem umfangreichen Briefwechsel der Familie bilden die Grundlage für die Darstellung von Margarets feinsinniger, eigenwilliger und selbstbewußter Persönlichkeit.

Als die Stimmung im Haus Wittgenstein nach dem Suizid der beiden Brüder immer unerträglicher wurde, flüchtete sich die damals Dreiundzwanzigjährige in eine unglückliche Ehe mit dem New Yorker Fabrikantensohn Jerome Stonborough, der verschwägert war mit den Guggenheims und es sich leisten konnte, seinen naturwissenschaftlichen Forschungen und seiner Rastlosigkeit an den unterschiedlichsten Orten in ganz Europa nachzugehen, was von Margaret ein ständiges Einrichten immer neuer Wohnsitze erforderte. Wo auch immer sie gerade mit ihrem Mann und den beiden Söhnen Thomas und John lebte, führte Margaret - der Familientradition entsprechend - einen offenen Salon, in dem die geistigen Größen der Zeit ein und aus gingen. Sie sammelte leidenschaftlich Kunst, und sie engagierte sich sozial, förderte und unterstützte, so gut sie nur konnte.

Was Margaret freilich von all den anderen Töchtern des Großbürgertums unterschied, war, daß sie von allem etwas mehr hatte: Ihr scharfer Intellekt und eine gepflegte Eloquenz machten sie zu einer beliebten Gesprächspartnerin und verhalfen ihr zu Kontakten, die sie bestens zu nutzen verstand. Mit beinahe sportlicher Ambition in der Subversion von Behörden, mit Risikobereitschaft und einem amerikanischen Reisepaß verhalf sie nicht nur ihrer, gemäß der nationalsozialistischen Rassengesetze als jüdisch geltenden Familie zum Überleben, sondern auch unzähligen anderen zur Emigration. Als Bauherrin setzte sie gemeinsam mit dem Architekten Rudolf Perco in der Sommerresidenz Villa Toscana die eigenwilligsten Raumideen durch; gemeinsam mit Paul Engelmann und ihrem Bruder Ludwig schuf sie mit dem Palais Stonborough-Wittgenstein ein Stück Architektur in Wien, das noch heute als "hausgewordene Logik", wie die Schwester Hermine es nannte, bezeichnet werden kann.

Als Margaret - für ihre Verhältnisse inzwischen mittellos - nach dem Zweiten Weltkrieg aus der New Yorker Emigration wieder nach Wien kam, hatte sie noch etwas mehr als ein Jahrzehnt zu leben. Der sukzessive Verkauf ihrer Sammlung sicherte ihr das Überleben, so daß nach ihrem Tod nichts mehr von der einstigen Pracht übrigblieb. Ihr Porträt von Klimt ist heute im Besitz der Neuen Pinakothek in München; im Wiener Wittgenstein-Palais befindet sich heute das Bulgarische Kulturinstitut. Die Biographie von Ursula Prokop läßt, was auf dem Weg vom Damals ins Heute liegt, noch einmal in spannender Weise lebendig werden.

Ursula Prokop: "Margaret Stonborough-Wittgenstein. Bauherrin, Intellektuelle, Mäzenin". Böhlau Verlag, Wien 2003. 284 S., geb., Abb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.07.2003

Individuelles Wohnen in steingewordener Logik
Schöpferisch ohne ein Werk zu hinterlassen: Ursula Prokop erforscht das Leben von Margaret Stonborough-Wittgenstein, Ludwigs Schwester
„Ihr habt euch doch nicht auch malen lassen / ihr seid doch nicht /auf einen solchen malenden Scharlatan hereingefallen / Habt ihr euch malen lassen oder nicht ...” Doch, sie hatten sich selbstverständlich alle malen lassen, und umso besser, wenn der malende Scharlatan Gustav Klimt hieß. Was in der Thomas Bernhardschen Suada seinen literarischen Nachklang fand, ist nichts anderes als die Usance des Wiener Großbürgertums der Jahrhundertwende, sein Selbstbewusstsein in einer Kunst darzustellen, die dem Geschmack der Zeit entsprach und den Anspruch auf gesellschaftliche Bedeutung unterstrich. „Repräsentationsportraits” eben, und eines der bekanntesten ist das der Margaret Stonborough-Wittgenstein, das zu einer Ikone des Wiener Jugendstils wurde. Über das Leben der Dargestellten war bislang wenig mehr bekannt als das, was in den Biographien des berühmteren Familienmitgliedes, ihres Bruders Ludwig, zu lesen ist. Im Vergleich zu den fünf hochbegabten Brüdern, von denen drei Selbstmord begingen, verlief das Leben der drei Schwestern unspektakulär. Es war deshalb aber nicht das „harmonische, bürgerliche Leben”, wie noch eine neuere Wittgenstein-Monographie behauptet.
Einiges spricht also dafür, sich wie die Kunsthistorikerin Ursula Prokop gegen eine in die Sozial- und Kulturgeschichte der Wiener Moderne ausgreifende Darstellung und für eine Lebensbeschreibung zu entscheiden. Deren Grundlage sind Erinnerungen und Briefwechsel aus dem Nachlass, die Prokop neu erschlossen hat und in einer leider gelegentlich arg redundanten Weise präsentiert. Beschrieben wird eine nicht immer sympathische aber exemplarische Vertreterin des Wiener Großbürgertums, die über eine eigenwillige und durchsetzungsstarke Persönlichkeit verfügte, um ihrem Leben innerhalb der bürgerlichen Konvention eine eigene Kontur zu verleihen.
Man muss nicht, wie es die Biographin einleitend auf fast entschuldigende Weise tut, den Begriff der „sozialen Kreativität” für eine Form der Lebensführung bemühen, die schöpferisch war, ohne ein Werk zu hinterlassen. Kreativität war in der Wittgenstein-Familie ein reichlich vorhandenes Erbteil, das jedoch nicht alle Kinder produktiv umsetzen konnten: im Gegensatz zu den musikalisch begabten Brüdern, denen eine Laufbahn in der Industrie aufgezwungen wurde, blieb den Schwestern die Möglichkeit, ihre künstlerischen Ambitionen zwischen Hauskonzerten, Lektürekreisen und einer sich ständig vergrößernden Kunstsammlung zu entfalten.
Am Leitfaden der Biographie Margaret Stonboroughs reiht die Autorin die mit dem Namen Wittgenstein verbundenen Elemente auf, angefangen von der Karriere des Vaters, Karl Wittgenstein, der als Stahlindustrieller ein sagenhaftes Vermögen erwarb und einer der bedeutendsten Förderer der Wiener Secession war. Spektakuläre Neuheiten kommen dabei nicht zutage, doch wird Bekanntes präzisiert und in eine neue Perspektive gerückt. Etwa die Baugeschichte des als „Haus Wittgenstein” in die Literatur eingegangenen Stadtpalais, an dem exemplarisch einige Charakterzüge der Bauherrin deutlich werden. So ist es einer ihr eigenen Mischung aus Traditionsgebundenheit und Experimentierfreude zuzuschreiben, dass der Entwurf den repräsentativen Gestus des 19. Jahrhunderts, insbesondere Margarets Wunsch nach einer zentralen Halle, mit der Formensprache der Moderne verbindet und sich damit, wie die Autorin vorsichtig anmerkt, „allen damals gängigen Kategorien” entzieht.
Dass das Haus nicht in den siebziger Jahren dem Abriss zum Opfer fiel, verdankt sich der Tatsache, dass ihr Bruder Ludwig als Architekt daran mitwirkte. Das war nicht nur eine therapeutische Maßnahme der fürsorglichen älteren Schwester für den gerade in seinem Lehrerberuf gescheiterten Philosophen, sondern hatte darüber hinaus den Vorteil, dass gemeinsam mit einem zweiten, unbekannten und daher beeinflussbaren Architekten ein Haus entstand, das ganz auf die Individualität der Bewohnerin zugeschnitten war. Auch wenn an dem Gebäude Wittgensteins Auseinandersetzung mit Adolf Loos’ Neuer Sachlichkeit abzulesen ist, schwankt die architekturhistorische Einschätzung zwischen „gebauter Philosophie” und einem nicht sonderlich ansehnlichen und wenig komfortablen Kasten – der jedenfalls ohne Berücksichtigung finanzieller Aspekte entstanden war. Einmal führte der „kompromisslose Perfektionismus” Ludwig Wittgensteins zu einem Weinkrampf des für die Kalkulation zuständigen Ingenieurs, als er kurz vor Abschluss des Baues die Decken um wenige Zentimeter anheben ließ, um die von ihm gewünschten Proportionen zu erzielen.
Auf der Rückseite der bisher bekannten Lebensgeschichte zeichnet sich das Gegenteil eines harmonischen Lebens ab, das geprägt war von Krankheiten und einer desaströsen Ehe, an der Margaret auch noch festhielt, als ihr von ihrem Mann angelegtes Vermögen in der Weltwirtschaftskrise auf ein Viertel zusammenschmolz. Der Gewinn dieser Ehe bestand in der amerikanischen Staatsbürgerschaft, die ihr das Exil ermöglichte und sie vor der Judenverfolgung schützte. Ihr über die Jahre geübtes soziales Engagement – oft mit einer gehörigen Portion Resolutheit praktiziert – führte sie auch in schwierigen Situationen fort, etwa als sie 1938 Freuds Emigration nach England unterstützte oder als sie in den fünfziger Jahren, als von ihrem Vermögen fast gar nichts mehr geblieben war, ungarischen Flüchtlingen in ihrem Haus Unterkunft gewährte.
Ihr Portrait aber verkaufte sie trotz aller finanziellen Schwierigkeiten nicht, und gewiss versteckte sie es auch nicht auf dem Dachboden wie die Protagonisten in Bernhards Stück „Ritter, Dene, Voss”. Heute hängt es in der Münchner Neuen Pinakothek.
SONJA ASAL
URSULA PROKOP: Margaret Stonborough-Wittgenstein. Bauherrin, Intellektuelle, Mäzenin. Böhlau Verlag, Wien 2003. 284 Seiten, 29,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Eine interessanten Einblick in die Familie Wittgenstein, die "so exemplarisch zwischen Weltläufigkeit und Wahn lebte" bietet diese Biografie Margaret Stonborough-Wittgensteins, der Schwester von Ludwig Wittgenstein nach Meinung des Rezensenten Paul Jandl. Durch den ungewohnten Focus sei es möglich, einen anderen Blick auf die Wiener Familie und ihre bewegte Geschichte zu werfen: "Selbstmorde und andere Tragödien bestimmen die Familienbiografie ebenso wie schließlich die Signaturen der Politik", schreibt Jandl. Wie die Autorin Ursula Prokop das Leben Stonborough-Wittgensteins mit "Technik, Kunst und Philosophie der Moderne" in einen sozialen Zusammenhang bringt, findet der Rezensent sehr "verdienstvoll".

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